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Beweis I: Die bedeutungslosen Beweistatsachen, oder: „keine zwingenden Rückschlüsse“ ist bedeutungslos

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Heute dann mal wieder StPO, und zwar drei Entscheidungen, die mit der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu tun haben.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 16.07.2024 – 5 StR 255/24 -, der sich noch einmal zur „bedeutungslosen Tatsache“ äußert. Das LG hatte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte mit einer  Beweisantragsrüge Erfolg:

„1. Zu Recht macht der Beschwerdeführer geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die beantragte Einvernahme zweier Zeugen abgelehnt.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

Der Beschwerdeführer hat in der Hauptverhandlung die erneute Vernehmung des Zeugen T.  zum Beweis der Tatsache beantragt, dass der Nebenkläger im Anschluss an die erste Vernehmung des Zeugen im Hauptverhandlungstermin vom 2. November 2023 diesen noch im Gerichtsgebäude im Foyer angesprochen und massiv damit bedroht habe, ihm und seiner Familie etwas anzutun. Aus der Antragsbegründung geht hervor, dass der Zeuge in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung die Einlassung des Angeklagten gestützt hatte, wonach dieser die ihm vorgeworfene Tat nur zum Zweck der Abwehr eines Angriffs des Nebenklägers verübt haben will, zu dem es gekommen sei, nachdem er ein Angebot des Nebenklägers zum Erwerb von Drogen abgelehnt habe. Die erneute Einvernahme des Zeugen T. sei erforderlich, um das erhebliche und sich plötzlich und unvermittelt entfaltende Aggressionspotential des Nebenklägers zu dokumentieren, welcher nicht einmal in einem öffentlichen Gerichtsgebäude davor zurückschrecke, ihm zuvor vollkommen unbekannte Personen derart zu bedrohen, dass diese nachhaltig verängstigt seien und um ihre Gesundheit und Leben fürchteten. Zum Nachweis desselben Geschehens hat die Verteidigung zugleich beantragt, auch den zum Zeitpunkt des Vorfalls im Gerichtsgebäude diensthabenden Pförtner als Zeuge zu vernehmen.

Das Landgericht hat den Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit gemäß § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO abgelehnt. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass die unter Beweis gestellten Tatsachen selbst im Falle ihres Erwiesenseins nur mögliche, aber keine zwingenden Rückschlüsse auf das angeklagte Tatgeschehen zuließen. Es fehle schon an einem Bezug zum Tatvorwurf; das unter Beweis gestellte Geschehen habe sich gut acht Monate später im Gerichtsgebäude abgespielt. Es möge so sein, dass der Nebenkläger und der Zeuge am 2. November 2023 in der beschriebenen Art und Weise im Gerichtsgebäude aufeinander getroffen seien. Aber zu der Frage, ob der Angeklagte am 1. März 2023 in einer Notwehrsituation dem Nebenkläger einen Messerstich in den Rücken versetzt habe und ob er von weiteren möglichen Stichen freiwillig Abstand genommen habe, gebe der Vorfall – unterstellt, er habe so stattgefunden – keine zwingenden Antworten und lasse keine zwingenden, sich selbsterklärenden Rückschlüsse zu.

b) Die zulässig erhobene Rüge ist begründet, da die Ablehnungsentschei-dung des Landgerichts den Anforderungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nicht genügt.

Tatsächlich bedeutungslos sind Indiz- beziehungsweise Hilfstatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Sachzusammenhang besteht oder sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulassen und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will (BGH, Urteile vom 25. August 2022 – 3 StR 359/21 Rn. 63 mwN, StV 2023, 293; vom 10. August 2017 – 3 StR 549/16, NStZ 2018, 111; LR-StPO/Becker, 27. Aufl., § 244 Rn. 220). Der angegriffene Ablehnungsbeschluss lässt jedoch schon nicht klar erkennen, auf welchen dieser denkbaren Gründe einer Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen er gestützt sein soll.

Sofern die Strafkammer schon jeglichen Zusammenhang zwischen der mit dem Antrag unter Beweis gestellten Tatsache und dem Gegenstand der Urteilsfindung verneinen wollte, weil ein „Bezug zum Tatvorwurf“ fehle, stünde dies im Gegensatz zu den Urteilsgründen. Dort wurde ausgeschlossen, dass der Nebenkläger den Angeklagten – wie von letzterem behauptet – plötzlich und nur wegen des abgelehnten Drogenangebots mit Faustschlägen angegriffen hatte. Begründet wurde dies damit, dass sich ein derartiges Agieren für den erst 22 Jahre alten, unbewaffneten, nicht vorbestraften und aus Afghanistan geflüchteten Nebenkläger in keiner Weise erschließe und der Strafkammer lebensfremd erscheine. Mit der Beweistatsache zielt der abgelehnte Antrag aber ausdrücklich darauf ab, gerade ein sich „plötzlich und unvermittelt entfaltendes Aggressionspotential“ des Nebenklägers zu dokumentieren, als dieser eine ihm zuvor vollkommen unbekannte Person bedrohte, und damit ein der Sachverhaltsschilderung des Angeklagten potentiell vergleichbares Geschehen unter Beweis zu stellen. Angesichts dessen hätte näherer Begründung bedurft, wie ein Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Untersuchungsgegenstand gleichwohl schon dem Grunde nach auszuschließen sein könnte. Dabei erlaubt § 244 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO es dem Tatgericht nicht, die Bedeutungslosigkeit lediglich aus dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme abzuleiten (BGH, Urteil vom 25. August 2022 – 3 StR 359/21 Rn. 63 mwN, StV 2023, 293).

Sollte die Strafkammer dagegen einen solchen Zusammenhang für möglich erachtet und lediglich entschieden haben, die mit dem Antrag intendierte Folgerung nicht vorzunehmen, hat sie dabei einen falschen Maßstab zugrunde gelegt. Eine Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache konnte auf diesem Weg nicht bereits damit begründet werden, dass diese „keine zwingenden Rückschlüsse“ auf das Tatgeschehen gebot. Denn tatsächliche Schlüsse müssen nicht zwingend sein. Es genügt vielmehr, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 14/20, NJW 2020, 2741; Urteile vom 16. Februar 2022 – 5 StR 320/21, NStZ 2023, 568; vom 3. Juli 2024 – 5 StR 535/23). Entsprechend hätte es im Ablehnungsbeschluss konkreter fallbezogener Erwägungen dazu bedurft, warum – obwohl dies grundsätzlich in Betracht kam – aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen gezogen werden sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – 3 StR 308/17; LR-StPO/Becker, 27. Aufl., § 244 Rn. 220). Das Tatgericht hat die unter Beweis gestellte Tatsache dabei so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen. Sodann hat es im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung – gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelsatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2023 – 1 StR 340/23, NStZ 2024, 379). Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (BGH, Beschluss vom 7. August 2023 – 5 StR 550/22 mwN). Entsprechende Ausführungen finden sich in dem Ablehnungsbeschluss des Landgerichts nicht.

c) Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte bei rechtsfehlerfreier Entscheidung über den Beweisantrag erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können und das Landgericht zu einer anderen, für den Angeklagten günstigeren Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen gelangt wäre.“

Beweisantrag II: Fristsetzung beim Beweisantrag, oder: War die Einhaltung der gesetzten Frist unmöglich?

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Im zweiten Posting stelle ich hier den BGH, Beschl. v.  13.03.2024 – 5 StR 393/23 – vor. Die Angeklagten sindt vom LG u.a. wegen wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Dagegendie Revisionen, die keinen Erfolg hatten. In seinerm Verwerfungsbeschluss hat der 5. Strafsenat „ergänzend“ zum Vortrag des GBA zu den erhobenen Verfahrensrügen Stellung genommen, und zwar wie folgt:

„2. Zu den von dem Angeklagten Y. erhobenen Verfahrensrügen, die unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten das Setzen einer Frist zur Stellung von Beweisanträgen und die Ablehnung eines nach Ablauf der Frist gestellten „Beweisantrags“ in den Urteilsgründen beanstanden, bemerkt der Senat über die Ausführungen des Generalbundesanwalts hinaus ergänzend:

a) Soweit geltend gemacht wird, die Frist habe nicht bestimmt werden dürfen, weil kein Verdacht für eine Prozessverschleppung bestanden habe, ist diese Rechtsauffassung unzutreffend (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22, NJW 2024, 1122 ff.; vom 10. Januar 2024 – 6 StR 276/23, NJW 2024, 1594, 1595).

b) Mit der Stoßrichtung, die Frist sei angesichts der langen Verfahrensdauer und komplexen Beweisaufnahme unangemessen kurz gewesen, erweist sich die Rüge als unzulässig, weil sie den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt. Denn die Revision hat den sich aus der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft ergebenden Umstand verschwiegen, dass die Verteidiger schon längere Zeit vor der Fristsetzung (jedenfalls sechs Wochen) darüber informiert waren, dass die Strafkammer die Beweisaufnahme schließen wollte. Ohne die Kenntnis dieser Zeitabläufe wäre dem Senat eine Prüfung der Angemessenheit der Fristsetzung nicht möglich gewesen.

c) Darüber hinaus rügt die Revision, die Strafkammer habe durch Bescheidung des nach Fristablauf gestellten Antrags erst im Urteil gegen § 244 Abs. 6 Satz 3 und 4 StPO und den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen.

aa) Der Verfahrensbeanstandung liegt das folgende Geschehen zugrunde:

Am 171. Hauptverhandlungstag verfügte der Vorsitzende, dass den Beteiligten eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen von einer Woche gesetzt werde. Auf Beanstandung am nächsten Hauptverhandlungstag – noch vor Fristablauf – wurde die Verfügung des Vorsitzenden von der Strafkammer bestätigt; eine Gegenvorstellung vom 173. Hauptverhandlungstag, einem Freitag, an dem die Frist ablief, wies die Strafkammer mit Beschluss vom selben Tag zurück. Am darauffolgenden Hauptverhandlungstag stellte einer der Verteidiger den Antrag, einen namentlich und mit Anschrift bezeichneten Zeugen zu laden mit der Begründung, dieser werde bekunden, dass er „während eines Aufenthalts in einem öffentlichen Raum“ ein Gespräch des Geschädigten „mit einer anderen männlichen Person mitbekommen“ habe. In dem Gespräch, das sich „am vergangenen Wochenende ereignet habe“, habe der Geschädigte eingeräumt, dass er die Angeklagten falsch beschuldigt und insbesondere den Sachverhalt übertrieben dargestellt habe. Weiter heißt es in dem Antrag, die Verteidigung habe zunächst die Angaben vor Stellung des Antrages selbst durch Vernehmung des Zeugen verifizieren wollen. „Nachdem die Kammer aber mit ihrer Beweisaufnahme am Ende [sei, werde] der Antrag unmittelbar gestellt.“

Die Strafkammer wies den Antrag im Urteil als Beweisermittlungsantrag zurück, denn das „Begehren [lasse] alle für die Stellung eines ernsthaften Beweisbegehrens zu verlangenden Angaben vermissen, die die Wahrnehmungssituation des benannten Zeugen u.a. in örtlicher, zeitlicher, situativer, personeller und relationaler Hinsicht konkretisieren.“ Auch nach den Maßstäben der gerichtlichen Aufklärungspflicht sei dem Antrag nicht nachzugehen.

bb) Die Rüge hat keinen Erfolg.

(1) Soweit sie mit der Stoßrichtung erhoben ist, die Strafkammer habe den Antrag nicht erst im Urteil bescheiden dürfen, weil die Verteidigung nach § 244 Abs. 6 Satz 5 StPO mit dem Antrag die Tatsachen glaubhaft gemacht habe, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht hätten, bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit. Denn in dem zitierten Antrag wird ausgeführt, dass die Verteidigung selbst beabsichtigt habe, den Zeugen zu vernehmen, um seine Angaben zu verifizieren. Im Widerspruch dazu erklärte der Verteidiger im Anschluss an die Antragstellung auf Nachfrage des Vorsitzenden jedoch, er könne keine Angaben zu dem behaupteten Gespräch machen, „weil er das Gespräch schnell abgebrochen habe, da er mit Zeugen während eines laufenden Verfahrens nicht spreche.“ Dieser Widerspruch wird im weiteren Rügevorbringen nicht ausgeräumt.

(2) Jedenfalls ist die Rüge auf der Grundlage des Revisionsvorbringens aber unbegründet, weil das Landgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass entgegen § 244 Abs. 6 Satz 5 StPO die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag nicht glaubhaft gemacht wurden.

Als Ergebnis der Glaubhaftmachung müssen die entscheidungsrelevanten Tatsachen zwar nicht in einer Weise bewiesen sein, dass sie zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Das Gericht muss die relevanten Umstände – insoweit gilt nichts anderes als etwa bei § 45 Abs. 2 StPO – aber zumindest für hinreichend wahrscheinlich ansehen (MüKo-StPO/Trüg/Habetha, 2. Aufl., § 244 Rn. 185v; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 244 Rn. 98; Schneider, NStZ 2019, 489, 497; Mosbacher, NStZ 2018, 9, 12), wobei es nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1967 – 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 347; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, aaO Rn. 98a).

Nach diesen Grundsätzen hat die Strafkammer ermessensfehlerfrei eine in diesem Sinne genügende Glaubhaftmachung verneint. Denn der Verteidiger hat letztlich jegliche Form der Glaubhaftmachung unterlassen und lediglich ausgeführt, er habe „das Gespräch“ schnell abgebrochen, da er mit Zeugen während eines laufenden Verfahrens nicht spreche. Damit bleibt schon offen, mit wem der Verteidiger „das Gespräch“ führte und damit, ob er von dem angeblich „am Wochenende“ stattgefundenen Gespräch von dem benannten Zeugen selbst oder von Dritten erfahren haben will. Weitere Fragen des Vorsitzenden dazu blockte der Verteidiger ab, indem er entgegnete, er gebe dazu keine Erklärung ab, weil er „kein Zeuge“ sei. Damit bestand für die Strafkammer keine Möglichkeit zu prüfen, ob das behauptete Gespräch überhaupt an dem Wochenende nach Ablauf der Fristsetzung stattgefunden haben konnte. Deshalb konnte sie nicht die Wahrscheinlichkeit der Umstände einschätzen, die dafür hätten sprechen können, dass die Einhaltung der Frist zur Stellung von Beweisanträgen unmöglich war.

Daran ändert nichts, dass der Vorsitzende der Strafkammer (überobligatorisch) noch am Tag der Antragstellung einen Gerichtswachtmeister zur Wohnung des angebotenen Zeugen entsandte, um einer in Erwägung gezogenen Aufklärungsverpflichtung nach § 244 Abs. 2 StPO zu genügen. Denn es stellte keine ausreichende Glaubhaftmachung für die Unmöglichkeit der Fristwahrung dar, dass in dem Antrag der Zeuge, der das Gespräch gehört haben sollte, mit ladungsfähiger Anschrift benannt worden war. Zur Glaubhaftmachung sind grundsätzlich „parate“ Beweismittel zu verwenden (MüKo-StPO/Trüg/Habetha, aaO Rn. 185w; Schneider, NStZ 2019, 489, 497). Dies folgt aus Sinn und Zweck der Glaubhaftmachung, die dem Gericht eine sofortige Entscheidung ermöglichen soll, ohne dass weitergehende Untersuchungen über die Hintergründe der Verspätung, die das Verfahren weiter verzögern würden, erforderlich sind (MüKo-StPO/Trüg/Habetha, aaO Rn. 185v mwN). Dieser Zweck würde konterkariert, wenn der Zeuge, der in der Hauptsache gehört werden soll, auch als Mittel der Glaubhaftmachung herangezogen würde. Hier war der Zeuge zudem über mehrere Stunden nicht an der genannten Anschrift anzutreffen und meldete sich trotz entsprechender Bitten gegenüber seiner dort aufhältigen Ehefrau und Schwester auch bis zum nächsten Hauptverhandlungstag nicht bei Gericht.

(3) Schließlich hat die Strafkammer im Ergebnis zu Recht verneint, dass es sich bei dem Begehren um einen Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO gehandelt hat. Ihm war jedenfalls nicht zu entnehmen, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können sollte.

Dieses durch die Schaffung der Legaldefinition mit dem Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2121) in den Gesetzestext von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO übernommene Erfordernis der sogenannten Konnexität verlangt, dass einem Beweisantrag beispielsweise zu entnehmen sein muss, weshalb ein Zeuge die Beweisbehauptung aus eigener Wahrnehmung bestätigen können soll, sofern sich dies nicht von selbst versteht. Dies soll gewährleisten, dass das Tatgericht die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache oder der Ungeeignetheit des Beweismittels prüfen kann (vgl. BT-Drucks. 19/14747, 34; MüKo-StPO/Trüg/Habetha, aaO Rn. 134; Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 21a).

Diese Voraussetzung war hier nicht gegeben. Denn die vagen Angaben in dem Antrag konkretisierten die Wahrnehmungssituation des benannten Zeugen weder in örtlicher („in einem öffentlichen Raum“), zeitlicher („am vergangenen Wochenende“), personeller („mit einer anderen männlichen Person“) oder situativer Hinsicht (der Zeuge soll das Gespräch „mitbekommen“ haben; unklar bleibt, ob er dies unmittelbar selbst hörte oder ob ihm darüber mittelbar berichtet wurde). Die Rüge einer Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO war mithin auch deshalb unbegründet, weil die Vorschrift auf Beweisermittlungsanträge nicht anwendbar ist (vgl. MüKo-StPO/Trüg/Habetha, aaO Rn. 173 mwN).“

Beweisantrag I: Wie war das mit der Konnexität?, oder: Beweistatsache und Beweismittel?

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Heute dann Entscheidungen zur StPO, und zwar nur Entscheidungen, die mit Beweisantragsfragen zu tun haben.

Den Opener macht der BGH, Beschl. v. 22.05.2024 – 2 StR 348/23. In ihm geht es noch einmal um die Frage der sog. Konnexität.

Das LG hatte den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge  verurteilt, und zwar zu einer Bewährungsstrafe. Dagegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die mit der Verfahrensrüge Erfolg hatte:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bewahrte der Angeklagte in seinem Nachttisch im Schlafzimmer der Wohnung seiner Lebensgefährtin ein Tütchen mit 23,21 g Kokain mit einem Kokainhydrochloridgehalt von 52,4 % bzw. 12,16 g sowie in einer Hosentasche seiner im Wohnzimmer liegenden Hose ein Tütchen mit 8,61 g Kokain mit einem Kokainhydrochloridgehalt von 18,8 % bzw. 1,61 g auf. Zur selben Zeit befand sich auf dem Kleiderschrank im Schlafzimmer, circa einen Meter von dem in der Nachttischschublade befindlichen Kokain entfernt, in einem unverschlossenen Waffenkoffer eine Schreckschuss-Reizgas-Signalpistole, Kaliber 9 mm, mit dem Zulassungszeichen PTB im Kreis mit eingeführtem, aber ungeladenem Magazin. In dem Waffenkoffer befanden sich zudem 109 Schuss dazu passende Kartuschenmunition.

2. Die Strafkammer hat ein (bewaffnetes) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verneint. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die Einlassung des Angeklagten, das sichergestellte Kokain habe dem Eigenkonsum gedient, sei nicht zu widerlegen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.

1. Die Rüge der Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe das Beweisantragsrecht (§ 244 Abs. 3 StPO) verletzt, indem es den in der Hauptverhandlung angebrachten (Hilfs-)beweisantrag der Beschwerdeführerin auf Vernehmung des Zeugen I.    im Urteil mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt habe, dringt durch.

a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

In der Hauptverhandlung am 31. Januar 2023 stellte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft hilfsweise den Antrag auf Vernehmung des Zeugen I.   zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge am 1. Januar 2021 eine Tüte mit Kokain in der von dem mit ihm verwandten Angeklagten bewohnten Wohnung gesehen habe. Der Angeklagte habe ihm gegenüber angegeben, es handele sich um 100 g Kokain, und weiter mitgeteilt, er erhalte alle zwei bis drei Tage je eine Lieferung von 100 g Kokain. Seine Kunden zahlten teils mit Bargeld, teils mit Gegenständen. In der Wohnung hätten sich auch Gegenstände wie z.B. Rasierklingen befunden, die der Angeklagte von seinen Drogenkunden als Zahlung akzeptiert habe. Das Landgericht hat diesen Antrag in den Urteilsgründen wegen fehlender Konnexität zwischen der behaupteten Beweistatsache und dem angegebenen Beweismittel nicht als Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO gewertet. Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Zeuge I.   könne allenfalls allgemeine Angaben dazu machen, dass der Angeklagte in der Vergangenheit mit Kokain Handel getrieben habe, nicht aber zu den vorgefundenen Betäubungsmitteln und damit nicht zu der konkret angeklagten Tat. Aus dem Antrag ergebe sich nicht, woher der Zeuge Kenntnisse zum Verwendungszweck der am 2. Januar 2021 vorgefundenen Betäubungsmittel haben solle. Dies sei indes zur Feststellung des Handeltreibens mit dem aufgefundenen Kokain erforderlich gewesen.

b) Mit zulässig erhobener Verfahrensrüge bestandet die Beschwerdeführerin zu Recht eine Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO. Die Zurückweisung des Hilfsbeweisantrags hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landgerichts konnte dem Antrag nicht unter Hinweis auf fehlende Konnexität die Eigenschaft als Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO abgesprochen werden. Der Antrag bezeichnet nicht nur hinreichend bestimmte, dem Zeugenbeweis zugängliche Beweistatsachen, sondern wahrt auch die Konnexität zwischen Beweistatsachen und Beweismittel und genügt damit den nach dem Gesetz an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen.

aa) Ein solcher liegt nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll.

bb) Diese Voraussetzungen sind gegeben. In dem Antrag der Staatsanwaltschaft wird sowohl eine für den Schuldspruch relevante konkrete Tatsache bestimmt behauptet als auch ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet. Aus dem Beweisantrag ergibt sich auch ohne Weiteres, weshalb der Zeuge I.    die behauptete Beweistatsache bekunden können soll. Die in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung soll auf dessen eigenen Wahrnehmungen beruhen, da er sich am genannten Tag in der Wohnung des Angeklagten aufgehalten und dieser ihm gegenüber die unter Beweis gestellten Angaben gemacht habe. Einer weiteren Konkretisierung der Beweisanträge unter dem Gesichtspunkt der Konnexität bedurfte es nicht.

cc) Damit lagen die Voraussetzungen für einen förmlichen Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO vor (vgl. BGH, Urteil vom 29. August 1990 – 3 StR 184/90, BGHSt 37, 162, 164 f.), über den nicht nach Maßgabe der gerichtlichen Aufklärungspflicht zu entscheiden war, sondern der nur aus einem der in § 244 Abs. 3 Satz 3 StPO genannten Gründe abgelehnt werden durfte. Einen solchen Ablehnungsgrund hat das Landgericht in den Gründen des Urteils nicht dargetan.

c) Das Urteil beruht auch auf diesem Verfahrensfehler. Zwar kann es unschädlich sein, dass ein im Urteil zu bescheidender Hilfsbeweisantrag übergangen worden ist, wenn er mit rechtsfehlerfreier Begründung hätte abgelehnt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1996 – 3 StR 180/96, juris Rn. 11; Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22, NJW 2024, 1122, 1126). Eine derartige Möglichkeit ist hier durch die Urteilsgründe nicht eröffnet. Insbesondere kann danach nicht ohne Weiteres von einer tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der in das Wissen des Zeugen I.   gestellten Tatsachen nach § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO ausgegangen werden (vgl. allgemein zu den Anforderungen zu diesem Ablehnungsgrund: BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 484/18, NStZ 2019, 295, 296; KK-StPO/Krehl, 9. Aufl., § 244 Rn. 152 mwN). Nach den Urteilsgründen sind die unter Beweis gestellten Tatsachen, denen zufolge der Zeuge I.   am 1. Januar 2021 – mithin jedenfalls kurz vor der Sicherstellung – in der Wohnung eine größere Tüte mit Kokain gesehen und der Angeklagte ihm gegenüber geäußert habe, dass in der Tüte 100 g Kokain seien, er alle 2 – 3 Tage eine Lieferung von 100 g Kokain bekomme und dass er beim Verkauf Bargeld sowie noch in der Wohnung befindliche Gegenstände, wie z.B. Rasierklingen, als Zahlungsmittel akzeptieren würde, für die Schuld- und Straffrage erkennbar von Belang. Nach alledem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung zumindest zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gekommen wäre (§ 337 Abs. 1 StPO).

2. Der aufgezeigte Rechtsfehler zieht die Aufhebung des Schuldspruchs nach sich…..“

Zu den Fragen gibt es dann demnächst <<Werbemodus an>> eine „ganze Menge“ in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl., 2025, die derzeit im Herstellungsprozess ist, die man aber natürlich vorbestellen kann, und zwar hier <<Werbemodus aus>>.

StPO II: Faire Auslegung eines Beweisbegehrens, oder: Bedeutungslose Bedeutungslosigkeit?

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Die zweite Entscheidung betrifft auch eine Beweisfrage. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 26.03.2024 – 2 StR 211/23 -, der sich zur Pflicht des Tatgerichts, ein Beweisbegehren auszulegen, äußert:

„2. Diese Ablehnung des Beweisantrags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Genügt ein erkennbar als Beweisantrag vorgebrachtes Beweisbegehren seinem Wortlaut nach nicht den Anforderungen an die notwendige Konkretisierung der Beweistatsache, ist es in sonstiger Weise lückenhaft, ungenau formuliert oder mehrdeutig oder bleibt unklar, welcher einsichtige Prozesszweck mit ihm verfolgt werden soll, und lassen sich die hieraus resultierenden Zweifel nicht ohne weiteres eindeutig aus den gesamten Umständen der Antragstellung ausräumen, so ist der Vorsitzende aufgrund der Aufklärungspflicht, die ein Hinwirken auf eine sachdienliche Antragstellung gebietet, der Fürsorgepflicht sowie der Verfahrensfairness (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) grundsätzlich gehalten, den Antragsteller zunächst auf die Bedenken gegen seinen Antrag hinzuweisen und ihm durch entsprechende Befragung Gelegenheit zu geben, die erforderliche Klarstellung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 1996 ? 1 StR 120/96, NStZ-RR 1996, 336, 337; Beschluss vom 8. Februar 1996 ? 4 StR 776/95, NStZ 1996, 562; LR-StPO/Becker, 27. Aufl., § 244 Rn. 115; KK-StPO/Krehl, 9. Aufl., § 244 Rn. 78). Auch wenn dies nicht zum Erfolg führt, bleibt das Gericht verpflichtet, die vom Antragsteller tatsächlich gewollte Beweisbehauptung durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2000 ? 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268 mwN). Diese kann sich nicht nur aus dem Wortlaut des Antrags, sondern aus allen Umständen, die bei einer nach Sinn und Zweck fragenden Auslegung zu berücksichtigen sind, ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – 3 StR 516/14, StV 2016, 337, 338; Beschlüsse vom 11. April 2007 – 3 StR 114/07, juris Rn. 7; und vom 6. März 2014 – 3 StR 363/13, NStZ 2014, 419). Bei mehreren Interpretationsalternativen ist derjenigen der Vorzug zu geben, die zur Beweiserhebung führt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1984 ? 2 StR 320/84, NStZ 1984, 564, 565; Beschluss vom 12. Mai 2022 – 5 StR 450/21, juris Rn. 15 mwN).

Ferner muss nach der ständigen Rechtsprechung der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen das Tatgericht der unter Beweis gestellten Tatsache aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch beimisst. Für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung ist eine Tatsache nur dann, wenn ein Zusammentreffen zwischen ihr und der abzuurteilenden Tat nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs nicht geeignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen, wobei sich das Gericht im Urteil nicht in Widerspruch zu der Ablehnungsbegründung setzen darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. August 1996 – 4 StR 373/96, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22; und vom 7. November 2023 – 2 StR 284/23, NStZ 2024, 177, 178; jew. mwN).

b) Hieran gemessen erweist sich die Ablehnung des Beweisantrags als rechtsfehlerhaft.

aa) Die Strafkammer hat das dem Beweisantrag bei verständiger Würdigung zugrundeliegende Beweisthema nur verkürzt behandelt und so den Antrag schon nicht in einem zur Beweiserhebung führenden Sinne ausgelegt.

Der notwendigen Behandlung als Beweisantrag steht zunächst nicht entgegen, dass der Antrag seinem Wortlaut nach zwar positiv formuliert, jedoch inhaltlich auf eine Negativtatsache gerichtet war. Denn der Antrag ist bei verständiger Auslegung – naheliegend ? dahingehend zu verstehen, dass unter Beweis gestellt war, es habe zwischen dem Angeklagten und Ü.   keine betäubungsmittelbezogenen Kontakte gegeben. Eine dahingehende Auslegung drängte sich auch deshalb auf, weil die Verteidigung des Angeklagten zuvor einen – von der Strafkammer mangels bestimmter Tatsachenbehauptung rechtsfehlerfrei abgelehnten – „Beweisantrag“ auf Einvernahme des Ü.   mit derselben Stoßrichtung gestellt hatte. Darin hatte sie beantragt, Ü.   als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass dieser ausschließlich mit J.    Betäubungsmittelhandel betrieben habe. Mit dem der Verfahrensrüge zugrunde liegenden ? in enger zeitlicher Abfolge gestellten ? Beweisantrag wollte die Verteidigung bei gleichem Beweisziel ihr Beweisthema konkretisieren, was sie im Beweisantrag durch die beispielhafte Aufzählung verschiedener Handlungssequenzen, die ausschließlich zwischen Ü.   und J.   stattgefunden haben sollten ? „Drogen verkauft“, „Absprachen gehalten“ und „geschäftlichen Beziehung“ ? zum Ausdruck brachte. Soweit die Strafkammer ausführt, dass schon unklar sei, was Gegenstand der „Absprache“ oder was mit „geschäftlichen Beziehung“ gemeint sei, und insoweit eine konkrete Tatsachenbehauptung vermisst, hat sie bei der gebotenen Auslegung des Beweisantrags dessen Beweisthema und Zielrichtung unzulässig verkürzt.

bb) Infolgedessen hat die Strafkammer den Beweisantrag rechtsfehlerhaft allein am Maßstab der rechtlichen Bedeutungslosigkeit gemessen und dabei den tatsächlichen Gehalt der unter Beweis gestellten Tatsachen außer Betracht gelassen. Sie hat deshalb bei ihrem Ablehnungsbeschluss verkannt, dass der Beweisantrag nicht darauf abzielte, aus dem Umstand der ausschließlichen betäubungsmittelbezogenen Kommunikation zwischen Ü. und J.    die Annahme einer bandenmäßigen Tatbegehung unter Beteiligung des Angeklagten zu widerlegen. Insofern hat sie zwar – für sich genommen rechtsfehlerfrei – angenommen, dass die unter Beweis gestellte Tatsache der Absprachen ausschließlich zwischen Ü.   und J.   eine Bandenabrede nicht ausschloss (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2009 – 3 StR 83/09, juris Rn. 9). Sie hat jedoch nicht in den Blick genommen, dass bei sachgerechter Auslegung des Antrags nachgewiesen werden sollte, dass – unabhängig von der rechtlichen Einordnung als Bande – zwischen dem Angeklagten und Ü.   zu keiner Zeit betäubungsmittelbezogene Kontakte bestanden und damit insbesondere Rückschlüssen in tatsächlicher Hinsicht entgegengetreten werden sollte, der Angeklagte und Ü.   hätten über den Kryptodienst A.   unter Pseudonymen miteinander kommuniziert. Mit diesem Gesichtspunkt befassen sich die Ablehnungsgründe nicht.

cc) Die Ablehnung des Beweisantrags erweist sich zudem aus einem weiteren Grund als rechtsfehlerhaft. Denn das Gericht muss sich an der dem Ablehnungsbeschluss zugrundeliegenden Annahme der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache festhalten lassen. Es darf sich im Urteil nicht zu der Ablehnungsbegründung in Widerspruch setzen oder seine Überzeugung auf das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache stützen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2007 – 2 StR 248/07, StraFo 2008, 29; Beschlüsse vom 20. August 1996 – 4 StR 373/96, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22; vom 29. April 2014 – 3 StR 436/13, juris Rn. 3).

Hiergegen hat die Strafkammer verstoßen, indem sie – allein orientiert an der defizitären Auslegung des Beweisantrags ? feststellte, dass Ü.   dem Angeklagten Anweisungen gab, an wen die Betäubungsmittel auszuliefern seien und wie – nach der Festnahme des J.    – im Hinblick auf die im Bunker vorrätig gehaltenen Drogen der Gruppierung zu verfahren sei. Damit hat sie entgegen dem vorgenannten Verständnis des Beweisantrags der behaupteten Beweistatsache nicht nur eine die Entscheidung tragende Bedeutung beigemessen, sondern sogar das Gegenteil davon festgestellt.“

StPO I: Beweisantrag nur mit konkreter Tatsache, oder: Aufklärungsrüge – reichen die erhobenen Beweise aus?

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Und weiter geht es dann heute mit StPO-Entscheidungen.

Zunächst kommen hier zwei Entscheidungen des BGH, in denen Beweis(antrags)fragen eine Rolle gespielt haben, und zwar:

„Die Verfahrensrüge der fehlerhaften Zurückweisung des auf die Vernehmung des Zeugen G.  gerichteten Beweisantrags vom 11. Juli 2023 ist jedenfalls unbegründet. Bei dem Antrag handelt es sich bereits nicht um einen ordnungsgemäßen Beweisantrag (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO), da der Angeklagte keine hinreichend konkrete Tatsache benannt hat. Mit der Behauptung, den Angeklagten und die Zeugin A. habe „ein rein freundschaftliches Verhältnis [verbunden], das von Vertrauen geprägt war und vollständig ohne sexuellen Kontakt auskam“, nennt der Angeklagte nur ein Beweisziel, welches als Bewertung zur Nachvollziehbarkeit durch das Gericht und Beweiserheblichkeit mit konkreten, auch in zeitlicher Hinsicht und den Umständen nach zumindest umrissenen, hinreichend feststellbaren und überprüfbaren Tatsachenbehauptungen hätte belegt werden müssen (vgl. BGH, Urteile vom 28. Januar 2003 – 5 StR 378/02 Rn. 5; vom 9. Oktober 1996 – 3 StR 352/96 Rn. 7 und vom 29. August 1990 – 3 StR 184/90 Rn. 6); solche sind auch der Begründung des Antrags nicht zu entnehmen.“

Die auf die unterbliebene Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten zu dessen Betäubungsmittel- und Medikamentenkonsum gestützte Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil sich dem Revisionsvorbringen nicht entnehmen lässt, dass sich das Landgericht zu der begehrten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen.
§ 244 Abs. 2 StPO gebietet es, von Amts wegen Beweis zu erheben, wenn aus den Akten oder dem Stoff der Verhandlung Umstände und Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage begründete Zweifel an der Richtigkeit der aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten Überzeugung wecken müssen. Ob die vom Gericht aufgrund der verwendeten Beweismittel gewonnene Überzeugung ausreicht oder zu ihrer Absicherung oder Überprüfung weitere Beweismittel heranzuziehen sind, ist auf der Grundlage von Verfahrensablauf und Beweislage des Einzelfalls zu beurteilen. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, desto eher besteht Anlass für das Gericht, trotz der erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu nutzen. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Zeuge Vorgänge bekunden soll, die für die Entscheidung von zentraler Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 – 2 StR 383/15, BGHR StPO § 244 Abs. 2 Zeugenvernehmung 19 mwN).
Hier erschien dem sachverständig beratenen Landgericht das zu der Frage eines Hanges des Angeklagten im Sinne des § 64 StGB in der bis zum 30. September 2023 geltenden Fassung aufgrund der erhobenen Beweise, insbesondere der Untersuchung der dem Angeklagten abgenommenen Haar- und Blutproben, gewonnene Ergebnis zu Recht derart gesichert, dass es die Vernehmung von dessen Ehefrau zum Betäubungsmittel- bzw. Medikamentenkonsum des Angeklagten für entbehrlich halten durfte. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die nach der Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I, Nr. 203) geltenden erhöhten Anforderungen an die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten.“