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AG Dresden: Weitere Akteneinsicht abgelehnt, Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig

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Bei der zweiten Entscheidung zur Akteneinsicht handelt es sich um einen im Bußgeldverfahren ergangenen Beschluss, der allerdings zu den „unschönen“ gehört. Die Kollegin Katzke aus Dresden hat ihn mir geschickt. Es handelt sich um den AG Dresden, Beschl. v. 11.04.2017 – 217 OWi 398/17, der mal wieder ein Rechtsmittel des Betroffenen gegen eine Akteneinsichtsentscheidung des Betroffenen verneint:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist – bereits – unzulässig.

Der Antragsteller begehrt in der Sache eine erweiterte Akteneinsicht in Unterlagen, die nicht Bestandteil der Verwaltungsakte sind.

Der gerichtlichen Überprüfung nach § 62 OWiG unterliegen aber nur Maßnahmen der Verwal­tungsbehörde, die selbstständige Bedeutung haben.

Wenn wie vorliegend, die Verwaltungsbehörde neben der bereits gewährten Akteneinsicht, die Einsichtnahme in weitere Unterlagen, nicht gewährt, kann diese Versagung gerichtlich nicht überprüft werden, weil die Maßnahme der Verwaltungsbehörde sich in der Vorbereitung der abschließenden Entscheidung, hier dem Erlass des Bußgeldbescheides erschöpft.

Der Hinweis, „dass nach der Rechtsprechung des EGMR die Ermittlungsbehörden im Sinne der Waffengleichheit dem Betroffenen alle ihr zugänglichen Beweismittel zur Ver­fügung stellen muss“, geht vorliegend deswegen fehlt, weil durch die bereits gewährte Ak­teneinsicht, sämtliche Beweise, auf die der Schuldvorwurf gestützt wird, offengelegt werden. Tatsächlich liegt in dem Begehren die Akten „entsprechend zu vervollständigen“, das Ansin­nen auf eine pauschale, damit unzulässige Ausforschung, die nicht Gegenstand der gerichtli­chen Entscheidung sein kann.

Die vom Antragsteller vorgebrachten Einwände können demnach nur im Hauptverfahren ge­richtlich geprüft werden.“

M.E. falsch. Denn die Akteneinsichtsentscheidungen der Vrewaltungsbehörde haben „selbständige Bedeutung“ und müssen vorab überprüft werden können. Sonst läuft es möglich darauf hinaus, dass der Betroffene betreffend diese Fragen überhaupt keinen Rechtsschutz erhält. Denn auf die OLG kann man sich in der Frage ja auch nicht verlassen. Ich sage nur „Teufelskreis“.

Der Verteidiger bei der Akteneinsicht im Hamsterrad, oder: Teufelskreis III

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Urheber Jacquelinekato

Ich mache dann heute mal weiter mit den amtsgerichtlichen Entscheidungen, die in meinem Blogordner hängen. Über den zunächst vorgestellten AG Bad Hersfeld, Beschl. v. 22.02.2017 – 74 OWi 8/17 – hat der Kollege Gratz vom VerkehrsrechtsBlog gestern schon berichtet, ihn habe ich von seiner Homepage. Ich greife ihn aber noch einmal auf, weil der Beschluss bzw. die vom AG dargelegte Rechtsansicht m.E. nämlich zum „Teufelskreis III“ führt (zum Teufelskreis I u.a. der OLG Jena, Beschl. v. 01.03.2016 – 2 OLG 101 Ss Rs 131/15 und dazu Akteneinsicht a la OLG Jena, oder: Burhoff und sein „Teufelskreis“ und zum Teufelskreis II s. den OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.03.2017 – 2 Ss(OWi) 40/17 und dazu OLG Oldenburg zur Akteneinsicht, oder: Teufelskreis II bzw.: Was stört mich mein Geschwätz von gestern?).

Es geht um die Einsicht/Herausgabe der Messreihe und der Wartungsunterlagen eines Messgerätes, mit dem eine Geschwindigkeitsmessung durchgeführt worden ist. Den Antrag hat die Verwaltungsbehörde abgelehnt. Dagegen dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG. Und das AG sagt – gegen die m.E. weitgehend h.M. in der Rechtsprechung: Unzulässig.

„Der Antrag des Verteidigers auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch aus mehreren Gründen unzulässig und deshalb zurückzuweisen.

Nach § 62 Abs. 1 OWiG kann der Betroffene gegen Maßnahmen der Verwaltungsbehörde gerichtliche Entscheidung beantragen.

Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 OWiG gilt das aber nicht für Maßnahmen, die nur zur Vorbereitung der Hauptsachenentscheidung dienen und keine selbstständige Bedeutung haben. So liegt der Fall hier. Die Entscheidung der Bußgeldbehörde, von der Übersendung der Messreihe an den Sachverständigen des Betroffenen abzusehen, begründet keine eigene selbstständige, rechtliche Bedeutung.

Das Regierungspräsidium Kassel hat die Ermittlungen für abgeschlossen erachtet und den entsprechenden Bußgeldbescheid am 30.12.2016 erlassen. Eigene rechtliche Wirkung entfaltet erst dieser Bußgeldbescheid, da er als Vollstreckungsgrundlage dienen kann.

Als weiterer Grund der Unzulässigkeit dieses Antrages kommt hinzu, dass der vom Betroffenen eingelegte Einspruch grundsätzlich vorgreiflich ist, da er zur Verhandlung über die Hauptsache führt.

Über den Umfang der Beweisaufnahme, insbesondere auf welche Beweismittel sich diese Beweisaufnahme erstrecken wird, bestimmt nach § 77 Abs. 1 OWiG das Gericht der Hauptsache nach pflichtgemäßem Ermessen.

Es ist deshalb die Aufgabe des Tatrichters im Hauptsacheverfahren, den Umfang der Beweisaufnahme festzulegen, wobei der Verteidigung (im Grundsatz auch der StA) das Beweisantragsrecht zusteht und vom Gericht zu beachten ist.

Würde man es dagegen als zulässig erachten, im Wege des Verfahrens der gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG weitere Beweismittel in das Verfahren hineinzubringen, so würden dies das Gericht der Hauptsache in unzulässiger Weise festlegen, da der Umfang der Beweisaufnahme damit bereits im Vorhinein bestimmt würde. Das Gericht der Hauptsache wird über diese Anträge zu entscheiden haben, sofern sie gestellt werden.“

M.E. schon deshalb falsch, weil es doch letztlich nicht darum geht, weitere Beweismittel in das Verfahren hineinzubringen, sondern um die Möglichkeit, das Hauptbeweismittel der Verwaltungsbehörde zu überprüfen, wofür man eben die entsprechenden Unterlagen braucht.

Und warum jetzt „Teufelskreis III“? Nun: Wenn man dem Betroffenen den Weg über § 62 OWiG versperrt, wie soll er denn dann der Forderung verschiedener OLG – wie z.B. OLG Düsseldorf und OLG Frankfurt – nachkommen und vor der Hauptverhandlung „Akteneinsicht“ beantragen, um Einsicht in die entsprechenden Unterlagen zu bekommen. Die OLG sagen – zumindest zum Teil – der entsprechende Antrag in der Hauptverhandlung ist zu spät. Ich muss einräumen/gestehen: Man weiß wirklich allmählich nicht mehr, was man Verteidigern/Betroffenen noch raten soll. Sie können sich drehen, wie sie wollen: Es findet sich immer ein Gericht, dass sagt so nicht, owbohl andere Gericht sagen: So musst du es machen. Und das nennt man dann „Teufelskreis“. Man könnte auch sagen: Bei der Akteneinsicht befindet sich der Verteidiger im Hamsterrad.

Ich habe da mal eine Frage: PKH/Akteneinsicht/Wiedereinsetzung

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Gelegentlich stelle ich hier ja auch Fragen aus dem Forum bei Strafrecht-online ein.I.d.R. die gebührenrechtlichen, aber heute mal was anderes: Vielleicht weiß ja einer Rat/Hilfe.

Der Kollege schreibt dort:

Hallo liebe Mitstreiter,

meinem Mdt. wurden Schafe gestohlen. Er hat Anzeige erstattet. Das Verfahren wurde eingestellt, wogegen er sich beschwert hat. Nach einer Überprüfung wurde ihm mitgeteilt, dass es bei der Einstellung bleibt, er aber eine gerichtliche Entscheidung innerhalb eines Monats beantragen kann. Damit ist er zu mir gekommen.

Ich habe nun AE beantragt. Jetzt wird mir mitgeteilt, dass die Akten nicht verfügbar sind und deshalb nicht übersandt werden können. (Bei einem eingestellten Verfahren?) Naja, sei es drum.

Ohne AE kann ich weder prüfen, ob ich einen Antrag sinnvoll ist noch ihn begründen. Hinzu kommt, dass der Mdt. PKH erhalten dürfte.

Was nun? Antrag und PKH-Antrag stellen und wegen der Begründung dann später WE-Antrag?

Was, wenn sich nach der AE ergibt, dass ein solcher Antrag sinnlos wäre. Antrag auf ger. Entsch. zurücknehmen ist klar. Aber wer zahlt? Ist die PKH auch zu gewähren, dass und weil jetzt vorsichtshalber der Antrag auf ger. Entsch. zu stellen ist?“

Antworten werden gerne genommen 🙂 .

Sehr schön: Die Fürsorgepflicht des Gerichts

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Sehr schön, habe ich gedacht, als ich den KG, Beschl. v. 22.07.2013 – 2 Ws 363/13 VollZ – gelesen habe, der sich u.a. mit der Fürsorgepflicht des Gerichts bei Anträgen forensisch nicht erfahrener Gefangener in Strafvollzugssachen befasst. Da hatte ein Gefangener persönlich einen Antrag verfasst, der zunächst nicht den (strengen) Anforderungen des § 109 Abs. 2 StVollzG entsprach. Der Gefangene hat dann nachgebessert, war damit dann aber nicht mehr in der zweiwöchigen Antragsfrist. Die StVK hat seinen Antrag verworfen. Das KG sagt „Halt, geht nicht“ und erinnert an die Fürsorgepflicht des Gerichts:

2. Dies berechtigte die Strafvollstreckungskammer jedoch nicht dazu, diesen Antrag ohne weiteres als unzulässig zu verwerfen.

Hat ein – forensisch nicht erfahrener – Gefangener persönlich den Antrag verfasst und hält das Gericht den mitgeteilten Sachverhalt nicht für ausreichend, um zu erkennen, welche Rechtsverletzung er behaupten möchte, so gebietet es die Fürsorgepflicht, ihn auf diesen Mangel hinzuweisen und ihm zu gestatten, die fehlenden Erklärungen nachzuholen (vgl. HansOLG Hamburg ZfStrVO 1979, 56; Senat NStZ-RR 1997, 154 mit weit. Nachw.).

Das gilt zwar nicht für Antragsschriften, die von Rechtsanwälten verfasst sind und auch nicht für solche von forensisch erfahrenen Gefangenen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 7. Juni 2001 – 1 Vollz (Ws) 138/01 –; Senat, Beschlüsse vom 12. März 2013 – 2 Ws 42/13 Vollz – und vom 18. Mai 2009 – 2 Ws 8/09 Vollz –), weil insoweit nicht die Fürsorgepflicht besteht, die den Gerichten gegenüber solchen juristischen Laien zukommt, die sich im Verkehr mit den Gerichten nicht oder nur wenig auskennen (vgl. Senat, Beschluss vom 10. September 1986 – 5 Ws 262/86 Vollz – mit weiteren Nachw.).

Der Beschwerdeführer ist jedoch kein forensisch erfahrener Gefangener. Die Strafvollstreckungskammer hätte ihn daher zunächst auf die Begründungsmängel des Antrags hinweisen und ihm eine Gelegenheit zur Nachbesserung geben müssen.

Die in § 109 Abs. 2 StVollzG geforderten ergänzenden Angaben kann ein forensisch nicht erfahrener Gefangener auch noch nach dem Ablauf der Frist des § 112 Abs. 1 Satz 1 StVollzG machen. Würde man verlangen, dass die Behebung der Begründungsmängel noch innerhalb der Antragsfrist zu erfolgen hat, so würde die Hinweispflicht in Anbetracht der Kürze der Frist des § 112 Abs. 1 Satz 1 StVollzG ansonsten häufig ins Leere gehen (vgl. Senat, Beschluss vom 3. März 1995 – 5 Ws 40/95 Vollz –).

Gilt natürlich nur für den „forensisch nicht erfahrenen Gefangener “ – wer und was immer das auch ist. Es gilt nicht für den „forensisch nicht erfahrenen Rechtsanwalt“. Der muss es können