Schlagwort-Archive: Antrag auf gerichtliche Entscheidung

OWi II: Bunt Gemischtes zum Verfahrensrecht, oder: Einstellung, Verjährung, WhatsApp, AG-Vorlage, Gründe

Bild von Alexa auf Pixabay

Und dann kommen im zweiten Posting des Tages einige Entscheidungen zum Verfahren(srecht), dreimal „OLG“ und viermal von Amtsgerichten. Ich stelle aber jeweils nur die Leitsätze zu den Entscheidungen vor. Die lauten:

Das tatrichterliche Urteil muss bei Geschwindigkeitsmessungen mittels standardisierter Messverfahren Feststellungen zum angewandten Messverfahren und zum in Ansatz gebrachten Toleranzabzug enthalten.

1. Ergeht gegen eine auf der Grundlage von § 30 OWiG in Anspruch genommene neben- oder „verfahrensbeteiligte“ juristische Person ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG, so muss sich deren Verfahrensrolle aus der Rechtsbeschwerdebegründung ergeben, weil § 74 Abs. 2 OWiG auf die bußgeldrechtliche Inanspruchnahme einer juristischen Person als Nebenbeteiligte nicht anwendbar ist und stattdessen die §§ 46 Abs. 1 OWiG, 444 StPO gelten (vgl. BGHSt 66, 309).

2. Zu den Darlegungsanforderungen bei der Rüge nicht ordnungsgemäßer Ladung zur Hauptverhandlung.

Ohne die Aktenvorlage der Staatsanwaltschaft nach § 69 Abs. 4 OWiG darf der Richter sich nicht mit der Angelegenheit befassen, da die förmliche Zuleitung der Akte an das Gericht durch die Staatsanwaltschaft Verfahrensvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren ist.

Eine audiovisuelle Zeugenvernehmung nach § 247a StPO in Verbindung mit § 71 OWiG kann auch per WhatsApp über das Betroffenenhandy stattfinden, wenn die an der Vernehmung beteiligten Personen trotz Hinweises auf datenschutzrechtliche Bedenken hierbei freiwillig mitmachen.

Aufgrund eines Zeitablaufs von mittlerweile fast sechs Jahren seit Tatbegehung ist die Schuld des Betroffenen als so gering anzusehen, dass eine Einstellung des Verfahrens rechtfertigt ist.

Hat die Bußgeldbehörde auf einen Antrag des Betroffenen nicht vollständig Akteneinsicht gewährt, hat die Bußgeldbehörde im Rahmen des Abhilfeverfahrens betreffend einen Antrag nach§ 62 OWiG zu entscheiden, inwieweit weitere Akteneinsicht zu gewähren ist. Soweit die Bußgeldbehörde dem Antrag auf Einsicht in die begehrten Unterlagen nicht abhilft, ist das Verfahren gern. § 62 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 306 Abs. 2 Hs 2 StPO dem Amtsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Eine Unterbrechung und Verlängerung der Verjährungsfrist erfolgt nicht durch die Zustellung des Bußgeldbescheides, wenn bei der Zustellung das Zustelldatum nicht auf dem (Brief)Umschlag eingetragen wurde.

OWi II: Zweimal AG zur Akteneinsicht in Messserie u.a., oder: Antrag auf gerichtliche Entscheidung überholt?

Und dann im zweiten Posting drei Entscheidungen zur Akteneinsicht, Stichwort: Messserie u.a. Nichts Weltbewegendes, aber zwischendurch kann man ja mal wieder über die Problematik berichten. Denn ausgestanden sind die Dinge/Fragen nicht.

Hier sind dann:

Da es dem Betroffenen aufgrund des standardisierten Messverfahrens obliegt, konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung vorzutragen, sind ihm die Daten der gesamten Messserie auf einem von der Verteidigung zur Verfügung gestellten Speichermediumzur Verfügung zu stellen.

    1. Dem Verteidiger ist auf seinen Antrag die vollständige Messreihe zu einer Geschwindigkeitsmessung zur Verfügung zu stellen, das ohne die Herausgabe der entsprechenden Daten der Anspruch auf des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt würde.
    2. Die Herausgabe des (öffentlichen) Token kann hingegen nicht verlangt werden.

Zwar wird nicht stets durch Einspruch oder Rechtskraft des Bußgeldbescheides eine nachträgliche Unzulässigkeit des Verfahrens nach § 62 OWiG eintreten. In Fällen jedoch, in dem der Antrag auf gerichtliche Entscheidung darauf abzielte, die Hauptsache-entscheidung vorbereitende prozessuale Fragen (insbesondere der Akteneinsicht des Betroffenen) zu klären, wird der Antrag durch das Fortschreiten des Verfahrens in Form des Ein-spruchs gegen einen erlassenen Bußgeldbescheid unzulässig, da er prozessual überholt ist. Erst recht gilt dies bei eingetretener Rechtskraft.

Die Beschlüsse des AG Beckum und des AG Köln sind m.E. zutreffend. Sie setzen konsequent die Rechtsprechung des BVerfG und – der des AG Köln – die des OLG Köln um. Die im Beschluss zitierte Entscheidung des OLG hatte ich ja hier auch vorgestellt.

Beim AG Dortmund habe ich so meine Bedenken, ob das zutreffend ist. Allerdings: Man kennt den genauen Sachverhalt nicht. So sind Beschlussinhalt und Leitsatz des AG für mich eine nicht überprüfbare Behauptung. Jedenfalls eröffnen solche Entscheidungem der AG den Verwaltungsbehörden die Möglichkeit, entsprechende Anträge mal einfach „ungestraft“ „liegen zu lassen“.

So, und dann mal aus Anlass dieses Postings <<Werbemodus an>>, denn: Wir sind allmählich mit den Arbeiten an der 7. Auflage vom „Handbuch des straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahrens“ am Ende, so dass einem Erscheinen im März/April nichts entgegenstehen dürfte. Daher: Vorbestellungen sind möglich. Und wer vorbestellt, muss sich um nichts mehr kümmern. Das Buch kommt dann automatisch.

Es gibt übrigens auch das „Verkehrsrechtspaket“ neu, also dann „Messungen“ in der 6. Aufl. und OWi-HB in der 7. Aufl. Aktueller geht nicht.

Zu den Vorbestellungen geht es hier. <<Werbemodus aus>>.

Kostenerstattung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG, oder: Ermessen des entscheidenden OLG

Bild von Pete Linforth auf Pixabay

Am „Gebührenfreitag“ heute zwei Entscheidungen zur Kostenfrage. Zunächst kommt hier der BayObLG, Beschl. v. 19.07.2023 -203 VAs 196/23 – zuz Kostenerstattung im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG. In den Verfahren sieht § 30 EGGVG eine besondere Kostenregelung vor, die die Erstattung außergerichtlicher Kosten in das Ermessen des entscheidenden OLG stellt. Dazu hat das BayObLG Stellung genommen.

Der Antragsteller hatte mit Schriftsatz seines Rechtsanwalts vom 04.05.2023 beantragt, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, dem Antragsteller die von diesem mit einer dem Antrag als Ausdruck beigefügten E-Mail vom 12.01.2023 beantragte Auskunft zur Speicherung seiner personenbezogenen Daten nach § 491 Abs. 2 StPO i.V.m. § 57 BDSG zu erteilen. Mit Schreiben vom 22.5.2023 hat der Antragsteller dem Senat mitgeteilt, dass die Antragsgegnerin am 16.5.2023 die beantragte Auskunft erteilt habe, die Erledigung der Hauptsache erklärt und die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beantragt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Erledigterklärung nicht entgegengetreten. Sie hat beantragt, den Antrag auf Auferlegung der Kosten an die Staatskasse zu verwerfen, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen. Der Antrag nach § 23 EGGVG erweise sich mangels Durchführung eines Vorschaltverfahrens als unzulässig. Die Auskunft eines Beschuldigten über den Akteninhalt sei vorrangig in § 147 Abs. 4 StPO geregelt. Der Antragsteller hätte vor einer Anrufung des Gerichts den Beschwerdeweg nach §§ 304 ff. StPO wählen müssen

Zur Sache hier nur die Leitsätze des BayObLG:

    1. Für den gegen eine Staatsanwaltschaft gerichteten Anspruch auf Auskunft über in Dateisystemen im Sinne von §§ 483, 486 StPO gespeicherte Daten nach § 491 Abs. 2 StPO ist der Rechtsweg nach § 23 EGGVG eröffnet. Die Verweigerung einer Auskunft nach § 491 Abs. 2 StPO i.V.m. § 57 BDSG ist einer gerichtlichen Überprüfung nicht entzogen.
    1. Teilt der Antragsteller im Laufe des Verfahrens mit, dass die begehrte Auskunft vollständig erteilt sei und der Antrag für erledigt erklärt werde, ist nur noch über die Frage der Kostenerstattung zu befinden.

Das BayObLG hat festgestellt, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aus der Staatskasse hat es aber nicht angeordnet:

„5. Aufgrund der Erledigterklärung war nur noch über die Frage zu befinden, ob eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten anzuordnen war.

a) Eine Entscheidung über die Tragung von Gerichtskosten ist entbehrlich, weil Gerichtskosten für das vorliegende Verfahren nicht anfallen (BayObLG a.a.O.). Die Beendigung des Verfahrens durch Erledigungserklärung löst keine Gerichtsgebühr aus (Nr. 15300 und 15301 KV GNotKG zu § 3 Abs. 2 GNotKG).

b) Eine Erstattung der dem Antragsteller im Verfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten war hier nicht anzuordnen.

aa) Nach § 30 Satz 1 EGGVG kann der Senat nach billigem Ermessen bestimmen, dass die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten sind. Die gesetzliche Regelung findet auch dann Anwendung, wenn in der Hauptsache keine Entscheidung ergeht, weil sie sich nach der Antragstellung erledigt hat (vgl. BayObLG a.a.O. Rn. 27 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 10. Juli 2001 – 1 VA 4/01 –, juris). Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung entspricht eine Kostenerstattung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG billigem Ermessen, wenn sie durch besondere Umstände gerechtfertigt ist (vgl. Kissel/ Mayer, GVG, 10. Aufl., § 30 EGGVG Rn. 5). Mangels Verweisung auf diejenigen Vorschriften der Zivilprozessordnung, die für die Kostentragungspflicht maßgeblich auf das Maß des Obsiegens und Unterliegens der Partei im Rechtsstreit oder die Erfolgsaussichten des Klagebegehrens abstellen (§§ 91 Abs. 1 S. 1, 91a, 92 ZPO), genügen begründete Erfolgsaussichten allein nicht (st. Rspr., vgl. etwa BayObLG a.a.O. Rn. 28; KG Berlin, Beschluss vom 3. Juli 2018 – 5 VAs 6/18 –, juris Rn. 6; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. November 2017 – 2 VAs 52/17 –, juris Rn. 3 m.w.N.). Die Anordnung der Kostenerstattung bedarf demnach einer besonderen Rechtfertigung im Einzelfall, etwa wenn der Justizbehörde ein offensichtlich oder grob fehlerhaftes oder gar willkürliches Verhalten zur Last zu legen ist (KG a.a.O.; BayObLG a.a.O.; Gerson a.a.O. § 30 EGGVG Rn. 4; KK-Mayer, StPO, a.a.O., § 30 EGGVG Rn. 5; Kissel/Mayer a.a.O.).

bb) Im vorliegenden Fall ist die vom Antragsteller begehrte Kostenerstattung nicht veranlasst. Anhaltspunkte darauf, dass die Behörde hier willkürlich gehandelt hätte, liegen nicht vor.

aaa) Beantragt der Antragsteller eine Auskunft aus einem staatsanwaltschaftlichen Register, kann nach der Vorschrift des § 57 Abs. 4 BDSG von einer Auskunftserteilung ganz abgesehen werden, falls durch die Auskunftserteilung Ermittlungen gefährdet würden, etwa im Falle von nicht offen geführten Ermittlungsverfahren (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. März 2008 – 1 BvR 2388/03 –, BVerfGE 120, 351-377, BStBl II 2009, 23, juris Rn. 100 ff. zu § 19 Abs. 4 BDSG a.F.). Würde bereits die Mitteilung vom Absehen der Auskunftserteilung die Ermittlungen potentiell gefährden, braucht der Antrag nach § 57 Abs. 6 S. 2 BDSG überhaupt nicht beschieden werden.

bbb) Mit Blick auf ihre Prüfungspflicht nach § 57 Abs. 4 BDSG i.V.m. § 56 Abs. 2 BDSG, gegebenenfalls i.V.m. § 45 BDSG, die Klärung möglicher Zustimmungserfordernisse nach § 57 Abs. 5 BDSG und des Versagungsgrunds nach § 57 Abs. 6 S. 2 BDSG wäre der Staatsanwaltschaft eine gewisse Bearbeitungszeit zuzubilligen, wenn wie hier aufgrund einer Vielzahl von relevanten Verfahren eine umfangreiche Auskunft zu erstellen ist und das Auskunftsbegehren zudem die Speicherungsfristen umfasst. Dass der Vorgang bei der Staatsanwaltschaft bereits in Bearbeitung war, hatte diese dem Antragsteller nach eigenem Vortrag noch vor der Antragstellung bei Gericht mitgeteilt. Eine besondere Eilbedürftigkeit ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller nach herrschender Meinung zur Durchsetzung seiner Rechte im Falle einer Verweigerung der Auskunft jederzeit die Möglichkeit offen stand, nach § 57 Abs. 7 BDSG und nach § 60 BDSG den Bundesbeauftragten einzuschalten (Malek in Müller/Schlothauer/Knauer, Münchener Anwaltshandbuch, Strafverteidigung, 3. Aufl., D § 30 I Rn. 6; Wittig BeckOK a.a.O. § 491 Rn. 8, im Ergebnis wohl auch Köhler a.a.O. Rn. 4a).

c) Der Festsetzung eines Geschäftswerts nach § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG bedarf es nicht, da keine Gerichtsgebühr zu erheben ist.“

 

OWi II: Unterbrechung der Verfolgungsverjährung?, oder: Nicht durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Bild von congerdesign auf Pixabay

Und dann gleich noch einmal Verjährung, nämlich im KG, Beschl. v. 14.06.2023 – 3 ORbs 108/23 – zur Frage der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG.

Die Frage hat das KG verneint:

„1. Auf die Sachrüge ist bereits v.A.w. zu prüfen, ob die Prozessvoraussetzungen vorliegen (vgl. BGHSt 21, 242). Diese ergibt, dass Verfolgungsverjährung bereits eingetreten war, als die Amtsanwaltschaft die Akten am 4. Oktober 2022 dem Gericht nach § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG vorgelegt hat.

a) Ausweislich des dem Senat im Wege des Freibeweises zugänglichen Akteninhalts hat der Betroffene die verfahrensgegenständliche Handlung am 13. August 2021 begangen. Da sein Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte, hat die Polizei am 22. Oktober 2021 das Verfahren vorläufig eingestellt, wodurch der Lauf der dreimonatigen Verfolgungsverjährung unterbrochen wurde (§ 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG). Am 11. November 2021 hat sie die Anhörung des Betroffenen veranlasst, so dass bei Zustellung des Bußgeldbescheides vom 14. Dezember 2021 am 6. Januar 2022 die dreimonatige Verjährungsfrist nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 9 OWiG, 26 Abs. 3 StVG noch nicht abgelaufen war. Die durch die Zustellung bewirkte Unterbrechung hatte nach § 26 Abs. 3 StVG zugleich die Verlängerung der Frist der Verfolgungsverjährung von drei auf sechs Monate zur Folge. Diese am 5. Juli 2022 abgelaufene Frist ist nicht erneut unterbrochen worden.

b) Weder der Eingang der Akten beim Gericht am 17. Mai 2022 zwecks Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen (§§ 69, 62 OWiG) noch die Rückgabe der Akten nach Erlass des Beschlusses haben zu einer weiteren Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs. 1 Nr. 10 OWiG geführt. Denn die Übersendung der Akten hat keine Aktenübersendung i.S.v. § 69 Abs. 3 OWiG dargestellt, weil die hiesige Vorlage auf anderen als den in diesen Regelungen genannten Gründen beruhte (vgl. Gürtler/Thoma in Göhler OWiG 18 Aufl., § 33 Rn 33a f m.w.N.). Auch deren Rücksendung hat nicht der weiteren Aufklärung des Sachverhalts gedient, wie es § 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG erfordert.

c) Die Durchführung des Verfahrens nach §§ 69, 62 OWiG hat ebenfalls zu keiner weiteren Unterbrechung der Verjährung geführt. Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass auch die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (und gleiches gilt auch für die Gewährung der Wiederaufnahme eines Verfahrens) dazu führen kann, dass mit der Entscheidung über die Wiedereinsetzung die Frist der Verfolgungsverjährung erneut zu laufen beginnt (für die Wiedereinsetzung: OLG Stuttgart MDR 1986, 608; OLG Düsseldorf MDR 1988, 794; Gürtler/Thoma a.a.O., Vor § 31 Rn. 2b; Ellbogen in KK OWiG 5. Aufl., § 31 Rn. 37 – auch für die Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens). Das setzt aber jeweils voraus, dass der Bußgeldbescheid bereits vor der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und vor Eintritt der Verfolgungsverjährung tatsächlich in (Voll-)Rechtskraft erwachsen war (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. April 2019 – 1 Rb 7 Ss 39/19 -, juris m.w.N.).

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die hiesige Fallkonstellation der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder der Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens gleichsteht, weil jedenfalls der Bußgeldbescheid vor Eintritt der Verfolgungsverjährung am 5. Juli 2022 nicht in Rechtskraft erwachsen war. Der Betroffene hat mit dem Schreiben vom 7. Januar 2022 innerhalb der 14-tägigen Frist Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt. Infolgedessen war auch nach Auffassung der Polizei der Bußgeldbescheid nicht rechtskräftig geworden. Die Verwerfung des Einspruchs der Verteidigerin durch die Polizei am 26. April 2022 gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig hat ebenfalls nicht zur Rechtskraft geführt, weil die Verteidigerin am 5. Mai 2022 und damit fristgerecht einen Antrag auf gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG gestellt hat.

Wegen der bereits am 5. Juli 2022 eingetretenen Verfolgungsverjährung ist offensichtlich, dass auch die Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag am 25. Juli 2022 zu keiner weiteren Unterbrechung führen konnte.

d) Selbst wenn das Gericht vor Ablauf des 5. Juli 2022 entschieden hätte, hätte dies zu keiner anderen Betrachtung geführt. Mit dem Beschluss hat das Gericht den Bescheid der Polizei in der Rechtsfolge aufgehoben; lediglich der Schuldspruch ist in Rechtskraft erwachsen. Denn nach den Ausführungen des Gerichts hat es das Schreiben des Betroffenen vom 7. Januar 2022 als ein auf die Rechtsfolge beschränkten Einspruch ausgelegt. Die damit eingetretene sog. horizontale Rechtskraft hat nicht die Rechtswirkung einer Vollrechtskraft und steht der Berücksichtigung von Verfahrenshindernissen nicht entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Februar 1999 – 2 Ss (OWi) 14/99 – (OWi) 4/99 II -, juris m.w.N.).“

OWi I: Antrag auf gerichtliche Entscheidung, oder: Konformitätsbescheinigung und Konformitätserklärung

entnommen wikimedia.org
Urheber KarleHorn

Heute dann mal wieder ein OWi-Tag.

Und den eröffne ich mit dem  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.01.2021 – 2 RBs 1/21, der im Wesentlichen zwei Punkte behandelt, nämlcih die Statthaftigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 OWiG) und die Frage eines Beweisverwertungsverbotes, weil das AG die Konformitätsbescheinigung und die Konformitätserklärung zu einem Messgerät nicht beigezogen hat.

Dazu das OLG:

„1. a) Dass die Bußgeldbehörde einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Falle der Nichtabhilfe dem nach § 68 OWiG zuständigen Gericht vorzulegen hat, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, § 306 Abs. 2 StPO) und bedarf keiner – so die Antragsschrift – „Grundsatzentscheidung“.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Verteidiger im Verfahren der Bußgeldbehörde keinen statthaften Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gestellt hatte. Er hatte mit Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid um Übersendung diverser Unterlagen (u. a. Konformitätsbescheinigung, Konformitätserklärung) und der digitalen Falldaten gebeten. Am Ende der Einspruchsschrift vom 11. Mai 2020 heißt es:

„Wir gehen davon aus, dass eine Übersendung der Falldaten bis zum 25.05.2020 erfolgt. Sollte eine Übersendung bis dahin nicht erfolgen, stellen wir bereits jetzt den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 2 OWiG.“

Eine Daten-CD mit der digitalen Falldatei, Messfoto-Screenshots und Unterlagen zur Historie des verwendeten Messgerätes (PoliScan M1 HP, Softwareversion 3.7.4) hat der Verteidiger erhalten. Gegenstand des vorab gestellten Antrags auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 OWiG) war die „Übersendung der Falldaten“, das Messgerät betreffende Unterlagen (u. a. Konformitätsbescheinigung, Konformitätserklärung) waren hier nicht benannt.

Ohnehin ging der bei der Bußgeldbehörde vorab gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 OWiG) ins Leere, da keine Anordnung, Verfügung oder sonstige Maßnahme der Bußgeldbehörde vorlag, gegen die sich der Rechtsbehelf hätte richten können. Gegen eine Entscheidung, die noch gar nicht erlassen worden ist, kann in statthafter Weise kein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf eingelegt werden (vgl. BGH NJW 1974, 66, 67; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., vor § 296 Rdn. 4), und zwar auch nicht vorsorglich mit künftiger Wirkung (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 1986, 935; OLG Bamberg BeckRS 2017, 102375).

b) Auch zur Frage des von dem Betroffenen geltend gemachten Beweisverwertungsverbotes, das bereits der erforderlichen tatsächlichen Grundlage entbehrt, bedarf es keiner Rechtsfortbildung…….

Zu dem Punkt stellt das OLG in seinem Leitsatz fest:

Der Umstand, dass das Messgerät geeicht war, impliziert, dass der Eichbehörde die Konformitätsbescheinigung und die Konformitätserklärung vorgelegen haben und das Messgerät ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht worden ist.