Archiv der Kategorie: Hauptverhandlung

Pflichti I: Einiges Neues zu den Beiordnungsgründen, oder: Vollstreckung, Einziehung, Schwere der Tat u.a.

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Bevor es dann morgen noch einen „Gebührentag“ gibt und dann das Pfingstwochenende kommt, stelle ich heute erst noch einmal Pflichtverteidigungsentscheidungen vor. Da haben sich seit dem letzten „Pflichti-Tag“ wieder einige angesammelt.

Hier zunächst eine Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, allerdings – wie gewohnt – nur die Leitsätze:

1. In entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO ist dem Verurteilten auch im Vollstreckungsverfahren ein Verteidiger zu bestellen, wenn die Schwere des Vollstreckungsfalls für den Verurteilten oder besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren dies gebieten oder der Verurteilte unfähig ist, seine Rechte sachgerecht selbst wahrzunehmen. Dies gilt auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019.

2. Zu den Gründen für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Verfahren über die Reststrafenaussetzung.

1. Aus § 428 Abs. 2 StPO ergibt sich keine ausdrückliche Einschränkung dahingehend, dass der Beiordnungsantrag nicht von einem Rechtsanwalt für die Einziehungsbeteiligte gestellt werden darf.

2. Die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage (vgl. § 140 Abs. 2 Alt. 3 StPO) beurteilt sich für eine Beiordnung nach § 428 Abs. 2 StPO nicht nach der gesamten Strafsache, sondern nur nach dem Verfahrensteil, den die Einziehungsbeteiligung betrifft.

1. Nach ganz überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung ist eine Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe in der Regel Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers. Diese Grenze für die Straferwartung gilt auch, wenn sie nur wegen einer Gesamtstrafenbildung erreicht wird.

2. Eine – auch entsprechende – Anwendung des § 141 Abs. 2 S. 3 StPO auf die Fälle des § 141 Abs. 1 StPO ist aufgrund der eindeutigen Systematik des § 141 StPO ausgeschlossen.

Erstrebt die Staatsanwaltschaft mit einer Berufung gegen ein erstinstanzliches Verfahren in einer Parallelsache, in der der Angeklagte bereits schon zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, eine (deutlich) höhere Freiheitsstrafe, sodass dem Angeklagten auch im Wege einer (ggf. nachträglichen) Gesamtstrafenbildung mit der Strafe aus einer etwaigen Verurteilung in dem Verfahren, in dem über eine Pflichtverteidigerbestellung zu entscheiden ist, insgesamt ein (deutlich) höherer Freiheitsentzug als ein Jahr drohen würde, ist ihm wegen Schwere der Tat ein Pflichtverteidiger zu bestellen, auch wenn es sich bei der Verurteilung aus dem Verfahren, in dem die Entscheidung zu treffen ist, voraussichtlich nur um eine Geldstrafe handeln wird.

Ist der „Vorgang“ wegen der Aktenführung unübersichtlich ist von einer schwierigen Sach- und Rechtslage auszugehen, deren Bestehen die Beiordnung eines Pflichtverteidigers als geboten erscheinen lassen kann.

OWi II: Zum Verfahrensrecht im Bußgeldverfahren, oder: Quer durch das OWiG

Und im zweiten Psting hier ein paar Entscheidungen zum Verfahrensrecht im Bußgeldverfahren, ein wenig „Ecken sauber machen“. 🙂 Vorgestellt werden aber jeweils nur die Leitsätze, und zwar:

Eine Vertretung des Betroffenen in der Hauptverhandlung im Sinne der § 73 Abs. 3, 79 Abs. 4 OWiG setzt den Nachweis der Vertretungsvollmacht voraus. Im Falle einer Untervertretung genügt es hierfür nicht, wenn zwar eine vom Wahlverteidiger dem Untervertreter erteilte Vollmacht zu den Akten gelangt ist, aber keine dem Wahlverteidiger erteilte Vertretungsvollmacht nachgewiesen ist.

1. Zur Beurteilung der Frage, ob bei der Verhängung mehrerer Geldbußen die Wertgrenze des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG überschritten ist, sind einzelne Geldbußen zu addieren, soweit sie wegen einer Tat im prozessualen Sinne gemäß § 264 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG verhängt wurden.

2. Kann aufgrund der unzulänglichen tatrichterlichen Feststellungen nicht beurteilt werden, um wie viele prozessuale Taten es sich bei den abgeurteilten Verstößen gegen das Steuerberatungsgesetz handelt, sind die verhängten Geldbußen für die Prüfung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde zusammenzurechnen.

Das Verschlechterungsverbot hindert das neue Tatgericht im neuen Rechtsgang nicht an der Verurteilung wegen einer für den Betroffenen nachteiligen Schuldform (hier Vorsatz statt Fahrlässigkeit), wohl aber an der Verhängung einer gegenüber dem ersten Rechtsgang höheren Geldbuße.

1. Nach der unmissverständlichen Formulierung des § 79 Abs.1 Satz 2 OWiG ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur gegen Urteile möglich. Gegen nach § 72 OWiG erlassene Beschlüsse ist eine Zulassungsrechtsbeschwerde ausgeschlossen.

2. Gibt das Tatgericht dem Betroffenen unter Fristsetzung die Möglichkeit, rechtsfolgenmindernde Umstände nachzuweisen (hier: verkehrserzieherische Nachschulung), so stellt es eine Verletzung rechtlichen Gehörs im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 OWiG dar, wenn der nach § 72 OWiG ergehende Beschluss vor Fristablauf ergeht.

1. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht allein deshalb geboten, weil das angefochtene Urteil keine Urteilsgründe enthält, obwohl die Voraussetzungen des § 77b OWiG, unter denen von der Fertigung von Urteilsgründen abgesehen werden kann, nicht gegeben sind, da ggf. insbesondere bei massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einfacher Verkehrsordnungswidrigkeiten, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufweisen, die Zulassungsvoraussetzungen häufig auch ohne Kenntnis von Urteilsgründen geprüft werden können.

2. Ist jedoch das Recht auf rechtliches Gehär des Betroffenen verletzt, ist die Rechtsbeschwerde ggf. zuzulassen.

So, Ecken sauber. Und das Bild mal nur so bzw.: Die o.a. Fragen sind alle auch in unserem OWi-Hnadbuch angesprochen. Zur <<Werbemodus an>> Bestellseite geht es hier. <<Werbemodus aus>>.

 

 

 

U-Haft III: Zuständigkeitswechsel bei Haftbeschwerde, oder: Umdeutung der nicht erledigten Haftbeschwerde

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Und dann noch als dritte Entscheidung der OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2023 – 3 Ws 127/23. Es geht umd die Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über eine (nicht erledigte) Haftbeschwerde bei einem Zuständigkeitswechsel im Laufe des Verfahrens.

Dazu meint das OLG – ebenso wie die überwiegende Meinung, so dass die Leitsätze reichen:

1. Eine Haftbeschwerde, die nach Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht an einen anderen Spruchkörper eingelegt worden ist, ist grundsätzlich in einen Haftprüfungsantrag umzudeuten.

2. Eine Ausnahme kann dann gelten, wenn eine Umdeutung lediglich zu einer sachlich nicht gebotenen kurzfristig erneuten Haftentscheidung desselben Spruchkörpers führen und die Anrufung des Beschwerdegerichts ohne sachlich zwingende Gründe verzögern würde, weil derselbe Spruchkörper erst kurz zuvor eine ausreichend begründete Haftentscheidung (gegebenenfalls als Beschwerdegericht) getroffen hat. Hat der neue Spruchkörper zur Zeit der Beschwerdeeinlegung jedoch noch keine begründete Haftentscheidung getroffen, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, diesem lediglich die bloße Abhilfeentscheidung (§ 306 Abs. 2 StPO) zu überlassen.

U-Haft I: Zur Haftprüfung wird nicht „verschubt“?, oder: Aufhebung des Haftbefehls

entnommen wikimedia commons Author Renardo la vulpo

Und auch heute dann „normaler“ Arbeitstag, auch wenn „Vatertag“ ist. Es werden ja nicht alle mit dem Bollerwagren unterwegs sein. Ich bin es nicht. Ich bin zwar unterwegs, aber nicht mit dem Bollerwagen, sondern nach Borkum 🙂 .

Ich mache heute dann mal einen U-Haft-Tag. In den starte ich mit dem AG Hamburg, Beschl. v. 14.01.2022 – 164 Gs 1489/21. Der Beschluss ist zwar schon etwas 🙂 älter, aber ein Bericht lohnt sich (noch). Denn das AG ha im AG Hamburg, Beschl. v. 14.01.2022 – 164 Gs 1489/21 – wegen einer nicht möglichen/erfolgten Vorführung des Beschuldigten zum Haftprüfungstermin den Haftbefehl aufgehoben.

„Der o.g. Haftbefehl war aufzuheben, da ein weiteres Aufrechterhalten jedenfalls nicht mehr verhältnismäßig wäre.

Wie das hiesige Gericht heute zufällig auf Nachfrage bei der JVA pp. erfahren hat, wurde der Beschuldigte nicht – wie angekündigt – von der JVA pp. nach Hamburg verschubt, sondern ist in der JVA pp. verblieben.

U.a. durch E-Mail vom 3.1.2022 war dem hiesigen Gericht zuvor von der JVA pp., Herrn pp. mitgeteilt worden, dass der Beschuldigte am 6.1.2022 verschubt und voraussichtlich auf 11.1.2022 in Hamburg eintreffen wird.

Von dieser Verschubung wurde, ohne dass das die Haftkontrolle führende hiesige Gericht in die Entscheidung einbezogen und darüber informiert wurde, auf unbekannte Veranlassung abgesehen. Auf telefonische Nachfrage am heutigen Tag wurde dem hiesigen Gericht von der JVA mitgeteilt, dass eine Unterrichtung des zuständigen Gerichts nicht üblich sei.

Das hiesige Gericht hat, da der Beschuldigte eine Haftprüfung beantragt hat, innerhalb der gesetzlichen Fristen von 14 Tagen persönlich eine Anhörung des Beschuldigten durchzuführen. Diese gesetzliche Frist kann hier im Hinblick auf die einfach unterbliebende Verschubung des Beschuldigten nach Hamburg nicht mehr eingehalten werden. Dieser Umstand darf nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen, zumal der Beschuldigte über seinen Verteidiger am heutigen Tag eine aktuelle Ladungs- und Zustellanschrift mitgeteilt hat.

Der Haftbefehl war daher – nach Anhörung des Verteidigers und der Staatsanwaltschaft Hamburg – aufzuheben.

Der Beschuldigte wird rein vorsorglich darauf hingewiesen, dass er, sollte er nicht unter der benannten Anschrift c/o pp. oder einer anderweitig mitgeteilten neuen Anschrift zuverlässig für Staatsanwaltschaft und Gericht erreichbar sei, er gegebenenfalls jederzeit erneut mit dem Erlass eines Haftbefehls zu rechnen hat.“

Ich frage mich allerdings, was mit § 118a Abs. 2 Satz 2 StPO ist. Dazu sagt das AG nichts.

StPO II: Zustellung an den Verteidiger wirksam?, oder: Form des Nachweises der Vollmacht

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.3.2023 – 1 ORbs 136/23 – nimmt das OLG Stellung zur Wirksamkeit einer Zustellung an den Verteidiger. Es geht um die wirksame Zustellung des (Bußgeld)Urteils.

Das AG hat die Betroffene mit Urteil vom 10.11.2022 verurteilt. Das – nicht mit Gründen versehene – Protokollurteil vom 10.11.2022 hat die Richterin mit Verfügung vom selben Tag der Staatsanwaltschaft , die nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte, „gemäß § 41 StPO übersandt“, woraufhin die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 17.11.2022 auf Rechtsmittel verzichtete.

Nach Eingang der Rechtsbeschwerde der Betroffenen am 14.11.2022 gelangten die schriftlichen Urteilsgründe am 25.11.2022 zur Akte. Diese wurden der Betroffenen aufgrund gerichtlicher Verfügung vom 24.11.2022 am 26.11.2022 und dem Verteidiger am 07.12.2022 zugestellt.

Der Verteidiger hat dann am 09.01.2023 die Rechtsbeschwerde begründet. Das AG hat die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gemäß § 79 Abs. 3 OWiG, § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da die Begründung der Rechtsbeschwerde erst am 09. Januar 2023 und somit verspätet eingegangen sei. Maßgeblich für die Berechnung der Monatsfrist nach § 79 Abs. 3 OWiG, § 345 StPO sei allein das Datum der Zustellung des Urteils an die Betroffene am 26. November 2022, nicht das Datum der am 07. Dezember 2022 erfolgten Zustellung an den Verteidiger, der keine schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht habe.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der beim OLG – ebenso wie die Rechtsbeschwerde – Erfolg hatte:

„…Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und entsprechend den § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden. Der Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung am 09. Januar 2023 wahrt die Monatsfrist ab Zustellung des Urteils (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 345 Abs. 1 Satz 3 StPO).

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat wie folgt ausgeführt:

„Die hier gerichtlich verfügte und bewirkte doppelte Zustellung an die Betroffene und ihren Verteidiger ist gesetzlich nicht vorgesehen (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 145a Abs. 3 StPO). Eine dennoch angeordnete und erfolgte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte ist jedoch zulässig. Die Berechnung der Frist richtet sich dann nach der zuletzt bewirkten – wirksamen ¬Zustellung (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 37 Abs. 2 StPO).

Die Zustellung der Urteilsgründe an den Verteidiger der Betroffenen war wirksam.

Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, gilt als ermächtigt, Zustellungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen (§ 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Zwar befand sich zum Zeitpunkt der Zustellung keine schriftliche Vollmacht des Verteidigers bei den Akten. Das Vorbringen des Verteidigers, der im Hauptverhandlungstermin anwesende unterbevollmächtigte Verteidiger habe die schriftliche Vollmacht vorgelegt (S. 5 der Antragsschrift vom 07.02.2023, BI. 85 d. A.), findet in den Akten keine Stütze. Im Protokoll ist derartiges nicht vermerkt und- die Richterin hat dies ausdrücklich in Abrede gestellt (BI. 85, 100R d. A.).

Jedoch ist seine Bevollmächtigung hier nachgewiesen.

Auf welche Weise der Nachweis erfolgen kann, bestimmt das Gesetz nicht.

Mit der Änderung des § 51 Abs. 3 OWiG soll zwar ergänzend zur früheren Regelung, nach welcher eine schriftliche Vollmacht eingereicht werden musste, nunmehr grundsätzlich die Übermittlung einer Kopie ausreichen (§ 51 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit eingefügt, um die elektronische Einreichung der Verteidigervollmacht zu erfassen und nicht nur – wie zuvor – die Original-Vollmacht gelten zu lassen (BT Drs. 19/27654, S. 40). Dabei ist davon auszugehen, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers die Kopie bzw. das elektronische Dokument wie vormals die schriftliche Vollmacht tatsächlich zu den Akten gelangt. Ob eine Verteidigervollmacht besteht, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, allerdings muss der Nachweis an formale Kriterien geknüpft sein, da sich daraus die entsprechenden Rechtsfolgen für den Betroffenen ergeben, über die aus Rechtssicherheitsgründen Klarheit bestehen muss (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.09.2009 – 2 Ss (OWi) 129B/09, BeckRS 2009, 26373).

Die Form des Nachweises der Bevollmächtigung durch Überreichung eines Dokumentes zu den Akten ist jedoch nicht die einzig zulässige. Es muss allerdings klar in den Akten dokumentiert werden oder aus ihnen ersichtlich sein, dass die Bevollmächtigung erfolgt ist. Denn anders als bei der Wirksamkeit der Vertretung durch den Verteidiger im Verfahren allgemein (vgl. dazu Meyer-Go ßner/Schmitt, StPO, vor § 137 Rdnr. 9), genügt eine ausschließlich mündlich erteilte Vollmacht grundsätzlich nicht. Anhand einer Gesamtschau der im Einzelfall vorliegenden Tatsachen, insbesondere durch wiederholtes Tätigwerden als Verteidiger in der fraglichen Rechtssache kann auf seine unbeschränkte Bevollmächtigung als Verteidiger geschlossen werden (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12.06.2019 – (1B) 53 Ss-OWi 206/19 (124/19); Beschluss vom 28.11.2022 -1 OLG – 53 Ss-OWi 456/22; jeweils bei juris).

So liegt es hier. Der Verteidiger ist hier bereits gegenüber der Verwaltungsbehörde aufgetreten, hat für die Betroffene Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, Akteneinsicht genommen und gegenüber dem Gericht Anträge für sie gestellt und den im Termin auftretenden Rechtsanwalt unterbevollmächtigt.

Die Zustellung eines schriftlichen Urteils kann zudem auch dann wirksam erfolgen, wenn dem Verteidiger vor Ausführung der Zustellung bereits eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Entgegennahme von Zustellungen erteilt worden war (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23.05.2016 (1B) 53 Ss-OWi 200/16 (110/16) bei juris m. w. N.). Eine entsprechende bereits bei Urteilszustellung erteilte rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht des Verteidigers ist hier – durch inzwischen erfolgte Nachreichung der Vollmacht zu den Akten (BI. 86 d. A.) – belegt.“

Und die Rechtsbeschwerde hatte dann auch Erfolg. Denn das insoweit allein maßgebliche „Protokollurteil“ des AG enthielt keine schriftlichen Urteilsgründe. Die nachträglich erfolgte Ergänzung der Urteilsgründe gemäß § 275 Abs. 1 StPO i. V. m. §46 Abs. 1, § 71 Abs. 1 OWiG war unzulässig und damit für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr relevant. Denn das AG hatte das Urteil bereits aus dem inneren Dienstbereich des AG herausgegeben – an die StA – und es konnte nicht mehr ergänzt werden (wegen der Einzelheiten insoweit Deutscher in: Burhoff (Hrsg.) Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn 3805 ff.).

Im Übrigen: Gilt dann natürlich auch für das Strafverfahren.