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Erst „beschränkter, dann „voller“ Pflichtverteidiger, oder: Anrechnung, so die „geballte OLG_Intelligenz“

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.-10.2023 – 1 Ws 200/23. Eine – in meinen Augen – „Besserwisserentscheidung“ eines OLG, das die vorhergehenden richtigen Entscheidungen des AG Speyer., Beschl. v. 23.03.2023 – 1 Ls 5121 Js 25842/19 und des AG Speyer, Beschl. v. 05.04.2023 – 1 Ls 5121 Js 25842/19  und des LG Frankenthal, Beschl. v. 05.07.2023 – 2 Qs 144/23, über die ich ja jeweils hier auch berichtet habe (vgl. u.a. Erst „beschränkter, dann „voller“ Pflichtverteidiger, oder: Keine Anrechnung, sagt auch das LG Frankenthal).

Ich erinnere an den Sachverhalt: Dem Beschuldigten ist der Vorwurf der Vergewaltigung gemacht worden. Ihm wurde mit Beschluss des AG vom 16.12.2020 der Kollege Flory für die Dauer der Vernehmung einer Zeugin im Rahmen des Ermittlungsverfahrens beigeordnet. Nach Abrechnung der insoweit entstandenen gesetzlichen Gebühren ist der Kollege dann auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 21.o4.2021 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Dafür sind dann seine weiteren Gebühren und Auslagen wie folgt vom AG festgesetzt worden: Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG, Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG, zweimal Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG mit einem Zuschlag Nr. 4110 VV RVG und Auslagen. Die dagegen eingelegte Erinnerung der Vertreterin der Staatskasse hatte keinen Erfolg (das sind die o.a.  AG Speyer Beschlüsse). Gegen den Beschluss des AG hat die Staatskasse natürlich Beschwerde eingelegt. Diese hat das LG Frankenthal mit dem LG Frankenthal, Beschl. v. 05.07.2023 – 2 Qs 144/23 – zurückgewiesen.

Solche Entscheidungen lassen die Vertreter der Staatskasse dann natürlich nicht ruhen. Und er hat weitere Beschwerde eingelegt und hatte damit beim OLG Erfolg:

„Das Rechtsmittel der Vertreterin der Landeskasse ist gern. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3, Abs. 6 Satz 1 RVG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die im Beschlussausspruch genannten Entscheidungen des Amtsgerichts Speyer und des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) sind rechtsfehlerhaft.

Der Verteidiger ist demselben Angeklagten in demselben Strafverfahren während des Ermittlungsverfahrens zweimal beigeordnet worden. In diesem Fall stellt ein und dasselbe Strafverfahren – jedenfalls für jede Instanz – immer ein und dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG dar (OLG Celle, Beschluss vom 25.08.2010, 2 Ws 303/10, Rn. 14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2013, III 1 Ws 416/13, juris, Rn. 6; LG Landshut, Beschluss vom 23.03.2010, 2 Qs 326/09, juris, Rn. 15; für das Revisionsverfahren: OLG München, Beschluss vom 21.01.2008, 4 Ws 3/08 <K>, juris, Rn. 7). Die von dem Rechtsanwalt übernommenen Aufgaben sind für die Beurteilung unerheblich, soweit sie in demselben Verfahren wahrgenommen werden (OLG Celle a.a.O., Rn. 11). Die mehrfache Beauftragung eines Rechtsanwalts in derselben Angelegenheit regelt § 15 Abs. 5 RVG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift erhält der Rechtsanwalt, der in einer Angelegenheit, in der er bereits vorher tätig war, weiter tätig wird, nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vomherein hiermit beauftragt worden wäre. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist. Im vorliegenden Fall liegen zwischen den beiden Beiordnungen durch das Amtsgericht Speyer keine zwei Jahre mit der Folge, dass der Verteidiger nur die Gebühren abrechnen kann, die er hätte abrechnen können, wenn er bereits am 16.12.2020 umfassend als Pflichtverteidiger beigeordnet worden wäre.

Der Umsetzung dieser Rechtslage steht auch nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 06.04.2021 entgegen; denn der Inhalt dieses Beschlusses hindert die Anrechnung der bereits zuerkannten Gebühren und Auslagen auf den weiteren Gebühren- und Auslagenanspruch des Verteidigers nicht.

Wie gesagt: „Besserwisserentscheidung. Denn das OLG liegt falscg, die AG und LG-Entscheidungen waren richtig. Das OLG übersieht, dass die Bestellung des Verteidigers im Ermittlungsverfahren nur für die „Dauer der Vernehmung der Zeugin“ erfolgt, also zeitlich beschränkt, ist. Sie war mit der Vernehmung beendet und es ist eine neue Beiordnung erfolgt. Es handelt sich also nicht um dieselbe Angelegenheit i.S. des § 15 RVG. Insofern übersieht das OLG auch, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts während der Dauer einer Vernehmung etwas anders ist als Verteidigertätigkeit im Erkenntnisverfahren. Die vom OLG angeführte Rechtsprechung stützt die falsche Auffassung des OLG im Übrigen nicht. Denn die den zitierten Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalte sind mit der hier entschiedenen Konstellation nicht zu vergleichen. Denn es handelt sich u.a. um Fragen der Nebenklage und/oder der Vertretung mehrerer Adhäsionskläger. Da spielen m.E. ganz andere Fragen eine Rolle. Das OLG sieht es offenbar anders. Schade, aber gegen die geballte Intelligenz (?) eines OLG-Senats kommt man (kaum) an.

Pflichti III: Fahrerlaubnisentziehung beim Kraftfahrer, oder: Pflichtverteidiger trotz Betreuer

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Und dann zum Tagesschluss hier noch zwei Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen (§ 140 Abs 1 oder 2 StPO), allerdings jeweils nur die Leitsätze, und zwar:

Droht dem Beschuldigten im Falle der Entziehung der Fahrerlaubnis der Verlust des Arbeitsplatzes und wäre er daran gehindert, den ausgewählten Beruf bis zu einem etwaigen Wiedererwerb der Fahrerlaubnis auszuüben, wiegt die zu erwartende Rechtsfolge schwer, so dass dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist.

Die Tatsache, dass dem Angeklagten ein Betreuer bestellt ist, ändert nichts an der Voraussetzung des § 140 Abs. 2 StPO, da sich die Aufgaben eines Betreuers und die eines Verteidigers grundlegend unterscheiden.

Pflichti II: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: Petitionsausschuss empfiehlt Prüfung der Frage

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Und im zweiten Posting dann eine Entscheidung des LG Halle zur „Dauerbrennerproblematik“ der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger. Um die Frage wird ja nach wie vor heftig gestritten, wobei die wohl h.N. inzwischen davon ausgeht – was m.E. auch richtig ist -, dass die nachträgliche/rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers zumindest dann zulässig ist, wenn der Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung gemäß § 140 Abs. 1 oder 2 StPO vorlagen und die Entscheidung durch behördeninterne Vorgänge unterblieben ist, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte.

So jetzt dann auch noch einmal das LG Halle im LG Halle, Beschl. v. 21.11.2023 – 3 Qs 109/23 -, in dem das LG seine bisherige Rechtsprechung in der Frage bestätigt hat. Wegen der Einzelheiten der Begründung der Entscheidungen verweise ich auf den verlinkten Volltext. Die stelle ich nicht mehr ein, da ich über die Problemati in der letzten Zeit ja schon häufiger berichtet habe.

In meinen Postings habe ich auch immer wieder darauf hingewiesen, dass der Streit in der Rechtsprechung: Nachträgliche Bestellung zulässig ja oder nein?, letztlich wohl nicht eine Frage ist, die die Rechtsprechung (abschließend) entscheiden kann/wird, sonder m.E. der Gesetzgeber an der Stelle tätig werden muss. Sonst wird sich dieses Hin und Her und das Kleben – vor allem der Obergerichte – an alten Zöpfen, nämlich an Rechtsprechung aus der Zeit vor der Neuregelung der §§ 140 ff. StPO nie ändern/enden.

Und an der Stelle habe ich jetzt ein wenig Hoffnung, dass sich vielleich etwas bewegt. Denn es hat im Bundestag eine Petition gegeben, mit der der Petent gefordert hat, gesetzlich zu regeln, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers auch nach Abschluss des Strafverfahrens erfolgen kann, sofern die Beiordnung rechtzeitig beantragt worden war. Auf die hat mich der Kollege M. Höpfner aus Berlin hingewiesen. Diese Petition ist im Petitionsausschuss des Bundestages beraten worden. Und der Ausschuss hat empfohlen, die Petition der Bundesregierung, und zwar dem BMJ – zu überweisen. Wer Interesse an der Beschlussempfehlung hat, der Kollege hatte sie mir zur Verfügung gestellt. Ich habe sie hier eingestellt. Im Übrigen verweise ich auf die BT-Drucks. 20/9210.

Ich bin gespannt, was „unser (?) BMJ M. Buschmann macht. Im Zweifel wahrscheinlich (leider) gar nichts. Denn in der „Beschlussempfehlung“ heißt es (schon):

„Der Petitionsausschuss weist allerdings darauf hin, dass der BGH bislang noch nicht Gelegenheit gehabt hat, darüber zu entscheiden, ob und wie sich die Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung auf seine bisherige Rechtsprechung auswirkt. Angesichts dessen hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuwarten“

Also: Abwarten? Na ja, der Petitionssausschuss hat zumindest ein wenig Druck gemacht, wenn es in der Beschlussempfehlung heißt:

„Demgegenüber ist der Petitionsausschuss der Ansicht, dass die überragende Bedeutung, die dem Recht auf ein faires Verfahren Zukommt, sowie das mit dem Gesetz zur Neuregelung. des Rechts der notwendigen Verteidigung verfolgte Ziel, auch mittellosen. Beschuldigten einen frühzeitigen Zugang zum Recht zu Bewähren, hinreichend Anlass geben, unter eben diesen Gesichtspunkten die Notwendigkeit der vom Petenten geforderten gesetzlichen Klarstellung zumindest zu prüfen.

Anderenfalls wäre unter Umständen eine Beeinträchtigung des notwendigen Rechts auf Verteidigung allein deshalb zu besorgen, weil die Frage nicht bzw. nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes höchstrichterlich geklärt wird.“

Pflichti I: Ist der „Pflichti“ (k)ein richtiger Verteidiger?, oder: Si tacuisses, philosophus mansisses

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Heute dann ein „Pflichti-Tag“, den ich allerdings nicht mit einer Entscheidung zu Pflichtverteidigungsfragen eröffne, sondern mit einem Posting zu einer allgemeinen Frage. Nämlich zur Frage des Selbstverständnisses eines Verteidigers/Rechtsanwalts/Pflichtverteidigers.

Ausgangspunkt ist ein Beitrag/Posting eines anwaltlichen Kollegen auf Facebook, der/das mich – das schon mal vorab – dann doch – gelinde ausgedrückt – sehr erstaunt hat. Für mich war es der Aufreger des Tages.

Der Kollege hatte nämlich u.a. bei Facebook ein Video hoch geladen, in dem er mit folgendem Statement zu sehen und zu hören war:

„Strafverteidiger oder Pflichtverteidiger? Das ist die Frage, die sich viele Betroffene stellen.

In letzter Zeit haben sich viele, viele Mandanten an uns gewandt und kamen dann mit der Aufforderung eines Gerichts, mit der Bitte darum, einen Pflichtverteidiger zu benennen. Und die Leute waren dann ganz aufgeregt und verunsichert und haben gesagt: Was sollen wir denn tun? Uns wird hier in Aussicht gestellt, dass ein Pflichtverteidiger uns begleitet. Das wollen wir aber gar nicht. Denn wir wollen einen richtigen Anwalt haben und darin bestärken wir unsere Mandanten auch. Wir übernehmen diese Mandate natürlich auch. Also wir sind nicht nur als Pflichtverteidiger tätig, sondern wir übernehmen auch richtige Strafverfahren.

Was ist der Unterschied? Der Unterschied ist, dass in dem Fall, dass man einen eigenen Anwalt nimmt, man selbst für die Kosten aufkommt. Und wenn es ein Pflichtanwalt ist, also ein staatlicher Pflichtanwalt, werden die Kosten zunächst vom Staat übernommen. Ich sage meinen Mandanten immer: Den ersten guten Eindruck beim Gericht macht man doch dadurch, dass man zeigt, dass man sich selbst um seine Dinge kümmert und nicht dem Staat auf der Tasche liegt, was die Kosten anbelangt.“

Zu dem Video gibt es dann auch noch einen Begleittext, in dem es heißt:

„Vor Gericht ist auch der erste Eindruck wichtig. Bei einem Pflichtverteidiger werden die Kosten zunächst von der Staatskasse bezahlt, der Beschuldigte muss also nicht schon während dem Verfahren für die Kosten aufkommen. Anders ist dies beim Strafverteidiger, hier muss der Beschuldigte selbst für die Kosten für seinen Anwalt aufkommen. Doch ich finde: durch einen Wahlverteidiger wird ein erster guter Eindruck beim Gericht gemacht, da der Beschuldigte nicht dem Staat (und damit der Allgemeinheit) mit den Kosten „auf der Tasche liegt.

Zudem muss der Beschuldigte, sofern er das Gerichtsverfahren verliert, nachträglich auch noch die Kosten für den Pflichtverteidiger bezahlen.“

So weit, so gut, oder: Wohl eher nicht so gut, wie ich finde.

Und das habe nicht nur ich so empfunden, sondern eine ganze Reihe anwaltlicher Kollegen, die zu dem Beitrag des Kollegen Stellung genommen haben, ebenfalls. Denn aus deren Kommentaren war deutlich zu entnehmen, dass sie die Frage der “Pflichtverteidigung“ anders sehen als der Ersteller des Postings. Das ist zutreffend. Die Pflichtverteidigung ist nach der Rechtsprechung Ausgestaltung des Rechtsstaatsprinzips und des fairen Verfahrens und dient, wie eine Kollegin treffend formuliert hat, dazu „einem Menschen in gesetzlich hart umgrenzten Fällen, ohne Ansehen seiner finanziellen Situation eine Verteidigung zu ermöglichen.“

Ich habe meinen Unmut über das Posting (natürlich) auch zum Ausdruck gebracht und wie folgt kommentiert:

„Herr Kollege, könnten Sie mir bitte den Unterschied zwischen einem Pflichtverteidiger, einem Strafverteidiger und einem richtigen Verteidiger erklären?

Sie erwecken zudem den Eindruck, als ob ein Pflichtverteidiger ein minderwertiger Verteidiger ist, was nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, die Sie hoffentlich kennen, falsch ist.

Was sollen solche Postings? Ich kenne viele Rechtsanwälte, die auch dann einen sehr guten Job machen, wenn sie „nur“ Pflichtverteidiger sind. Die werten Sie ab.

M.E. sind solche Postings gefährlich, denn sie erwecken den Eindruck einer Zwei-Klassen-Verteidigung.

Gewogen und zu leicht gefunden.“

Darauf ist – natürlich – keine Antwort gekommen. Was will man darauf auch antworten, außer dass es in Strafverfahren nicht einen „richtigen Anwalt“ und „Pflichtverteidiger“ gibt? Ebenso wenig gibt es „richtige“ Strafverfahren“ und ggf. andere – welche? – Strafverfahren. Das was dort geschrieben wurde, ist schlicht falsch. Es gibt Strafverfahren und es gibt Verteidiger. Die angedeuteten Unterschiede gibt es nicht und die sollte und darf man auch potentiellen Mandanten nicht suggerieren, aus welchen Gründen auch immer. Und sicherlich ist es auch falsch zu behaupten, man mache einen „ersten guten Eindruck beim Gericht …. doch dadurch, dass man zeigt, dass man sich selbst um seine Dinge kümmert und nicht dem Staat auf der Tasche liegt, was die Kosten anbelangt“. Abgesehen davon, dass es in einem Strafverfahren nicht auf einen „guten Eindruck beim Gericht“ ankommt, sondern darauf, ob die zur Last gelegte Tat mit rechtsstaatlichen Mitteln nachgewiesen werden kann, dürfte es den Gerichten in der Regel völlig egal sein, ob ein „Pflichtverteidiger“ oder ein „richtiger Anwalt“ für den Beschuldigten/Mandanten tätig wird.

Im Übrigen nur noch das, was ebenfalls ein Kollege in einem Kommentar formuliert hatte:

Ich habe bereits Wahlverteidiger und Wahlverteidigerinnen erlebt, die sich ordentliche Stundensätze haben zahlen lassen, aber schlecht vorbereitet waren und mit so gut wie null Engagement verteidigten. Oder auch solche, die es einfach nicht konnten! Mehr Schein als Sein.

Und ich habe Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidiger erlebt, die für staatliche Unterbezahlung mit höchstem Engagement verteidigt haben – trotz wirtschaftlichem Minusgeschäft.“

Das unterschreibe ich und bedanke mich zugleich bei allen Verteidigern/Verteidigerinnen, die für die gesetzlichen Gebühren des RVG, mit denen ihr Engagement häufig nicht angemessen abgegolten ist, als „Nur-Pflichtverteidiger“ einen guten Job machen.

Abschließend: Alles in allem war das o.a. Posting das, wie es ebenfalls ein Kollege formuliert hat: „Eigentor des Monats“ oder: Si tacuisses, philosophus mansisses.

Pflichti II: Konsensuale Umbeiordnung geht beim BGH, oder: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

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Ich habe ja schon ein paar Mal über die Zulässigkeit der konsensualen Umbeiordnung berichtet, bislang aber leider übersehen, dass sich ja auch der BGH inzwischen zur Frage der Zulässigkeit einer einvernehmlichen Umbeiordnung des Pflichtverteidigers geäußert hat. Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 10.08.2023 – StB 49/23 – die Frage grundsätzlich bejaht.

Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Dem Angeschuldigten wurde am 06.04.2022 noch im Ermittlungsverfahren Rechtsanwalt H. als Pflichtverteidiger bestellt. Nachdem der GBA gegen den Angeschuldigten und mehrere Mitangeschuldigte beim OLG Jena Anklage u.a. wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung sowie weiterer Delikte bei dem Thüringer Oberlandesgericht erhoben hatte, hat dieses durch Beschluss vom 23.05.2023 den zuvor als Wahlverteidiger tätigen Rechtsanwalt K. als zusätzlichen Pflichtverteidiger bestellt. Den Antrag des Angeschuldigten, Rechtsanwalt H. zu entpflichten und stattdessen Rechtsanwalt Ha. „unter Verzicht auf die bisher entstandenen Gebühren des zu entpflichtenden Pflichtverteidigers“ – zu bestellen, hilfsweise nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO einen Verteidigerwechsel vorzunehmen, hat das OLG abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an der für eine konsensuale Umbeiordnung erforderlichen Zustimmung von Rechtsanwalt H. fehle und kein zerstörtes Vertrauensverhältnis im Sinne des § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO vorliege. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Angeschuldigten (§ 143a Abs. 4 StPO) hatte keinen Erfolg.

Der BGH hat das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel verneint und dabei zur – grundsätzlich bejahten – Frage der konsensualen Umbeiordnung Stellung genommen:

„1. Die Voraussetzungen für einen konsensualen Pflichtverteidigerwechsel liegen nicht vor.
a) Die einvernehmliche Entpflichtung eines bestellten Pflichtverteidigers und die Bestellung eines anderen Verteidigers ist durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2128) nicht normiert worden. Nach dem zugrundeliegenden Gesetzentwurf sollte indes unbeschadet der gesetzlichen Neuregelung der zuvor in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte anerkannte „konsensuale und zeit- und kostenaufwandsneutrale Verteidigerwechsel weiterhin möglich bleiben“. Danach soll „auf Antrag des Beschuldigten die Bestellung des bisherigen Verteidigers zu widerrufen und der neue Verteidiger beizuordnen“ sein, „wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Einverständnis des bisherigen Verteidigers und des neuen Verteidigers, keine Verfahrensverzögerung sowie keine Mehrbelastung für die Staatskasse“ (BT-Drucks. 19/13829 S. 47, s. auch S. 49). Dementsprechend wird ein konsensualer Verteidigerwechsel in Rechtsprechung und Schrifttum für zulässig erachtet (s. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2021 – 2 StR 81/21, juris Rn. 1; Saarländisches OLG, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – 4 Ws 157/21, juris Rn. 11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. November 2020 – StB 39/20, juris Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 143a Rn. 31; KK-StPO/Willnow, 9. Aufl., § 143a Rn. 14).
Wie bereits der Begriff des konsensualen Wechsels zeigt, erfordert ein solcher ein Einvernehmen zwischen dem bisherigen und dem künftigen Pflichtverteidiger sowie dem Beschuldigten. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann auf das Einverständnis des bislang bestellten Pflichtverteidigers nicht mit der Begründung verzichtet werden, dieser sei durch seine Entpflichtung nicht beschwert und habe dagegen kein eigenes Beschwerderecht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. August 2020 – StB 25/20, BGHSt 65, 106 Rn. 4 ff.).
Der Gesetzeswortlaut bietet mangels Regelung keinen Anhaltspunkt dafür, auf das Einverständnis des bisherigen Verteidigers verzichten zu können. Die Intention des Gesetzgebers, der nach den Gesetzesmaterialien ausdrücklich das Einverständnis für notwendig erachtet hat, spricht ersichtlich dagegen. In systematischer Hinsicht ermöglichen § 143a Abs. 2 und Abs. 3 StPO den Wechsel des Pflichtverteidigers lediglich in bestimmten Konstellationen. Diese gesetzlichen Vorgaben drohen ausgehöhlt zu werden, wenn bereits der Wunsch des Beschuldigten, das Einverständnis des neuen Verteidigers und dessen Verzicht auf eigene Gebühren in Höhe schon angefallener Kosten einen Wechsel zur Folge haben können. Dies gilt insbesondere für die Voraussetzungen gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO, wonach für einen Wechsel das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört sein muss.

Da der konsensuale Verteidigerwechsel nicht gesetzlich geregelt ist, ist den normierten Tatbeständen Vorrang zu geben. Wenn gleichwohl in Fortführung früherer Rechtsprechung über das Gesetz hinaus ein Wechsel möglich sein soll, spricht wenig dafür, diesen nicht normierten Ausnahmefall noch auszuweiten. Im Übrigen braucht das – sowohl nach der Rechtsprechung als auch nach der Gesetzesbegründung – für notwendig erachtete Einverständnis des bisherigen Pflichtverteidigers nicht ausschließlich in dessen eigenem Interesse zu bestehen (vgl. in Bezug auf eine missbräuchliche Verdrängung KG, Beschluss vom 20. November 1992 – 4 Ws 228/92, NStZ 1993, 201, 202), sondern kann zugleich Nachweis dafür sein, dass mit dem nach § 143a StPO nicht erforderlichen Verteidigerwechsel kein besonderer zusätzlicher Aufwand und keine weiteren Komplikationen verbunden sind.
b) Vor diesem Hintergrund fehlt das für einen konsensualen Verteidigerwechsel erforderliche Einverständnis von Rechtsanwalt H. . Dieser hat sich ausdrücklich den Ausführungen des Generalbundesanwalts angeschlossen, mit denen die Zurückweisung des Antrags auf Verteidigerwechsel beantragt worden ist.

2. Ein Verteidigerwechsel gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ist ebenfalls nicht veranlasst. Weder aus den vom Angeschuldigten vorgebrachten Umständen noch sonst ergibt sich, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeschuldigten und Rechtsanwalt H. endgültig zerstört ist……“