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(Kein) Haftzuschlag für Vorführung zum HV-Termin?, oder: LG Nürnberg-Fürth entscheidet falsch

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Wenn der Beschuldigte sich nicht auf freiem Fuß befindet, entstehen für den Verteidiger die Gebühren mit Haftzuschlag gem. § 4 Abs. 4 VV RVG. Bisher nicht entschieden war die Frage, ob das auch gilt, wenn der Angeklagte nach § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO zum Hauptverhandlungstermin vorgeführt wird. Das LG Nürnberg-Fürth hat die Frage nun im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 09.09.2025 – 18 Qs 4/25 – entschieden. Danach soll die Teerminsgebühr mit Zuschlag nicht entstehen, wenn der Angeklagte nach § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO zum Hauptverhandlungstermin vorgeführt wird.

Das hat das LG wie folgt begründet, wobei es sich erst lang und breit zum Zuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG „auslässt“ und dann ausführt:

„bb) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist (§ 230 Abs. 2 StPO).

(A) Im Falle eines Vorführbefehls (§ 230 Abs. 2 1. Alt. StPO) gilt: Sobald der Angeklagte in der Verhandlung anwesend ist, wird der Vorführungsbefehl gegenstandslos (vgl. KK-StPO/Gmel/Peterson, 9. Aufl. 2023, StPO § 230 Rn. 11; MüKoStPO/Arnoldi, 2. Aufl. 2024, StPO § 230 Rn. 22; Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 31; Schmitt/Köhler/Schmitt, 68. Auflage 2025, § 230 StPO Rn. 20). Die Befugnis, den Angeklagten festzuhalten, bestimmt sich von diesem Zeitpunkt an nach § 231 Abs. 1 StPO (vgl. Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 31; MüKoStPO/Arnoldi, 2. Aufl. 2024, StPO § 230 Rn. 22; Julius/?Barrot in: Gercke/?Temming/?Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023, § 230 StPO, Rn. 13).

(B) Ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 2. Alt. StPO wird hingegen grundsätzlich erst mit dem Ende der Hauptverhandlung – dann aber ohne dass es einer weiteren Entscheidung bedarf – gegenstandslos (vgl. MüKoStPO/Arnoldi, 2. Aufl. 2024, StPO § 230 Rn. 24; KK-StPO/Gmel/Peterson, 9. Aufl. 2023, StPO § 230 Rn. 14; BeckOK StPO/Gorf, 56. Ed. 1.7.2025, StPO § 230 Rn. 20; Julius/Barrot in: Gercke/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023, § 230 StPO, Rn. 13; Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 37).

b) Unter Würdigung dieser Vorgaben hat der Verteidiger keinen Anspruch auf die (zweifache) Gebühr VV RVG Nr. 4109. Diese Gebühr entsteht nicht, wenn der Angeklagte nach § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO zum Hauptverhandlungstermin vorgeführt wird.

aa) Der Angeklagte befand sich zwar zweifach nicht auf freiem Fuß. Gegen ihn waren am 6. August 2024 und 21. August 2024 Vorführbefehle ergangen, die jeweils zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt an diesen Tagen oder kurz zuvor vollstreckt wurden. Hernach wurde er – in polizeilichem Gewahrsam befindlich – zum Amtsgericht Nürnberg transportiert. Der Zeitpunkt der Vollstreckung der Vorführbefehle ist den Akten nicht zu entnehmen. Nach dem üblichen Ablauf, von dem mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen ist, wurde der Angeklagte nach Ingewahrsamnahme entweder direkt vom Ort des Aufgriffs zum Amtsgericht Nürnberg transportiert und befand sich dort entweder unter Bewachung bis zum Beginn der Hauptverhandlung im Sitzungssaal oder aber in einer Vorführzelle. Sofern der Aufgriff zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt wäre, hätte er sich zuvor in einem polizeilichen Haftraum befunden. In allen Varianten befand sich der Angeklagte nicht auf freiem Fuß.

bb) (A) Der Angeklagte befand sich allerdings nicht zu irgendeinem Zeitpunkt während der fraglichen Hauptverhandlungstermine nicht auf freiem Fuß. Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Vorführbefehle wurden – den obigen Vorgaben entsprechend – mit Beginn der jeweiligen Hauptverhandlungstermine durch Aufruf der Sache um 09:00 Uhr (21. August 2024) bzw. 13:02 Uhr (2. September 2024) gegenstandslos. Im Falle eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 2. Alt. StPO hingegen hätte sich der Angeklagte auch während der Hauptverhandlung nicht auf freiem Fuß befunden, weil dieser über deren Beginn mit Aufruf zur Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO) hinaus fortgewirkt hätte. Die Vorführbefehle allerdings hatten nach diesem Zeitpunkt ihre Wirkung verloren. Der Angeklagte befand sich hernach ‚auf freiem Fuß‘. Er durfte sich aus der Hauptverhandlung zwar nicht entfernen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 StPO) und die Vorsitzende konnte die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern, und insbesondere den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen (§ 231 Abs. 1 Satz 2 StPO). Es kann dahinstehen, ob hierdurch die Gebühr Nr. 4109 VV RVG ausgelöst worden wäre, weil Anordnungen in diesem Sinne nicht getroffen wurden.

(B) Dass die Gebühr VV RVG Nr. 4109 nicht entsteht, wenn der Angeklagte nach § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO zum Hauptverhandlungstermin vorgeführt wird, wird auch durch folgende Erwägungen bestätigt: In VV RVG Nr. 4109 heißt es „Gebühr 4108 mit Zuschlag“. VV RVG Nr. 4108 lautet: „Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag in den in Nummer 4106 genannten Verfahren“. Dieser Wortlaut rechtfertigt die Annahme, dass der Mandant sich – wenngleich möglicherweise auch nur kurz – während der Hauptverhandlung nicht auf freiem Fuß befunden haben muss. Unabhängig von dem Umstand, dass ohne Belang ist, ob tatsächlich Erschwernisse entstanden sind, rechtfertigt der Sinn und Zweck der Gebühr VV RVG Nr. 4109 auch nicht die Erstreckung auf Fälle einer Vorführung zur Hauptverhandlung gemäß § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO: Die oben bezeichneten spezifischen Verrichtungen wie etwa Haftprüfungsanträge oder Haftbeschwerden kommen hier nicht in Betracht. Die geschilderten bei einer Inhaftierung entstehenden Kommunikationsprobleme sind in diesem Fall nicht zu erwarten, weil der (polizeiliche) Gewahrsam nur von kurzer Dauer sein wird. Der Zeitpunkt der Vollstreckung des Vorführbefehls ist so zu wählen, dass der Angeklagte pünktlich zum neuen Verhandlungstermin vorgeführt werden kann. Er darf, da es sich um einen einschneidenden Eingriff in seine Freiheitsrechte handelt, zur Vorführung nicht früher in Gewahrsam genommen werden, als es zur Erreichung dieses Zwecks notwendig ist (vgl. Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 29). § 135 Satz 2 StPO ist entsprechend anwendbar (Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 29; MüKoStPO/Arnoldi, 2. Aufl. 2024, StPO § 230 Rn. 22). So ist nach der Lebenserfahrung zu erwarten, dass der Angeklagte frühestens am Abend vor den Hauptverhandlungsterminen, wahrscheinlicher erst am Morgen der Hauptverhandlungstermine in Gewahrsam genommen wurde. Die Erschwernis der Kontaktaufnahme zu dem Mandanten wäre angesichts dieses Umstandes nur von kurzer Dauer gewesen.“

Die Entscheidung ist unzutreffend. Der Kostenbeamte und das AG hatten die beiden Haftzuschläge zur Recht gewährt. Denn der Angeklagte war entgegen den Ausführungen des LG auch während der beiden Hauptverhandlungstermine „nicht auf freiem Fuß“. Daran ändert der Umstand, dass der Vorführbefehl mit Aufruf der Sache gegenstandslos wird nichts. Denn das LG übersieht, dass der „Aufruf der Sache“, mit dem nach § 243 Abs. 1 S. 1 StPO die Hauptverhandlung beginnt, schon als „Beginn“ zum Hauptverhandlungstermin gehört. Es handelt sich nicht etwa um ein Vorstadium, an das sich dann die eigentliche Hauptverhandlung anschließt, sondern es ist die erste Aktion in der Hauptverhandlung. Während dieser Aktion war dann aber der Angeklagte auch nach der eigenen Argumentation des LG in der Hauptverhandlung „nicht auf freiem Fuß“, wenn, was ich einräume, auch nur für die berühmte juristische Sekunde. Aber darauf kommt es, da für das Entstehen des Zuschlags tatsächliche Erschwernisse keine Rolle spielen, nicht an.

Nur zur Klarstellung weise ich darauf hin, dass nach dem mitgeteilten Sachverhalt natürlich auch die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG mit Haftzuschlag als Verfahrensgebühr Nr. 4107 VV RVG entstanden ist. Denn ohne Zweifel hat sich der Angeklagte während des gerichtlichen Verfahrens „nicht auf freiem Fuß“ befunden. Darum scheint es aber, wenn der Verteidiger diesen Zuschlag abgerechnet hat, keinen Streit gegeben zu haben.

Unverständlich ist für mich, dass das LG die weitere Beschwerde zum OLG nicht zugelassen hat. Denn die vom LG – falsch – entschiedene Frage hat natürlich grundsätzliche Bedeutung, da es, soweit ersichtlich, Rechtsprechung dazu bisher nicht gibt. Von daher wäre es zu begrüßen gewesen, wenn sich das OLG Nürnberg dazu hätte äußern und die Frage (hoffentlich) wieder richtig, so wie bereits vom AG entschieden, hätte entscheiden können. So bleibt es leider bei der falschen Entscheidung des LG. Zur Nachahmung ist diese nicht empfohlen.

Angemessene Bemessung der Terminsgebühren, oder: Berücksichtigung des Verhaltens des Angeklagten

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Am „Gebührentag“ gibt es heute zwei Entscheidungen zur Gebührenbemessung bei der Rahmengebühren. Die richtige Bemessung der anwaltlichen Gebühren ist ja vor allem in den Freispruchsfällen, wenn die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten erstatten muss, immer wieder ein Problem. Das beweist (mal wieder) der LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 19.09.2025 – 12 Qs 34/25.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren mit einem Körperverletzungs- und Beleidigungsvorwurf gegen die ehemalige Angeklagte, die eine Nachbarin mit einem Kraftausdruck beleidigt, geschüttelt und in den Bauch getreten haben soll. Nach zwei Hauptverhandlungsterminen wurde die Angeklagte freigesprochen, wobei der zweite Termin wegen Nichterscheinens der vermeintlichen Geschädigten als Zeugin im ersten Termin erforderlich wurde. Der Verteidiger setzte bei der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG und den Terminsgebühren nach Nr. 4108 VV RVG jeweils die Mittelgebühr an, hinsichtlich der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG eine geringfügig über der Mittelgebühr liegende Gebühr. Letztere setzte das AG im Kostenfestsetzungsbeschluss wie beantragt fest, bei der Grundgebühr und den Terminsgebühren setzte es nach Anhörung der Bezirksrevisorin Gebühren unterhalb der Mittelgebühr an. Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seiner Beschwerde. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Das LG hat recht viel geschrieben. Daher stelle ich hier nur die Leitsätze ein, die das LG seiner Entscheidung gegeben hat, nämlich:

1. Die Höhe der Terminsgebühr Nr. 4108 VV bemisst sich nicht allein nach der Dauer eines Termins, sondern auch nach dem im Einzelfall erforderlichen Tätigkeitsumfang des Verteidigers im Termin.

2. Bei der Bestimmung der angemessenen Höhe der Gebühr Nr. 4108 VV kann das Verhalten des Mandanten im Termin zu berücksichtigen sein, wenn sich dies auf dem Umfang oder die Schwierigkeit der erforderlichen Anwaltstätigkeit auswirkt.

Die vollständige Begründung dann bitte selbst lesen. Ob die Entscheidung zutreffend ist, kann man m.E. ohne genaue Aktenkenntnis nicht beurteilen. Das LG äußert sicherlich an der ein oder anderen Stelle zutreffende Gedanken, andererseits stellt es aber auch Überlegungen an, die in der geäußerten Allgemeinheit nicht zutreffend sind. Würde man hier auf alle Einzelheiten eingehen, würde das den „Platzrahmen“ sprengen. Ich will/muss mich daher auf einige wenige Punkte beschränken (zur Bemessung der Rahmengebühren eingehend Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen. 7. Aufl. 2025, Teil A Rn 1803 ff.).

Bei der Grundgebühr Nr. 4100 VV kann man trefflich darum streiten, welche Aktenumfang noch durchschnittlich und welcher unterdurchschnittlich ist; die vom LG angeführte Rechtsprechung beweist das anschaulich. Hier waren es 50 Blatt, das ist ein Umfang, der sicherlich – wenn überhaupt – am unteren Rand dessen liegt, was man noch als durchschnittlich ansieht. M.E. irrt das LG dann aber, wenn es dem Umstand, dass ein Verteidiger unter Zeitdruck gestanden und an Samstagen und Sonntagen gearbeitet hat, offenbar grundsätzlich keine Bedeutung beimessen will. Das Gegenteil ist m.E. der Fall. Auch die Schwierigkeit der Sachlage kann, ggf. muss man sie, anders sehen. Denn wenn eine „Konfliktverteidigung“ in dem Sinne vorlag, dass sich die Position der ehemaligen Angeklagten und der Geschädigten „diametral entgegenstanden“, kann es sich sehr wohl um Verfahren handeln, das schwieriger ist als die üblichen Verfahren.

Bei den Terminsgebühren Nr. 4109 VV RVG kann man – ebenso wie bei der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG – darum streiten, welche Terminsdauer denn durchschnittlich und welche unterdurchschnittlich ist. Die vom LG angeführte Rechtsprechung beweist das auch hier. Der Verteidiger hatte die Mittelgebühr angesetzt. Warum das LG die nun gleich um rund 25 % unterschritten, erschließt sich mir nicht. Ich halte den Abschlag für zu hoch.

Allgemein ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Die oben angegebenen Leitsätze stammen vom Gericht. Ich halte den Leitsatz 2 in seiner Allgemeinheit für gefährlich. Denn, wenn das Verhalten des Mandanten im Termin – ohne Einschränkung – zu berücksichtigen sein soll, wenn sich dies auf dem Umfang oder die Schwierigkeit der erforderlichen Anwaltstätigkeit auswirkt, dann beinhaltet das die Gefahr, dass über die Auslagenerstattung nachträglich das Prozessverhalten eines ehemaligen Angeklagten sanktioniert wird, indem etwa, weil wegen einer nicht erfolgten Einlassung, die eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich gemacht hat, nicht die gesamte Terminsdauer bei der Bemessung der Terminsgebühr berücksichtigt wird. Wenn das LG das so meint, ist dem zu widersprechen. Das Verhalten des Angeklagten im Termin kann/darf m.E. so keine Auswirkungen auf die Höhe der Verteidigergebühren haben. Etwas anders mag bei prozesswidrigem Verhalten gelten, aber damit hatten wir es hier nicht zu tun.

Pflichti III: Rechtsfolgenbeschränkte Berufung der StA, oder: Beurteilung der Schwere der Rechtsfolgen

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Und im letzten Pflichti-Posting dieser Serie habe ich dann noch zwei Entscheidungen zum Beiordungsgrund. Beide betreffen die Beiordnung u.a. wegen Schwere der Rechtsfolgen, einmal in dem Fall derr Gesamtstrafenbildung. Es handelt sich um:

Ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1, Abs. 2 StPO wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage liegt nicht vor, wenn über eine rechtsfolgenbeschränkte Berufung alleine der Staatsanwaltschaft gegen eine erstinstanzliche Verwarnung mit Strafvorbehalt wegen des Vorwurfs einer falschen Verdächtigung handelt und die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Aussetzung zur Bewährung erstrebt.

Bei der Beurteilung der Schwere der Rechtsfolgen ist die Grenze der Straferwartung um ein Jahr Freiheitsstrafe auch dann zu beachten, wenn ihr Erreichen oder Überschreiten erst infolge einer zu erwartenden Gesamtstrafenbildung in Betracht kommt. Dabei löst nicht erst und ausschließlich dasjenige (möglicherweise letzte von mehreren) Verfahren, in dem die (Gesamt-)Strafe schließlich zum Überschreiten der maßgeblichen Grenze von einem Jahr führt, für den Beschuldigten die aus einer Verurteilung drohenden Nachteile aus; vielmehr hat jede Einzelstrafe, die voraussichtlich zum Bestandteil einer die Grenze überschreitenden Gesamtfreiheitsstrafe werden wird, diese potenzielle Bedeutung, gleich, ob sie in einem verbundenen oder in getrennten Verfahren ausgesprochen wird.

Mit dem Beschluss des LG Nürnberg-Fürth habe ich keine Probleme, denn der entspricht der h.M. in der Rechtsprechung. Bei dem des LG Karlsruhe bin ich mir nicht sicher, ob er zutreffend ist. Letztlich wird man das aber nur entscheiden können, wenn man die gesamten Verfahrensumstände im Einzelnen kennt; da hält sich der Beschluss bedeckt. Ich hätte vor allem gerne mehr über die vorgeworfene Tat usw. gewusst.

Strafbefehl II: Falsche Beschluss-Entscheidung des AG, oder: Wird das Verfahren dadurch erledigt?

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Und dann als zweite Entscheidung der LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 26.05.2025 – 12 Qs 17/25 – mit folgendem Sachverhalt:

Die Angeklagte wurde mit Strafbefehl des AG zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50 EUR verurteilt. Dagegen legte sie mit Schreiben vom 22.12.2024 Einspruch ein. Darin heißt es:

„Berufung gegen die Höhe der verhängten Geldbuße

Gegen mich wurde eine Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen verhängt. Der Tagessatz wird auf 50,00 EURO festgesetzt. Die Geldstrafe beträgt somit insgesamt 3.500 EURO. Ich bitte Sie, die Höhe des Bußgeldes herabzusetzen, da ich diesen Betrag derzeit nicht zahlen kann. Jeden Monat haben wir Schwierigkeiten, Zahlungen zu leisten und Lebensmittel bereitzustellen. Aufgrund dieser Situation beantrage ich eine Herabsetzung des Bußgeldes …“

Das AG forderte daraufhin einen Nachweis über die Höhe des bezogenen Arbeitslosengeldes von der Angeklagten, den sie übersandte. Anschließend teilte es der Staatsanwaltschaft mit, dass es das Schreiben vom 22.12.2024 als „beschränkten Einspruch“ auslege und aufgrund der vorgelegten Unterlagen eine Tagessatzhöhe von 40 EUR angemessen erscheine. Die Staatsanwaltschaft stimmte dem zu und erklärte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im Beschlusswege.

Mit Beschluss vom 04.02.2025 änderte das AG den Strafbefehl im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass die Höhe des Tagessatzes 40 EUR beträgt. Zugleich wurde der Angeklagten gestattet, die Geldstrafe in Raten zu bezahlen.

Gegen diesen Beschluss wandte sie sich mit an die Staatsanwaltschaft gerichtetem Schreiben vom 17.02.2025, das dort am 19.02.2025 und – entsprechend weitergeleitet – beim AG am 27.02.2025 einging. Darin bat sie wiederum um Herabsetzung des zu zahlenden Geldbetrages.

Das Amtsgericht legte das Schreiben als sofortige Beschwerde aus und half ihr nicht ab. Das LG hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen:

„Die sofortige Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen.

Die vom Amtsgericht zutreffend angenommene sofortige Beschwerde war unzulässig, da die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO zu ihrer Einlegung bereits am 18.02.2025 abgelaufen war. Ein Angeklagter darf bei der Einlegung eines Rechtsmittels auf die normalen Postlaufzeiten vertrauen (vgl. Kammer, Beschluss vom 23.08.2021 – 12 Qs 57/21, juris Rn. 20 m.w.N.). Bis Ende 2024 konnte er daher damit rechnen, dass ein Brief einen bzw. zwei Werktage nach der Einlieferung beim Empfänger ausgeliefert wird (vgl. § 2 Nr. 3 PUDLF a.F.). Seit dem 01.01.2025 gilt aber die Vorgabe, dass ein Standardbrief erst am dritten bzw. vierten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt wird (§ 18 Abs. 1 mit § 112 Abs. 4 PostG i.d.F. vom 15.07.2024, BGBl. I Nr. 236). Ob diese Kombination einer verlängerten Auslieferungsfrist mit der knappen Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde noch die verfassungsrechtlichen Mindeststandards für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes wahrt, mag zweifelhaft erscheinen. Denn sieht die Prozessordnung ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.07.2019 – 2 BvR 881/17, juris Rn. 16 m.w.N.). Allerdings kam es hier darauf nicht an, weil das Schreiben der Angeklagten trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung an den falschen Adressaten gerichtet war, der keine gemeinsame Briefannahmestelle mit dem Amtsgericht teilt, sodass es auch aus diesem Grunde verspätet an das Amtsgericht weitergeleitet wurde. Für die Fristwahrung maßgeblich war der Zugang dort. Eine Wiedereinsetzung war daher wegen des Verschuldens der Angeklagten ausgeschlossen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.03.2002 – 2 Ws 79/02, juris Rn. 5).

 

Prozessual teilt die Kammer nach alldem nicht die Auffassung des LG Regensburg (Beschluss vom 22.08.2019 – 5 Qs 151/19, juris), wonach aus dem Umstand, dass ein rechtswidrig nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO ergangener Beschluss das Verfahren nicht abschließt – das wertet die Kammer hier nicht anders (dazu unter III) – zugleich folgt, dass die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ins Leere geht und sich als gegenstandslos erweist (LG Regensburg, aaO Rn. 18). Das Vorliegen einer Beschwerde rechtfertigt erst die Sachbefassung durch das Beschwerdegericht. Was eine „gegenstandslose“ Beschwerde in diesem Kontext bedeuten soll, erschließt sich ebenso wenig, wie dass eine gegenstandslose Beschwerde das Beschwerdegericht instand setzen soll, die Ausgangsentscheidung (deklaratorisch) für gegenstandslos zu erklären.

III.

Kosten waren nicht zu erheben. Die Niederschlagung der Kosten gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG kommt in Betracht, wenn diese bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären. Das war der Fall.

Eine wirksame Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe lag nicht vor. Bei verständiger Würdigung des Schreibens der Angeklagten vom 22.12.2024 ergibt sich zwar, dass der Einspruch auf die Rechtsfolgenseite beschränkt war. Er richtete sich allerdings nicht nur gegen die Tagessatzhöhe. Die verhängte Geldstrafe erschien der Angeklagten insgesamt zu hoch. Die Höhe der Strafe wird durch die Anzahl und die Höhe der Tagessätze bestimmt. Beide Faktoren sind für das von der Angeklagten als zu hart empfundene Ergebnis gleicherweise maßgeblich. Dass die Angeklagte nur den einen Faktor herabgesetzt sehen wollte, den anderen dagegen nicht, dafür ist dem Einspruchsschreiben nichts zu entnehmen.

Mangels wirksamer Beschränkung des Einspruchs nur auf die Tagessatzhöhe war eine Entscheidung des Amtsgerichts im Beschlusswege nicht statthaft. Vielmehr hätte über den Einspruch mündlich verhandelt werden müssen (§ 411 Abs. 1 Satz 2 StPO), zumal auch eine Zustimmung der Angeklagten zur Entscheidung im Beschlusswege (§ 411 Abs. 1 Satz 3 StPO) der Akte nicht entnommen werden kann.

Hätte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, hätte die Angeklagte keine Veranlassung gehabt, sich gegen den Beschluss vom 04.02.2025 zu wenden, sodass auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären. Das Strafverfahren als solches ist durch den rechtswidrigen Beschluss des Amtsgerichts noch nicht abgeschlossen (ebenso LG Regensburg, Beschluss vom 22.08.2019 – 5 Qs 151/19, juris; KK-StPO/Maur, 9. Aufl., § 411 Rn. 9a). Das Amtsgericht wird insoweit in eigener Zuständigkeit das Weitere veranlassen.“

Rahmengebühren in einem Beleidigungsverfahren, oder: Person der Antragstellers und Inflationsausgleich

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Im zweiten RVG-Posting habe ich dann mal wieder etwas zur Bestimmung der Rahmengebühr (§ 14 Abs. 1 RVG) im Strafverfahren, und zwar den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. 07.02.2025 – 12 Qs 2/25.

Der Rechtsanwalt hat den Angeklagten in einem Verfahren verteidigt, in dem ihm drei Fälle der Beleidigung zur Last gelegt wurden. Verfahrensgegenstand waren Äußerungen des Angeklagten gegenüber der von Januar 2022 bis Mai 2022 für ein Nachlassverfahren des AG Nürnberg zuständigen Richterin und gegenüber dem Präsidenten des OLG Nürnberg über den damaligen Präsidenten des AG Nürnberg. Die Äußerungen standen im Zusammenhang mit der Unzufriedenheit des Angeklagten mit der Tätigkeit der Richterin.

Mit Schreiben vom 26.4.2022 stellte der Präsident des AG Strafantrag wegen Beleidigung zum Nachteil der Richterin, dem sich diese angeschlossen hat. Der Angeklagte wurde zum Vorwurf der Beleidigung zum Nachteil der Richterin 23. Mai 2022 als Beschuldigter vernommen. Kurz danach sandte er verschiedene  Nachrichten an das OLG Nürnberg, in denen er sich über die angebliche Unfähigkeit des damaligen Präsidenten des AG beschwerte und diesen als unfähig bezeichnete. Des Weiteren stellte er einen Befangenheitsantrag. Wegen dieser Nachrichten stellte der Präsident des OLG Nürnberg Strafantrag als Dienstvorgesetzter des Präsidenten des AG Nürnberg.

Die Staatsanwaltschaft hat Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen der genannten Taten beantragt und das Verfahren wegen zweier weiterer Fälle der Beleidigung, derer der Angeklagte verdächtig war, nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Der Strafbefehl lautete auf eine Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu 30 EUR.

Am 07.09.2022 hat das AG den Strafbefehl erlassen Mit Schriftsatz vom 10.9.2022 meldete sich der Verteidiger und legte Einspruch ein. Er äußerte sich zum Sachverhalt und beantragte erstmalig Akteneinsicht in die Akte des Strafverfahrens, die ihm gewährt wurde. Sodann äußerte er sich dann in mehreren Schriftsätzen zur Sache. Am 9.11.2022 fand eine 50 Minuten dauernde Hauptverhandlung, in der die ermittelnde Polizeibeamtin als Zeugin vernommen wurde. Das AG hat den Angeklagten sodann wegen Beleidigung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu 30 EUR verurteilt.

Gegen das Urteil legten der Verteidiger und die Staatsanwaltschaft jeweils Berufung ein, die Staatsanwaltschaft beschränkt auf die Rechtsfolgen. Nach einer etwa zweistündige Berufungshauptverhandlung hat das LG Nürnberg-Fürth das Urteil des AG aufgehoben und den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen und die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen.

Gegen diesen Freispruch hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Nach Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung durch das BayObLG hat die Generalsstaatsanwaltschaft die Revision zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 17.7.2024 hat der Verteidiger seine Gebühren gegenüber der Staatskasse geltend gemacht und ausgeführt, dass die Mittelgebühr um 10% zu erhöhen sei, weil Tatvorwurf keine einfache Beleidigung gewesen sei. Für die Gebühr für seine Teilnahme an der Hauptverhandlung am Amtsgericht hat er 120% des Mittelwertes angesetzt. Dies folge daraus, dass ein Gerichtspräsident Strafantrag gestellt habe und die vermeintlich beleidigte Richterin dem beigetreten sei. Außerdem sei abzuwägen gewesen, ob die deftigen Worte seines Mandanten eine Beleidigung oder eine Meinungsäußerung gewesen seien. Die Bezirksrevisorin am AG Nürnberg hat in ihrer Stellungnahme den Arbeitsaufwand des Verteidigers für unterdurchschnittlich gehalten. In weiteren Schriftsätzen hat der Verteidiger u.a. ausgeführt, dass die Gebühren bereits seit 1.1.2021 festgeschrieben seien und seitdem eine Preissteigerung erfolgt sei. Auch deswegen habe er eine Gebühr oberhalb der Mittelgebühr beantragt.

Mit Beschluss vom 16.12.2024 hat das AG die Vergütung des Verteidigers festgesetzt, wobei es für die Tätigkeit des Verteidigers im Ermittlungsverfahren jeweils 75% der Mittelgebühr festgesetzt, die Forderung des Verteidigers von 110% des Mittelwertes bei der Verfahrensgebühr des ersten Rechtszugs bestätigt und für die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug 90% der Mittelgebühr festgesetzt hat. Bei den Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren und bei der Gebühr für die Hauptverhandlung im Berufungsverfahren hat es jeweils die Mittelgebühr ohne Erhöhung festgesetzt. Dagegen hat der Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg und begründet das u.a. wie folgt:

„…..

d) Des Weiteren rechtfertigt eine besondere Bedeutung der Sache für den Mandanten nur dann eine Erhöhung der Rahmengebühren, wenn der Verteidiger deswegen auch einen spürbar größeren Arbeitsaufwand hat (OLG Rostock, Beschluss vom 18. Januar 2017, 20 Ws 21/17, juris Rn. 9). Das war aber nicht der Fall.

Strafantragsteller waren hier der damalige Präsident des AG Nürnberg, eine Richterin des AG Nürnberg und schließlich der Präsident des OLG Nürnberg. Das spielt für die Bedeutung eines Verfahrens für einen Beschuldigten aber keine wesentliche Rolle, weil im Fall einer Verurteilung die nachgewiesene Straftat und deren Gewicht, neben anderen Umständen wie der Persönlichkeit des Beschuldigten und weiteren Merkmalen maßgeblich sind, nicht aber die Person des Strafantragstellers. Weiterhin ist nicht dargelegt, inwieweit die Identitäten der Strafantragsteller im vorliegenden Verfahren für den Verteidiger zu Mehrarbeit geführt haben sollen. Auch eine Durchsicht der Schriftsätze des Verteidigers des vorliegenden Verfahrens ergab keine Anhaltspunkte für besondere Schwierigkeiten des vorliegenden Verfahrens. Der Verteidiger hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Dauer des Nachlassverfahrens seinen Mandanten zu unangemessenen Äußerungen veranlasst habe. Diese Ausführungen begründen aber keine besondere Schwierigkeit der Sache, welche die im vorliegenden Fall gegebenen Umstände ausgleichen, die für einen für den Verteidiger einfach gelagerten Fall sprechen. Im Schriftsatz vom 17. Juli 2024, mit dem der Verteidiger seine Gebühren geltend machte, ist zwar davon die Rede, dass von Anfang an abzuwägen gewesen sei, ob eine Beleidigung im Rechtssinne oder eine Meinungsäußerung vorgelegen habe. Die Prüfung einer Rechtsfrage bei einer Strafverteidigung ist aber vom regelmäßig zu bearbeitenden Aufgabenkreis eines Rechtsanwalts gedeckt und führt nicht zu einer besonderen Schwierigkeit des Verfahrens. Auf die im Schriftsatz vom 17. Juli 2024 enthaltenen Erwägungen zum Strafmaß wurde oben bereits eingegangen. Die Person eines mutmaßlich Beleidigten – im vorliegenden Fall eine Richterin am Amtsgericht und der Präsident des Amtsgerichts – macht eine Sache für sich genommen auch nicht besonders schwierig.

e) Weiter stellen allgemeine Preissteigerungen keinen Grund dar, von der Mittelgebühr abzuweichen. Die Mittelgebühr wird aus dem Gebührenrahmen des RVG ermittelt. Für Rahmengebühren sieht § 14 Abs. 1 RVG vor, dass die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Als Umstände sind in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit genannt, die Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Satz 2 sieht darüber hinaus ein besonderes Haftungsrisiko als mögliches weiteres Kriterium vor. Zwar ist diese Aufzählung nicht abschließend. Den genannten Kriterien ist aber gemein, dass sie alle mit dem jeweiligen Einzelfall zu tun haben. Dies ist bei dem generellen Preisniveau in Deutschland nicht der Fall. Der Gebührenrahmen ist im RVG festgeschrieben. Zu bedenken ist, dass bei besonders aufwändigen und komplexen Sachverhalten, bei denen die Höchstgebühr angemessen sein kann, eine Berücksichtigung des Preisniveaus wegen der Obergrenze nicht mehr erfolgen kann. Würde man das Preisniveau als Kriterium zulassen, würden sich bei Preissteigerungen die noch billigerweise festzusetzenden Gebühren der Höchstgebühr annähern, was zur Folge hätte, dass der Abstand zwischen der Höchstgebühr und der noch billigerweise festzusetzenden Gebühr den für die Angemessenheit der Höchstgebühr nötigen Mehraufwand nicht mehr widerspiegelt. Zwar kann sich ein geringerer Abstand auch aus den großen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers ergeben. Dies gründet sich aber auf den jeweiligen Einzelfall und ist vom Normgeber erkennbar gewollt, anders als die Berücksichtigung genereller Umstände wie des Preisniveaus.

….“

Den Rest der recht umfangreich begründeten Entscheidung dann bitte im Selbstleseverfahren selbst lesen.