Rahmengebühren in einem Beleidigungsverfahren, oder: Person der Antragstellers und Inflationsausgleich

© Grecaud Paul – Fotolia.de

Im zweiten RVG-Posting habe ich dann mal wieder etwas zur Bestimmung der Rahmengebühr (§ 14 Abs. 1 RVG) im Strafverfahren, und zwar den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. 07.02.2025 – 12 Qs 2/25.

Der Rechtsanwalt hat den Angeklagten in einem Verfahren verteidigt, in dem ihm drei Fälle der Beleidigung zur Last gelegt wurden. Verfahrensgegenstand waren Äußerungen des Angeklagten gegenüber der von Januar 2022 bis Mai 2022 für ein Nachlassverfahren des AG Nürnberg zuständigen Richterin und gegenüber dem Präsidenten des OLG Nürnberg über den damaligen Präsidenten des AG Nürnberg. Die Äußerungen standen im Zusammenhang mit der Unzufriedenheit des Angeklagten mit der Tätigkeit der Richterin.

Mit Schreiben vom 26.4.2022 stellte der Präsident des AG Strafantrag wegen Beleidigung zum Nachteil der Richterin, dem sich diese angeschlossen hat. Der Angeklagte wurde zum Vorwurf der Beleidigung zum Nachteil der Richterin 23. Mai 2022 als Beschuldigter vernommen. Kurz danach sandte er verschiedene  Nachrichten an das OLG Nürnberg, in denen er sich über die angebliche Unfähigkeit des damaligen Präsidenten des AG beschwerte und diesen als unfähig bezeichnete. Des Weiteren stellte er einen Befangenheitsantrag. Wegen dieser Nachrichten stellte der Präsident des OLG Nürnberg Strafantrag als Dienstvorgesetzter des Präsidenten des AG Nürnberg.

Die Staatsanwaltschaft hat Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen der genannten Taten beantragt und das Verfahren wegen zweier weiterer Fälle der Beleidigung, derer der Angeklagte verdächtig war, nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Der Strafbefehl lautete auf eine Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu 30 EUR.

Am 07.09.2022 hat das AG den Strafbefehl erlassen Mit Schriftsatz vom 10.9.2022 meldete sich der Verteidiger und legte Einspruch ein. Er äußerte sich zum Sachverhalt und beantragte erstmalig Akteneinsicht in die Akte des Strafverfahrens, die ihm gewährt wurde. Sodann äußerte er sich dann in mehreren Schriftsätzen zur Sache. Am 9.11.2022 fand eine 50 Minuten dauernde Hauptverhandlung, in der die ermittelnde Polizeibeamtin als Zeugin vernommen wurde. Das AG hat den Angeklagten sodann wegen Beleidigung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu 30 EUR verurteilt.

Gegen das Urteil legten der Verteidiger und die Staatsanwaltschaft jeweils Berufung ein, die Staatsanwaltschaft beschränkt auf die Rechtsfolgen. Nach einer etwa zweistündige Berufungshauptverhandlung hat das LG Nürnberg-Fürth das Urteil des AG aufgehoben und den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen und die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen.

Gegen diesen Freispruch hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Nach Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung durch das BayObLG hat die Generalsstaatsanwaltschaft die Revision zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 17.7.2024 hat der Verteidiger seine Gebühren gegenüber der Staatskasse geltend gemacht und ausgeführt, dass die Mittelgebühr um 10% zu erhöhen sei, weil Tatvorwurf keine einfache Beleidigung gewesen sei. Für die Gebühr für seine Teilnahme an der Hauptverhandlung am Amtsgericht hat er 120% des Mittelwertes angesetzt. Dies folge daraus, dass ein Gerichtspräsident Strafantrag gestellt habe und die vermeintlich beleidigte Richterin dem beigetreten sei. Außerdem sei abzuwägen gewesen, ob die deftigen Worte seines Mandanten eine Beleidigung oder eine Meinungsäußerung gewesen seien. Die Bezirksrevisorin am AG Nürnberg hat in ihrer Stellungnahme den Arbeitsaufwand des Verteidigers für unterdurchschnittlich gehalten. In weiteren Schriftsätzen hat der Verteidiger u.a. ausgeführt, dass die Gebühren bereits seit 1.1.2021 festgeschrieben seien und seitdem eine Preissteigerung erfolgt sei. Auch deswegen habe er eine Gebühr oberhalb der Mittelgebühr beantragt.

Mit Beschluss vom 16.12.2024 hat das AG die Vergütung des Verteidigers festgesetzt, wobei es für die Tätigkeit des Verteidigers im Ermittlungsverfahren jeweils 75% der Mittelgebühr festgesetzt, die Forderung des Verteidigers von 110% des Mittelwertes bei der Verfahrensgebühr des ersten Rechtszugs bestätigt und für die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug 90% der Mittelgebühr festgesetzt hat. Bei den Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren und bei der Gebühr für die Hauptverhandlung im Berufungsverfahren hat es jeweils die Mittelgebühr ohne Erhöhung festgesetzt. Dagegen hat der Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg und begründet das u.a. wie folgt:

„…..

d) Des Weiteren rechtfertigt eine besondere Bedeutung der Sache für den Mandanten nur dann eine Erhöhung der Rahmengebühren, wenn der Verteidiger deswegen auch einen spürbar größeren Arbeitsaufwand hat (OLG Rostock, Beschluss vom 18. Januar 2017, 20 Ws 21/17, juris Rn. 9). Das war aber nicht der Fall.

Strafantragsteller waren hier der damalige Präsident des AG Nürnberg, eine Richterin des AG Nürnberg und schließlich der Präsident des OLG Nürnberg. Das spielt für die Bedeutung eines Verfahrens für einen Beschuldigten aber keine wesentliche Rolle, weil im Fall einer Verurteilung die nachgewiesene Straftat und deren Gewicht, neben anderen Umständen wie der Persönlichkeit des Beschuldigten und weiteren Merkmalen maßgeblich sind, nicht aber die Person des Strafantragstellers. Weiterhin ist nicht dargelegt, inwieweit die Identitäten der Strafantragsteller im vorliegenden Verfahren für den Verteidiger zu Mehrarbeit geführt haben sollen. Auch eine Durchsicht der Schriftsätze des Verteidigers des vorliegenden Verfahrens ergab keine Anhaltspunkte für besondere Schwierigkeiten des vorliegenden Verfahrens. Der Verteidiger hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Dauer des Nachlassverfahrens seinen Mandanten zu unangemessenen Äußerungen veranlasst habe. Diese Ausführungen begründen aber keine besondere Schwierigkeit der Sache, welche die im vorliegenden Fall gegebenen Umstände ausgleichen, die für einen für den Verteidiger einfach gelagerten Fall sprechen. Im Schriftsatz vom 17. Juli 2024, mit dem der Verteidiger seine Gebühren geltend machte, ist zwar davon die Rede, dass von Anfang an abzuwägen gewesen sei, ob eine Beleidigung im Rechtssinne oder eine Meinungsäußerung vorgelegen habe. Die Prüfung einer Rechtsfrage bei einer Strafverteidigung ist aber vom regelmäßig zu bearbeitenden Aufgabenkreis eines Rechtsanwalts gedeckt und führt nicht zu einer besonderen Schwierigkeit des Verfahrens. Auf die im Schriftsatz vom 17. Juli 2024 enthaltenen Erwägungen zum Strafmaß wurde oben bereits eingegangen. Die Person eines mutmaßlich Beleidigten – im vorliegenden Fall eine Richterin am Amtsgericht und der Präsident des Amtsgerichts – macht eine Sache für sich genommen auch nicht besonders schwierig.

e) Weiter stellen allgemeine Preissteigerungen keinen Grund dar, von der Mittelgebühr abzuweichen. Die Mittelgebühr wird aus dem Gebührenrahmen des RVG ermittelt. Für Rahmengebühren sieht § 14 Abs. 1 RVG vor, dass die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Als Umstände sind in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit genannt, die Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Satz 2 sieht darüber hinaus ein besonderes Haftungsrisiko als mögliches weiteres Kriterium vor. Zwar ist diese Aufzählung nicht abschließend. Den genannten Kriterien ist aber gemein, dass sie alle mit dem jeweiligen Einzelfall zu tun haben. Dies ist bei dem generellen Preisniveau in Deutschland nicht der Fall. Der Gebührenrahmen ist im RVG festgeschrieben. Zu bedenken ist, dass bei besonders aufwändigen und komplexen Sachverhalten, bei denen die Höchstgebühr angemessen sein kann, eine Berücksichtigung des Preisniveaus wegen der Obergrenze nicht mehr erfolgen kann. Würde man das Preisniveau als Kriterium zulassen, würden sich bei Preissteigerungen die noch billigerweise festzusetzenden Gebühren der Höchstgebühr annähern, was zur Folge hätte, dass der Abstand zwischen der Höchstgebühr und der noch billigerweise festzusetzenden Gebühr den für die Angemessenheit der Höchstgebühr nötigen Mehraufwand nicht mehr widerspiegelt. Zwar kann sich ein geringerer Abstand auch aus den großen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers ergeben. Dies gründet sich aber auf den jeweiligen Einzelfall und ist vom Normgeber erkennbar gewollt, anders als die Berücksichtigung genereller Umstände wie des Preisniveaus.

….“

Den Rest der recht umfangreich begründeten Entscheidung dann bitte im Selbstleseverfahren selbst lesen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert