Angemessene Bemessung der Terminsgebühren, oder: Berücksichtigung des Verhaltens des Angeklagten

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Am „Gebührentag“ gibt es heute zwei Entscheidungen zur Gebührenbemessung bei der Rahmengebühren. Die richtige Bemessung der anwaltlichen Gebühren ist ja vor allem in den Freispruchsfällen, wenn die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten erstatten muss, immer wieder ein Problem. Das beweist (mal wieder) der LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 19.09.2025 – 12 Qs 34/25.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren mit einem Körperverletzungs- und Beleidigungsvorwurf gegen die ehemalige Angeklagte, die eine Nachbarin mit einem Kraftausdruck beleidigt, geschüttelt und in den Bauch getreten haben soll. Nach zwei Hauptverhandlungsterminen wurde die Angeklagte freigesprochen, wobei der zweite Termin wegen Nichterscheinens der vermeintlichen Geschädigten als Zeugin im ersten Termin erforderlich wurde. Der Verteidiger setzte bei der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG und den Terminsgebühren nach Nr. 4108 VV RVG jeweils die Mittelgebühr an, hinsichtlich der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG eine geringfügig über der Mittelgebühr liegende Gebühr. Letztere setzte das AG im Kostenfestsetzungsbeschluss wie beantragt fest, bei der Grundgebühr und den Terminsgebühren setzte es nach Anhörung der Bezirksrevisorin Gebühren unterhalb der Mittelgebühr an. Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seiner Beschwerde. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Das LG hat recht viel geschrieben. Daher stelle ich hier nur die Leitsätze ein, die das LG seiner Entscheidung gegeben hat, nämlich:

1. Die Höhe der Terminsgebühr Nr. 4108 VV bemisst sich nicht allein nach der Dauer eines Termins, sondern auch nach dem im Einzelfall erforderlichen Tätigkeitsumfang des Verteidigers im Termin.

2. Bei der Bestimmung der angemessenen Höhe der Gebühr Nr. 4108 VV kann das Verhalten des Mandanten im Termin zu berücksichtigen sein, wenn sich dies auf dem Umfang oder die Schwierigkeit der erforderlichen Anwaltstätigkeit auswirkt.

Die vollständige Begründung dann bitte selbst lesen. Ob die Entscheidung zutreffend ist, kann man m.E. ohne genaue Aktenkenntnis nicht beurteilen. Das LG äußert sicherlich an der ein oder anderen Stelle zutreffende Gedanken, andererseits stellt es aber auch Überlegungen an, die in der geäußerten Allgemeinheit nicht zutreffend sind. Würde man hier auf alle Einzelheiten eingehen, würde das den „Platzrahmen“ sprengen. Ich will/muss mich daher auf einige wenige Punkte beschränken (zur Bemessung der Rahmengebühren eingehend Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen. 7. Aufl. 2025, Teil A Rn 1803 ff.).

Bei der Grundgebühr Nr. 4100 VV kann man trefflich darum streiten, welche Aktenumfang noch durchschnittlich und welcher unterdurchschnittlich ist; die vom LG angeführte Rechtsprechung beweist das anschaulich. Hier waren es 50 Blatt, das ist ein Umfang, der sicherlich – wenn überhaupt – am unteren Rand dessen liegt, was man noch als durchschnittlich ansieht. M.E. irrt das LG dann aber, wenn es dem Umstand, dass ein Verteidiger unter Zeitdruck gestanden und an Samstagen und Sonntagen gearbeitet hat, offenbar grundsätzlich keine Bedeutung beimessen will. Das Gegenteil ist m.E. der Fall. Auch die Schwierigkeit der Sachlage kann, ggf. muss man sie, anders sehen. Denn wenn eine „Konfliktverteidigung“ in dem Sinne vorlag, dass sich die Position der ehemaligen Angeklagten und der Geschädigten „diametral entgegenstanden“, kann es sich sehr wohl um Verfahren handeln, das schwieriger ist als die üblichen Verfahren.

Bei den Terminsgebühren Nr. 4109 VV RVG kann man – ebenso wie bei der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG – darum streiten, welche Terminsdauer denn durchschnittlich und welche unterdurchschnittlich ist. Die vom LG angeführte Rechtsprechung beweist das auch hier. Der Verteidiger hatte die Mittelgebühr angesetzt. Warum das LG die nun gleich um rund 25 % unterschritten, erschließt sich mir nicht. Ich halte den Abschlag für zu hoch.

Allgemein ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Die oben angegebenen Leitsätze stammen vom Gericht. Ich halte den Leitsatz 2 in seiner Allgemeinheit für gefährlich. Denn, wenn das Verhalten des Mandanten im Termin – ohne Einschränkung – zu berücksichtigen sein soll, wenn sich dies auf dem Umfang oder die Schwierigkeit der erforderlichen Anwaltstätigkeit auswirkt, dann beinhaltet das die Gefahr, dass über die Auslagenerstattung nachträglich das Prozessverhalten eines ehemaligen Angeklagten sanktioniert wird, indem etwa, weil wegen einer nicht erfolgten Einlassung, die eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich gemacht hat, nicht die gesamte Terminsdauer bei der Bemessung der Terminsgebühr berücksichtigt wird. Wenn das LG das so meint, ist dem zu widersprechen. Das Verhalten des Angeklagten im Termin kann/darf m.E. so keine Auswirkungen auf die Höhe der Verteidigergebühren haben. Etwas anders mag bei prozesswidrigem Verhalten gelten, aber damit hatten wir es hier nicht zu tun.

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