Strafbefehl II: Falsche Beschluss-Entscheidung des AG, oder: Wird das Verfahren dadurch erledigt?

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Und dann als zweite Entscheidung der LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 26.05.2025 – 12 Qs 17/25 – mit folgendem Sachverhalt:

Die Angeklagte wurde mit Strafbefehl des AG zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50 EUR verurteilt. Dagegen legte sie mit Schreiben vom 22.12.2024 Einspruch ein. Darin heißt es:

„Berufung gegen die Höhe der verhängten Geldbuße

Gegen mich wurde eine Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen verhängt. Der Tagessatz wird auf 50,00 EURO festgesetzt. Die Geldstrafe beträgt somit insgesamt 3.500 EURO. Ich bitte Sie, die Höhe des Bußgeldes herabzusetzen, da ich diesen Betrag derzeit nicht zahlen kann. Jeden Monat haben wir Schwierigkeiten, Zahlungen zu leisten und Lebensmittel bereitzustellen. Aufgrund dieser Situation beantrage ich eine Herabsetzung des Bußgeldes …“

Das AG forderte daraufhin einen Nachweis über die Höhe des bezogenen Arbeitslosengeldes von der Angeklagten, den sie übersandte. Anschließend teilte es der Staatsanwaltschaft mit, dass es das Schreiben vom 22.12.2024 als „beschränkten Einspruch“ auslege und aufgrund der vorgelegten Unterlagen eine Tagessatzhöhe von 40 EUR angemessen erscheine. Die Staatsanwaltschaft stimmte dem zu und erklärte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im Beschlusswege.

Mit Beschluss vom 04.02.2025 änderte das AG den Strafbefehl im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass die Höhe des Tagessatzes 40 EUR beträgt. Zugleich wurde der Angeklagten gestattet, die Geldstrafe in Raten zu bezahlen.

Gegen diesen Beschluss wandte sie sich mit an die Staatsanwaltschaft gerichtetem Schreiben vom 17.02.2025, das dort am 19.02.2025 und – entsprechend weitergeleitet – beim AG am 27.02.2025 einging. Darin bat sie wiederum um Herabsetzung des zu zahlenden Geldbetrages.

Das Amtsgericht legte das Schreiben als sofortige Beschwerde aus und half ihr nicht ab. Das LG hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen:

„Die sofortige Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen.

Die vom Amtsgericht zutreffend angenommene sofortige Beschwerde war unzulässig, da die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO zu ihrer Einlegung bereits am 18.02.2025 abgelaufen war. Ein Angeklagter darf bei der Einlegung eines Rechtsmittels auf die normalen Postlaufzeiten vertrauen (vgl. Kammer, Beschluss vom 23.08.2021 – 12 Qs 57/21, juris Rn. 20 m.w.N.). Bis Ende 2024 konnte er daher damit rechnen, dass ein Brief einen bzw. zwei Werktage nach der Einlieferung beim Empfänger ausgeliefert wird (vgl. § 2 Nr. 3 PUDLF a.F.). Seit dem 01.01.2025 gilt aber die Vorgabe, dass ein Standardbrief erst am dritten bzw. vierten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt wird (§ 18 Abs. 1 mit § 112 Abs. 4 PostG i.d.F. vom 15.07.2024, BGBl. I Nr. 236). Ob diese Kombination einer verlängerten Auslieferungsfrist mit der knappen Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde noch die verfassungsrechtlichen Mindeststandards für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes wahrt, mag zweifelhaft erscheinen. Denn sieht die Prozessordnung ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.07.2019 – 2 BvR 881/17, juris Rn. 16 m.w.N.). Allerdings kam es hier darauf nicht an, weil das Schreiben der Angeklagten trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung an den falschen Adressaten gerichtet war, der keine gemeinsame Briefannahmestelle mit dem Amtsgericht teilt, sodass es auch aus diesem Grunde verspätet an das Amtsgericht weitergeleitet wurde. Für die Fristwahrung maßgeblich war der Zugang dort. Eine Wiedereinsetzung war daher wegen des Verschuldens der Angeklagten ausgeschlossen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.03.2002 – 2 Ws 79/02, juris Rn. 5).

 

Prozessual teilt die Kammer nach alldem nicht die Auffassung des LG Regensburg (Beschluss vom 22.08.2019 – 5 Qs 151/19, juris), wonach aus dem Umstand, dass ein rechtswidrig nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO ergangener Beschluss das Verfahren nicht abschließt – das wertet die Kammer hier nicht anders (dazu unter III) – zugleich folgt, dass die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ins Leere geht und sich als gegenstandslos erweist (LG Regensburg, aaO Rn. 18). Das Vorliegen einer Beschwerde rechtfertigt erst die Sachbefassung durch das Beschwerdegericht. Was eine „gegenstandslose“ Beschwerde in diesem Kontext bedeuten soll, erschließt sich ebenso wenig, wie dass eine gegenstandslose Beschwerde das Beschwerdegericht instand setzen soll, die Ausgangsentscheidung (deklaratorisch) für gegenstandslos zu erklären.

III.

Kosten waren nicht zu erheben. Die Niederschlagung der Kosten gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG kommt in Betracht, wenn diese bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären. Das war der Fall.

Eine wirksame Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe lag nicht vor. Bei verständiger Würdigung des Schreibens der Angeklagten vom 22.12.2024 ergibt sich zwar, dass der Einspruch auf die Rechtsfolgenseite beschränkt war. Er richtete sich allerdings nicht nur gegen die Tagessatzhöhe. Die verhängte Geldstrafe erschien der Angeklagten insgesamt zu hoch. Die Höhe der Strafe wird durch die Anzahl und die Höhe der Tagessätze bestimmt. Beide Faktoren sind für das von der Angeklagten als zu hart empfundene Ergebnis gleicherweise maßgeblich. Dass die Angeklagte nur den einen Faktor herabgesetzt sehen wollte, den anderen dagegen nicht, dafür ist dem Einspruchsschreiben nichts zu entnehmen.

Mangels wirksamer Beschränkung des Einspruchs nur auf die Tagessatzhöhe war eine Entscheidung des Amtsgerichts im Beschlusswege nicht statthaft. Vielmehr hätte über den Einspruch mündlich verhandelt werden müssen (§ 411 Abs. 1 Satz 2 StPO), zumal auch eine Zustimmung der Angeklagten zur Entscheidung im Beschlusswege (§ 411 Abs. 1 Satz 3 StPO) der Akte nicht entnommen werden kann.

Hätte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, hätte die Angeklagte keine Veranlassung gehabt, sich gegen den Beschluss vom 04.02.2025 zu wenden, sodass auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären. Das Strafverfahren als solches ist durch den rechtswidrigen Beschluss des Amtsgerichts noch nicht abgeschlossen (ebenso LG Regensburg, Beschluss vom 22.08.2019 – 5 Qs 151/19, juris; KK-StPO/Maur, 9. Aufl., § 411 Rn. 9a). Das Amtsgericht wird insoweit in eigener Zuständigkeit das Weitere veranlassen.“

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