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EÖB III: Eröffnung vor dem „niederen Gericht“, oder: Prüfungsumfang der sofortigen Beschwerde der StA

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Und dann im dritten Posting der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.04.2024 – 1 Ws 80/24 – und der OLG Celle, Beschl. v. 14.05.2024 – 1 Ws 130/24, die sich beide zur Frage äußern, welcher Prüfungsumfang bei einer sofortigen Beschwerde gegen die Eröffnung des Strafverfahrens besteht, wenn die Staatsanwaltschaft lediglich die – entgegen ihrem Antrag erfolgte Eröffnung des Hauptverfahrens vor einem Gericht niederer Ordnung angreift. Dazu das OLG Karlsruhe – OLG Celle argumentiert ähnlich:

„1. Die gemäß den §§ 210 Abs. 2, 311 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde gegen Ziff. 2 des Beschlusses vom 20.02.2024 bleibt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen von Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft bietet zu Änderungen keinen Anlass.

a) Ob der Angeklagte der ihm vorgeworfenen Taten i.S.d. § 203 StPO hinreichend verdächtig ist, hat der Senat nicht zu prüfen. Greift die Staatsanwaltschaft – wie hier – lediglich die Bezeichnung des Gerichts an, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll (§ 207 Abs. 1 StPO), unterliegt der Eröffnungsbeschluss grundsätzlich nicht in vollem Umfang der Nachprüfung (vgl. KG, Beschluss vom 25. Juli 2023 – 2 Ws 82/23 –, juris Rn. 14; OLG Dresden, Beschluss vom 16. Dezember 2022 – 2 Ws 270/22 –, juris Rn. 2; OLG Hamburg, Beschluss vom 23. September 2002 – 2 Ws 184/02 –, juris Rn. 9, OLG Saarbrücken, Beschluss vom 30. Oktober 2001 – 1 Ws 151/01 –, juris Rn. 5; Wenske in: Münchener Kommentar zur StPO 2. Aufl. 2024, § 210 Rn. 41; a.A. OLG Celle, Beschluss vom 5. September 2016 – 2 Ws 119/16 –, juris Rn. 7 m.w.N.; offen gelassen: BGH, Beschluss vom 7. März 2012 – 1 StR 6/12 –, juris Rn. 26), weil die Rechtsmittelvorschrift des § 210 Abs. 2 StPO insofern eine Ausnahme von dem Grundsatz der Rechtsmittelsymmetrie enthält, als die Eröffnungsentscheidung nur für die Staatsanwaltschaft, nicht aber für den Angeklagten anfechtbar ist (§ 210 Abs. 1 StPO). Die Anfechtungsmöglichkeit wird im Wesentlichen deshalb zur Verfügung gestellt, weil eine negative Eröffnungsentscheidung aufgrund der Rechtskraftwirkung des § 211 StPO endgültig wäre. Daher gilt die Ausnahme vom Grundsatz der Unanfechtbarkeit der Eröffnungsentscheidung allein für die in § 210 Abs. 2 StPO aufgeführten Entscheidungsteile. Etwas Anderes ist nur dann anzunehmen, wenn die Nachprüfung in vollem Umfang erforderlich ist, um die Eröffnungszuständigkeit zu bestimmen. Dies betrifft lediglich Fälle, in denen der Sachverhalt, der der Anklage zugrunde liegt, von dem über die Eröffnung entscheidenden Gericht in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht anders als in der Anklageschrift beurteilt wird, sofern diese Einschätzung für die Bewertung der Eröffnungszuständigkeit von Bedeutung ist (vgl. KG, Beschluss vom 25. Juli 2023 – 2 Ws 82/23 –, juris Rn. 13 f.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die für die Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts relevante prognostische Einschätzung der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Strafhöhe wird maßgeblich durch die Berechnung der Höhe des Vermögensschadens bestimmt, bei welcher die Strafkammer zu einem von der Anklage abweichenden Ergebnis gelangt. Im Übrigen sind allein die Konkurrenzverhältnisse korrigiert worden, was vorliegend zum einen durch die sofortige Beschwerde nicht angegriffen und zum anderen in der Sache für die Eröffnungszuständigkeit nicht von Bedeutung ist.

b) Die nach diesen Maßstäben vorgenommene Prüfung ergibt, dass die Strafkammer mit zutreffender Begründung das Hauptverfahren vor dem sachlich zuständigen Amtsgericht – Schöffengericht – eröffnet hat (§ 209 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3, 74 Abs. 1 Satz 2 GVG). …..“

Pflichti III: Beschwerde gegen „Pflichti-Bestellung“?, oder: Auch der „Pflichti“ brauchte eine Vollmacht

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Und dann habe ich noch zwei Entscheidungen von der „Pflichtverteidigerresterampe“ 🙂 .

Zunächst kommt hier der BGH, Beschl. v. 15.08.2023 – StB 28/23. Der Ermittlungsrichter des BGH hat dem Beschuldigten gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 1 StPO Rechtsanwalt A. und einen weiteren Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Dagegen wendet sich der Beschuldigte, dessen Rechtsmittel verfristet war. Im Übrigen führt der BGH aus:

„Ungeachtet dessen ist das Rechtsmittel auch mangels Beschwer unzulässig. Denn durch die Bestellung eines Pflichtverteidigers als solche ist ein Beschuldigter im Regelfall nicht beschwert; er kann diese daher grundsätzlich nicht anfechten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. März 1998 – 2 BvR 291/98, NJW 1998, 2205; BGH, Beschlüsse vom 15. November 2022 – StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 4 mwN; vom 3. Mai 2023 – StB 21/23, juris Rn. 2). Das in Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK gewährleistete Recht auf Selbstverteidigung wird durch eine Pflichtverteidigerbestellung in den Fällen der notwendigen Verteidigung nicht berührt (vgl. EGMR, Urteil vom 25. September 1992 – 13611/88, EuGRZ 1992, 542 Rn. 29 ff.; BGH, Beschlüsse vom 15. November 2022 – StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 4 mwN; vom 3. Mai 2023 – StB 21/23, juris Rn. 2). Eine etwaige spätere Belastung des Beschuldigten mit den Kosten des Pflichtverteidigers nach einer rechtskräftigen Verurteilung begründet im Erkenntnisverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2023 – StB 21/23, juris Rn. 2; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 1986 – 1 Ws 155/86, MDR 1986, 604, 605; Thüringer OLG, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 1 Ws 173/12, NStZ-RR 2012, 317).

Eine Beschwer durch eine Pflichtverteidigerbestellung kommt zwar ausnahmsweise in Betracht, wenn der bestellte Verteidiger wegen mangelnder Eignung oder Interessengegensatzes unfähig erscheint, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen, oder der Beschuldigte in seinem Recht auf Bezeichnung des zu bestellenden Verteidigers und dessen Beiordnung aus § 142 Abs. 5 Satz 1 und 3 StPO betroffen ist (BGH, Beschlüsse vom 15. November 2022 – StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 5 mwN; vom 3. Mai 2023 – StB 21/23, juris Rn. 3; OLG Celle, Beschluss vom 17. September 1987 – 3 Ws 239/87, NStZ 1988, 39; OLG Köln, Beschluss vom 15. Juli 2005 – 2 Ws 283/05 u.a., juris Rn. 6). Derartiges hat indes weder der Beschuldigte geltend gemacht, noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Der Beschuldigte hatte den bestellten Pflichtverteidiger zuvor nicht nur selbst bevollmächtigt, sondern auch seine Zustimmung zur beabsichtigten Beiordnung erteilt. Ferner hat er im Beschwerdeverfahren mitgeteilt, er wünsche die weitere Verteidigung durch beide bestellten Pflichtverteidiger.“

Und dann habe ich noch den AG Regensburg, Beschl. v. 18.08.2023 – 30 Cs 126 Js 27714/19 (2). Auch nichts Neues, sondern nur ein Reminder daran, dass auch der Pflichtverteidiger ggf. eine (Vertretungs)Vollmacht braucht:

Ist der Pflichtverteidiger ohne Vollmacht nach § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO im Hauptverhandlungstermin anwesend, ist eine von ihm dennoch erklärte Rücknahme des Einspruchs gegen einen Strafbefehl unwirksam.

StPO III: Befangenheit im Strafvollstreckungsverfahren, oder: Ist die StVK „erkennendes Gericht“?

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Und als letzte Entscheidung am „Hitzetag“ dann noch der OLG Celle, Beschl. v. 02.05.2022 – 1 Ws 27/22. Die Entscheidung stammt aus dem Strafvollstreckungsverfahren. Der Verurteilte hatte dort eine Richterin als befangen abgelehnt. Den Antrag hat die Strafvollstreckungskammer als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen die sofortige Beschwerde, die das OLG zwar als zulässig angesehen hat, dann aber ale unbegründet verworfen hat. Zur Zulässigkeit führt das OLG aus:

„2. Näherer Erörterung bedarf lediglich, ob der Senat derzeit überhaupt zu einer Entscheidung in der Sache berufen war oder ob nicht die sofortige Beschwerde bereits unzulässig ist.

Denn die Rechtsfrage, ob im Strafvollstreckungsverfahren gegen einen ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss die sofortige Beschwerde zulässig ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur umstritten (vgl. zuletzt bejahend OLG München, Beschluss vom 21. September 2020 – 1 Ws 685/20 –, juris m.w.N.; verneinend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 07. Januar 2019 – 1 Ws 116/18 –, juris m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. September 2017 – 2 Ws 294/17 –, juris; OLG Braunschweig Beschl. v. 13.7.2012 – Ws 199/12, BeckRS 2012, 24967; verneinend Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Auflage 2021 § 28 Rn. 6a; KK-StPO/Scheuten, 8. Aufl. 2019, StPO § 28 Rn. 5; Siolek in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2016, § 28 Rn. 46; BeckOK StPO/Cirener StPO § 28 Rn. 9.3; bejahend MüKoStPO/Conen/Tsambikakis, 1. Aufl. 2014, StPO § 28 Rn. 17).

Verbreitet wird die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO im Strafvollstreckungsverfahren entsprechend anzuwenden sei mit der Folge, dass die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nur zusammen mit der Endentscheidung – vorliegend also nur zusammen mit dem noch ausstehenden Beschluss über die Aussetzung der Reststrafe – angefochten werden kann. Begründet wird diese Auffassung u. a. mit den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung und der Verfahrenskonzentration. Zudem vermeide diese Auslegung eine Zersplitterung des Rechtswegs unabhängig davon, ob die Strafvollstreckungskammern nach § 454 StPO, § 463 StPO oder nach dem Strafvollzugsgesetz entschieden.

Der Senat schließt sich hingegen der zuletzt etwa vom Oberlandesgericht München (a.a.O.) vertretenen Auffassung an, wonach die an Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach § 454 StPO, § 57 StGB beteiligten Richter keine „erkennenden Richter“ im Sinne der Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO sind, sodass die sofortige Beschwerde gegen ihre Entscheidungen statthaft ist.

a) Für dieses Ergebnis spricht schon der Wortlaut des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO, wonach eine isolierte Anfechtung nur gegenüber der Entscheidung eines erkennenden Richters – also eines zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufenen Richters (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Auflage 2021 § 28 Rn. 6 m.w.N.) – nicht statthaft ist. Denn § 28 Abs. 2 S. 2 StPO spricht ausdrücklich davon, dass die Entscheidung über die Befangenheit eines erkennenden Richters nur zusammen mit dem „Urteil“ angefochten werden kann. In Strafvollstreckungssachen wird indes nicht durch Urteil entschieden.

b) Die von der Gegenmeinung vertretene, über den Wortlaut hinausgehende analoge Auslegung kommt indes nur in Betracht, wenn dafür ein zwingendes Bedürfnis besteht. Daran fehlt es hier.

aa) In Strafvollstreckungsverfahren findet gerade keine Hauptverhandlung mit nur eng begrenzten Unterbrechungsmöglichkeiten statt, bei der die Gefahr erheblicher Verfahrensverzögerungen durch die Eröffnung des Beschwerdeweges gegen Entscheidungen über Befangenheitsgesuche besteht (vgl. OLG München a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 25. Juni 2009 – 2 Ws 172/09 –, Rn. 9, juris). Sofern in Strafvollstreckungsverfahren mündlich angehört wird, handelt es sich regelmäßig um kurze Termine, die an einem Sitzungstag erledigt sind, was mit Hauptverhandlungen in strafrechtlichen Erkenntnisverfahren nicht vergleichbar ist.

bb) Soweit die analoge Anwendung des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO damit begründet wird, dass hierdurch verfahrensmissbräuchlichen Verzögerungen begegnet werden kann, wird verkannt, dass es in der überwiegenden Zahl der Fälle im Interesse des Verurteilten liegt, eine zügige Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. In den in Betracht kommenden abweichenden Konstellationen wie beispielsweise bei Verfahren über einen Bewährungswiderruf kann der Missbrauchsgefahr regelmäßig mit der beschleunigten Durchführung des Beschwerdeverfahren Rechnung getragen werden kann, sodass das Verzögerungspotential von vornherein begrenzt ist.

cc) Dass in Strafvollzugssachen die Strafvollstreckungskammer nach überwiegender Auffassung als erkennendes Gericht angesehen wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Auflage 2021 § 28 Rn. 6a m.w.N.), rechtfertigt die analoge Anwendung des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO in Strafvollstreckungssachen ebenfalls nicht. Denn das Strafvollzugsverfahren ist – wie insbesondere die der Regelung des § 352 Abs. 1 StPO nachgebildete Vorschrift des § 119 Abs. 2 StVollzG zeigt – revisionsähnlich ausgestaltet und daher mit dem Beschwerdeverfahren in Strafvollstreckungssachen nicht vergleichbar.

dd) Gegen eine entsprechende Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO im Vollstreckungsverfahren spricht zudem, dass im Falle der von der Gegenmeinung vertretenen Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 28 Abs. 2 S. 2 StPO kaum Konstellationen verblieben, in denen die selbständige Anfechtung von Ablehnungsentscheidungen überhaupt noch möglich wäre. Diese wären weitgehend auf Entscheidungen im Vor- bzw. Ermittlungsverfahren begrenzt, wo eine gesonderte Anfechtung schon wegen regelmäßig vor einer Entscheidung nicht gewährten rechtliches Gehör nicht in Betracht kommt (vgl. OLG München a.a.O.). Das vom Gesetzgeber gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis würde in sein Gegenteil verkehrt.

Im Ergebnis sieht der Senat daher keine Veranlassung für eine vom Wortlaut des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO abweichende Auslegung. Ergänzend wird auf die ausführliche Begründung der Entscheidung des OLG München vom 21. September 2020 (a.a.O.) Bezug genommen.“

Verfahrensabtrennung bei der Einziehung, oder: Gibt es für den Drittbeteiligten ein Rechtsmittel?

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Die 3. KW. eröffne ich mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 01.10.2018 – 1 Ws 479/18, der eine verfahrensrechtliche Problematik in Zusammenhang mit Einziehung behandelt.

Die StA hat gegen den Angeklagten am 30.05.2018 Anklage wegen Betrugs bzw. Beihilfe zum Betrug erhoben. Gegen seine Ehefrau und andere macht sie das Vorliegen eines Vertretungsfalles i.S.v. § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB (n.F.) geltend und beantragt u.a., diese als Einziehungsbeteiligte gemäß § 424 StPO am Verfahren zu beteiligen. Am 01.08.2018 hat das LG das Verfahren teilweise wegen Verfolgungsverjährung eingestellt, im Übrigen die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet und die Einziehungsbeteiligung der Ehefrau des Angeklagten sowie weiterer Beteiligter angeordnet. Mit Beschluss vom 08.08.2018 hat das LG dann das Verfahren über die Einziehung u.a. hinsichtlich der Einziehungsbeteiligten und Ehefrau des Angeklagten gem. § 422 StPO (n.F.) abgetrennt. Gegen diesen Beschluss hat die Einziehungsbeteiligte sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, durch die vollständige Abtrennung des Verfahrens werde hinsichtlich der Fälle 101 bis 110 der Anklage ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Das LG hat die sofortige Beschwerde als einfache Beschwerde behandelt, dieser nicht abgeholfen und die Abtrennungsentscheidung näher begründet. Die GStA beantragt, die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, da es sich bei der Abtrennung um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung des erkennenden Gerichts handle, also § 305 Satz 1 StPO. Das OLG sagt/meint:

„Entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Einziehungsbeteiligten findet gegen die Entscheidung vom 08.08.2018 eine sofortige Beschwerde nicht statt, insbesondere ergibt sich die Statthaftigkeit nicht aus § 424 IV 2 StPO. Nach § 424 IV 2 StPO kann lediglich der Beschluss, mit dem eine Verfahrensbeteiligung abgelehnt wird, mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Das LG hat vielmehr mit Beschluss vom 01.08.2018 ausdrücklich die Einziehungsbeteiligung der Bf’in angeordnet. Eine Ablehnung der Beteiligung ergibt sich auch nicht aus dem Abtrennungsbeschluss vom 08.08.2018. Abgetrennt wird lediglich das Verfahren über die Einziehung mit der Folge, dass die Entscheidung über die Einziehung nach Rechtskraft der Entscheidung über die Hauptsache zu treffen ist (§ 423 I 1, II StPO). Eine Nichtbeteiligung ergibt sich auch nicht daraus, dass das Gericht nach § 423 I 2 StPO bei seiner Entscheidung über die Einziehung an die Entscheidung in der Hauptsache und die dortigen Feststellungen gebunden ist. Im Gegenteil: Die vom Gesetzgeber gewollte Bindungswirkung kann, da die Einziehungsentscheidung auch in die Rechte der Einziehungsbeteiligten eingreift, nur dann gelten, wenn und soweit der Einziehungsbeteiligte die Möglichkeit hatte, seine Rechte bereits im Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund können die §§ 422, 423 StPO nur dahingehend verstanden werden, dass durch eine Abtrennung nach § 422 StPO die Beteiligung am Verfahren nach § 424 I StPO nicht berührt wird (so auch Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler StPO 61. Aufl. § 422 Rn. 5; § 423 Rn. 5; § 424 Rn. 1; BeckOK StPO/Temming StPO [30. Edit., Stand: 01.06.2018] § 422 Rn. 1). Insoweit wird auch der Anspruch der Einziehungsbeteiligten auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Denn ihr stehen auch weiterhin die Rechte aus §§ 427, 430 und 431 StPO in der Weise zu, wie sie ihr ohne die Abtrennung zugestanden hätten.

Das Rechtsmittel der Einziehungsbeteiligten ist trotz der eindeutigen Bezeichnung als sofortige Beschwerde gem. § 300 StPO als einfache Beschwerde nach § 304 I StPO gegen die Abtrennung zu behandeln […]. Insoweit ist das Rechtsmittel auch statthaft (wie hier, wenn auch ohne Begründung: LG Offenburg, Beschl. v. 08.01.2018 – 3 Qs 118/17 [bei juris]).

Ein ausdrücklicher Ausschluss der Beschwerde i.S.v. § 304 I StPO liegt nicht vor. Eine Anfechtbarkeit ist aber auch nicht durch § 305 S. 1 StPO ausgeschlossen (so aber BeckOK StPO/Temming § 422 Rn. 5). Zwar handelt es sich bei der im Ermessen des Gerichts stehenden Abtrennung nach § 422 StPO um eine Entscheidung des erkennenden Gerichts, die der Entscheidung in der Hauptsache i.S.v. § 305 S. 1 StPO vorausgeht. Auch fällt die Entscheidung über die Abtrennung nach § 422 StPO nicht unter die Ausnahmefälle des § 305 S. 2 StPO, zumal die Einziehungsbeteiligte aufgrund der Beteiligungsentscheidung vom 01.08.2018 gerade keine Dritte ist.

Unter § 305 S. 1 StPO fallen allerdings regelmäßig nur solche Entscheidungen, die im inneren Zusammenhang mit dem nachfolgenden Urteil stehen, ausschließlich seiner Vorbereitung dienen und keine weiteren Verfahrenswirkungen erzeugen. Maßnahmen, die eine vom Urteil nicht umfasste, selbständige Beschwer eines Verfahrensbeteiligten bewirken sowie vom erkennenden Gericht nicht bei Erlass des Urteils und auch nicht im Rahmen einer Urteilsanfechtung nachprüfbar sind, bleiben selbständig anfechtbar (KG, Beschl. v. 09.12.2016 – 4 Ws 191/16 [bei juris] und schon v. 10.05.2012 – 4 Ws 42/12 = NStZ-RR 2013, 218; Meyer-Goßner/Schmitt § 305 Rn. 4 f.; KK-StPO/Zabeck 7. Aufl. § 305 StPO Rn. 5).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Anfechtbarkeit hier nicht durch § 305 S. 1 StPO ausgeschlossen. Zwar zielt eine Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung, wenn die Herbeiführung der Entscheidung hierüber die Entscheidung über die Hauptsache verzögern würde, auch darauf ab, die Abwicklung des Hauptsacheverfahrens zu fördern, so dass ein innerer Zusammenhang mit der Urteilsfällung in der Hauptsache in Betracht kommt. Auch dient die Entscheidung nach § 422 StPO dem Grundsatz der Beschleunigung im Hauptsacheverfahren. Andererseits erzeugt eine Abtrennung nach § 422 StPO durchaus weitere Verfahrenswirkungen. Die Einziehungsentscheidung hinsichtlich der abgetrennten Einziehungsbeteiligten wird verzögert bzw. gehemmt und auf einen nach § 423 StPO zu bestimmenden Zeitpunkt nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache hinausgeschoben, obwohl eine Entscheidung über eine Einziehung nach §§ 73, 73a, 73b StGB grundsätzlich obligatorisch gemeinsam mit der Entscheidung in der Hauptsache zu erfolgen hat. Damit ist die Situation […] durchaus mit der Rspr. zur Anfechtbarkeit von Entscheidungen hinsichtlich der Abtrennung eines von mehreren Mitangeklagten nach §§ 2 II bzw. 4 StPO vergleichbar. Insoweit besteht im wesentlichen Einigkeit damit, dass der Abtrennungsbeschluss grundsätzlich mit der Beschwerde angefochten werden kann. Umstritten ist lediglich der Prüfungsumfang. Während nach der einen Ansicht (BGH, Beschl. v. 06.08.2013 – 1 StR 201/13 = NStZ-RR 2013, 352; Meyer-Goßner/Schmitt § 2 Rn. 13; KK-StPO/Scheuten § 2 StPO Rn. 15) das Beschwerdegericht – anders als das Revisionsgericht – die Ermessensentscheidung vollständig zu überprüfen hat, soll nach der anderen Auffassung (KG a.a.O. m.w.N; im Überblick: KK-StPO/Zabek § 305 Rn. 6 m.w.N.) eine Beschwerde ausnahmsweise nur dann zulässig sein, wenn sich die Abtrennung ausschließlich hemmend oder verzögernd auf das Verfahren auswirkt oder die Abtrennung auf Willkür beruht. Zwar werden anders als bei der Abtrennung des Verfahrens gegen einen Mitangeklagten durch die Abtrennung der Entscheidung über die Einziehung die Rechte des Einziehungsbeteiligten hinsichtlich seiner Beteiligung an der Hauptsache weder betroffen noch eingeschränkt (vgl. schon oben). Dieser kann seine Beteiligtenrechte vielmehr uneingeschränkt wahrnehmen und seine Einwendungen gegen die Hauptsache unterliegen der Überprüfung sowohl bei der Urteilsfällung als auch in Rahmen eines evtl. Rechtsmittelverfahrens. Andererseits kann durch eine fehlerhafte, nicht den Voraussetzungen des § 422 StPO genügende Abtrennung auch der Anspruch des abgetrennten Einziehungsbeteiligten auf Erhalt einer Entscheidung der ihn betreffenden Einziehung in angemessener Zeit bzw. der Grundsatz des fairen Verfahrens, die mit der Anordnung der Beteiligung nach § 424 I StPO auch für diesen gelten, beeinträchtigt sein. Schließlich wird die Ermessensentscheidung bezüglich der Abtrennung durch das erkennende Gericht mangels Entscheidung hinsichtlich der Einziehung gegenüber dem Einziehungsbeteiligten regelmäßig auch nicht mehr geprüft werden. Das gleiche gilt für die Prüfung durch das Rechtsmittelgericht auf ein Rechtsmittel des abgetrennten Einziehungsbeteiligten, selbst wenn diesem die Rüge einer ermessenmissbräuchlichen Verfahrenstrennung offenstehen sollte (BGH a.a.O.). Auch im Rahmen der nachträglich noch zu treffenden Entscheidung nach § 423 StPO kann die Abtrennung keine Rolle mehr spielen, weil eine nicht den Anforderungen des § 422 StPO genügende Abtrennung keine Auswirkungen auf die materiellen Voraussetzungen einer Einziehung haben kann.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen, kann die Anfechtbarkeit der Abtrennung nach § 422 StPO nicht durch § 305 S. 1 StPO ausgeschlossen sein. Die Erwägung, die Anfechtung nur im Falle von Willkür zuzulassen, überzeugt vorliegend bereits deshalb nicht, weil die Abtrennung – anders als bei der Trennung der Verfahren mehrerer Mitangeklagter – nicht dem uneingeschränkten Ermessen des erkennenden Gerichts überlassen ist, sondern von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig ist.“

Rechtsmittel durch einfache Email?, oder Bloß nicht

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Und zum Schluss des Tages dann noch den OLG Hamm, Beschl. v. 28.12.2017 – 4 Ws 241/17. Der untermauert noch mal den Rat: Rechtsmittel durch Email? Das sollte man lieber lassen, denn:

„Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht in der nach § 306 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Form, d.h. zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich, eingelegt worden ist. Der Verurteilte hat – trotz erhaltener Rechtsmittelbelehrung – das Rechtsmittel nur durch einfache, nicht über eine elektronische Signatur nach § 41a StPO verfügende E-Mail, gesandt an die Poststelle des LG Bielefeld eingelegt. Dies erfüllt die o.g. Formanforderungen nicht (vgl. OLG Oldenburg NJW 2009, 536; LG Gießen NStZ-RR 2015, 344; LG Zweibrücken, Beschl. v. 07.07.2010 – Qs 47/10 – juris).“

Das mag demnächst anders werden/sein: §§ 32a ff. StPO, aber derzeit: Finger weg.

Und das gilt übrigens auch für das Bußgeldverfahren. Denn so – der AG Kassel, Beschl. v. 06.09.2017 – 384 OWi – 9433 Js 27079/17: Ein Einspruch durch einfache E-Mail ist unwirksam.