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JGG III: Jugendlicher Beschuldigter aus Guinea nennt Polizeibeamte „Rassisten“, oder: Pflichtverteidiger

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Die dritte JGG-Entscheidung behandelt u.a. Pflichtverteidigungsfragen, sie hätte also auch ganz gut an einem „Pflichti-Tag“ vorgestellt werden können. Aber ich bringe sie heute, damit sie nicht „untergeht“. Denn es handelt sich bei dem LG Bremen, Beschl. v. 28.06.2021 – 41 Qs 243/21 – um eine „sehr schöne“ Entscheidung, die der Kollege Sürig aus Bremen erstritten hat.

Es geht in dem umfangreiche begründeten Beschluss insbesondere um eine Rückwirkungsproblematik. In dem Zusammenhang nimmt das LG aber auch zu einigen anderen Fragen Stellung. Die Entscheidung, die ich wegen ihre Umfangs hier nicht voll einstelle, ist lesenswert. Vor allem auch, weil das LG zur Frage der rückwirkenden Bestellung eines Plfichtverteidigers eine andere Auffassung als das „übergeordnete“ OLG Bremen vertritt. Es geht also 🙂 .

Also: Hier nur die Leitsätze zu der Entscheidung, und zwar:

  1. Die Bezeichnung von Polizeibeamten als „Rassisten“ anlässlich eines konkreten Einsatzes stellt weder eine Verletzung der Menschenwürde noch eine Formalbeleidigung noch eine Schmähkritik dar.

  2. Bei einem zur Tatzeit jugendlichen Beschuldigten ist eine extensive Auslegung des § 140 Abs. 2 StPO geboten.

  3. Einem aus einem fremden Kulturkreis stammenden, nicht gerichtserfahrenen und nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügenden Jugendlichen führt die Frage, ob die Bezeichnung eines anderen als „Rassist“ eine Beleidigung ist, zu einer schwierigen Rechtslage und macht die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO erforderlich.

  4. Liegt im Zeitpunkt der Antragstellung eine Pflichtverteidigerbeiordnung bereits ein Fall notwendiger Verteidigung vor, ist dem Angeschuldigten unverzüglich ein Verteidiger zu bestellen.

  5. Ein Pflichtverteidiger kann dann nachträglich, insbesondere nach Einstellung des Verfahrens bestellt werden, wenn der Antrag auf Beiordnung bereits rechtzeitig vor Verfahrensabschluss gestellt wurde, bereits zuvor eine Bestellung hätte erfolgen müssen und die Entscheidung allein aufgrund justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der Beschuldigte keinen Einfluss hatte.

Abgasskandal II: Haftung des Motorherstellers, oder: Wie hoch ist der Minderwert?

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Die zweite Samstagsentscheidung betrifft dann auch den Abgasskandal. Im LG Bremen, Urt. v. 12.04.2019 – 4 O 365/18 -. In ihm geht es um den Minderwert eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs. Die Klägerin des Verfahrens hatte zunächst Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises des vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs verlangt. Nach dem sie das Fahrzeug verkauft hat, verlangt sie nunmehr Ersatz des aus Manipulation folgenden Minderwerts. Das LG Bremen schätzt den auf 10 % des Kaufpreises:

„4. Danach kann die Klägerin – wie sie mit ihrer Klage nunmehr geltend macht – von der Beklagten Ersatz dafür verlangen, dass sie ein Fahrzeug erworben hatte, dass gegenüber dem gezahlten Kaufpreis wegen der abgasrechtlichen Zulänglichkeiten im Werte gemindert war.

Gemäß § 249 BGB bemisst sich dabei der Schaden nach der Differenzhypothese. Danach hat der Schädiger den Geschädigten vermögensmäßig so zustellen, wie dieser stünde, wenn der von ihm zu verantwortende haftungsbegründende Umstand nicht eingetreten wäre. Zu vergleichen ist dabei die tatsächlich eingetretene Vermögenslage des Geschädigten mit der, die bestünde, wenn das schadenstiftende Ereignis nicht eingetreten wäre (vgl. Palandt, BGB-Kom./78.Aufl., vor § 249 Rdz. 10).

Danach kommt es vorliegend in Bezug auf den Kauf des streitbefangenen PKW darauf an, wie die Vermögenslage der Klägerin sich dargestellt hätte, wenn sie nicht darüber getäuscht worden wäre, dass das von ihr erworbene Fahrzeug die Euro-Norm 5 nicht einhält und somit auch nicht zulassungstauglich ist.

In diesem Falle hätte die Klägerin im Wissen um die Zulassungsuntauglichkeit das Fahrzeug käuflich nicht erworben und dafür auch nicht einen Kaufpreis bezahlt, dessen Höhe sich nach der Vorstellung bemessen hat, dass das Fahrzeug den abgasrechtlichen Vorstellungen entsprechen würde, was es nicht tat, so dass der Kaufpreis des Fahrzeugs nach Maßgabe der §§ 433, 434, 441 BGB gemindert war und sie entsprechend zu viel an den Käufer gezahlt hat. Bei diesem kaufrechtlichen Zuvielzahlungsbetrag handelt es sich sogleich um einen deliktischen Schaden als Folge des sittenwidrigen Handelns der Beklagten. Dieser Schaden war auch nicht durch etwaige Minderungsansprüche der Klägerin gegenüber dem Autoverkäufer egalisiert. Vielmehr ist ein etwaiger Minderungsanspruch gegen den Verkäufer anlässlich der Lieferung des abgasrechtlich unzulänglichen Fahrzeugs in gesamtschuldnerischer Verbundenheit neben dem Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus Anlass des Herstellens und Inverkehrbringens des abgasrechtlich unzulänglichen Motors.

Maßgeblich zur Berechnung des deliktischen Schadens ist demgemäß der sich aus § 441 Abs. 3 BGB ergebende Mangelminder- bzw. –unwert, um den die Klägerin zu viel an den Verkäufer gezahlt hat. Da es greifbare Anhaltspunkte für eine Quantifizierung des Mangelunwertes insbesondere unter auf den Kaufpreis anteilig zu übertragende Marktwertgesichtspunkten nicht gibt, veranschlagt die Kammer gemäß §§ 441 Abs. 3 S. 2 BGB, 287 Abs. 2 ZPO die Höhe des Mangelunwertes auf (nur) 10% des Kaufpreises. Dabei hat sich die Kammer insoweit von dem Gedanken leiten lassen, dass das Fahrzeug in seiner konkreten Nutzbarkeit in der Vergangenheit nicht eingeschränkt und voll fahrfähig war und das nicht unerhebliche Gewicht des Mangels auf Aspekten beruht (enttäuschtes Vertrauen in die Gesetzeskonformität des Fahrzeugs, dies erschlichen durch Täuschung des Herstellers, Unsicherheit über den Bestand des Betriebserlaubnis in der Zukunft in Ermangelung einer in seinen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des PKW unzweifelhaft einwandfreien Nachbesserungsmöglichkeit, Unsicherheit in Bezug auf den Erlass von Fahrverboten), die die konkrete Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges in der Vergangenheit nicht unmittelbar berührt haben. Danach bemisst sich der auf dem Mangelminder- bzw. -unwert basierende Schaden auf einen Betrag von € 2.399.“

Zum Anspruchsgrund bitte selbst lesen 🙂 .

 

Aussage-gegen-Aussage, oder: Ein „leichtsinniges Verhalten“ hat nicht ohne weiteres Auswirkungen auf die Zeugenqualität

entnommen openclipart.org

In der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, spielen auch Fragen der Beweiswürdigung eine Rolle. Angeklagt war eine sexuelle Nötigung. Das AG Bremerhaven hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Die ablehnende Entscheidung hat das AG insbesondere damit begründet, dass die Nebenklägerin widersprüchliche Angaben gemacht habe, unabhängige Beweismittel zur Tat nicht existieren würden und daher aufgrund der Aussage gegen Aussage- Konstellation eine Verurteilung des die Tat bestreitenden Angeschuldigten nicht zu erwarten sei.

Das sieht das LG Bremen im LG Bremen, Beschl. v. 28.11.2018 – 60 Qs 384/18 (913 Js 25102/18) – anders. Es bejaht den hinreichenden Tatverdacht und macht für das AG schon mal die Beweiswürdigung:

„Bei seiner Prüfung kann das Gericht schon aufgrund der Aktenlage den einzigen Belastungszeugen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterziehen (OLG Nürnberg, NJW 2010, 3793) und den hinreichenden Verdacht bei einer Sachlage, die von sich im Kernbereich widersprechenden Aussagen dieses Zeugen geprägt ist, mit der Begründung verneinen, dass sich wegen der strengen Anforderungen an die Beweiswürdigung in einer Aussage-gegen-Aussage-Situation eine Prognose, wonach der Angeschuldigte wahrscheinlich verurteilt werde, nicht stellen lasse (OLG Karlsruhe, StV 2012, 459). Jedoch ist bei ungefähr gleicher Wahrscheinlichkeit von Verurteilung und Nichtverurteilung das Hauptverfahren zu eröffnen. wenn zweifelhafte Tatfragen in der Hauptverhandlung geklärt werden und zu einer die Verurteilung tragenden tatsächlichen Grundlage führen können (OLG Stuttgart, NStZ-RR 2011, 318; OLG Koblenz NJW 2013. 98; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 203 Rdn. 2). Dabei ist das Gericht gehalten. seine Beurteilung einerseits aufgrund des gesamten Ermittlungsergebnisses vorzunehmen, andererseits aber auch die besseren Aufklärungsmöglichkeiten der Hauptverhandlung, insbesondere auch durch den persönlichen Eindruck des Gerichts hinsichtlich der Glaubwürdigkeit eines Hauptbelastungszeugen, in Rechnung zu stellen (OLG Koblenz, a.a.O.)

Nach diesem Prüfungsmaßstab ist ein hinreichender Tatverdacht für die hier in Rede stehende Straftat gegeben.

Die Kammer verkennt nicht, dass es sich vorliegend um eine Beweiskonstellation handelt, in der im Wesentlichen die belastende Aussage der Nebenklägerin gegen die Einlassung des Angeschuldigten streitet, und dass deshalb die Aussage dieser einzigen Belastungszeugin — wie bei der amtsgerichtlichen Entscheidung auch geschehen — einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Allerdings weichen die von der Nebenklägerin gleich nach dem Vorfall und später bei ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung gemachten Angaben nicht derart voneinander ab. dass sie von vornherein als unglaubhaft bezeichnet werden könnten. Jedenfalls im Kernbereich hat die Nebenklägerin im Laufe des Ermittlungsverfahrens gleichbleibende Aussagen zum Tatgeschehen gemacht.

So hat sie jeweils detailliert geschildert. wie sie zunächst Intimitäten verweigert habe und dann vom Angeschuldigten auf das Bett gezogen, dort fixiert und zur Duldung von Küssen und dem Streicheln ihrer Brüste gezwungen worden sei.

Dass die Nebenklägerin aus Sicht des Amtsgerichts nicht plausibel zu erläutern vermag, warum sie sich wieder in die Wohnung des Angeschuldigten begeben hat. wenn dieser doch bereits beim ersten Mal versucht hat, sie zu küssen. macht ihre diesbezüglichen Angaben nicht widersprüchlich. Dass es zumindest aus Sicht der Nebenklägerin plausible Gründe gab, den Angeschuldigten wiederholt aufzusuchen. folgt daraus. dass sie sich davon versprach, einen Betrag i.H.v. € 200,00 geliehen zu bekommen. Darüber hinaus konnte sie in dessen Wohnung Kokain konsumieren.

Dass die Nebenklägerin zum Angeschuldigten in das Schlafzimmer ging und sich auf dessen Bettkante freiwillig setzte, obwohl sie zuvor hätte gewarnt sein können, wirft Fragen auf, deren Klärung allerdings der Hauptverhandlung vorbehalten bleibt. Ein unter Umständen als leichtsinnig zu bezeichnendes Verhalten der Geschädigten wirkt sich jedenfalls nicht ohne weiteres auf ihre Qualität als Zeugin aus.

Für eine tatsachenfundierte Schilderung spricht ihre Aussage. das Verhalten des Angeschuldigten nicht dramatisiert zu haben. Bei einer Falschbelastung hätte es nahe gelegen. das Ausmaß an Gewalt drastischer darzustellen, um so die ausweglose Zwangslage noch plausibler erscheinen zu lassen. Auf die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin weist zudem ihre schlechte psychische Verfassung sowohl gegenüber ihrer Freundin als auch gegenüber ihrer Tante hin.

Hingegen ist die Einlassung des Angeschuldigten, er habe die Nebenklägerin weder angefasst noch sie geküsst und sei nur angezeigt worden, weil die Nebenklägerin auf ihn eifersüchtig und enttäuscht gewesen sei. weil er ihr das Geld nicht gegeben habe, nicht nachvollziehbar. Aus dem zwischen beiden am 25.06.2017 gewechselten Chatverkehr ergibt sich, dass die Nebenklägerin dem Angeschuldigten auf dessen Mitteilung, sie könne arbeiten und er wolle ihr nur helfen. geschrieben hat, sie glaube, er habe etwas ganz anderes vor. sie „wieder zu zwingen“, mit ihr zu schlafen; „wie letztes Mal“. Sie habe nicht gewollt. er habe sie nicht in Ruhe gelassen.

Der Angeschuldigte erwidert darauf: „Ja hast recht okay ich mach das nicht wieder“.

Mich würde man interessieren, in wie viel Fälle sich solche Chats für die Beschuldigten/Angeklagten im Laufe eines Strafverfahrens als nachteilig herausgestellt haben.

Pflichti II: Nachträgliche Bestellung, oder: Egal, ob getrickst, richtig….

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Bei der zweiten heutigen Entscheidung aus dem Pflichtverteidigungsbereich handelt es sich um den LG Bremen, Beschl. v. 13.02.2017 – 5 Q s 28/17, schon etwas älter, aber erst vor kurzem von dem Kollegen Bayer, Leverkusen, übersandt bekommen. Der Beschluss nimmt noch einmal zum dem die Praxis immer wieder beschäftigenden Thema der Beiordnung eines Pflichtverteidigers, wenn die Bestellungsvoraussetzungen weggefallen sind, Stellung. Grundlage der Entscheidung ist (mal wieder) eine Konstellation, in der die notwendige Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO versäumt worden ist – lassen wir dahingestellt, ob das AG fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Und dann kommt (natürlich) im Ablehnungsbeschluss des AG der Hinweis: Jetzt brauchen wir keinen Pflichtverteidiger mehr, denn jetzt liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor. Das sieht das LG aber anders:

„Ausweislich des Vollstreckungsblattes Bl.8 8 f. befand sich der Beschwerdeführer seit dem 10.08.2015 ununterbrochen bis zum 08.09.2016 — für diesen Tag ist die Entlassung und der Austritt aus der JVA vermerkt — in Untersuchungs- bzw. Strafhaft in den Justizvollzugsanstalten Köln und Wuppertal.

Mit Schriftsatz vom 15.12.2015 beantragte der Verteidiger seine Beiordnung als Pflichtverteidiger in diesem Verfahren.

Das Amtsgericht Bremen hat es mit der angefochtenen Entscheidung vom 10.12.2016 abgelehnt, dem Beschwerdeführer einen Verteidiger beizuordnen. Dabei hat es zu Recht ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer Verteidigerbestellung zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr vorliegen bzw. — eine erfolgte Pflichtverteidigerbeiordnung unterstellt — die Bestellung eines Verteidigers nunmehr zurückgenommen werden könne, § 140 Abs.3 S.2 i.V.m. Abs.3 S.1, Abs.1 Nr.4 und 5 StPO. Auf die Begründung des Amtsgerichts Bremen wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen insoweit Bezug genommen. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Bremen war dem Beschwerdeführer aber für die Zeit seiner Inhaftierung ein Verteidiger notwendig beizuordnen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 15.12.2015 befand sich der Beschwerdeführer noch und vom 22.01.2016 bis zum 23.02.2016 wieder in Untersuchungshaft, so dass ihm gemäß § 140 Abs.1 Nr.4 StPO ein Verteidiger zu bestellen war. In der Zeit vom 23.12.2015 bis zum 21.01.2016 hat der Beschwerdeführer eine Ersatzfreiheitsstrafe in diesem Verfahren und in der Zeit vom 24.02.2016 bis zum Austritt am 08.09.2016 eine Gesamtfreiheitsstrafe in anderer Sache verbüßt, so dass ihm gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO notwendig ein Verteidiger zu bestellen war. Allein durch das Zuwarten mit der Entscheidung über den Antrag auf Verteidigerbeiordnung erlischt der einmal verdiente Anspruch nicht.“

Ich will das mal lieber nicht weiter kommentieren. Egal, ob das AG „tricksen“ wollte bzw. getrickst hat: M.E. richtig. Ja, ja, die OLG…..

Detektivkosten im/nach dem Unfallprozess – erstattungsfähig?

© dedMazay - Fotolia.com

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Da ich im Moment viel Material habe, dann auch heute am Samstag ein drittes Posting. Und zwar noch einmal zur Erstattungsfähigkeit von Detektivkosten in/nach einem „Unfallprozess“. Das LG Bremen hat sie im LG Bremen, Beschl. v. 16.11.2015 – 1 T 417/15 zugesprochen:

„Detektivkosten sind jedenfalls dann erstattungsfähig, soweit die Ermittlungen in den Prozess eingeführt werden, die Erkenntnisse als Beweismittel im Rechtsstreit verwertet werden dürfen und für das Prozessergebnis ursächlich waren, was zu vermuten ist, wenn die Ermittlungen den Prozessausgang beeinflusst haben, Ferner müssen Sie (auch im Umfang) geboten gewesen und angemessen sein in Bezug auf die Bedeutung des Rechtsstreits und der Beweisfrage. Auch vorprozessuale Kosten sind erstattungsfähig, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit einem bestimmten Rechtsstreit stehen, z.B. bei Verdacht eines vorgetäuschten Verkehrsunfalls (Thomas/Putzo, ZPO, 36. Auflage, Rn. 57 zu § 91 ZPO).

Das Amtsgericht Bremerhaven hat die Abweisung der Klage damit begründet, dass die Unfallschilderungen des Klägers und des Beklagten zu 1) unplausibel seien. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass der Kläger in der Mitte der Kreuzung angehalten und gestanden haben wolle, als es zu dem Zusammenstoß gekommen sei. Es sei unglaubwürdig, wenn der Beklagte zu 1) behaupte, in die Unfallkreuzung eingefahren zu sein, ohne auf den Querverkehr zu achten, obwohl ihm die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ bekannt sei. Der Beklagte zu 1) habe auch die örtlichen Verhältnisse gekannt, Dazu komme, dass die Parteien sich bereits vor dem Unfall gekannt hätten, nämlich zumindest aus einer Diskothek, wie sich aus den Erklärungen des Klägers und des Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung ergeben habe. Darüber hinaus verweist das Amtsgericht Bremerhaven in dem Urteil auch auf ein Schreiben des Beklagten zu 1) an die Beklagte zu 2), in dem dieser (nach Auffassung des Amtsgerichts unwahr) angegeben hatte, den Kläger nicht zu kennen. Hinzu komme, dass es sich bei den am Unfall beteiligten Fahrzeugen um typische Modelle handele, wie sie bei einem manipulierten Unfall eingesetzt würden.

Wie die Beklagte zu 2) zutreffend vorträgt, ist die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten für Ermittlungsaufträge daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante — aus damaliger Sicht – als sachdienlich ansehen durfte. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Amtsgerichts Bremerhaven in denn Urteil darf davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zu 2) bereits ex ante die Beauftragung eines Detektivs als Mittel einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ansehen durfte, weil bereits der bloße Geschehensablauf des eigentlichen Unfalls Fragen nach der Glaubwürdigkeit der Unfallbeteiligten aufwirft, wie sie sich typischerweise bei einem nur vorgetäuschten Unfall aufdrängen. Die Beklagte zu 2) hat die aus der Beauftragung des Detektivs gewonnenen Erkenntnisse auch in das Verfahren eingeführt, indem sie mit dem Schriftsatz vom 08.05.2013 vorgetragen hatte, eine falsche Auskunft des Beklagten zu 1) hätte sie veranlasst, das Ermittlungsbüro B. einzuschalten. Bei dessen Internetrecherchen habe mit einem dem Schriftsatz beigefügten Ausdruck aus der Facebook-Seite des Klägers festgestellt werden können, dass zwischen diesen beiden Parteien ein wohl gutes Vertrauensverhältnis – also anders als vom Beklagten zu 1) angegeben – bestanden habe. Des Weiteren hat die Beklagte zu 2) auf Auskünfte verwiesen, die die von ihr eingeschaltete Ermittlerin in 2 Telefonaten mit dem von Klägerseite benannten Zeugen erhalten habe. Demnach kann zum einen kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Beauftragung der Detektei aus der Sicht der Klägerin im Sinne einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vernünftig war. Im Hinblick auf die mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzansprüche war auch der mit der Beauftragung der Detektei zu erwartende finanzielle Aufwand vertretbar. Die Erkenntnisse sind auch in das Verfahren und in die Entscheidung des Gerichts eingeflossen. Es darf davon ausgegangen werden, dass das Amtsgericht Bremerhaven den Vortrag der Beklagten zu 2 ) zum Anlass genommen hatte, Fragen nach der Bekanntschaft zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) zu stellen. Zudem ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2013, dass dem Beklagten zu 2) auch die durch die Detektei beschafften Ausdrucke aus Facebook vorgehalten wurden.“