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Pflichti I: Auswechselung des Nebenklägerbeistands, oder: Aufhebung der Bestellung nach Haftentlassung

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Und heute dann „Pflichti-Entscheidungen“ bzw. auch Entscheidungen zu Beiständen bei der Nebenklage und im Auslieferungsverfahren.

Ich beginne mit Auswechselungs- bzw. Aufhebungsentscheidungen. Da stelle ich aber (auch) jeweils nur die Leitsätze vor.

Zunächst kommt der BGH, Beschl. v. 27.01.2025 – 2 StR 454/24  – zur Auswechselung des Beistands eines Nebenklägers. Da bestätigt der BGH die dazu vorliegende Rechtsprechung, denn:

Eine Beistandsbestellung für den Nebenkläger (hier: Bestellung in einem Verfahren mit dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung) wirkt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens fort und erstreckt sich somit auch auf die Revisionsinstanz. Ein Wechsel in der Person des Beistands durch Rücknahme der ursprünglichen Beiordnung und Bestellung eines neuen Beistands kommt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in entsprechender Anwendung des § 143a Abs. 2 StPO in Betracht.

Und dann Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung. Der Pflichtverteidiger war nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO wegen Haft bestellt worden. Die Bestellung wurde nach Haftentlassung durch den AG Kaiserslautern, Beschl. v. 26.07.2024 -1 Cs 6010 Js 10172/21– aufgehoben. Das LG Kaiserslautern hat das im LG Kaiserslautern, Beschl. v. 28.08.2024 – 5 Qs 87/24 – anders gesehen und hat den AG Beschluss aufgehoben:

Die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung nach § 143 Abs. 2 Satz 1 StPO steht im Ermessen des Gerichts, wobei Aspekte des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen sind. Haben sich die für die Bestellung maßgeblichen Umstände nicht wesentlich geändert, darf der Angeklagte auf den Fortbestand der Bestellung vertrauen.

 

Pflichti III: BGH zum „Pflichtverteidigerwechsel“, oder: Kontaktaufnahme/Information zum/des Mandanten

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Und dann zum Schluss noch etwas vom BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 15.01.2025 – 3 StR 435/24 – mal wieder zum Pflichtverteidigerwechsel.

Das LG hat den Angeklagten wegen Untreue sowie veruntreuender Unterschlagung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und vier Monate der Strafe für vollstreckt erklärt. Der jetzige Pflichtverteidiger des Angeklagten Rechtsanwalt D. hat gegen das Urteil Revision eingelegt und diese im März 2024 mit Verfahrensbeanstandungen und einer ausgeführten Sachrüge begründet. Der Angeklagte beantragt, die Bestellung seines Pflichtverteidigers D. wegen „erheblicher Störung“ des Vertrauensverhältnisses aufzuheben. Zuvor hatte ihm das LG am 12. 07.2019 zunächst Rechtsanwalt K., nach dessen Ausscheiden aus der Anwaltschaft am 14.09.2021 Rechtsanwalt E. und statt seiner am 16.05.2023 konsensual Rechtsanwalt Dr. W. als Pflichtverteidiger bestellt. Ferner hatte es am 29. 08.2023 Rechtsanwältin Dr. L. zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet und am 15.12.2023 die Bestellung der beiden letztgenannten Verteidiger aufgehoben sowie Rechtsanwalt D. für die Revisionsinstanz zum Pflichtverteidiger bestellt. Der BGH hat den „Wechselantrag“ abgelehnt:

„2. Der Antrag auf Aufhebung der Bestellung bleibt ohne Erfolg, da ein Grund hierfür nicht vorliegt. Insbesondere ist eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Angeklagtem (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alternative 1 StPO) nicht gegeben. Eine solche ist aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2021 – StB 24/21, juris Rn. 4 mwN). Die vom Angeklagten angeführten Gesichtspunkte betreffen im Wesentlichen von ihm begehrten Zugriff auf Aktenbestandteile sowie die Kommunikation mit seinem Verteidiger; sie genügen nicht, um das Vertrauensverhältnis als endgültig zerstört anzusehen.

a) Nach der Konzeption des § 147 Abs. 1 und 4 StPO erhält bei einem verteidigten Angeklagten der Verteidiger Akteneinsicht. In welcher Weise er die so erlangten Kenntnisse mit dem Mandanten teilt, ist gesetzlich nicht vorgegeben und liegt – unter Beachtung sonstiger, etwa grund- und datenschutzrechtlicher Anforderungen – in der Hand des Verteidigers. Dass der Pflichtverteidiger der danach notwendigen Information des Angeklagten nicht gerecht geworden ist, erschließt sich nicht. Soweit der Angeklagte beanstandet, von ihm begehrte Aktenbestandteile in einer Cloud nicht zur Verfügung gestellt bekommen zu haben, besteht hierauf kein Anspruch.

b) Im Übrigen liegt es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Verteidigers, in welchem Umfang und auf welche Weise er mit dem Angeklagten Kontakt hält, sofern die unverzichtbaren Mindeststandards gewahrt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2023 – StB 49/23, juris Rn. 10 mwN). Daher führt es unter den hier gegebenen Umständen nicht zu einer endgültigen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses, wenn der Verteidiger nicht auf umfangreiche Fragen- und Aufforderungskataloge des Angeklagten antwortet und mit Blick auf den konkreten Verfahrensstand die Ansicht vertritt, die Nachfragen seien nicht mandatsbezogen und lediglich im Rahmen eines neuen, gesondert gebührenpflichtigen Mandatsverhältnisses zu beantworten.“

Pflichti I: Terminsvertreter/weiterer Pflichtverteidiger, oder: Aufhebung der Bestellung

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Und dann am vorletzten Tag des Jahres – vielleicht ja noch irgendwo ein Arbeitstag? 🙂 – noch einmal etwas zur Pflichtverteidigung. Es ist nicht viel, im Moment ist es an der „Front“ recht ruhig.

Ich stelle zunächst vier Entscheidungen vor, in denen es um das Verfahren betreffend die Pflichtverteidigung geht. Und zwar:

1. Die Entscheidung eines Vorsitzenden einen als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt zu entpflichten ist nicht zu beanstanden, wenn keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO). Das ist z.B. der Fall, wenn gesundheitliche Beschwerden des Rechtsanwalts eine konkrete Gefahr tage- und wochenlanger Ausfälle begründen und dieses Risiko sich bereits an mehreren Hauptverhandlungstagen verwirklicht hat und zudem die Gefahr eingeschränkter Reisefähigkeit vom Kanzleisitz des Rechtsanwalts zum weiter entfernten „Hauptverhandlungsort“ besteht.

2. Die Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers dient nicht der Entlastung eines weitgehend verhinderten Pflichtverteidigers, zumal – von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich jeder Pflichtverteidiger in der Hauptverhandlung anwesend zu sein hat.

Wird die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht angefochten und wird auch hiernach kein Antrag auf Aufhebung der Beiordnung gestellt, so ist allein die Beiordnung eines für den beigeordneten Rechtsanwalt erschienenen Terminsvertreters nicht ohne Weiteres mit der Begründung anfechtbar, die Voraussetzungen der Beiordnung hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Der Beschluss, durch den eine Pflichtverteidigerbestellung aufgehoben worden ist, muss eine Begründung enthalten, damit für die Beschwerdekammer die Entscheidung des aufhebenden Gerichts entweder bezogen auf eine fehlerfreie Rechtsanwendung oder auf eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung nachprüfbar ist.

Eine Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung kommt in Betracht, wenn das Gericht die Bestellung in grob fehlerhafter Verkennung der Voraussetzungen des § 140 StPO vorgenommen hat oder sich die für die Bestellung maßgeblichen Umstände wesentlich geändert haben. Unter dieser Voraussetzung kann die Aufhebung auch in Betracht kommen, wenn entgegen erwarteter Anklageerhebung zum Schöffengericht tatsächlich nur zum Strafrichter angeklagt wird. In diesem Fall wird aber unter besonderer Berücksichtigung der Umstände, die zunächst die Erwartung der Anklageerhebung zum Schöffengericht begründet haben, das Vorliegen notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 2 zu prüfen sein.

 

 

StPO III: „Vorweihnachtliches Pflichti-Potpourri“, oder: Haftentlassung, Gesamtstrafe und Rückwirkung

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Und zum Tagesschluss dann noch die Pflichtverteidigungsentscheidungen, die sich seit dem letzten Pflichti-Tag angesammelt haben. Es sind (nur) vier Stück, das reicht also nicht für einen ganzen Tag. Daher habe ich sie in diesem Posting zusammengefasst, stelle aber jeweils nur die Leitsätze vor.

Zunächst kommen hier zwei Entscheidungen zur Aufhebung der Bestellung des Pflichtverteidigers für den inhaftierter Mandanten nach dessen Haftentlassung, also ein Fall des § 140 Satz 1 Nr. 5 StPO. Das AG Siegen hatte im AG Siegen, Beschl. v. 24.10.2024 – 401 Ds-69 Js 794/24-745/24 – aufgehoben. Das hat das LG Siegen dann im Beschwerdeverfahren „gehalten“. Der LG Siegen, Beschl. v. 14.11.2024 – 10 Qs-69 Js 794/24-94/24 – hat folgenden Leitsatz:

1. Eine nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO erfolgte Pflichtverteidigerbestellung ist aufzuheben, wenn der Beschuldigte aus der Haft entlassen worden ist und die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO nicht vorliegen. Es ist aber zu prüfen, ob nicht aus anderen Gründen ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist.

2. Zur Unfähigkeit der Selbstverteidigung.

Und dann hier der LG Magdeburg, Beschl. v. 21.11.2024 – 21 Qs 80/24 -, der sich noch einmal zur „Schwere der Tat“ äußert und auch zum Bestellungsverfahren – ohne Antrag – und zum Bestellungszeitpunkt, nämlich:

1. Drohen einem Angeklagten in mehreren Parallelverfahren Strafen, die letztlich gesamtstrafenfähig sind und deren Summe voraussichtlich eine Höhe erreicht, welche das Merkmal der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO begründet, ist die Verteidigung in jedem Verfahren notwendig.

2. Gemäß § 141 Abs. 2 Nr. 4 StPO ist dem Angeklagten, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, auch ohne Antrag ein Pflichtverteidiger sofort beizuordnen. Daher hindert die Rechtskraft eines Beschlusses mit dem eine Bestellungsantrag des Beschuldigten (zunächst) abgewiesen worden ist, nicht die spätere Beiordnung auf Antrag eines (Wahl)Verteidigers.

Und natürlich der Dauerbrenner „Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung“ mit zwei Entscheidungen, nämlich dem LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 26.11.2024 – 5/06 Qs 51/24  – und dem LG Meiningen, Beschl. v. 09.10.2024 – 6 Qs 141/24. Das LG Frankfurt am Main hat es richtig gemacht und hat die rückwirkende Bestellung als zulässig angesehen, das LG Meinigen hat sich hingegen bei den „ewig Gestrigen“ eingereiht, die von Unzulässigkeit der rückwirkenden Bestellung ausgehen. Die Leitsätze schenke ich mir hier, die sind bekannt 🙂 .

Pflichti I: Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung, oder: Voraussetzungen für einen Sicherungsverteidiger

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Ich stelle heute dann mal wieder Pflichtverteidigungsentscheidungen vor. Im Moment ist an der „Front“ allesdings Ruhe, Ich heb nicht so viel Entscheidungen vorliegen wie noch vor einiger Zeit.

ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 26.06.2024 – StB 35/24 -, der sich noch einmal zur Entbindung des Pflichtverteidigers äußert. Es handelt sich um ein Verfahren in Zusammenhang mit der (versuchten) Erstürmung des Reichstagsgebäudes.

Der Vorsitzendes des OLG-Senats hatte den Antrag auf Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung abgelehnt. Dagegen die Beschwerde, die keinen Erfolg hatte. Der BGH führt aus:

„Die gemäß § 143a Abs. 4, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1, § 306 Abs. 1, § 311 Abs. 1 und 2 StPO statthafte, fristgerechte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der zur Entscheidung berufene Vorsitzende des mit der Sache befassten Oberlandesgerichtssenats (§ 142 Abs. 3 Nr. 3 StPO) hat den Antrag auf Aufhebung der Bestellung von Rechtsanwalt T. zu Recht abgelehnt. Weder ist das Vertrauensverhältnis zwischen diesem und dem Angeklagten endgültig zerstört, noch ist aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet (s. § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO). Auch im Übrigen besteht kein Anlass zur Aufhebung der Verteidigerbeiordnung gemäß § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO.

1. a) Nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Angeklagtem endgültig zerstört oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet ist. Mit dieser am 13. Dezember 2019 in Kraft getretenen Vorschrift (BGBl. I S. 2128, 2130, 2134) sollten zwei von der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Fälle des Rechts auf Verteidigerwechsel normiert werden. Deshalb kann für die Frage, wann im Einzelnen eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu bejahen ist, auf die in dieser Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BT-Drucks. 19/13829 S. 48). Danach ist anerkannt, dass Maßstab für die Störung des Vertrauensverhältnisses die Sicht eines verständigen Angeklagten und eine solche von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2020 – StB 4/20, BGHR StPO § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Aufhebung 2 Rn. 6 f. mwN).

b) Daran gemessen ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Grund für eine Rücknahme der Verteidigerbestellung. Aus den zutreffenden und auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens fortgeltenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, ist weder von einem endgültigen Vertrauensverlust auszugehen, noch ist das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung erkennbar (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO). Ergänzend ist nur Folgendes auszuführen:

aa) Es ist schon nicht ersichtlich, dass die behauptete Unkenntnis des Angeklagten von seiner Kostentragungspflicht für die angefallenen Pflichtverteidigergebühren eine grobe Pflichtverletzung von Rechtsanwalt T. darstellt. Hinzu kommt, dass der Angeklagte Rechtsanwalt T. zuvor selbst bevollmächtigt hatte. Dem Angeklagten war damit bewusst, dass er für dessen Tätigkeit als Wahlverteidiger honorarpflichtig ist. Die nachfolgende Beiordnung wurde sodann mit Zustimmung des Angeklagten vorgenommen. Hierdurch ist er auch vor dem Hintergrund nicht beschwert, dass er etwaig zu einem späteren Zeitpunkt mit den Kosten des Pflichtverteidigers belastet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2023 – StB 27/23).

bb) Der weiterhin behauptete Umstand, Rechtsanwalt T. habe hohe Honorarforderungen gestellt und seine Tätigkeiten als Wahlverteidiger später überhöht abgerechnet, begründet weder einen Vertrauensverlust noch eine grobe Pflichtverletzung. Zwar kommt die Zurücknahme der Beiordnung wegen einer Störung des Vertrauensverhältnisses in Betracht, wenn der Pflichtverteidiger den Angeklagten ungeachtet dessen erklärter Ablehnung wiederholt bedrängt, eine schriftliche Vereinbarung über ein Honorar abzuschließen, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigen würde, und hierbei zum Ausdruck bringt, ohne den Abschluss dieser Vereinbarung sei seine Motivation eingeschränkt, für den Angeklagten tätig zu werden (vgl. KG, Beschluss vom 23. Januar 2012 – 4 Ws 3/12, StV 2013, 142, 143; KK-StPO/Willnow, 9. Aufl., § 143a Rn. 12). Indes ist dem Vortrag des Angeklagten bereits ein derartiges pflichtwidriges Verhalten von Rechtsanwalt T. nicht zu entnehmen. Dessen Honorarforderungen standen zudem im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Wahlverteidiger und lagen zeitlich vor seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger.

cc) Ferner rechtfertigen die vom Angeklagten vorgetragenen Umstände zum Schließfach in der Sch. nicht die Rücknahme der Beiordnung von Rechtsanwalt T. . Dass sich dieser zumindest vorübergehend gehindert sah, auf Wunsch des Angeklagten und seines Wahlverteidigers den Schlüssel für das Schließfach an den Sohn des Angeklagten auszuhändigen, erscheint in der konkreten Konstellation vertretbar. Im Übrigen gibt es keinen Anhalt dafür, dass der Pflichtverteidiger von der Unrichtigkeit seiner Angaben überzeugt war, das Schließfach sei von den Ermittlungsbehörden aufgebohrt worden.

2. Die Bestellung von Rechtsanwalt T. zum Pflichtverteidiger ist auch nicht gemäß § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO aufzuheben, weil der Angeklagte mit Rechtsanwalt Dr. S. einen anderen Verteidiger gewählt hat. Denn es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, dass der zur Entscheidung berufene Vorsitzende des mit der Sache befassten Staatsschutzsenats des Oberlandesgerichts die Aufrechterhaltung der Beiordnung von Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidiger gemäß § 143a Abs. 1 Satz 2 StPO aus den Gründen des § 144 StPO weiterhin für erforderlich gehalten hat.

a) Nach § 144 Abs. 1 StPO können in Fällen der notwendigen Verteidigung einem Beschuldigten zu seinem Wahl- oder (ersten) Pflichtverteidiger „bis zu zwei weitere Pflichtverteidiger zusätzlich“ bestellt werden, „wenn dies zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens, insbesondere wegen dessen Umfang oder Schwierigkeit, erforderlich ist“. Von einer solchen Notwendigkeit ist auszugehen, wenn sich die Hauptverhandlung voraussichtlich über einen besonders langen Zeitraum erstreckt und zu ihrer regulären Durchführung sichergestellt werden muss, dass auch bei dem Ausfall eines Verteidigers weiterverhandelt werden kann, oder der Verfahrensstoff so außergewöhnlich umfangreich oder rechtlich komplex ist, dass er nur bei arbeitsteiligem Zusammenwirken mehrerer Verteidiger in der zur Verfügung stehenden Zeit durchdrungen und beherrscht werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. März 2024 – StB 19/24, NStZ-RR 2024, 178, 179; vom 5. Mai 2022 – StB 12/22, juris Rn. 12; vom 24. März 2022 – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 16; vom 31. August 2020 – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 14 mwN; s. auch BT-Drucks. 19/13829 S. 49 f.).

Bei der Entscheidung über die Bestellung eines Sicherungsverteidigers kommt dem hierzu gemäß § 142 Abs. 3 StPO berufenen Richter ein nicht voll überprüfbarer Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Dessen Beurteilung, dass die Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers erfordert, kann das Beschwerdegericht daher nur beanstanden, wenn sie sich nicht mehr im Rahmen des Vertretbaren hält; anderenfalls hat es sie hinzunehmen (vgl. zur Fallkonstellation der Ablehnung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2022 – StB 12/22, juris Rn. 8, 13; vom 24. März 2022 – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 18).

b) Gemessen daran ist gegen das Vorgehen des Vorsitzenden nichts zu erinnern. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Erörterung des § 144 StPO in den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch, dass der Vorsitzende die Verfahrenssicherung im Blick gehabt und nach den dargelegten Maßstäben keinen Anlass gesehen hat, Rechtsanwalt T. zu entpflichten. Der Vorsitzende ist im Rahmen der Beurteilung des Entpflichtungsgrundes nach § 143a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO auf entsprechende sachliche Gesichtspunkte eingegangen. Seine daraus hervorgehende Wertung, die Rechte des Angeklagten an einer effektiven Verteidigung (s. Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK) geböten aufgrund des außergewöhnlich umfangreichen und schwierigen Verfahrens die Bestellung von zwei Pflichtverteidigern neben dem Wahlverteidiger, überschreitet den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht und ist frei von Ermessensfehlern.“

Hatten wir alles schon mal.