Wenn man die Revisionsrechtsprechugn des BGH verfolgt, stellt man schnell fest: Einer der Dauerbrenner ist die Revision des Nebenklägers. Viele der Revisionen werden verworfen, weil § 400 StPO nicht beachtet wird. Danach kann der Nebenkläger ein urteil nur mit dem Ziel einer Schuldspruchänderung anfechten, was zur Folge hat, dass dazu in der Revisionsbegründung vorgetragen werden muss. das wird häufig übersehen, was zu Verwerfungen führt (vgl. zuletzt Beschl. v. 09.06.2010 – 2 stR 146/10). Also: Aufgepasst
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Kleiner Grundkurs zum Klageerzwingungsantrag durch das OLG Celle
Es gibt im Strafverfahren kaum einen Bereich, in dem die Anforderungen der OLG so hoch sind, in dem aber auch so viel Fehler gemacht werden, wie bei der Begründung des sog. Klageerzwingungsantrags (§ 172 StPO).
Und das, obwohl die Kommentare und Hadnbücher voll sind von Anleitungen, wie man es richtig macht. Ein schönes Beispiel ist der Beschluss des OLG Celle v. 27.04.2010 – 2 Ws 102/10, der die Anforderungen, die zu beachten sind noch einmal mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zusammenfasst. Wer das alles beachtet, kann an sich nichts falsch machen.
Der BGH, der Beweisantrag und der Auslandszeuge aus Litauen
Im BGH-Beschl. v. 28.04.2010 – 1 StR 644/09 – hat der BGH zum Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen Stellung genommen. In einem Verfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung hatte der Angeklagte den Antrag gestellt, einen litauischen Finanzbeamten zu vernehmen, und zwar unter Beifügung einer Reihe CMR-Frachtbriefe „den Sachbearbeiter des Kreisfinanzamtes K. , zuständig für die Firma Il V. …. als Zeugen zu vernehmen.“ Er werde bekunden, dass die aus den Frachtbriefen ersichtlichen Waren von der genannten Firma ordnungsgemäß gemeldet und versteuert wurden. In der Begründung des Antrags ist ausgeführt, der Angeklagte habe die bei der Großhandelsfirma bestellten Waren lediglich als „Durchgangsposten“ angenommen und sodann einem Spediteur der litauischen Firma weitergegeben. Die Ware sei dann tatsächlich in Litauen eingeführt, angemeldet und versteuert worden. Eine Umsatzsteuerpflicht bestehe in Deutschland insoweit nicht.
Die Strafkammer hat den Antrag durch einen auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützten Beschluss zurückgewiesen. Der BGH hat das beanstandet:
„Es trifft zu, dass die Zurückweisung eines Beweisermittlungsantrags nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Revision nur dann begründet, wenn dadurch die Aufklärungspflicht verletzt wurde. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn das Gericht den Antrag (zu Unrecht) für einen Beweisantrag hielt und ihn nach den hierfür geltenden Regeln beschieden hat (BGH StV 1996, 581; BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 23 jew. m.w.N.). Hier hat jedoch die Strafkammer rechtsfehlerfrei den in Rede stehenden Antrag als Beweisantrag angesehen.
Grundsätzlich sind bei einem auf die Vernehmung eines Zeugen gerichteten Beweisantrag Name und (hier unproblematisch) Anschrift des Zeugen zu nennen. Dies ist aber nicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Es genügt viel-mehr, wenn die zu vernehmende Person derart individualisiert ist, dass eine Verwechslung mit anderen nicht in Betracht kommt. Die Nennung eines Namens ist in diesem Zusammenhang dann entbehrlich, wenn der Zeuge unter Berücksichtigung des Beweisthemas über seine Tätigkeit insbesondere in einer Behörde zu individualisieren ist (vgl. BGH VRS 25, 426, 427; BayObLG b. Rüth DAR 1980, 269; OLG Köln NStZ-RR 2007, 150; einschränkend <obiter dictum> BGHSt 40, 3, 7; vgl. auch Becker in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 244 Rdn. 105; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 244 Rdn. 21 jew. m.w.N.). Hier ist der Sachbearbeiter eines bestimmten Finanzamts für im Detail gekennzeichnete steuerrechtlich erhebliche Vorgänge im Geschäftsbetrieb einer bestimmten Firma als Zeuge benannt. Die Strafkammer hat durch die Behandlung dieses Antrags als Beweisantrag der Sache nach zum Ausdruck gebracht, den Anforderungen an die Kennzeichnung des Beweismittels in einem Beweisantrag sei hier Genüge getan. Dies ist jedenfalls vertretbar und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen.
d) Die Strafkammer hat die auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützte Ablehnung des Beweisantrags damit begründet, dass „die Vernehmung des Zeugen nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts nicht erforderlich erscheint. Die Kammer unterstellt als wahr, dass ein Mitarbeiter des Finanzamtes K. die im Beweisantrag … genannten Angaben machen würde.“
Weitere Ausführungen enthält der Beschluss nicht. In den Urteilsgründen ist dann im Einzelnen dargelegt, warum die Strafkammer davon ausgeht, dass tatsächlich keine Lieferungen nach Litauen erfolgt sind.
2. Zu Recht rügt die Revision die Begründung des Beschlusses.
Über die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts hinaus ergibt der genannte Beschluss, dass die Strafkammer offenbar erwartet, dass der Zeuge die in sein Wissen gestellten Behauptungen zwar bestätigen werde, diese Angaben jedoch wahrheitswidrig seien. Eine solche Prognose hinsichtlich des Inhalts der zu er-wartenden Aussage und dessen Bewertung als unwahr kann Grundlage der Ab-lehnung eines Beweisantrags gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO sein (vgl. BGHSt 40, 60, 62). Der hierfür erforderliche Gerichtsbeschluss (§ 244 Abs. 6 StPO) muss jedoch die für die Ablehnung wesentlichen Gesichtspunkte, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in ihrem tatsächlichen Kern verdeutlichen. Die Begründung der Ablehnung eines Beweisantrages ist nicht nur gegebenenfalls Grundlage einer revisionsrechtlichen Überprüfung der Ablehnung, sondern sie hat auch die Funktion, den Antragsteller davon zu unterrichten, wie das Gericht den Antrag sieht, damit er sich in seiner Verteidigung auf die Verfahrenslage ein-stellen kann, die durch die Antragsablehnung entstanden ist (BGHSt 40, 60, 63 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird der Beschluss der Strafkammer nicht gerecht, weil er nicht konkretisiert ist.“
Ergebnis: Insoweit Aufhebung des Urteils des LG.
Widerspruch auch, wenn Freispruch droht – die Absurdität geht weiter
Wir hatten schon am 10.12.2009 über eine Entscheidung des OLG Hamm berichtet, wonach die Unwertbarkeit der Blutprobe wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO bereits in ersten HV geltend gemacht werden muss, und zwar auch dann, wenn Freispruch droht, das Beweismittel gar nicht verwendet werden soll. Also zu einem Zeitpunkt und in einer Verfahrenslage, in der man als Verteidiger an den Widerspruch gar nicht denkt. Warum auch, wenn „Freispruch droht“?
Nun hat auch das OLG Karlsruhe in einem Beschl. v. 08.03.2010 – 2(9) Ss 18/10 diese in meinen Augen zu einem absurden Ergebnis führende Auffassung vertreten.
Aber: Was nutzt das Lamentieren? Der Verteidiger muss eben an diese Rechtsauffassung denken. Und vor allem auch dann später in der Revision vortragen, dass er in der ersten HV widersprochen hat.
Schnell ist das scharfe Schwert der Verspätung gezückt…
Immer wieder machen die AG im OWi-Verfahren bei der Ablehnung eines Beweisantrages vom scharfen Schwert der Ablehnung wegen Verspätung (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG) Gebrauch (es ist ja so einfach :-(), ohne dabei zu bedenken, dass das nur dann sticht, wenn die Hauptverhandlung ausgesetzt – nicht nur unterbrochen – werden muss.
Dass es auf die Aussetzung ankommt, hat das OLG Hamm jetzt gerade einer Amtsrichterin noch einmal ins Stammbuch geschrieben (vgl. Beschl. v. 04.05.2010 – 2 RBs 35/10). Allerdings hat deren Fehler (?) dem Betroffenen nicht viel gebracht. Denn der Verteidiger hatte die Rechtsbeschwerde/Verfahrensrüge nicht ausreichend begründet. Aus ihr muss sich nämlich ergeben, dass es nicht zur Aussetzung gekommen wäre. Dennoch: Das OLG hat aufgehoben, weil das AG auch den Rechtsfolgenausspruch, vor allem das Fahrverbot nicht genügend begründet hatte. Also: Wenigstens insoweit noch einmal. Und die Uhr tickt…