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OWi II: Nochmals Kampf um Terminsverlegungen, oder: Will das AG Verteidiger/LG ärgern oder liest es nicht?

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Und dann vor Weihnachten doch noch etwas zum Kopfschütteln, und zwar:

Anfang des Monats hatte ich über den LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 342/24 – und den LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 346/24 – berichtet (vgl. hier: OWi II: Terminsverlegungsanträge des Verteidigers, oder: Ablehnung nur mit konkreten Gründen).

In beiden Entscheidungen ging es um vom AG Helmstedt zu Unrecht abgelehnte Terminsverlegungsanträge des Verteidigers, der gegen die Ablehnungen jeweils Beschwerde eingelegt hatte. Das AG hatte dann kurzerhand die Beschwerde dem LG vorgelegt. Eine Abhilfeentscheidung war nicht ergangen. Das LG hatte dennoch nicht zurückverwiesen, sondern aufgehoben und dem AG mit recht deutlichen Worten mitgeteilt, was es von den Ablehnungen in der Sache hält, nämlich nichts.

Wer nun gedacht hatte, dass es damit gut ist/war, der hat sich geirrt. Denn das AG Helmstedt macht folgendes – ich nehme jetzt mal den Sachverhalt aus dem (neuen) LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 371/24 -, der aus dem LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 372/24 – ist identisch: Das LG hatte mit Beschluss vom 27.11.2024  die Entscheidung des Amtsgerichts, die für den 02.12.2024 anberaumte Hauptverhandlung nicht zu verlegen, aufgehoben. Mit Aktenrückübersendung hatte die Vorsitzende das AG darauf hingewiesen, dass in Zukunft eine förmliche Abhilfeentscheidung zu treffen ist und nicht einfach die Akten übersandt werden dürften. Das AG Helmstedt beraumte daraufhin einen neuen Termin für den 23.01.2025 an. Der Termin war mit dem Verteidiger vorher wieder nicht abgestimmt. Mit Schriftsatz vom 03.12.2024 beantragte der Verteidiger erneut Terminsverlegung und bot den 30.01.2025 und 06.02.2025 als neue Verhandlungstermine an. Mit fast wortgleichem Schreiben wie vom 07.11.2024 – das war das frühere Verfahren – lehnte das AG AG Helmstedt die Terminsverlegung wieder ab, wogegen sich dann der Verteidiger erneut mit der Beschwerde wandte.

Und jetzt hat das LG – in beiden Verfahren – gesagt: Genug ist genug und hat aufgehoben und zurückverwiesen. Hier die Gründe aus LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 371/24 -, die aus LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 372/24 – sind gleich:

„An einer Entscheidung über die Beschwerde sieht sich die Kammer mangels Zuständigkeit gehindert; die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil die zunächst erforderliche Abhilfeentscheidung (§ 306 Abs. 2 StPO) noch nicht ergangen ist (vgl. BGH, NStZ 1992, 507; BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 6 StR 1/22 –, juris).

Fehlt eine (Nicht-)Abhilfeentscheidung hat das Beschwerdegericht unter Berücksichtigung seiner Pflicht zur schnellen und wirtschaftlichen Erledigung der Beschwerde darüber zu befinden, ob es selbst entscheiden oder dem Erstrichter Gelegenheit geben will, die unterbliebene Entscheidung über die Abhilfe nachzuholen (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 373; vom 05. Februar 2009 – 2 Ws 16/2009 -; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 2 Ws 34 – 38/09 –, juris, Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 306 Rn. 21 – jeweils mit weiteren Nachweisen). Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, eine Zuleitung an das Erstgericht zur Nachholung der (Nicht-)Abhilfeentscheidung komme stets in Betracht, wobei es sich nicht um eine die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung voraussetzende „Zurückverweisung“ handele (Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, § 306 Rn. 19 – ohne weitere Begründung). Nach anderer Meinung ist eine Zurückverweisung ausnahmsweise nur dann angezeigt, wenn das Verfahren dadurch beschleunigt wird, weil die tatsächliche Richtigkeit des Beschwerdevorbringens vom sachnäheren Erstrichter leichter und schneller festgestellt werden kann und zu erwarten ist, dass dieser seine Entscheidung aufgrund dessen selbst korrigiert (Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 306 Rn. 21) und das Beschwerdegericht andernfalls an einer eigenen Sachentscheidung im Sinne des § 309 Abs. 2 StPO gehindert wäre (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 306 Rn. 10). Denn die Nichtabhilfe ist keine Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung des Beschwerdegerichts (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vom 05. Februar 2009 – 2 Ws 16/2009 -; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 2 Ws 34 – 38/09 –, juris. Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 306 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 306 Rn. 10). Eine eigene Entscheidung des Beschwerdegerichts entsprechend § 309 Abs. 2 StPO ist danach bei offensichtlicher Erfolglosigkeit der Beschwerde geboten, bei der ohne längere Prüfung erkennbar ist, dass das Beschwerdevorbringen die Beschwerde nicht zu begründen vermag (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374; vom 05. Februar 2009 – 2 Ws 16/2009). Ein Streitentscheid ist hier nicht erforderlich. Ein Fall der sofortigen Entscheidung der Kammer wegen unzumutbarer Verfahrensverzögerung oder der offensichtlichen Erfolglosigkeit der Beschwerde liegt hier gerade nicht vor. Die Beschwerde könnte nach Auffassung der Kammer durchaus begründet sein, weil die Ablehnung des erneuten Terminsverlegungsantrages erneut ermessensfehlerhaft sein könnte.

Wird mit der Beschwerde erhebliches neues Vorbringen verbunden, das einer Klärung bedarf, weil es sich um ein ernstzunehmendes neues und vom Erstgericht ohne sonderliche Mühe überprüfbares Vorbringen handelt, das im Falle seiner Richtigkeit die tatsächlichen Grundlagen der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen würde, dann ist das Erstgericht zu einer Prüfung und zur Begründung seiner Entscheidung verpflichtet (OLG München, NJW 1973, 1143). Das Amtsgericht hat sich gerade nicht mit der Beschwerdebegründung vom 06.12.2024 auseinandergesetzt. Vielmehr erfolgte die Ablehnung der erneuten Terminsverlegung wieder mit fast wortgleichem Schreiben wie zuvor und wie auch im Parallelverfahren unter Beteiligung des gleichen Verteidigers. Eine Ausübung des Ermessens ist darin nicht zu erkennen.

Die Notwendigkeit einer auf das Vorbringen vom 06.12.2024 bezogenen Abhilfeentscheidung entfällt auch nicht deshalb, weil das Amtsgericht in dieser Sache zuvor bereits einmal nicht abgeholfen hat. Diese konkludente Abhilfeentscheidung reicht im Hinblick auf das neue Beschwerdevorbringen nicht mehr aus. Das Abhilfeverfahren soll dem Erstrichter die Gelegenheit zur Korrektur seiner Entscheidung geben, um dem Beschwerdegericht ggf. eine Befassung mit der Sache zu ersparen (BGH MDR 1992, 593¬594; OLG München NJW 1973, 1143). Dieser Aufgabe kann es nur gerecht werden, wenn sämtliches vor Weiterleitung der Akten an das Beschwerdegericht aktenkundige Vorbringen des Beschwerdeführers berücksichtigt wird (BGH MDR 1992, 593-594). So kann das Beschwerdegericht nicht nachvollziehen, warum die angebotenen Ersatztermine am 30.01.2025 und 06.02.2025 für das Amtsgericht nicht in Betracht kommen, obwohl beide Termine einen Donnerstag betreffen, so wie es der Vorgabe des Amtsgerichts entsprach. Dass bei einer Verlegung auf einen der angebotenen Ersatztermine eine nennenswerte Verfahrensverzögerung eintritt, die gegen das Recht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verstößt, ist für die Kammer ebenfalls nicht erkennbar. Eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Abhilfeentscheidung ist daher unerlässlich und könnte mutmaßlich der Beschwerde auch zum Erfolg verhelfen, ohne dass es einer Entscheidung der Kammer bedarf.“

Wie gesagt: Kopfschütteln, und zwar mehr als „gelinde“. Denn man fragt sich, was das Verhalten des AG soll? Die Vorsitzende weist auf die Notwendigkeit einer Abhilfeentscheidung hin und die Kammer schreibt in den Gründen der vorhergehenden Entscheidungen mehr als deutlich, wie mit Terminsverlegungsanträgen umzugehen ist. Und was passiert: Das AG bescheidet die neuen Verlegungsanträge wieder, ohne die Vorgaben des LG zu beachten, und legt dann wieder ohne Abhilfe vor. Was wird damit bezweckt: Will das Gericht den Verteidiger ärgern oder gar die Beschwerdekammer oder liest man einfach nicht, was aus der Beschwerde zurückkommt, nach dem Motto: Was schert mich die Beschwerdekammer. Das AG sollte mal überlegen, was an unnützer Zeit und Arbeit sowohl beim Beschwerdegericht als auch beim Verteidiger damit vergeudet wird. Aber das interessiert wahrscheinlich auch nicht. Für solche Entscheidungen müsste es „Strafzahlungen“ geben 🙂 🙂 .

OWi II: Terminsverlegungsanträge des Verteidigers, oder: Ablehnung nur mit konkreten Gründen

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Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen vom LG Braunschweig. In beiden Beschlüssen hat sich das LG zur Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen des Verteidigers geäußert. In beiden Verfahren ist dann auf die Beschwerden des Verteidigers der jeweilige Hauptverhandlungstermin aufgehoben worden. Hier die Begründungen des LG:

Zunächst der LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 342/24:

Über Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu ent-scheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.2006, NStZ-RR 2006, 271). An diesen Grundsätzen hat sich die Vorsitzende bei der Ablehnung des Verlegungsantrages nicht ausgerichtet. Dies zeigt das Schreiben vom 07.11.2024, welches erkennbar nicht auf das konkrete Verfahren zutrifft. Denn dem Betroffenen wird vorliegend ein Abstandsverstoß zur Last gelegt, wohingegen das Amtsgericht auf eine standardisierte Geschwindigkeitsmessung abstellt, woraus ersichtlich wird, dass das Amtsgericht für den konkreten Einzelfall gar kein Ermessen ausgeübt hat, sondern offenbar ein Formularschreiben verwandte. Soweit in der angefochtenen Entscheidung auf das allgemeine Gebot der Verfahrensbeschleunigung und den Terminsdruck des Gerichts abgestellt wird, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn zeitnah wird eine Verfolgungs-verjährung nicht eintreten. Hieraus wird deutlich, dass die Vorsitzende von vornherein und unabhängig von dem geltend gemachten Grund nicht bereit war, einem etwaigen Verlegungsantrag zu entsprechen.

Demgemäß lässt auch die angefochtene Entscheidung die gebotene Abwägung zwischen den oben genannten Kriterien vermissen. Es wurde auch nicht versucht, einen Verhandlungstermin mit dem Verteidiger abzusprechen. Zu Recht wird in der Beschwerdebegründung darauf hinge-wiesen, dass der Beschwerdeführer ein besonderes Interesse daran hat, sich in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger vertreten zu lassen.

Und ähnlich der LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 346/24:

Über Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.2006, NStZ-RR 2006, 271). An diesen Grundsätzen hat sich die Vorsitzende bei der Ablehnung des Verlegungsantrages nicht ausgerichtet, auch wenn zutreffend ist, dass der Termin bereits einmal auf Antrag des Verteidigers verlegt wurde. Dies zeigt das Schreiben vom 11.11.2024, wobei es sich offenbar um ein Formularschreiben handelt. Soweit in der angefochtenen Entscheidung auf das allgemeine Gebot der Verfahrensbeschleunigung und den Terminsdruck des Gerichts abgestellt wird, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn der Verteidiger hat als Alternativtermine den 19.12.2024 bis 8:30 Uhr oder den 19.12.2024 ab 14:00 Uhr angeboten. Zu einer Verfahrensverzögerung würde es bei einer solchen Verlegung der Terminsstunde gerade nicht kommen. Die Vorsitzende hat in ihrer Entscheidung auch nicht begründet, warum die Verlegung der Terminsstunde im konkreten Fall nicht möglich war, sondern nur pauschal auf die Terminslage des Gerichts hingewiesen. Der Hinweis auf das Beschleunigungsgebot verfängt hier im Übrigen schon deshalb nicht als tragfähige Ermessenserwägung, weil eine Verfolgungsverjährung nicht zeitnah eintritt. Hieraus wird deutlich, dass die Vorsitzende von vornherein und unabhängig von dem geltend gemachten Grund nicht bereit war, einem weiteren Verlegungsantrag des Verteidigers zu entsprechen.

Demgemäß lässt auch die angefochtene Entscheidung die gebotene Abwägung zwischen den oben genannten Kriterien vermissen. Es wurde auch nicht versucht, einen Verhandlungstermin mit dem Verteidiger abzusprechen. Zu Recht wird in der Beschwerdebegründung darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer ein besonderes Interesse daran hat, sich in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger vertreten zu lassen.“

StPO III: Abgelehnte Terminverlegung ==> Befangen?, oder: Ja, wenn die Richterin unverständlich stur ist

Smiley

Und als drittes dann der – wenigstens für mich – Aufreger des Tages. Es handelt sich um den AG Wuppertal, Beschl. v. 21.11.2024 – 24 Cs 224/24. Allerdings ist nicht der Beschluss, durch den einem Befangenheitsantrag eines Verteidiger statt gegeben worden ist, der Aufreger, sondern das Verhalten der im Verfahren agierenden Amtsrichterin.

Es geht um die Frage der Besorgnis der Befangenheit wegen Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags. In dem Verfahren, in dem dem Angeklagten unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) zur Last gelegt wird, hat der Verteidiger im Namen des Angeklagten die zuständige Amtsrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dies hat er u.a. damit begründet, dass eine abgelehnte Terminverlegung gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoße, die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus der Beschlussbegründung.

Das Ablehnungsgesuch hatte Erfolg:

„Allgemein sind Gründe für ein solches Misstrauen gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter oder die Richterin nicht unvoreingenommen entscheiden werde, mithin eine innere Haltung eingenommen hat, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte. Dabei kommt es darauf an, ob der Beteiligte, der das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von seinem Standpunkt aus bei Anlegung dieses objektiven Maßstabs Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten. Dementsprechend dient das Verfahren allein dazu, die Beteiligten vor der Unsachlichkeit der Richterin oder des Richters aus einem in seiner Person liegenden Grund zu bewahren.

Die Ablehnung einer beantragten Terminverlegung, um die es hier geht, begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders liegt es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder sich aus der Ablehnung der Terminverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (OLG Brandenburg, 07. Juli 2017, 10 WF 34/14 in Juris m.w.N., OLG Rostock, Beschluss vom 20.05.2022, NJOZ 2022, 978)

So liegt der Fall hier.

Mit Verfügung der Abteilungsrichterin vom 23.10.2024 ist Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung auf Dienstag, den 12.11.2024 bestimmt worden. Hierbei hat die Abteilungsrichterin das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet. Erst am 04.11.2024 ist ihm auf seinem Antrag vom 23.09.2024 Akteneinsicht in die seinerzeit über 250-seitige Akte gewährt worden. Mit Schriftsatz vom 04. November hat der Verteidiger sodann beantragt, den Termin zu verlegen. Zur Begründung hat er vorgetragen und anwaltlich versichert, die Ehefrau des Angeklagten habe ihm mitgeteilt, Ihr Mann befinde sich seit dem 03.11.2024 im Klinikum in stationärer Behandlung. Wann er entlassen werde, sei unklar. Zugleich wies der Verteidiger darauf hin, dass eine angemessene Vorbereitung der Akte und eine Besprechung mit dem Mandanten vor dem Termin nicht möglich sei. Dem Schriftsatz war eine Bescheinigung des Krankenhauses über die stationäre Aufnahme des Angeklagten zum 03.11.2024 beigefügt.

Mit Verfügung der Abteilungsrichterin vom 05.11.2024 wurde dem Verteidiger mitgeteilt, dass der Termin bestehen bleibe. Eine Verlegung könne nur erfolgen bei Vorlage eines Attestes über die Verhandlungsfähigkeit am Terminstage.

Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle vom 06.11.2024 hat der Verteidiger mitgeteilt, dass die Klinik auf seine Anfrage mitgeteilt habe, dass diese keine Bescheinigung über die Verhandlungsunfähigkeit ausstellen würde. Eine vom Verteidiger angekündigte Rücksprache kam in der Folge nicht zustande, da die Abteilungsrichterin nicht erreichbar war.

Mit weiterem Schriftsatz des Verteidigers vom 08.11.2024 bat er um Aufhebung des Termins mit dem Hinweis, dass eine Entlassung des Angeklagten bis zum Terminstage nicht erfolgen könne. Hierzu reichte er eine weitere Bescheinigung des Heliosklinikums ein, aus der sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass eine rechtzeitige Entlassung vor dem Termin nicht erfolge. Auch wies er in diesem Schriftsatz auf den Grundsatz des fairen Verfahrens hin, da er den Sachverhalt mit dem Mandanten vor dem Termin nicht besprechen könne. Mit Beschluss der Abteilungsrichterin vom 08.11.2024 wies die Abteilungsrichterin den Verlegungsantrag zurück. Im Wesentlichen erfolgte die Begründung dahingehend, es liege immer noch kein Attest für den Terminstag vor.

Mit weiterem Schriftsatz des Verteidigers vom 11.11.2024 lehnte dieser sodann im Namen des Angeklagten die zuständige Abteilungsrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Nachdem er den bereits skizzierten Sachverhalt erneut zusammenfassend vorträgt, führt er umfangreich und sachlich aus, dass die abgelehnte Terminverlegung gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoße. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorbezeichneten Schriftsatz sowie die weitere Verteidigerschrift vom 13.11.2024 Bezug genommen. Die dienstliche Äußerung der Abteilungsrichterin vom 12.11.2024, in der keine Stellungnahme zur Frage der Besorgnis der Befangenheit formuliert worden ist, ist dem Angeklagten übermittelt worden.

Bei einer Gesamtbetrachtung und Gesamtwürdigung dieses Sachverhaltes liegt ein oben beschriebener Ausnahmefall vor, bei dem wegen verweigerter Terminverlegung die Besorgnis der Befangenheit der Abteilungsrichterin zu bejahen ist.

Der Verteidiger hat erhebliche und nachvollziehbare Gründe für seinen Terminverlegungsantrag vorgetragen und die Tatsachen anwaltlich versichert. Es ist nach Akteninhalt zweifelsfrei, dass der Angeklagte ab dem 03.11.2024 in stationärer Behandlung im Krankenhaus lag. Auch hat die Klinik mitgeteilt, dass eine rechtzeitige Entlassung nicht erfolgen könne. Hinzukommt, dass der Verteidiger erst nach über 6 Wochen am 04.11.2024 Akteneinsicht bekommen hat. Eine Besprechung mit dem Mandanten, dessen persönliches Erscheinen durch die Abteilungsrichterin angeordnet war, war vor dem Termin daher nicht möglich. Unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens und des Rechts des Betroffenen, sich von einem Verteidiger sachgemäß vertreten zu lassen, war die Zurückweisung des – erstmaligen – Antrags auf Terminverlegung für den Angeklagten schlechthin unzumutbar, wodurch sein Grundrecht auf rechtliches Gehör und das auf ein faires Verfahren verletzt worden ist.

Dies begründet die Besorgnis der Befangenheit der zuständigen Abteilungsrichterin.“

Was soll man dazu sagen? Besser schweigt man zu einem so unverständlichen Richterverhalten und schüttelt nur den Kopf über so viel Unverständnis und Gezerre um das Attest, und zwar auch noch, nachdem die Klinik erklärt hatte, dass sie ein Attest über die Verhandlungsfähigkeit nicht ausstellen werde. Und das alles, nachdem der Verteidiger auf eine 250 Blatt starke Akte sechs Wochen hat warten müssen bei einem erstmaligen Terminsverlegungsantrag. Gründe, die die Amtsrichterin zu diesem sturen Verhalten nachvollziehbar veranlasst haben könnten, sind nicht erkennbar und sind von ihr offenbar auch nicht geltend gemacht worden.

Es wäre sicherlich zu begrüßen gewesen, wenn die Amtsrichterin mal in einen gängigen Kommentar geschaut und sich über die Rechtsprechung zu den Terminsverlegungsfragen informiert hätte (vgl. dazu die Nachweise bei Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl., 2025, Rn 43 u. 4597 ff. und Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl., 2025, Rn 107 u. 3159 ff.). Dann hätte sie unschwer festgestellt, dass die Rechtsprechung gerade bei erstmaligen Terminsverlegungsanträgen „großzügig“ ist, vor allem, wenn eine Terminsabsprache nicht erfolgt ist (s. LG Wuppertal, Beschl.- v. 24.11.2023 – 23 Qs 130/23). Das gepaart mit der hier viel zu späten Übersendung der 250 Blatt starken Akte hätte dann dazu führen müssen, dem Antrag aus Fairnessgründen statt zu geben. Von daher ist zu Recht Besorgnis der Befangenheit angenommen worden.

Ablehung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussicht, oder: Ablehnungsbeschluss ist nicht anfechtbar

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Und dann die Gebührenentscheidungen am Freitag.

Ich starte zum Warmwerden mit dem BayObLG, Beschl. v. 30.04.2024 – 203 StObWs 150/24. Nicht direkt Gebühren, aber der Beschluss hat damit zu tun. Es geht um die Anfechtbarkeit der PKH-Entscheidung im Strafvollzugsverfahren. Da sagt das BayObLG: Nicht anfechtbar:

„Der Senat hat das Rechtsmittel aufgrund der ausdrücklichen Bezeichnung durch die Rechtsanwältin als Rechtsbeschwerde und hilfsweise als sofortige Beschwerde geprüft. Das Rechtsmittel gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer erweist sich als unzulässig.

1. Eine Rechtsbeschwerde nach § 116 Abs. 1 StVollzG wäre gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer nicht eröffnet, da sich das Tatgericht – insoweit auch rechtsfehlerfrei – isoliert mit dem ihm zur Entscheidung unterbreiteten Begehren des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe befasst hat.

2. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist ebenfalls unzulässig. Nach überwiegender obergerichtlicher Auffassung, der sich der Senat anschließt und die auch im Schrifttum Zustimmung erlangt hat, ist im Strafvollzugsverfahren ein die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht ablehnender Beschluss der Strafvollstreckungskammer ungeachtet des Verfahrenswerts nicht anfechtbar (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 1 Ws 129/19 –, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. März 2020 – 2 Ws 38/20 –, juris Rn. 7; OLG Koblenz, Beschluss vom 5. November 2019 – 2 Ws 627/19 Vollz –, juris Rn. 10; KG, Beschluss vom 16. Februar 2018 – 5 Ws 20/18 Vollz -, juris Rn. 2 ff.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 1 Ws 294/13-, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Dezember 2012 – III-1 Vollz (Ws) 672/12-, juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. November 2008 – 3 Vollz (Ws) 64/08 –, juris Rn. 8; OLG Naumburg, Beschluss vom 9. September 2003 – 1 Ws 275/03, juris; Spaniol in Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 8. Aufl., Teil IV § 120 StVollzG Rn. 21; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 12. Kapitel § 120 Rn. 12; Euler in BeckOK Strafvollzug Bund, §120 StVollzG, 25. Ed., § 120 Rn. 11; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., P § 120 StVollzG Rn. 140; diff. nach Beschwerdewert wohl Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl. § 120 Rn. 7; diff. nach zulässig eingelegter Rechtsbeschwerde OLG Rostock, Beschluss vom 6. Februar 2012 – I Vollz [Ws] 3/12 – BeckRS 2012, 04285). Denn im Strafvollzugsverfahren ist gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer keine weitere Tatsacheninstanz eröffnet (vgl. KG a.a.O.; OLG Hamburg a.a.O.).“

StPO III: Ablehnung/Begriff des erkennenden Richters, oder: Welches Rechtsmittel ist zulässig?

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Und dann habe ich hier noch einen Beschluss aus dem Ablehnungrecht, und zwar den LG Stuttgart, Beschl. v. 03.01. – 8 Qs 62/23 – mit folgende Sachverhalt:

Mit Strafbefehl vom 22.11.2022 verhängte das AG gegen die Angeklagte wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe. Auf den fristgerechten Einspruch der Angeklagten beraumte das Amtsgericht die Durchführung der Hauptverhandlung für den 03.04.2023 an. In diesem Termin stellte die Angeklagte einen Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit. Hierauf setzte das AG die Hauptverhandlung aus und verwarf mit rechtskräftigem Beschluss vom 05.04.2023 das mündlich gestellte Ablehnungsgesuch als unzulässig mit der Begründung, dass ein Grund der Ablehnung nicht angegeben worden sei.

Am 25.05.2023 bestimmte das AG einen neuen Termin zur Hauptverhandlung auf 12.06.2023 und ordnete mit Beschluss vom selben Tag das persönliche Erscheinen der Angeklagten hierzu an.

Zu diesem Termin zur Hauptverhandlung erschien die Angeklagte nicht. Daraufhin verwarf das AG mit Urteil vom 12.06.2023 nach §§ 412 Satz 1, 329 Abs. 1 StPO ihren Einspruch. Das Urteil wurde der Angeklagten am 15.09.2023 zugestellt.

Mit Telefax stellte die Angeklagte am 22.09.2023 einen neuerlichen Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden der Hauptverhandlung vom 12.06.2023 wegen der Besorgnis der Befangenheit sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Außerdem legte sie Berufung ein.

Nachdem der abgelehnte Richter am 25.09.2023 eine dienstliche Stellungnahme abgegeben hatte, wies das AG das Ablehnungsgesuch der Angeklagten – ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters – mit Beschluss vom 02.11.2023 als unbegründet zurück. Der Beschluss wurde am 06.11.2023 formlos an die Angeklagte hinausgegeben.

Gegen diesen Beschluss legte die Angeklagte am 27.11.2023 sofortige Beschwerde ein. Die hatte keinen Erfolg.

Das LG äußert sich zur Zulässigkeit des Rechtsmittels, und zwar mit folgenden Leitsätzen:

    1. Gegen den Beschluss über ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Hauptverhandlung nach Einspruch gegen einen Strafbefehl ist die sofortige Beschwerde statthaft, auch wenn ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt wurde.
    2. Nach Verwerfung eines Einspruchs gemäß §§ 412 Satz 1, 329 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen Ausbleibens des Angeklagten in der Hauptverhandlung ist der Amtsrichter nicht mehr erkennender Richter im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO, auch wenn ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 329 Abs. 7 StPO gestellt wurde (vgl. für die Konstellation eines Verwerfungsurteils nach einer Berufungshauptverhandlung: OLG Stuttgart, Beschluss vom 31. Januar 2018 – 4 Ws 429/17 -), so dass dann gegen die amtsgerichtliche Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch die sofortige Beschwerde statthaft ist.