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Auslagenerstattung im Bußgeldverfahren, die erste, oder: Nichtäußerung ist keine schuldhafte Säumnis

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Und heute dann – an sich – Gebührenentscheidungen, aber: Der Blog-Ordner ist insoweit (leider) leer, so dass ich zunächst mal wieder dazu aufrufen muss, mir bitte Entscheidungen zu schicken. Es kann doch nicht sein, dass auf einmal gebührenrechtlich alles rund läuft 🙂 .

Da ich keine gebührenrechtlichen Entscheidungen habe, gibt es dann heute eben zwei Entscheidungen zur Auslagenerstattung – im Bußgeldverfahren. Hier kommt zunächst der AG Borna, Beschl. v. 23.05.2023 – 3 OWi 43/23.

Die Verwaltungsbehörde hat nach Einspruch der Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid, in dem ihr vorgeworfen wurde, es unterlassen zu haben, die Ladeeinrichtung eines Kraftfahrzeugs bzw. des Anhängers verkehrssicher zu verstauen oder gegen Verrutschen, Umfallen, Hin- und Herrollen oder Herabfallen besonders zu sichern, das Verfahren nach § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt. Die Kosten des Verfahrens wurden der Bußgeldstelle auferlegt. Es wurde festgesetzt, dass die notwendigen Auslagen die Betroffene selbst zu tragen hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Gründe, die zur Einstellung des Verfahrens führten vor Erlass des Bußgeldbescheides nicht vorgetragen worden seien.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der Erfolg hatte:

„Entsprechend war auszusprechen, dass der Landkreis Leipzig (Bußgeldstelle) die notwendigen Auslagen der Betroffenen zu tragen hat.

Dies ergibt sich aus § 105 OWiG, § 467a StPO.

Ein Fall, der eine abweichende Kostenentscheidung entsprechend der Vorschriften §§ 467a, 467 Abs. 2 bis 5 StPO, der eine abweichende Entscheidung rechtfertigt hätte liegt nicht vor.

Insbesondere ist der Betroffenen keine schuldhafte Säumnis im Sinne des § 467 Abs. 2 StPO vorzuwerfen. Schon allein die Tatsache, dass sich die Betroffene vor Erlass des Bußgeldbescheides nicht geäußert hat, begründet diesen Fall nicht. Auch hat die Betroffene im Einspruch gegen den Bußgeldbescheid keine Angaben zu Tatsachen gemacht, die die Bußgeldstelle nicht schon hätte vorher feststellen können. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit schon nicht erfüllt sei.“

Ablehnung I: Reicht „Ich fühle mich nicht befangen“?, oder: Nein, das ist eine „Nichtäußerung“, aber…

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Und heute dann noch einmal Entscheidungen zu Ablehnungsfragen. Von den drei Entscheidungen stammt allerdings nur eine aus einem Strafverfahren. Die beiden anderen stammen auf einem finanzgerichtlichen bzw. Zivilverfahren. Die in diesen Entscheidungen angesprochenen Fragen können allerdings auch im Strafverfahren Bedeutung erlangen.

Ich beginne die Berichterstattung mit dem BFH, Beschl. v. 28.09.2022 – X B 168/21, also finanzgerichtliches Verfahren. Der Beschluss nimmt u.a. Stellung zum Mindestinhalt der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters. Der Kläger hatte mit seiner „Revisionsschrift“ gerügt, dass die vom abgelehnten Senatsvorsitzenden beim FG abgegebene Erfklärung unzureichend gewesen sei.

Der BFH sagt: Ja, aber:

„c) Im Ausgangspunkt zu Recht rügt der Kläger allerdings, die dienstliche Erklärung des abgelehnten Senatsvorsitzenden, die nur aus dem Satz „Ich fühle mich nicht befangen“ besteht, sei unzureichend.

aa) Eine solche Bekundung ist zum einen überflüssig (Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 44 Rz 9), weil Maßstab für die Beurteilung, ob eine Besorgnis der Befangenheit vorliegt, nicht die eigene subjektive Einschätzung des abgelehnten Richters ist, sondern der Standpunkt eines Verfahrensbeteiligten, der eine objektive, vernünftige Würdigung aller Umstände vornimmt (Senatsbeschluss vom 12.09.2013 – X S 30, 31/13, BFH/NV 2014, 51, Rz 5). Zum anderen wird eine auf die eigene subjektive Einschätzung beschränkte Erklärung des abgelehnten Richters dem Normzweck des § 44 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht gerecht, eine Stellungnahme des abgelehnten Richters zu Tatsachenbehauptungen, die im Ablehnungsantrag aufgestellt worden sind, zu erhalten.

Die vorliegend vom abgelehnten Richter erstellte dienstliche Erklärung kommt daher –wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits entschieden hat– ihrem Inhalt nach einer Nichtäußerung gleich; die zwingende gesetzliche Vorgabe des § 44 Abs. 3 ZPO wird damit nicht erfüllt (BFH-Beschluss vom 29.03.1995 – II B 36/94, BFH/NV 1996, 45, unter II.4.a). Der Vertretersenat hätte den Vorsitzenden daher vor seiner Entscheidung über das Ablehnungsgesuch auffordern müssen, seiner Pflicht aus § 44 Abs. 3 ZPO in ordnungsmäßiger Weise nachzukommen, zumal der Kläger den Mangel der dienstlichen Äußerung rechtzeitig und zutreffend gerügt hatte.

bb) Das Fehlen einer ordnungsmäßigen dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters macht die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch im Streitfall aber nicht willkürlich.

(1) Zwar ist in einzelnen Entscheidungen eine dienstliche Äußerung, in der sich der abgelehnte Richter mit keinem Wort zu dem Tatsachenvortrag im Ablehnungsantrag äußert, als zusätzliches Indiz für das Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit angesehen worden (vgl. z.B. Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 07.10.1991 – 3 WF 106/91, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht –FamRZ– 1992, 192, unter 1.d).

(2) Vorliegend war dem FG aber auch ohne die dienstliche Äußerung eine willkürfreie Entscheidung über das Ablehnungsgesuch möglich.

Zwar konnte das Gericht aufgrund der fehlenden Äußerung des abgelehnten Senatsvorsitzenden zu der Behauptung des Klägers, der Vorsitzende habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er dem Kläger nicht glaube, nicht feststellen, ob diese Äußerung tatsächlich so gefallen war. Das FG ist aber im zweiten Begründungsstrang seiner Entscheidung über diesen Gesichtspunkt des Ablehnungsgesuchs davon ausgegangen, dass der Vorsitzende die Äußerung getätigt hat, und hat sie –jedenfalls willkürfrei– als zulässige Kundgabe einer vorläufigen Einschätzung gewertet.

Hinsichtlich der zweiten mit dem Ablehnungsantrag gerügten Äußerung des Vorsitzenden –der Erklärung zum Ergebnis der Beweisaufnahme und der Ablehnung der beantragten Schriftsatzfrist– waren die mit dem Ablehnungsantrag vorgetragenen Tatsachen ohnehin unstreitig. Eine ordnungsmäßige dienstliche Äußerung hätte hier daher –ungeachtet dessen, dass der abgelehnte Richter gemäß § 44 Abs. 3 ZPO sowohl prozessual als auch dienstrechtlich zu ihrer Abgabe verpflichtet blieb– zu keinem anderen Ergebnis der Entscheidung über den Ablehnungsantrag führen können, so dass diese jedenfalls willkürfrei ist.“