Archiv für den Monat: Juli 2025

StPO III: „Unstimmigkeiten“ bei der Verkehrskontrolle, oder: Rechtswidrige Identitätsfeststellung u.a.

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Und dann habe ich noch den AG Passau, Beschl. v. 26.06.2025 – Gs 62/25 – zur Rechtswidrigkeit einer Identitätsfeststellung und der Sicherstellung eines Handys.

Gegen den Beschuldigten hatte es Ermittlungen wegen des Verdachts des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gegeben. Ausgangspunkt war eine Verkehrskontrolle wegen des Verdachts der vorschriftswidrigen Nutzung eines Mobiltelefons. Anlässlich der Kontrolle kam es zu Unstimmigkeiten. Der Beschuldigte kündigte dabei an, mit seinem Handy Aufzeichnungen vom Kontrollverlauf zu machen, was er auch umsetzte. In Folge wurde das Handy durch die kontrollierenden Polizeibeamten sichergestellt. Der Beschuldigte und sein Fahrzeug wurden unter Angabe des Zwecks der Identitätsfeststellung durchsucht. Damit zeigte sich der Beschuldigte nicht einverstanden und es kam zu einer Auseinandersetzung. In deren Verlauf wurde der Beschuldigte gefesselt und anschließend zu einer polizeilichen Dienststelle. verbracht. Von dort wurde er dann wieder entlassen. Das Mobiltelefon wurde ihm wieder ausgehändigt.

Der Beschuldigte hat Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen ihn gerichteten polizeilichen Maßnahmen und der Sicherstellung seines Mobiltelefons beantragt. Der Antrag nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO hatte beim AG Erfolg.

„Der Antrag ist zulässig und begründet.

Das erforderliche Feststellungsinteresse war hier zu bejahen.

Rechtliche Grundlage der o.g. polizeilichen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung sind die Vor-schriften der §§ 163b, 163c StPO i.V.m. § 46 OWiG. Diese stellen als gesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots sicher, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur dann erfolgt, wenn er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (KK-StPO/Weingarten, 9. Aufl. 2023, StPO § 163b Rn. 14, beck-online). Damit dürfen sich entsprechende Maßnahmen letztlich nur gegen solche Personen richten, die der betr. Behörde nicht bereits bekannt sind (MüKoStPO/Kölbel/Neßeler, 2. Aufl. 2024, StPO § 163b Rn. 2, beck-online).

Ausweislich der vorliegenden Videoauswertung der Handyaufzeichnung vom pp. (Bl.21/23 der beigezogenen Akten Gz. pp.) und der Angaben des Zeugen pp. vorliegend davon auszugehen, dass die kontrollierenden Beamten die Identität des Beschuldigten bereits vor Durchführung der polizeilichen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung kannten. Damit waren aber die Durchsuchungen der Person und des Fahrzeugs sowie das Verbringen des Antragstellers in den Polizeigewahrsam bereits unverhältnismäßig und zu diesem Zweck nicht mehr gerechtfertigt.

Auch die erfolgte Sicherstellung des Handys war rechtswidrig, und zwar bereits deshalb, weil es an der erforderlichen Ankündigung des unmittelbaren Zwangs fehlte. Auch dies ergibt sich aus der Videoaufzeichnung und der Aussage des Zeugen pp.“

StPO II: Nochmals Sicherstellung im KiPo-Verfahren, oder: Wenn die Auswertung zu lange dauert

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Und dann etwas aus der amtsgerichtlichen Rechtsprechung, nämlich den AG Essen, Beschl. v. 23.06.2025 – 44 Gs 2432/25, der sich zur Dauer der Auswertung von in einem sog. Kipo-Verfahren sichergestellten Gegenstände äußert.

Das AG hat deren Herausgabe angeordnet:

„Am 04.06.2024 wurde beim Beschuldigten auf Grund eines Durchsuchungsbeschlusses des AG Essen vom 20.03.2024 wegen des Verdachtes des Besitzes kinderpornografischer Inhalte durchsucht und die oben genannte Gegenstände sichergestellt. Der Beschuldigte hat den Entsperrcode der Polizei am gleichen Tage mitgeteilt. 56 Tage später, am 30.07.2024 wurde von der Staatsanwaltschaft die manuelle Auswertung angeordnet, diese ergab keine Hinweise auf kinderpomografische Inhalte, dies wurde der Staatsanwaltschaft am 23.08.2024 mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft verfügte sodann am 30.08.2024 die forensische Auswertung des Mobiltelefons, am 13.01.2025 wurde diese von der Polizei in Auftrag gegeben. Bzgl. des Laptops ist nichts passiert.

Die Sicherstellung war aufzuheben, die Gegenstände sind an den Beschuldigten herauszugeben. Die Auswertung dauert nunmehr bereits mehr als ein Jahr, die Auswertung des Laptops ist nicht einmal begonnen worden. Bzgl. des Mobiltelefons wurde 6 1/2 Monate schlicht nichts getan. Warum zunächst die manuelle Auswertung in Auftrag gegeben wurde und erst dann die forensische, ergibt sich nicht aus den Akten. Eine Anfrage des Gerichts an die Staatsanwaltschaft, warum das Verfahren so lange dauere, wurde beantwortet, dies könne allein die Polizei beantworten. Diese ist jedoch lediglich Hilfsbeamtin, die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Ermittlungsverfahrens und hat diese Informationen zu beschaffen. Es ist auch nicht klar, warum das Mobiltelefon nicht einfach (zunächst) gespiegelt wurde. Der Code ist lange bekannt.

Unter all diesen Umständen ist eine derartig lange Sicherstellung, die offensichtlich auf der nicht zügigen Bearbeitung der Ermittlungsbehörden, aus welchen Gründen auch immer, beruht, ist nicht mehr verhältnismäßig.“

StPO I: Arrest zur Sicherung der Verfahrenskosten, oder: Sicherungsbedürfnis beim „Reichsbürger“

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Und dann heute noch einmal StPO-Entscheidungen. Alle drei haben mit Sicherungen/Sicherstellung zu tun. Die eine kommt von ganz oben, also vom BGH, die beiden anderen stammen von AG.

Hier zunächst der BGH, Beschl. v. 15.05.2025 – StB 18/25 -. der zur Zulässigkeit eines Vermögensarrestes Stellung nimmt. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem das OLG Koblenz die Angeklagte wegen Gründung und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung – jeweils als Rädelsführer – in Tateinheit mit Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4, § 83 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 52 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zusammen mit dem Urteil hat das OLG gemäß § 111e Abs. 2 StPO zur Sicherung der Vollstreckung der voraussichtlichen Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 262.959,39 € den Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Angeklagten angeordnet. Zugleich hat es einen Geldbetrag in entsprechender Höhe festgesetzt, durch dessen Hinterlegung die Angeklagte die Vollziehung des Arrestes abwenden und die Aufhebung der Vollziehung des Arrestes verlangen kann. Dagegen die Beschwerde, die beim BGH keinen Erfolg hatte:

„2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Das Oberlandesgericht hat zu Recht gemäß § 111e Abs. 2 StPO zur Sicherung der Vollstreckung der voraussichtlichen Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 262.959,39 € den Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Angeklagten angeordnet; der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Anordnung des Vermögensarrestes nach § 111e Abs. 2 StPO liegen vor. Ein solcher ist auch angemessen.

a) Nach § 111e Abs. 2 StPO kann zur Sicherung der voraussichtlichen Kosten des Strafverfahrens der Vermögensarrest angeordnet werden, wenn gegen den Angeklagten ein Urteil mit einer Kostenentscheidung zu seinem Nachteil ergangen ist; bereits rechtskräftig braucht dieses nicht zu sein. Allerdings muss der Vermögensarrest „zur Sicherung der Vollstreckung“ erforderlich sein. Der Arrest kommt mithin nur in Betracht, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2021 – StB 46/20, juris Rn. 6; vom 3. Juni 2014 – KRB 2/14, NJW 2014, 3258 Rn. 6). Hierbei sind alle Umstände zu würdigen, die geeignet sind, Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu ergeben. Dazu können die Art und die Umstände der Verfehlung, die darauf bezogene Hartnäckigkeit und Dauer sowie Maß und Mittel der Tatabsicherung Berücksichtigung finden. Allerdings wird allein das Gewicht der zugrundeliegenden Tat nur in besonderen Ausnahmefällen ausreichen. Um einen Arrestgrund bejahen zu können, sind vielmehr regelmäßig Erkenntnisse auch aus dem Verhalten nach der Tat, insbesondere unter dem Eindruck des laufenden Verfahrens, erforderlich, die auf eine entsprechende Vollstreckungsvereitelungsabsicht hindeuten könnten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2021 – StB 46/20, juris Rn. 6; vom 3. Juni 2014 – KRB 2/14, NJW 2014, 3258 Rn. 7 mwN).

b) Die genannten Voraussetzungen für die Anordnung eines Vermögensarrests zur Sicherung der Vollstreckung der voraussichtlichen Kosten des Strafverfahrens liegen vor. Der Arrest ist möglich und verhältnismäßig.

aa) Die Angeklagte ist erstinstanzlich mit Urteil vom 6. März 2025 zu einer – nicht rechtskräftigen – langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Urteil enthält eine Kostenentscheidung zu ihren Lasten.

bb) Die von ihr im Falle der Rechtskraft der Verurteilung – zum Teil gesamtschuldnerisch mit weiteren Angeklagten – zu tragenden Verfahrenskosten belaufen sich ausweislich einer plausiblen Aufstellung des Generalbundesanwalts und der nachvollziehbaren Darlegungen in der angefochtenen Entscheidung auf mindestens den in der Arrestanordnung genannten Betrag.

cc) Das für einen Arrestbeschluss nach § 111e Abs. 2 StPO erforderliche Sicherungsbedürfnis liegt vor. Es besteht Grund zu der Annahme, dass die Angeklagte ohne die Vermögenssicherung die Beitreibung von ihr im Falle der Rechtskraft des gegen sie ergangenen Urteils zu tragenden Verfahrenskosten vereiteln oder dies jedenfalls versuchen würde. Der Senat tritt den diesbezüglichen Erwägungen in der Arrestentscheidung und dem Nichtabhilfebeschluss des Oberlandesgerichts bei.

Denn die der Szene der sogenannten „Reichsbürger“ zuzuordnende Angeklagte behauptet, die Bundesrepublik Deutschland existiere nicht, und bestreitet die Rechtswirksamkeit und Legitimität sämtlichen Handelns ihrer Organe. Sie hat sich vor ihrer Verhaftung – zum Teil über längere Zeiträume – im Ausland aufgehalten; in Deutschland ist sie nicht amtlich gemeldet. Um gegen sie gerichteten staatlichen Maßnahmen zu entgehen, hat sie sich in der Vergangenheit einer Vielzahl von Alias-Namen bedient; ihre tatsächlichen Personalien hat das Oberlandesgericht bis zuletzt nicht zweifelsfrei zu klären vermocht. Die Angeklagte hat sich dahin geäußert, zukünftig im Ausland Wohnsitz nehmen und unter Umständen dort eine Immobilie erwerben zu wollen. Zudem hat sie sich bereit erklärt, eigenes Vermögen für die Vorbereitung eines Hochverrats gegen die Bundesrepublik Deutschland, darunter die Beschaffung von Waffen, zur Verfügung zu stellen. Von ihrem Plan, die Staatsordnung Deutschlands mit Gewalt zu beseitigen und einen neuen Staat auf der Basis der ihrer Ansicht nach fortgeltenden Reichsverfassung von 1871 zu errichten, hat sie bis heute nicht Abstand genommen. Mithin besteht die Gefahr fort, dass sie eigenes Vermögen zur Verfolgung ihres Ziels eines Hochverrats gegen den Bund bereitstellt und damit beiseiteschafft. Zudem hat sie in Kenntnis des gegen sie ergangenen Arrestbeschlusses konkrete Bemühungen unternommen, einen staatlichen Zugriff auf ihr Vermögen zu vereiteln. Denn sie hat mit Schreiben vom 3. April 2025 an die Sparkasse B. darum ersucht, ihr dortiges Kontoguthaben an einen ihrer Verteidiger zu überweisen. Mildere, ebenso geeignete Mittel, um die Vollstreckung der Verfahrenskosten sicherzustellen, bestehen nicht.

dd) Die Anordnung des Vermögensarrests ist zudem verhältnismäßig. Schließlich teilt der Senat die Ermessensentscheidung des Oberlandesgerichts, wonach das öffentliche Interesse an der Beitreibung der von der Angeklagten bei Rechtskraft ihrer Verurteilung zu tragenden Kosten und das daraus resultierende Bedürfnis des Staates nach Sicherung seines voraussichtlichen Kostenerstattungsanspruchs die von der Anordnung betroffene Eigentumsposition der Angeklagten deutlich überwiegt.

Denn der Arrestbetrag erfasst nur einen Teil ihres sehr umfangreichen Vermögens. Allein der Wert eines ihr gehörenden Grundstücks übersteigt den Betrag deutlich; darüber hinaus verfügt sie über sehr hohes Bankvermögen sowie eine Vielzahl von Wertgegenständen, darunter Gold und Schmuck.“

OWi III: Neuere Entscheidungen zum Fahrverbot, oder: Nutzung als Arzt/uneinsichtiger Wiederholungstäter

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Und dann zum Schluss noch zwei Entscheidungen zum Fahrverbot. Beide hatte ich vorhin schon in anderem Zusammen´hang vorgestellt. Es handelt sich um:

Dass der Betroffene beruflich im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit auf die Nutzung seines Kfz dringend angewiesen ist, genügt für die Annahme einer durch das Fahrverbot ausgelösten unzumutbaren Härte regelmäßig nicht.

Ist ein Betroffener einschlägig vorbelastet und hat sich insoweit als uneinsichtig gezeigt, so kann er sich in der Regel nicht damit gegen das verwirkte Fahrverbot verteidigen, es treffe ihn privat oder beruflich besonders hart oder stelle sogar eine nachhaltige Existenzgefährdung dar.

OWi II: Ein Bisschen zum Bußgeldverfahren, oder: Beschlussverfahren, Einspruch, Verjährung

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Und im zweiten Posting zu OWi-Entscheidungen geht es dann um das Verfahren, und zwar u.a. mit Entscheidungen zum Beschlussverfahren (§ 72 OWiG).

Das sind:

1. Die Zurücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid ist nur bis zur Verkündung des Urteils im ersten Rechtszug möglich. Ist das Verfahren auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hin bereits beim Rechtsbeschwerdegericht anhängig, scheidet die Rücknahme aus.

2. Auf die zulässige Rechtsbeschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen, ob der Tatrichter zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs nach § 67 Abs. 2 OWiG ausgegangen ist. Die telefonische Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid, die nach Eingang der Akten beim Amtsgericht vom zuständigen Richter als Vermerk aufgenommen wird, ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen wirksam.

3. § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG sieht eine besondere Form für den Verzicht auf Beschlussgründe nicht vor. Eine fernmündlich dem Gericht übermittelte und vom zuständigen Richter niedergelegte Verzichtserklärung ist ausreichend.

1. Grundlage für das gerichtliche Verfahren in Bußgeldsachen ist der Bußgeldbescheid. Er umgrenzt nach dem Einspruch des Betroffenen den Prozessgegenstand in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht. Das Rechtsbeschwerdegericht hat im Rahmen der zulässigen Rechtsbeschwerde von Amts wegen zu prüfen, ob die dem Urteil zugrunde liegende Tat von dem im Bußgeldbescheid umgrenzten einheitlichen Lebensvorgang umfasst ist. Maßgebend sind allein die schriftlichen Urteilsgründe.

2. Sind die im Bußgeldbescheid zu Grunde gelegte und die im Urteil festgestellte Tat in diesem Sinne nicht identisch, ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren hinsichtlich der den Gegenstand der Verurteilung bildenden Tat wegen eines Prozesshindernisses nach § 71 OWiG i. V. m. §§ 206a, 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Zudem ist die Sache zur Entscheidung über die im Bußgeldbescheid bezeichnete Tat an das Amtsgericht zurückzugeben, da das Verfahren dort insoweit anhängig geblieben ist.

3. Die Hemmung der Verfolgungsverjährung gemäß § 32 Abs. 2 OWiG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens greift auch dann ein, wenn das Amtsgericht eine andere als die im Bußgeldbescheid bezeichnete Tat aburteilt.

1. Auch der nicht vertretungsbefugte Rechtsanwalt kann aus seiner Stellung als Verteidiger dem Beschlussverfahren nach § 72 OWiG widersprechen.

2. Der Betroffene kann dem Beschlussverfahren bereits mit der Einlegung des Einspruchs widersprechen. In diesem Fall richtet sich die Erklärung sachlich an das Amtsgericht, weil nur dieses die Wahl hat, durch Beschluss oder nach Hauptverhandlung durch Urteil zu entscheiden.

3. Ein auf diese Weise wirksam erklärter Widerspruch wird auch nicht dadurch unwirksam, dass das Amtsgericht im späteren Verfahren ankündigt, durch Beschluss entscheiden zu wollen, und der Betroffene dem nicht widerspricht.

4. In diesem Fall bedarf es einer eindeutigen Rücknahme des zuvor erklärten Widerspruchs. Dem bloßen Schweigen kann eine solche Erklärung nicht beigemessen werden.

Hat der Verteidiger in der Hauptverhandlung der Entscheidung durch Beschluss (§ 72 OWiG) zugestimmt und hat das Tatgericht die Hauptverhandlung darauf ausgesetzt, um dem Verteidiger die Möglichkeit zu geben, zu den Folgen des verwirkten Regelfahrverbots vorzutragen, so stellt es keinen Verstoß gegen den Grundsatz fairer Verfahrensführung dar, wenn es nach Fristablauf den Beschluss erlässt, ohne an den in Aussicht gestellten Sachvortrag zu erinnern.