Archiv für den Monat: Juli 2025

OWI III: Geltung des Zusatzschildes „Luftreinhaltung“? oder: Gilt das Zusatzschild auch für Elektrofahrzeuge?

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Und dann im dritten Posting noch der OLG Hamm, Beschl. v. 10.06.2025 – 3 ORbs 57/25 – zu der Frage, ob das Zusatzschild „Luftreinhaltung“ bei der Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auch für Elektrofahrzeuge gilt. Das hatte der Betroffene verneint, das OLG hat das anders gesehen:

„Die vorliegend allein mögliche Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts gem. § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die vom Betroffenen aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Zusatzschild „Luftreinhaltung“ eine die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung einschränkende Anordnungswirkung für Elektrofahrzeuge hat, nicht klärungsbedürftig ist.

Das Zusatzzeichen „Luftreinhaltung“ findet in Nordrhein-Westfalen seine Rechtsgrundlage in dem auf der Grundlage von § 46 Abs. 2 StVO i.V.m. der VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43 Rn. 46 ergangenen Erlass des Ministeriums für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. Juli 2020 (Az. III B3-78-39/2). Es wird nach diesem Erlass nur dann angeordnet, wenn der wissenschaftliche Nachweis erbracht ist, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung, auf die sich das Zusatzzeichen bezieht, der Luftreinhaltung dient.

Die vom Betroffenen vertretene Rechtsauffassung, die mit diesem Zusatzschild versehende Geschwindigkeitsbegrenzung gelte für Fahrer von Elektrofahrzeugen nicht, wird weder in der Rechtsprechung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 12. Juni 1998 – 1 Ss 338/98, juris Rn. 11; jeweils zustimmend: Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 12. September 2019 – (2 Z) 53 Ss-OWi 488/19 (174/19), juris Rn. 8; OLG Oldenburg, Beschluss vom 14. Dezember 2015 – 2 Ss (Owi) 297/15, juris Rn. 9) noch in der Literatur (vgl. König, in: Hentschl/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 3 StVO Rn. 46; Krenberger, juris PR-StrafR 25/2019 Anm. 5) vertreten. Entgegenstehende Literatur oder Rechtsprechung zeigt auch der Betroffene nicht auf.“

OWi II: Drei Geschwindigkeitsverstöße auf einer Fahrt, oder: Eine oder mehrere Taten?

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Im zweiten OWi-Posting kommt dann ein Beschluss des BayObLG, und zwar der BayObLG, Beschl. v. 26.02.2025 – 201 ObOWi 68/25; schon etwas älter, aber erst vor kurzem übersandt.

Es geht in dem Verfahren um die Verurteilung wegen mehrerer Geschwindigkeitsüberschreitungen, die in zeitliche Nähe zueinander begangen worden sind. Das AG hatte für jede eine Geldbuße und außerdem bei einer Tat ein Fahrverbot verhängt. Dagegen die Rechtsbeschwerde, die teilweise Erfolg hatte.

Das BayObLG ist nur einer Tat ausgegangen. Es macht in der Entscheidung dann noch einmal Ausführungen zur mehrfachen Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Fahrt, die ich hier vorstelle. Soweit auch Ausführungen zur Täteridentifizierung und zum Vorsatz erfolgen, verweise ich auf den Volltext.

Das BayObLG begründet seine Entscheidung wie folgt:

„3. Allerdings gehen die Urteilsgründe von einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung des Tatgeschehens aus. Richtigerweise liegt ein tateinheitliches Zusammentreffen der drei Geschwindigkeitsüberschreitungen des Betroffenen nach § 19 Abs. 1 OWiG vor.

a) Beim Zusammentreffen mehrerer Geschwindigkeitsüberschreitungen gilt in rechtlicher Hinsicht folgendes:

Bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen im Verlaufe einer Fahrt handelt es sich nach einhelliger Rechtsprechung und Literaturmeinung, der sich der Senat anschließt, regelmäßig um mehrere Taten im materiellen (und prozessualen) Sinne (vgl. BayObLG, Beschl. v. 04.09.1995 – 2 ObOWi 536/95; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.01.2024 – 2 ORbs 23 Ss 769/23; OLG Hamm, Beschl. v. 12.09.2011 – 3 RBs 248/11; OLG Celle, Beschl. v. 10.06.2010 – 322 SsBs 161/10; Hentschel/König StVR 48. Aufl. § 3 StVO Rn. 62 jew. m.w.N.).

Eine einzige Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit ist dagegen dann anzunehmen, wenn ordnungswidrigkeitenrechtlich erhebliche Verhaltensweisen durch einen derart unmittelbaren zeitlich-räumlichen und inneren Zusammenhang gekennzeichnet sind, dass sich der gesamte Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen unbeteiligten Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun darstellt (OLG Hamm, Beschl. v. 12.09.2011 a.a.O.; Hentschel/König a.a.O.). Dies kann im Einzelfall bei einem im äußeren zeitlichen Ablauf einheitlichen geschichtlichen Vorgang bei sehr geringem zeitlichen Abstand zwischen den Taten der Fall sein (BayObLG, Beschl. v. 25.02.1997 – 2 ObOWi 65/97). Auch eine einheitliche Willensrichtung des Betroffenen kann dem Tatgeschehen bei einem nur sehr geringen zeitlichen Abstand den Charakter eines einheitlichen zusammengehörenden Tuns verleihen (vgl. KG, Beschl. v. 09.10.2015 – 3 Ws (B) 404/15 – 162 Ss 77/15).

b) Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass die Geschwindigkeitsüberschreitungen drei in Tateinheit stehende Ordnungswidrigkeiten i.S.d. § 19 Abs. 1 OWiG darstellen.

aa) Die Geschwindigkeitsüberschreitungen wurden innerhalb nur etwa einer Minute auf der gleichen Bundesautobahn begangen. Es liegt somit ein außergewöhnlich enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang zwischen ihnen vor (so auch OLG Köln, Beschl. v. 17.08.2004 – Ss 259/04 (B) 18 LB; OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2011 – 322 SsBs 295/11). Es ist auch von einem inneren Zusammenhang auszugehen, da die Geschwindigkeitsüberschreitungen in Annäherung an eine Autobahnbaustelle bzw. in dieser stattgefunden haben. Hierbei hat der Betroffene seine Geschwindigkeit ausweislich der Abfolge der Messungen stetig, wenn auch zu keinem Zeitpunkt im vorgeschriebenen Umfang verringert, so dass sich der Vorgang bei wertender Betrachtung als einheitliches zusammengehöriges Tun darstellt. Damit unterscheidet sich die Fallgestaltung von Konstellationen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 12.09.2011 a.a.O.), in denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit zwischen den Geschwindigkeitsmessungen wieder heraufgesetzt worden war und der Betroffene auf die erneute Herabsetzung der Geschwindigkeit mit einer signifikanten Änderung seines Fahrverhaltens reagierte.

bb) Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass der Betroffene nur wegen einer einzigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu verurteilen wäre.

Anders als in dem vom OLG Köln (Beschl. v. 17.08.2004 a.a.O.) entschiedenen Fall hat der Betroffene im zeitlichen Verlauf seiner Fahrt drei unterschiedliche verkehrsrechtliche Anordnungen (Geschwindigkeitsbeschränkung zunächst auf 120 km/h, weiter auf 100 km/h, später auf 80 km/h) missachtet. Die einzelnen Messungen stellen sich somit nicht als zufällige zeitliche Ausschnitte aus einem in äußerer Hinsicht im Wesentlichen gleich ablaufenden Vorgang dar. Mag auch, wie ausgeführt, weiterhin von einer einheitlichen Handlung des Betroffenen auszugehen sein, so beinhaltet diese nicht die Übertretung einer einzigen Anordnung, sondern einen mehrfachen Verstoß gegen verschiedene in zeitlicher Hinsicht aufeinander folgende verkehrsrechtliche Verbote. Dies muss im Schuldspruch zum Ausdruck gebracht werden, um das Maß des verwirklichten Unrechts angemessen zu beschreiben.

cc) An der konkurrenzrechtlichen Einordnung als Tateinheit ändert auch der Umstand nichts, dass das Amtsgericht von unterschiedlichen Schuldformen ausgegangen ist.

(1) Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass ein Wechsel der Schuldform (von Fahrlässigkeit auf Vorsatz) grundsätzlich geeignet ist, eine rechtlich relevante Zäsur einer einheitlichen Willensrichtung im Rahmen eines durch einen zeitlich-räumlichen und inneren Zusammenhang gekennzeichneten Geschehens zu bewirken (vgl. KG, Beschl. v. 09.10.2015 a.a.O.; OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2011 a.a.O. Rn. 17), mit der Folge, dass das Tatgeschehen davor und danach in Tatmehrheit stünde.

(2) Es würde im vorliegenden Fall jedoch einen Verstoß gegen den Zweifelsgrundsatz darstellen, in tatsächlicher Hinsicht von einem Wechsel der Schuldform auszugehen.

Den Urteilsfeststellungen ist zu entnehmen, dass das Amtsgericht bei der von ihm (nur) als fahrlässig gewerteten ersten Geschwindigkeitsüberschreitung ein vorsätzliches Verhalten des Betroffenen ernsthaft erwogen hat. Es hat dieses jedoch nicht positiv ausgeschlossen (bzw. bloß fahrlässiges Verhalten positiv festgestellt), sondern lediglich zugunsten des Betroffenen angenommen, dass er die Anordnung der ersten Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h übersehen haben könnte. Hiergegen ist an sich nichts zu erinnern.

Allerdings entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der Zweifelssatz niemals so angewendet werden darf, dass er sich an anderer Stelle zu Lasten des Betroffenen auswirkt (BGH, Beschl. v. 22.07.2020 – 1 StR 220/20; Fischer, StGB 72. Aufl. § 20 Rn.  67, vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 05.03.2013 – 5 StR 25/13 jew. m.w.N.).

Hiergegen hat das Amtsgericht bei seiner konkurrenzrechtlichen Einordnung verstoßen. Erst ein Wechsel der Schuldform eröffnet die Möglichkeit einer Zäsur, mit der Folge, dass vor und nach dem Wechsel begangene Ordnungswidrigkeiten in Tatmehrheit stünden und nach § 20 OWiG mehrere Geldbußen zu verhängen wären. Dies stellt sich gegenüber der Verhängung einer einzelnen Geldbuße bei Tateinheit (§ 19 Abs. 1 OWiG) als für den Betroffenen rechtlich nachteilig dar.

Dieser ist daher in konkurrenzrechtlicher Hinsicht unter erneuter Anwendung des Zweifelssatzes so zu behandeln, als habe bei ihm schon beim Passieren des ersten Verkehrszeichens ein einheitlicher Tatentschluss dahingehend vorgelegen, die vor ihm liegende Fahrtstrecke möglichst schnell zu durchfahren.“

„Peinlich, peinlich Herr RiOLG – wenn auch nur a.D.“, oder: Was soll mir dieses Schreiben sagen?

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Manchmal gibt es Dinge, da weiß man nicht, was man davon halten soll. So ein „Ding“ hatte ich heute.

Ich habe nämlich heute in meinem Postfach das hier abgebildete Schreiben gefunden, und zwar in einem Briefumschlag, der (natürlich) keinen Absender hatte. Ich wusste erst gar nicht, ob das Schreiben nun wirklich an mich gerichtet war, da es keine Anrede enthielt, für mich als Empfänger sprach/spricht aber die Adresse. Ich wusste dann auch nicht, was mir dieses Schreiben eigentlich sagen sollte, außer dass sich offenbar der – natürlich anonyme – Absender durch irgendetwas von mir Verlautbares getroffen fühlt.

Ich habe dann mal geforscht und bin dann über die Überschrift: „Peinlich, peinlich Frau LOStAin ….Personalrat gewinnt…“ auf meinen Blogbeitrag vom 06.12.2013 gestoßen – ja, lange ist es her -, in dem ich über eine Entscheidung des VG Münster berichtet habe, die Gegenstand der Berichterstattung der „Westfälischen Nachrichten“ gewesen ist. Und dann habe ich mal nach dem in dem Schreiben angegebenen OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.03.2015 – 20 A 97/14.PVL – gesucht und ihn gefunden. Und dann ist mir klar geworden, welches Problem der Verfasser des Schreibens hat, nämlich wohl, dass ich über den Beschluss des VG Münster berichtet habe, nicht aber über die anders lautende Entscheidung des OVG Münster (in der Sache).

Ja, das stimmt. Aber wo ist das Problem, dass ich den weiteren Verfahrensgang nicht im Auge behalten habe? Und was ist das daran so „peinlich“, dass man mich anonym per Briefpost anschreiben muss, also Zeit und Geld aufwendet? Dabei bin ich mir gar nicht klar, was man eigentlich beabsichtigt. Und was sind „Kenntnisse nur aus der ihm zugespielten Presse“? Soll das in Richtung „Lügenpresse“ pp. gehen?

Fragen über Fragen, auf die ich nun leider keine Antwort bekomme. Denn – wie gesagt – es war/ist ein anonymes Schreiben.

Im Übrigen: Wenn man schon kritisiert (?), dann sollte man auch den A…… in der Hose haben, das mit offenem Visier zu tun. Und dann bitte auch mit einer klaren Aussage, was man von mir will. Wenn man sich an mir – aus welchen Gründen – auch immer „abarbeiten“ will: Nur zu. Es gibt ja die Kommentarfunktion. Ich bin da m.E. recht großzügig und schalte Kommentare erst dann nicht mehr frei, wenn sie zu lang und zu aberwitzig werden, wie z.B. beim „unterschriebenen Urteil“ 🙂 .  Das war dieses Schreiben nicht, das war/ist nur unverständlich.

Und das waren jetzt keine „Kenntnisse nur aus der ihm zugespielten Presse“  der „RiOLG – wenn auch nur a.D.“

OWi I: Rüge des lückenhaften Messprotokolls, oder: OLG Frankfurt vergreift sich mal wieder im Ton

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Und dann heute ein wenig OWi.

Ich beginne mit dem OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.05.2025 – 2 Orbs 69/25-, was ja leider – jedenfalls für mich – bei Entscheidungen von dem OLG häufiger der Fall ist.

Gegenstand des Verfahrens wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung war mal wieder der Kampf ums Messprotokoll. Der Betroffene ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 1.000,00 EUR und einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt worden. Der hatte dagegen die Rechtsbeschwerde erhoben und ein lückenhaftes Messprotokoll gerügt.

Beim OLG ohne Erfolg. Zu der Rüge führt das OLG aus:

„Die Prüfung der Falldatei als Kernbeweismittel jeder technischen Verkehrsmessung ist Grundanforderung der Ordnungsbehörden, bevor sie einem Betroffenen einen Verkehrsverstoß vorwerfen dürfen. Im Gegenzug ist es ebenfalls Grundanforderung einer Verteidigung, aus der Falldatei heraus dem Gericht vor der Hauptverhandlung konkrete Auffälligkeiten aufzuzeigen. Das Gericht ist dann verpflichtet, diesen konkret dargelegten Auffälligkeiten nachzugehen. Die anschließende gerichtliche Bewertung ist ureigenste Aufgabe des Tatgerichts und in der Rechtsbeschwerde i.d.R. nur mit einer zulässigen Verfahrensrüge angreifbar.

Diesen einfachen Darlegungsvoraussetzungen genügt das Rechtsbeschwerdevorbringen vorliegend nicht. Die Einwendungen erschöpfen sich in der Behauptung eines lückenhaften Messprotokolls, ohne dass der Senat in die Lage versetzt wird, dies zu prüfen, und in abstrakten Rechtsfloskeln, ohne dass ein konkreter Bezug zum Fall dargelegt wird. Eine Darlegung von Auffälligkeiten und/oder Besonderheiten in der Falldatei, die in einem Kontext zum Messprotokoll gesehen werden kann, wird nicht vorgenommen. Das Tatgericht war daher auch nicht zu weiteren Ausführungen gehalten. Das nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Bezug genommene Fallbild weist im Übrigen auch keinerlei Auffälligkeiten auf. Es zeigt lediglich einen einsamen Fahrer, der mit entspanntem Gesicht und gemessenen 90 km/h kurz nach Mitternacht durch die Innenstadt von Kassel rast.“.

Damit hätte es an sich gut sein können. Aber nein, das OLG betreibt Richterfortbildung und nimmt seine Entscheidung zum Anlass, ellenlang den grundsätzlichen Umgang mit „lückenhaften“ Messprotokollen zu erläutern. Was hat das in der Entscheidung zu suchen. Das „riecht“ so ein bisschen nach: „Herr Lehrer ist weiß was.“ In meinen Augen überflüssig.

Aber deshalb ist die Entscheidung für mich nicht der Aufreger, sondern es ist u.a. die Passage:

Das nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Bezug genommene Fallbild weist im Übrigen auch keinerlei Auffälligkeiten auf. Es zeigt lediglich einen einsamen Fahrer, der mit entspanntem Gesicht und gemessenen 90 km/h kurz nach Mitternacht durch die Innenstadt von Kassel rast.„.

Das fragt man sich dann doch, was das soll. Die Passage ist völlig unangemessen und man fragt sich, warum das OLG sich so im Ton vergreift und so unangemessen formuliert. Aber: Das passt zum OLG Frankfurt am Main. Ich erinnere an den OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.06.2017 – 2 Ss-OWi 542/17 – mit der für eine OLG bemerkenswerten Aussage, dass es bei der Zulassung des Messgerätes „PoliScanSpeed“ um ein „Scheinproblem“ handle oder an die Kritik an Anträgen auf Entbindung nach § 73 Abs. 2 OWiG am Tag der Hauptverhandlung als „erkennbar nur der Gebührenvermehrung dienende Methode“ im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.06.2021 – 2 Ss-OWi 440/21.  Ich weiß nicht, welches Problem das OLG mit Verteidigern zbd/oder Betroffenen hat, wenn die ihre Rechte geltend machen. Wem das zu lästig ist, der wäre dann vielleicht in einem Zivilsenat oder sonst wo besser aufgehoben.

Zum dem Ganzen passt dann übrigens das „Theater“ um den Erhalt der Entscheidung. Aufmerksam geworden war ich auf die durch die PM des OLG vom 05.06.2025 , in der es hieß: „Die Entscheidung ist in Kürze unter www.rv.hessenrecht.hessen.de abrufbar.“ Ich habe dann gewartet und dort immer wieder geschaut, ob die Entscheidung inzwischen eingestellt war. Nachdem das nach mehr als drei Wochen immer noch nicht der Fall war, habe ich mich an die Presseabteilung des OLG gewandt, aber von dort keine Antwort bekommen. Ich habe nach ein paar Tagen erinnert, wieder keine Antwort. Dann war ich es leid und ich bin den Weg über die Präsidialabteilung des OLG gegangen mit der Androhung einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Die hätte nichts gebracht, aber: Oh Wunder, diese Anfrage hatte Erfolg. Man hat mir kurzfristige Einstellung der Entscheidung angekündigt und hat es dann tatsächlich geschafft, die Entscheidung einigermaßen zügig zu veröffentlichen. Auch hier frage ich mich: Welche Problem hat man eigentlich, wenn ein Rechtsanwalt um die Übersendung einer Entscheidung bittet? Kann man darauf nicht zumindest kurz antworten und die „Hinderungsgründe“ mitteilen? Muss man ein solche Hin und Her auslösen, was an allen beteiligten Stellen unnötigen Zeitaufwand kostet.

Bewährung III: Strafaussetzung einer Reststrafe, oder: Anforderungen an die „Legalprognose“

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Und dann zum Tagesschluss noch der BGH, Beschl. v. 13.05.2025 – StB 14/25 -, in dem auch der BGH im Beschwerdeverfahren die Aussetzung eines Strafrestes abgelehnt hat:

„1. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB setzt die Aussetzung der Vollstreckung des Rests einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung voraus, dass dem Verurteilten eine günstige Prognose für eine Legalbewährung in Freiheit gestellt werden kann. Dabei sind an die Erwartung künftiger Straffreiheit umso strengere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger die durch einen möglichen Rückfall bedrohten Rechtsgüter sind. Die vorzunehmende Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen der bereits erlittenen Freiheitsentziehung und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit kann auch bei terroristischen Verbrechen zu dem Ergebnis führen, dass es verantwortbar ist, vom weiteren Strafvollzug abzusehen; die Voraussetzungen für eine positive Kriminalprognose dürfen in diesem Bereich nicht so hoch angesetzt werden, dass dem Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf vorzeitige Verschonung von der Haft bleibt. Insbesondere wenn sich ein terroristischer Straftäter im Vollzug ordnungsgemäß führt und von seiner früheren Bereitschaft, Gewalttaten zu begehen oder zu fördern, glaubhaft distanziert, kann eine Strafrestaussetzung in Betracht kommen. Dazu ist es letztlich nicht zwingend erforderlich, dass der Verurteilte, der seine Tat während des gesamten Strafverfahrens und im Vollzug bestritten hat, sein strafbares Verhalten nunmehr einräumt (s. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. April 2014 – StB 4/14 , juris Rn. 3; vom 19. April 2018 – StB 3/18 , NStZ-RR 2018, 228; vom 2. November 2022 – StB 43/22 , NJW 2022, 3729 Rn. 6, jeweils mwN).

2. Diese Maßstäbe hat das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung beachtet. Es hat unter anderem die Angaben des Verurteilten im Termin zur persönlichen Anhörung im Januar 2025, den Eindruck eines erkennenden Richters aus der Hauptverhandlung sowie eine (rückblickende) Stellungnahme der Untersuchungshaftanstalt vom Oktober 2022 bewertet und ist in einer überzeugenden Gesamtabwägung zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Verurteilten derzeit keine hinreichend günstige Legalprognose gestellt werden kann. Dabei hat es insbesondere in den Blick genommen, dass sich der Verurteilte bisher nicht von der PKK distanziert habe.

3. Der Senat teilt die Einschätzung des Oberlandesgerichts.

Zwar ist es als prognostisch günstig zu beurteilen, dass der Verurteilte ansonsten unbestraft ist und die abgeurteilte Tat acht Jahre zurückliegt. Die bis zum 30. April 2021 vollzogene Untersuchungshaft ist auch die erste Inhaftierung des Verurteilten gewesen ( § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB ). Er ist eine Ehe eingegangen, hat einen festen Wohnsitz und neuerdings eine befristete Vollzeitarbeitsstelle in einem Supermarkt. Außerdem hat er nicht nur zwei Drittel seiner Strafe, sondern bereits den Großteil verbüßt.

Dem stehen jedoch gewichtige Gründe gegenüber, die gegen eine positive Sozialprognose sprechen. Neben der Schwere des vom Verurteilten und seinen Mittätern verübten Gewaltdelikts ist hier vor allem seine langjährige und tiefgreifende ideologische Nähe zur PKK zu nennen, die ihn zur Tatbegehung veranlasste. Dem Oberlandesgericht ist dahin zuzustimmen, dass der Verurteilte sich von dieser Einstellung bisher nicht ersichtlich gelöst hat. Im Anhörungstermin hat er sich als Sympathisanten der Vereinigung bezeichnet. Fragen danach, wie er seine Tat aus heutiger Sicht bewertet, ist er inhaltlich ausgewichen. Er hat sie dahin beantwortet, dass er in die Zukunft blicken und sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen wolle. Dies belegt den persönlichen Eindruck, den das Erstgericht bei der Anhörung gewonnen hat und dem regelmäßig hohe Bedeutung zukommt ( BGH, Beschlüsse vom 3. September 2020 – StB 26/20 , juris Rn. 5; vom 30. Oktober 2018 – StB 50/18 Rn. 6 [unveröffentlicht]).

Somit bestehen zumindest Indizien für eine fortbestehende militante Einstellung und eine damit einhergehende Gefährlichkeit des Verurteilten. Sichere Belege für eine solche sind nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht erforderlich. Zweifel am Vorliegen von zu seinen Gunsten wirkenden tatsächlichen Umständen gehen vielmehr zu seinen Lasten, die In-dubio-Regel gilt hier nicht (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2020 – StB 45/20 , juris Rn. 8; vom 5. Februar 2025 – StB 1/25 , juris Rn. 10, jeweils mwN). Deshalb ist die nicht weiter überprüfbare Angabe des Beschwerdeführers, er unterhalte inzwischen keine Kontakte mehr zur PKK, für sich genommen nicht geeignet, das Risiko einer Strafaussetzung als vertretbar erscheinen zu lassen.“