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Zuständigkeit I: Steuerhinterziehung beim AG?, oder: Klassiker

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Heute dann drei OLG-Entscheidungen, die sich mit Zuständigkeitsfragen befassen, und zwar zwei StPO-Entscheidungen und eine aus dem Auslieferungsrecht.

Zunächst hier der OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.02.2022 – 2 Ws 202/21. Es ist der Klassiker. Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeschuldigten zur Last, im Zeitraum vom 31.05.2014 bis zum 31.05.2019 in sieben Fällen die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt zu haben (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), wobei in einem Fall lediglich eine versuchte Tat vorliegen soll.

Das LG hat die Anklage teilweise zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren jedoch abweichend von der Entschließung der Staatsanwaltschaft vor dem AG – Strafrichter – eröffnet, weil die Sache weder einen besonderen Umfang noch eine besondere Bedeutung aufweise (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG). Wegen eines anderen teils hat das LG die Eröffnung abgelehnt.

Dagegen die sofortige Beschwerder der Staatsanwaltschaft, die vor dem LG verhandeln will. Das OLG führt zur Zuständigkeit aus:

„1. Die Strafkammer hat mit zutreffender Begründung das Hauptverfahren vor dem sachlich zuständigen Amtsgericht – Strafrichter – eröffnet (§ 209 Abs. 1 StPO, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 74 Abs. 1 Satz 2 GVG) und dabei mit Recht angenommen, dass eine Zuständigkeit des Landgerichts sich nicht aus einem – hier ersichtlich nicht vorliegenden – besonderen Umfang des Verfahrens und auch nicht aus einer besonderen Bedeutung des Falles ergibt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG). Im Falle eines etwaigen, bislang hier auch konkret noch nicht abzusehenden Medien- und Öffentlichkeitsinteresses ist im Hinblick auf das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) eine die Zuständigkeit des Landgerichts begründende besondere Bedeutung nur ausnahmsweise bei Konstellation eines überragenden oder bundesweiten Interesses anzunehmen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 10. Dezember 2019 – III-4 Ws 268/19, zit. nach Juris). Einen solchen Fall hat die Strafkammer mit Recht verneint.“

Ich sage doch: Klassisch :-).

EV II: Vorläufige Mitnahme von sog. Zufallsfunden, oder: Wer bestätigt die vorläufige Maßnahme?

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Die zweite Entscheidung stammt ebenfalls vom LG Nürnberg-Fürth. Das hat im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v.  10.03.2022 – 12 Qs 6/22 – in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Abrechnungsbetruges gegen einen Apotheker zu einer Frage in Zusammenhang mit Zufallsfunden Stellung genommen (§ 108 StPO).

Bei der angeordneten Durchsuchung waren diverse Unterlagen und Datenträger sicher gestellt und zur Durchsicht mitgenommen worden. Deren Herausgabe wird beantragt. Das Verlangen ist aber nur zum Teil erfolgreich:

„1. Die Voraussetzungen einer Durchsuchungsanordnung gem. § 102 StPO sind gegeben.

a) Es liegt ein formell wirksamer Durchsuchungsbeschluss vor. Wird mit einer Durchsuchung nicht spätestens innerhalb eines halben Jahres nach Erlass des Durchsuchungsbeschlusses begonnen, kann die richterliche Anordnung den Eingriff nicht mehr rechtfertigen. Sie tritt, wenn sie nicht richterlich bestätigt wird, außer Kraft und verliert damit ihre rechtfertigende Wirkung (BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 1997 – 2 BvR 1992/92, juris Rn. 29 f.; Beschluss vom 6. Februar 2002 – 2 BvR 380/01, juris Rn. 13). Hier liegt die erforderliche Bestätigung im Beschluss des Ermittlungsrichters vom 24. September 2021 vor.

b) Es ist – entgegen der Auffassung der Beschwerde – auch der Anfangsverdacht i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO des (Abrechnungs-)Betruges gegen den Angeklagten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu bejahen.

……………….

2. Die Entscheidung, in welchem Umfang bei einer Durchsuchung Unterlagen mitgenommen werden können und eine inhaltliche Durchsicht potenzieller Beweismittel nach § 110 StPO notwendig ist, obliegt dem Ermessen der Staatsanwaltschaft. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Staatsanwaltschaft die Grenzen ihres Ermittlungsermessens überschritten hat (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2021 – StB 21/21, juris Rn. 18). Das ist – von den beiden Fällen nachfolgend unter d) abgesehen – nicht der Fall.

…….

3. Der Bestätigungsbeschluss des Amtsgerichts, soweit er die unter 2. c) genannten Zufallsfunde betrifft, war auch nicht deshalb aufzuheben, weil der Ermittlungsrichter für die Entscheidung insoweit nicht zuständig gewesen wäre.

a) Über die Bestätigung der vorläufigen Mitnahme (oder in der Terminologie des § 108 Abs. 1 Satz 1 StPO: des einstweiligen Beschlags) der Zufallsfunde durch die GenStA hat der bislang zuständige Richter innerhalb des bislang geführten Verfahrens entschieden. Nach Auffassung der Kammer zu Recht.

Das wird allerdings von der überwiegenden Literatur für den der angegriffenen Bestätigung gegenläufigen Akt anders gesehen. Für die Aufhebung der vorläufigen Beschlagnahme soll danach der Richter zuständig sein, der für das wegen der Zufallsfunde neu einzuleitende Ermittlungsverfahren zuständig ist (Bruns in KK-StPO, 8. Aufl., § 108 Rn. 9; Hauschild in MünchKomm-StPO, 1. Aufl., § 108 Rn. 16; Hegmann in BeckOK-StPO, 42. Ed. 1.1.2022, § 108 Rn. 13; Hadamitzky in KMR-StPO, 94. Lfg., § 108 Rn. 14; dies. in SSW-StPO, 4. Aufl., 4. Aufl., § 108 Rn. 14). Dieser Auffassung folgt die Kammer allerdings nicht, weil sie den Rechtsschutz des Betroffenen unzumutbar erschwert. Ein Antrag auf richterliche Entscheidung analog § 98 Abs. 2 StPO wäre danach nämlich erst dann möglich, wenn die Staatsanwaltschaft ein neues Verfahren für die Zufallsfunde eingeleitet hat, was sie aber nicht umgehend, sondern in angemessener Frist tun muss (BGH, Beschluss vom 11. Mai 1979 – StB 26/79, juris Rn. 6) – hier beispielsweise hat die GenStA insoweit noch kein neues Verfahren eingeleitet. Bis dahin stünde der Betroffene schutzlos. Ebenso muss die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit haben, die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Mitnahme bestätigen zu lassen, auch wenn sie noch nicht weiß, ob sie ein neues Ermittlungsverfahren einleiten will. Deshalb muss der im bisherigen Ermittlungsverfahren zuständige Richter die Möglichkeit haben, die Sache zu prüfen und vorläufig zu regeln (im Ergebnis wie hier Tsambikakis in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 108 Rn. 21). Das beinhaltet die Befugnis zur Freigabe und zur Bestätigung. Nicht weiterführend ist jedenfalls die Auffassung von Wohlers/Jäger (in SK-StPO, 5. Aufl., § 108 Rn. 16), wonach die Zuständigkeit beim Richter der neuen Sache liegt, es sei denn, es ist nicht binnen angemessener Zeit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Denn die richterliche Zuständigkeit kann nicht von einem so dehnbaren Begriff wie „angemessene Zeit“ abhängig gemacht werden. Im Übrigen ist, solange das neue Verfahren noch nicht eingeleitet worden ist, unklar, wer der Richter des neuen Verfahrens werden wird. Denn es ist möglich (und in der Praxis nicht selten), dass die bisher befasste Staatsanwaltschaft das neue Verfahren nicht selbst führt, sondern die Sache an eine andere Behörde abgibt, mit Folgen für die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Die Zuständigkeit des bisherigen Richters für die vorläufige Bestätigung der Mitnahme besteht daher, bis ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist.

Dieser Auffassung der Kammer steht nicht entgegen, dass die (endgültige) Beschlagnahme im Fall des § 108 StPO durch den Richter der neuen Sache herbeigeführt werden muss (BGH, Beschluss vom 4. August 1964 – 3 StB 12/63, juris Rn. 34; Beschluss vom 14. März 1979 – StB 6/79, juris Rn. 3; OLG Celle, Beschluss vom 15. Januar 1974 – 3 Ws 355/73, NJW 1974, 805, 806). Das ist folgerichtig, weil der Beschlagnahme die Bewertung des Asservats als Beweismaterial in einem Ermittlungsverfahren und damit die Einleitung des neuen Verfahrens vorausgehen muss. Hier geht es jedoch allein um die Regelung eines vorläufigen Zustandes bei noch ausstehender Bewertung. Aus diesem Grund teilt die Kammer auch nicht die Meinung von Köhler (in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 108 Rn. 7; ebenso Cordes/Pannenborg, NJW 2019, 2973, 2976), wonach die Bestätigung des Ermittlungsrichters im Ausgangsverfahren für die Zufallsfunde „wertlos“ sei. In der von ihm zitierten Fundstelle BGHSt 19, 374, 376 stellt der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 4. August 1964 – 3 StB 12/63, juris Rn. 33) lediglich fest, dass die Bestätigung der einstweiligen Beschlagnahme durch den Ermittlungsrichter des Ausgangsverfahrens „einstweilig“ geblieben ist. Um mehr geht es bei der Bestätigung der Mitnahme aber auch nicht. Eine endgültige Beschlagnahme steht hier nicht in Streit.

b) Aber selbst wenn man der hier abgelehnten Auffassung folgen und die angegriffene richterliche Bestätigung als ein rechtliches Nullum ansehen wollte, hätte dies – derzeit – keine praktischen Folgen. Denn die fehlende Wirksamkeit oder die (dann nur deklaratorische) Aufhebung der amtsrichterlichen Bestätigung wegen Unzuständigkeit würde den Umstand nicht beseitigen, dass nach Wertung der Kammer die angemessene Frist (dazu Cordes/Pannenborg, NJW 2019, 2973, 2976), die der GenStA für die Einleitung eines neuen Verfahrens für die Zufallsfunde zuzugestehen ist, noch nicht abgelaufen wäre. Daher könnte sie den vorläufigen Beschlag aus eigenem Recht noch aufrechterhalten. Erst nach dem Fristablauf ohne Verfahrenseinleitung würden die Asservate freizugeben sein (Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 108 Rn. 7 m.w.N.).

4. Soweit die Beschwerde insgesamt die Verhältnismäßigkeit der Mitnahme zur Durchsicht infrage stellt, teilt die Kammer die Auffassung nicht. Die Ermittlungsbehörden haben, wie oben bereits ausgeführt, einige Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen der Mitnahme einzugrenzen. Auch beziehen sich die mitgenommenen Ordner auf bereits abgeschlossene, d.h. zugunsten des Beschuldigten abgerechnete Geschäftsvorfälle, sodass sich insoweit keine erheblichen Erschwernisse für den laufenden Apothekenbetrieb ergeben dürften. Insgesamt sind die durchgeführten Maßnahmen auch ins Verhältnis zum Tatvorwurf zu setzen: Es geht vorliegend nicht um „peanuts“, sondern um einen möglichen Betrugsschaden von über sieben Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund sind die ergriffenen Maßnahmen nicht überzogen.“

Rechtsmittel I: Isolierte Kostenbeschwerde, oder: Wer ist zuständig?

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Heute dann ein Rechtsmitteltag, den ich mit dem BGH, Beschl. v. 31.03.2020 – 5 StR 116/20 – eröffne.

Es geht (mal wieder) um die Kostenentscheidung und deren Anfechtung. Das LG hat die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und ausgesprochen, dass sie die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Zu den notwendigen Auslagen der Nebenklägerin hat es keine Entscheidung getroffen. Gegen die Kostenentscheidung erhebt die Nebenklägerin sofortige Beschwerde und beantragt, dem Beschuldigten die der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Dazu der BGH:

„Der Senat ist für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde nicht zuständig. Eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung nach § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO besteht nur, wenn es zugleich über eine vom Beschwerdeführer eingelegte Revision zu entscheiden hat, weil lediglich in diesem Fall der erforderliche enge Zusammenhang zwischen beiden Rechtsmitteln besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1990 – 5 StR 73/90, BGHR StPO § 464 Abs. 3 Zuständigkeit 3; Beschluss vom 21. Februar 2017 – 2 StR 431/16, StraFo 2017, 130 f.). Hat – wie hier – nur die Beschuldigte Revision, die Nebenklägerin aber lediglich Kostenbeschwerde eingelegt, so entscheidet über die Beschwerde das Beschwerdegericht (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1996 – 4 StR 567/96, NStZ-RR 1997, 238; Beschluss vom 21. Februar 2017 – 2 StR 431/16, aaO). Das ist hier das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg.“

Also geht es jetzt beim OLG Hamburg weiter. Nichts Besonderes übrigens, muss man aber im Blick haben.

StPO II: Strafkammer oder „nur“ erweitertes Schöffengericht zuständig?, oder: Nur sieben Angeklagte reicht nicht…

Die zweite Entscheidung des Tages behandelt eine Problematik, mit der man es in der Praxis nicht so häufig zu tun hat, nämlich die Frage LG zuständig oder „nur“ das erweiterte Schöffengericht. Hier hatte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren mit dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung, das sich gegen sieben Angeklagte richtete, bei der Strafkammer angeklagt. Die hat aber „nur“ vor dem erweiterten Schöffengericht eröffnet. Dagegen die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 10.12.2019 – III-4 Ws 268 – 274/19 – zurückgewiesen hat:

„In der Sache hat die sofortige Beschwerde aber keinen Erfolg.

Die Strafkammer hat das Hauptverfahren zu Recht und mit zutreffender Begründung gemäß § 209 Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 74 Abs. 1 Satz 2 GVG vor dem sachlich zuständigen Amtsgericht Schöffengericht — eröffnet.

Eine Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Nr: 3 GVG wurde zu Recht wegen des Fehlens besonderer Umstände des vorliegenden Falles verneint. Besondere Umstände können sich aus unterschiedlichen Kriterien ergeben wie der Schutzbedürftigkeit von Verletzten, dem besonderen Umfang des Verfahrens oder der besonderen Bedeutung der Sache. Dabei unterliegt die Entscheidung der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang der gerichtlichen Prüfung (BVerG, Urteil vom 19. März 1959, 1 BvR 295/58, juris).

1. Eine Verhandlung vor dem Landgericht ist entgegen der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft nicht wegen einer besonderen Schutzbedürftigkeit der Verletzten der Straftat erforderlich. Eine besondere Schutzbedürftigkeit von Verletzten, die als Zeugen in Betracht kommen, ist zu bejahen, wenn zu erwarten ist, dass die Vernehmung für die Verletzten nach dessen individuellen Verhältnissen im konkreten Strafverfahren mit einer besonderen Belastung verbunden sein wird, weshalb mehrfache Vernehmungen vermieden werden sollen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Auflage, § 24 GVG, Rn. 6). Die Belastung für den konkreten Zeugen muss daher deutlich über das normale Maß der Belastung von Opferzeugen durch die Verhandlungssituation hinausgehen (MüKo-Schuster, StPO, 1. Auflage, § 24 GVG, Rn. 19, beck-online). Durch diese Regelung wird der speziellen Situation vor allem von kindlichen Zeugen und Opfern von Sexualdelikten Rechnung getragen (KK-Barthe, StPO, 8. Auflage, § 24 GVG, Rn. 6a). Derartige besondere Belastungen der Opfer-Zeugen sind — woraufhin das Landgericht zu Recht hinweist — vorliegend nicht erkennbar.

2. Eine Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich auch nicht aus einem besonderen Umfang des Verfahrens. Der besondere Umfang einer Sache ist anzunehmen, wenn das Verfahren nach der Zahl der Angeklagten oder der Straftaten, nach dem Umfang der Beweisaufnahme oder der zu erwartenden Verhandlungsdauer von den üblicherweise zu verhandelnden Fällen abweicht und sich deutlich aus der großen Masse der Verfahren, die den gleichen Tatbestand betreffen, heraushebt (KK-Barthe, StPO, 8. Auflage, § 24 GVG, Rn. 6b, beck-online). Allerdings ist zu beachten, dass der besondere Umfang dabei noch über den den Anwendungsbereich des § 29 Abs.2 GVG rechtfertigenden Umfang hinausgehen muss (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 7). Daher sind Verfahren nur von besonderem Umfang; wenn sie auch unter Beiziehung eines zweiten Richters vom Schöffengericht nicht mit der gebotenen Beschleunigung verhandelt werden können (MüKo-Schuster, StPO, 1. Auflage, § 24 GVG, Rn. 16, beck-online). Die personelle Überlegenheit der Kammer am Landgericht gegenüber dem Schöffengericht ist aufgehoben, wenn dieses nach § 29 Abs. 2 S. 1 GVG mit zwei Berufsrichtern verhandelt und die Kammer nach § 76 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 GVG ebenfalls mit nur zwei Berufsrichtern entscheidet. In diesen Fällen ergibt sich ein Unterschied nur noch im Instanzenzug. Die Vermeidung einer zweiten Tatsacheninstanz kann jedoch nicht aus fiskalischen oder anderen sachfremden Gründen dazu führen, dass der gesetzliche Richter abweichend bestimmt wird: Das ergibt sich auch bei systematischer Auslegung mit der Zuständigkeit des Landgerichts in Fällen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Zeugen. In diesen Fällen ist die Reduzierung auf eine Tatsacheninstanz gesetzlicher Zweck der Bestimmung. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass andere‘ Gründe für eine Reduzierung der Instanzen gerade nicht herangezogen werden dürfen (MüKo¬Schuster, a.a.O.).

Wie die Strafkammer in ihrem angefochtenen Beschluss, zutreffend ausgeführt hat, ist das grundsätzlich zuständige Schöffengericht mit der Durchführung des Verfahrens angesichts der Zahl der angeklagten Taten und der zu vernehmenden Zeugen nicht überfordert. Angeklagt ist lediglich eine Tat, das Verfahren umfasst insgesamt nur drei Aktenbände und als Tatzeuge steht neben den beiden Geschädigten lediglich der unbeteiligte Tatzeuge pp. zur Verfügung, der jedoch Einzelheiten zu den Tätern im Rahmen der polizeilichen Vernehmung nicht angeben konnte. Darüber hinaus dürften noch die vier Polizeibeamten, die Bekundungen zu Angaben der Geschädigten vor Ort und im Krankenhaus, dem. Antreffen eines Teils der Angeklagten in der Nähe des Tatorts bzw. deren Identifizierung auf Lichtbildern machen können, der Geschädigte der Sachbeschädigung sowie die drei benannten Alibizeugen zu vernehmen sein.

Einzig im Hinblick auf die Anzahl der Angeklagten weicht das Verfahren im Hinblick auf die üblicherweise vor dem Amtsgericht -Schöffengericht- zu verhandelnden Fälle ab. Allein die Zahl der Angeklagten rechtfertigt aber für sich genommen nicht die Annahme eines besonderen Umfangs dieser Sache mit der Folge der Zuständigkeit der großen Strafkammer. Räumliche Schwierigkeiten  können nicht zuständigkeitsbestimmend sein. Dem mit der Anzahl der Angeklagten ggf. verbundene Mehraufwand kann – worauf die Kammer zu Recht hingewiesen hat — durch Hinzuziehung eines weiteren Richters beim Amtsgericht Rechnung getragen werden, was die Kammer gemäß § 29 Abs. 2 GVG entsprechend angeordnet hat.

3. Eine besondere Bedeutung des Falles lässt sich auch nicht aus dem Umstand, -dass sowohl ein besonderes- Interesse der Medien als auch -der Öffentlichkeit im Westmünsterland an der Sache zu erwarten ist, herleiten. Zwar kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die besondere Bedeutung der Sache im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG auch aus einem großen Interesse der Medien und Öffentlichkeit allgemein an der einschlägigen Strafsache ergeben (BGH, Urteil. vom 10. Mai 2001,1 StR 504/00, juris). Vor dem Hintergrund des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) vermag aber ein großes Medien-und Öffentlichkeitsinteresse die „besondere Bedeutung“ einer Strafsache allenfalls ausnahmsweise bei Konstellationen eines überragenden oder bundesweiten Interesses zu stützen. Die besondere Bedeutung kann nur dann angenommen werden, wenn das Medieninteresse eine ohnehin vorhandene besondere Bedeutung für die Allgemeinheit widerspiegelt, nicht lediglich regionaler Art ist und die Erregung dieses Interesses gerade das Ziel der Straftat war (KK-Barthe, a.a.O., Rn. 9 m.w.N.).

Von dem Vorliegen eines derartigen Medieninteresses geht die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft bereits selbst nicht aus.“

Internationale Zuständigkeit, oder: Wann hat sich der Beklagte rügelos eingelassen?

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Als zweite Entscheidung dann ein zivilverfahrensrechtlicher Beschluss des KG, und zwar der KG, Beschl. v. 14.01.2019 – 22 U 209/16, ergangen im Verfahren nach § 522 ZPO.

Es ging um die Frage: Hat sich die Beklagte „eingelassen“, bevor sie bevor sie die fehlende (internationale) Zuständigkeit des Landgerichts rügte (§ 39 ZPO). Dazu der Leitsatz der KG-Entscheidung:

„Der Beklagte lässt sich nicht i.S.v. Art. 24 EUGVVO in der bis zum 9. Januar 2015 geltenden Fassung (Brüssel-I-VO, jetzt Art. 26 Abs. 1 S. 1 EUGVVO [Brüssel-Ia-VO], vgl. Art. 66 EUGVV n.F.) auf das Verfahren ein, wenn er im schriftlichen Vorverfahren lediglich beantragt, die Klage abzuweisen, seine Verteidigungsabsicht anzeigt und die Erläuterung der Verteidigungsabsicht innerhalb der gesetzten Frist ankündigt.“