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StPO I: Aktionsbüro Mittelrhein-Verfahren geplatzt, oder: Dritter Durchgang?

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Manche Verfahren haben es in sich bzw.: Von manchen Verfahren hört man immer wieder (etwas), meist nichts Gutes. So ist es mit dem Verfahren 12 KLs 2090 Js 29752/10, das seit 2012 beim LG Koblenz anhängig ist.

Auch ich habe schon über das Verfahren berichtet. Ja, das war die Geschichte mit den Nicht Rosen, sondern Schoko-Nikoläuse gibt es beim LG Koblenz für den Staatsanwalt, dann war es Der Schöffe mit Handy in der Hauptverhandlung, oder: Ein Schöffe weniger. Nochmals berichtet worden ist dann über das Verfahren, dessen Gegenstand Straftaten sind, die im Zusammenhang mit der Gründung und weiteren Aktivitäten des sog. „Aktionsbüros Mittelrhein“ von Mitgliedern und Unterstützern dieser Organisation begangen worden sein sollen, dann im Sommer des vergangenen Jahres. Da hatte das LG das Verfahren nach § 206a StPO wegen des Verfahrenshindernisses der überlangen Verfahrensdauer eingestellt. Der Beschluss hat dann aber beim OLG Koblenz keine Gnade gefunden. Das OLG hat nämlich im OLG Koblenz, Beschl. v. 04.12.2017 – 2 Ws 406-419/17 die Einstellungsentscheidung aufgehoben und die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet.

Inzwischen hatte der neue – 2. Durchgang – Mitte Oktober 2018 beim LG Koblenz begonnen. Und ist auch schon wieder beendet. Denn mit dem LG Koblenz, Beschl. v. 20.11.2018 – 12 KLs 2090 Js 29752/10 – hat die für die Verhandlung zuständige (Staatsschutz)Kammer des LG festgestellt, dass sie „nicht ordnungsgemäß besetzt ist“. Der Beschluss ist auf die Besetzungsrüge von zwei Angeklagten hin ergangen, der sich die übrigen Angeklagten angeschlossen hatten (§ 222b StPO). Das LG hat das Verfahren ausgesetzt.

Begründung: „… Die 12. große Strafkammer ist ausweislich des für das Geschäftsjahr 2018 gültigen Geschäftsverteilungsplans als allgemeine Strafkammer besetzt, müsste in hiesigem Strafverfahren zum Aktenzeichen 12 Kls 2090 Js 29752/10 jedoch als Staatsschutzkammer entscheiden, obwohl eine andere Kammer des Landgerichts Koblenz nach der gültigen Geschäftsverteilung für Staatsschutzsachen zuständig ist. Damit liegt unter Berücksichtigung des Konzentrationsgrundsatzes des § 74a GVG eine vorschriftswidrige Besetzung der 12, großen Strafkammer vor.“

Ich will mich hier auf diesen Auszug aus der Begründung/Argumentation des LG beschränken. Den Rest kann man, wenn man Interesse hat, im Volltext nachlesen. Ist allerdings nicht so ganz einfache Kost.

Damit ist also das Verfahren erstmal gescheitert. Wohl „nur“ erstmal. Denn wie man hier von einer Gerichtssprecherin lesen kann: „Die in diesem Jahr angesetzten weiteren Termine entfallen zunächst. Man sei aber zuversichtlich, dass das Verfahren im kommenden Jahr zeitnah erneut beginnen könne, teilte die Sprecherin weiter mit. Anders als bei einer Unterbrechung liefen bei einer Aussetzung keine Fristen. Bisher waren bis Ende des 2019 insgesamt 90 Verhandlungstermine geplant.

Ich will das jetzt nicht lang und breit kommentieren, man fragt sich aber schon, ob das Verfahren jemals beendet werden wird. Wobei ich konzediere: Die aufgeworfene Frage ist/war nicht einfach zu beantworten. Man fragt sich aber: Warum macht sich das LG bzw. die Strafkammer die Gedanken, die jetzt zur Aussetzung geführt haben, nicht eher? Dann hätte man die Maschinerie gar nicht erst anlaufen lassen müssen. Hintergrund für den Start könnte natürlich auch ein Streit zwischen dem Präsidium des LG und der Kammer sein – dafür spricht die Formulierung: „da das Gerichtspräsidium und die Kammer unterschiedliche Rechtsauffassungen zum Geschäftsverteilungsplan haben“ in der Pressemeldung (vgl. hier). Den Streit hätte die Kammer dann jetzt für sich entschieden.

Man darf gespannt sein, ob und wie es weitergeht…..

Aufhebung von PKH-Bewilligung(im Loveparade-Verfahren), oder: Wer ist zuständig?

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Bei der zweiten Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag handelt es sich um den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.03.2018 – III-2 Ws 94/18, der im sog. „Loveparade-Verfahren“ ergangen ist. Es geht um die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung für einen Nebenkläger durch den Rechtspfleger.

Der Beschwerdeführer ist in dem sog. Loveparade-Verfahren als Nebenkläger zugelassen worden. Ihm ist im November 2014  Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bewilligt worden. Mit Schreiben der für das Verfahren vor der zuständigen Strafkammer zuständigen Rechtspflegerin vom 17. November 2017 wurde der Nebenkläger aufgefordert, eine aktualisierte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen. Da sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert hatten, wurde mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 3. Januar 2018 die zugunsten des Nebenklägers erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen Nichtanzeige einer wesentlichen Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage aufgehoben (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Hierbei wurde dem Nebenkläger eine Rechtsmittelbelehrungnach Maßgabe des § 127 Abs. 2 ZPO erteilt (sofortige Beschwerde binnen eines Monats). Gegen die Aufhebungsentscheidung richtet sich die „sofortige Beschwerde“ des Nebenklägers. Die Rechtspflegerin hat der „sofortigen Beschwerde“ nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das OLG sagt:

  1. Der Nebenkläger kann die Entscheidung, durch welche die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen Nichtanzeige einer wesentlichen Verbesserung der Einkommensverhältnisse (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) aufgehoben worden ist, mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO anfechten.
  2. Bei einem Nebenkläger entscheidet der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts auch im Falle des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO über die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe. Für eine solche Entscheidung besteht im Strafverfahren keine funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers.
  3. Hat der Rechtspfleger die Aufhebungsentscheidung anstelle des funktionell zuständigen Vorsitzenden der Strafkammer getroffen, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann der Strafsenat als das beiden übergeordnete Beschwerdegericht gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden.

Und in der Sache hat das OLG dann die PKH-Bewilligung aufgehoben. Es geht von der Missachtung der Mitteilungspflichtauch, die sich  auch als grobe Nachlässigkeit darstelle:

„……Atypisch ist im sog. Loveparade-Verfahren die lange Dauer zwischen der Erhebung der Anklage im Februar 2014 und der Eröffnung des Hauptverfahrens, die im Beschwerdeverfahren durch den Senatsbeschluss vom 18. April 2017 erfolgt ist. Dazwischen liegt der Nichteröffnungsbeschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Duisburg vom 30. März 2016.

Wenn das laufende Verfahren zwischenzeitlich aus dem Blick des Nebenklägers geraten sein sollte, so hat er es jedenfalls wieder in den Blick genommen, als er gegen die Nichteröffnungsentscheidung vom 30. März 2016 mit Schriftsatz seines anwaltlichen Beistands vom 6. April 2016 sofortige Beschwerde eingelegt hat. Dieses Rechtsmittel ist mit Schriftsatz vom 22. September 2016 „aus Kostengründen“ zurückgenommen worden, was erkennen lässt, dass dem Nebenkläger finanzielle Risiken (auch im Verhältnis zu den damals Angeschuldigten) bewusst waren. Schon durch die Einlegung der sofortigen Beschwerde hatte die als Beistand hinzugezogene Rechtsanwältin weitere Vergütungsansprüche gegen die Landeskasse erworben, die im Rahmen der auferlegten 48 Raten zu Lasten des Nebenklägers wirken mussten.

Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens durch den Senatsbeschluss vom 18. April 2017 war für den Nebenkläger klar, dass das Verfahren in ein neues Stadium getreten war und eine Hauptverhandlung stattfinden wird. Er hat auch auf die neue Situation reagiert, indem sein anwaltlicher Beistand die Anträge auf Zulassung der Nebenklage und Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 „vorsorglich neu gestellt“ hat. Dabei wurde keine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, sondern auf die „bereits übersandte Erklärung“ Bezug genommen.“

Zivilrecht meets Strafrecht?, oder: Welches Gericht ist für die Herausgabeklage nach Beschlagnahme zuständig?

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Mancher Verteidiger wird sich schon mit der vom LG Saarbrücken im LG Saarbrücken, Beschl. v. 22.12.2016 – 4 O 354/15 – entschiedenen Frage „herumgeschlagen“ haben. Nämlich: An welches Gericht muss ich mich eigentlich wenden, wenn das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist und es nun (noch) um die Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände geht? Ist dafür der Zivilrechtsweg einzuschlagen oder muss ich beim Strafgericht (welches ?) die Herausgabe beantragen.

Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur nicht unbestritten. Es stehen sich zwei – in meinen Augen etwa gleich starke „Lager“ gegenüber. Dabei geht es um die Auslegung des § 111f Abs. 5 StPO und was sich der „historische Gesetzgeber“ bei seiner Einführung im Hinblick auch auf die Zuständigkeit zur Herausgabe nach Verfahrensabschluss gedacht hat. Das LG Saarbrücken meint: Nichts:

„Der Wille des historischen Gesetzgebers hat in der Gesetzesfassung hinsichtlich der Zuständigkeit nach Rechtskraft keinen Niederschlag gefunden (OLG Frankfurt a.a.O.), nach Auffassung der Kammer auch nicht in einer Andeutung. Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens sind nämlich keine Maßnahmen denkbar, die — entsprechend dem Wortlaut der Regelung – in Vollziehung der Beschlagnahme oder des Arrests getroffen werden. Dies ergibt sich daraus, dass Beschlagnahme oder Arrest nach allgemeiner Auffassung in dem Moment enden, in dem das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist (BGH, StV 2005, 486 f).“

und kommt deshalb zu der Aussage/dem Leitsatz:

„Für die Herausgabeklage von beschlagnahmten Gegenständen nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens ist das Zivilgericht zuständig.“

Aber, wie gesagt. Doch recht heftig umstritten.

Und: Dank an den Kollegen Nozar für die Übersendung des Beschlusses.

„Ich will zu Fischer!!“, aber: „Herr Fischer macht nicht alles beim BGH“….“

entnommen openclipart.org

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Die „breite Öffentlichkeit“ scheint offenbar der Auffassung zu sein, dass der VorsRiBGH Th. Fischer beim BGH alles macht. Jedenfalls kann man das wohl aus einem Beschluss des 3. Zivilsenats des BGH ableiten (BGH, Beschl. v. 18.08.2016 – III ZB 48 u. 49/16). Da hatte der Beklagte in einem Rechtsbeschwerdeverfahren gegen Beschlüsse des 24. Zivilsenats des OLG Frankfurt nämlich die Auffassung vertreten, dass der 2. Strafsenat des BGH und damit Herr Fischer (als Vorsitzender) zuständig wäre. Der 3. Zivilsenat hat ihm dann aber mitgeteilt:

„Da es sich um eine Zivilsache handelt, ist der erkennende Senat und nicht, wie der Beklagte meint, der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung berufen.“

Man hätte auch anders schreiben können, etwa: „Herr Fischer macht nicht alles beim BGH, wir sind auch noch da.“ Mich würde interessieren, was der Beklagte geschrieben hatte. Vielleicht: „Ich will zu Fischer!!“? 🙂

An der Stelle dann Dank an Oliver Gracia, der mich mal wieder auf das Schmankerl aufmerksam gemacht hat. Man kann ja auch nicht alles selber finden :-).

Ratenzahlung bei der Geldstrafe – wer entscheidet?

© mpanch - Fotolia.com

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§ 42 StGB sieht die Möglichkeit der Zahlungserleichterung vor, wenn der Angeklagte eine festgesetzte Geldstrafe nicht sofort und/oder nicht auf einmal zahlen kann. Es stellt sich bei der Anwendung der Vorschrift die Frage: Wer muss über die Gewährung von Zahlungserleichterungen entscheiden? Das Tatgericht oder kann sich das an der Stelle entspannt zurücklegen und darauf verweisen, dass ja auch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde noch Zahlungserleichterungen bewilligen darf (§ 459a StPO). Nun, das OLG Hamm sagt dazu im OLG Hamm, Beschl. v.  05.06.2014 – 1 RVs 48/14: Das Tatgericht muss selbst entscheiden, denn:

Gemäß § 42 S. 1 StGB ist dem Angeklagten zu gestatten, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, wenn ihm eine sofortige Zahlung nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist. Die Vorschrift ist zwingender Natur (BGH, Beschl. v. 17.08.1984 — 3 StR 283/84 — juris; BGH bei Detter NStZ 1900, 578; KG Berlin StV 2006, 191; OLG Naumburg, Beschl. 10.05.2012 — 1 Ss 8/12 = BeckRS 2012, 20554; OLG Stuttgart, Urt. v. 21.07.2008 — 2 Ss 346/08 = BeckRS 2009, 08549). Angesichts des zwingenden Charakters der Regelung kann von einer Entscheidung nach § 42 StGB, soweit Anlass zu ihr besteht, nicht etwa deswegen abgesehen werden, weil auch die Vollstreckungsbehörde noch Zahlungserleichterungen bewilligen darf (§ 459a StPO).

Vorliegend hat das Landgericht aber, obgleich bei der Höhe der Geldstrafe, die es gegen den Angeklagten verhängt hat, und bei seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen Anlass bestand zu prüfen, ob diesem eine sofortige Zahlung der gesamten Geldstrafe zuzumuten ist, sich zur Frage der Gewährung von Zahlungserleichterungen nicht geäußert. Die Summe der Geldstrafe beträgt 6.500 Euro. Nach den bisherigen Feststellungen verfügt er über 1.500 Euro monatliches Nettoeinkommen, hat eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind und muss monatlich 200 Euro innerhalb eines Insolvenzverfahrens zahlen. Dazu kommen weitere, nicht näher bezifferte Schulden, teilweise aus unerlaubter Handlung. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit der sofortigen Zahlung ist zwar auch zu berücksichtigen, dass es zur Vollstreckung der Geldstrafe erfahrungsgemäß erst geraume Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung kommt, da es wegen der Nachbearbeitung bei Gericht (z.B. Kosten) etwas Zeit in Anspruch nimmt, bis die Akten an die Vollstreckungsbehörde zurückgelangen, von der dann erst die Vollstreckung eingeleitet werden kann. Insoweit kann berücksichtigt werden, ob der Angeklagte — wenn er Kenntnis von seiner (rechtskräftigen) Zahlungsverpflichtung erhält — die Möglichkeit hat, die Geldstrafensumme bis zur voraussichtlichen Vollstreckung anzusparen. Hat er diese Möglichkeit, so ist ihm die Zahlung der Gesamtsumme zumutbar. So verhält es sich hier aber nicht. Von dem dem Angeklagten verbleibenden Einkommen kann er die Geldstrafensumme nicht innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate bis zu einer voraussichtlichen Vollstreckung ansparen.

Eine Entscheidung darüber ist vom Tatgericht nachzuholen (vgl. BGH a.a.O.). Der Senat hat erwogen, selbst eine Ratenzahlungsanordnung analog § 354 Abs. 1 StPO zu treffen. Dies scheidet aber aus, da es insoweit noch weiterer Feststellungen bedarf — etwa zu etwaigen weiteren Zahlungsverpflichtungen aus Schulden aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, welche nicht in das Insolvenzverfahren fallen. …..“