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§ 61 BZRG sollte man schon kennen, wenn man in einer Strafkammer sitzt…

denn dann dürften nicht so – schreibe ich „peinliche“ oder „unverständliche“? – Fehler passieren, auf die der BGH in einem Beschl. v. 12.10.2010 – 3 StR 381/10 hinweisen musste. Dass er den GBA „eingerückt“ hat, zeigt sehr deutlich, was er von dem landgerichtlichen Urteil hält/hielt. Ausgeführt wird:

„Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat bei der Strafzumessung ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten erwogen, dass er bereits seit 2001 ‚insgesamt neunmal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist‘, wobei es sich bei acht der betreffenden Entscheidungen um solche handelt, die gemäß § 60 BZRG in das Erziehungsregister einzutragen sind (UA S. 13 i.V.m. UA S. 3 f.). Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits 24 Jahre alt (UA S. 3). Die jugendstrafrechtlichen Vorbelastungen hätten daher nur dann verwertet werden dürfen, wenn im Zentralregister eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung eingetragen gewesen wäre (§ 51 Abs. 1 BZRG i.V.m. § 63 Abs. 1, 2 und 4 BZRG). Dies ist jedoch nicht der Fall (UA S. 3 f.). Der gegen den Angeklagten u.a. verhängte Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen aus der Verurteilung vom 17. Januar 2006 (UA S. 4, 13) ist nach § 4 Nr. 1 BZRG nicht in das Zentralregister einzutragen. Er stellt als Ungehorsamsfolge keinen Strafarrest im Sinne des § 63 Abs. 2 BZRG dar (Senat StV 2004, 652 f.). Das Landgericht hat daher nicht beachtet, dass für die vor der Vollendung des 24. Lebensjahres des Angeklagten in dem Erziehungsregister enthaltenen Eintragungen zum Zeitpunkt der Urteilsfindung ein Verwertungsverbot bestand.“

Eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg…

…hat der Verteidiger, wenn er im Strafverfahren erfolgreich ein Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den in § 81a Abs. 2 StPO enthaltenen Richtervorbehalt geltend gemacht und durchgesetzt hat. Denn nach dem Strafverfahren eröffnet sich ggf. der nächste Kampfschauplatz, und zwar auf dem Gebiet der Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde. Auch da wird ggf. um die Verwertbarkeit der Blutprobe gestritten (werden müssen).

Allerdings: Der Erfolg ist hier noch schwerer bzw. der Weg noch steiniger und noch seltener erfolgreich. Das gilt vor allem, nachdem man die dazu vorliegende verwaltungsrechtliche Rechtsprechung inzwischen als h.M. dahin zusammenfassen kann, dass diese keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit hat. Keine Einheit der Rechtsordnung und andere Zielsetzung der Verfahren, das sind die Hauptargumente. Zu dem Ganzen jetzt vor kurzem auch der VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.06.2010 – 10 S 4/10, der die altbekannten Argumente wiederholt, allerdings etwas mehr Futter an die Argumentation tut als bislang die anderen OVGs (vgl. OVG Koblenz, BA 2010, 264; OVG Lüneburg, BA 2008, 416 = VRR 2008, 396; zfs 2010, 114 = DAR 2010, 221 = VRR 2010, 159; NJW 2010, 1621 = zfs 2010, 295).

Keine Fernwirkung der (verfassungswidrigen) Videomessung auf die Fahrtenbuchanordnung.

Das VG Oldenburg hatte im Beschl. v. 19.01.2010 die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage beanstandet, wenn Grundlage der Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches (§ 31a StVZO) zwar ein Abstandsverstoß  durch einen letztlich nicht zu ermittelnden Fahrer gewesen ist, aber erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit und damit die Verwertbarkeit der durch das Messsystem gewonnenen Daten bestehen.

Das dagegen eingelegte Rechtsmittel hatte jetzt beim OVG Lüneburg Erfolg. Dieses hat in seinem Beschl. v. 07.06.2010 – 12 ME 44/10 unter Hinweis auf seine Entscheidung zur Blutentnahme in 12 ME 37/10 darauf hingewiesen, dass die vom VG Oldenburg herangezogenen Gründe der Entscheidung des OLG Oldenburg, wonach die Abstandsmessung mangels gesetzlicher Grundlage als unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anzusehen sei und wegen der Schwere dieses Eingriffs im Ordnungswidrigkeitenverfahren einem Verwertungsverbot unterliege, sich auf Verfahren, die ausschließlich der Gefahrenabwehr dienen, nicht ohne Weiteres übertragen lassen. Der Beschluss war nach der Entscheidung in 12 ME 37/10 zu erwarten.

Also: Keine einheitliche Rechtsordnung.

Widerspruch auch, wenn Freispruch droht – die Absurdität geht weiter

Wir hatten schon am 10.12.2009 über eine Entscheidung des OLG Hamm berichtet, wonach die Unwertbarkeit der Blutprobe wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO bereits in ersten HV geltend gemacht werden muss, und zwar auch dann, wenn Freispruch droht, das Beweismittel gar nicht verwendet werden soll.  Also zu einem Zeitpunkt und in einer Verfahrenslage, in der man als Verteidiger an den Widerspruch gar nicht denkt. Warum auch, wenn „Freispruch droht“?

Nun hat auch das OLG Karlsruhe in einem Beschl. v. 08.03.2010 – 2(9) Ss 18/10 diese in meinen Augen zu einem absurden Ergebnis führende Auffassung vertreten.

Aber: Was nutzt das Lamentieren? Der Verteidiger muss eben an diese Rechtsauffassung denken. Und vor allem auch dann später in der Revision vortragen, dass er in der ersten HV widersprochen hat.

Auch OLG Düsseldorf springt beim Richtervorbehalt (§ 81a StPO) zu kurz

Gerade stoße ich auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 21.02.2010 – IV 1 RBs 3/10, in der sich das OLG mit den zu § 81a StPo bestehenden Streitfragen auseinandersetzt.

Das OLG führt in etwa aus: Da ein richterlicher Eildienst bei den Amtsgerichten in Nordrhein-Westfalen nur in der Zeit von 06:00 Uhr bis 21:00 Uhr vorgehalten wird, können Ermittlungspersonen bei der Entscheidung über die Anordnung einer Blutprobenentnahme davon ausgehen, dass ein Bereitschaftsrichter erst um 06:00 Uhr morgens erreichbar ist. Konnte für die Entnahme der Blutprobe eine richterliche Anordnung wegen der Nachtzeit deshalb nicht eingeholt werden, unterliegt das Ergebnis dieser Blutprobenuntersuchung dann keinem Verwertungsverbot, wenn bei der polizeilichen Anordnung der Blutprobenentnahme Gefahr im Verzug bestand und ein Zuwarten bis zu diesem Zeitpunkt zu einer nicht hinnehmbaren Verschlechterung der Beweislage durch eine gesunkene Blutalkoholkonzentration geführt hätte.

M.E. eine nicht zutreffende Argumentation, denn es kommt für den richterlichen Eildienst nicht darauf an, was sich das JM (NRW!!) ausgedacht hat, sondern, ob Bedarf besteht. Und den schafft nicht das JM.

Ähnlich falsch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.01.2010 – III-1 RVs 1/10