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Man sollte das Gesetz immer ganz lesen….

hawk88_Calendar_1Etwas weiter hinten 🙂 enthält das BZRG eine Vorschrift, die manchmal übersehen wird, die aber für den Angeklagten von erheblicher Bedeutung sein kann, wenn es um die Frage geht, ob Vorbelastungen vorliegen oder nicht. Es ist § 63 Abs. 1 BZRG, der bestimmt, dass Eintragungen im Erziehungsregister entfernt werden, sobald der Betroffene das 24. Lebensjahr vollendet hat. Werden sie aber entfernt = müssen sie getilgt werden, dann dürfen sie nach § 51 Abs. 1 BZRG „dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.“ Das wird manchmal übersehen – warum auch immer, ggf. weil man das Gesetz nicht zu Ende liest?. Der BGH weiß es aber und achtet darauf, so auch im BGH, Beschl. v. 03.09.2014 – 1 StR 343/14, was dann ggf. zur Aufhebung führt – der GBA und der Verteidiger haben es übrigens auch gewusst 🙂 :

„Das Landgericht hat u.a. festgestellt, dass der Angeklagte im August 2006 wegen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zur Teilnahme an einem Öko-Wochenende und der Ableistung von vier Tagen Sozialdienst verurteilt wurde. Diese Vorahndung hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten gewürdigt. Der Verwertung dieser Vorverurteilung stand indes – worauf die Revision und der Generalbundesanwalt zutreffend hinweisen – § 51 Abs. 1 BZRG i.V.m. § 63 Abs. 4 BZRG entgegen, nachdem Tilgungsreife mit Ablauf des 24. Lebensjahrs des Angeklagten eingetreten war (vgl. § 63 Abs. 1 BZRG). Angesichts der Tatsache, dass die Grenze zur nicht geringen Menge THC beim komplett sicher-gestellten Marihuana nur unwesentlich überschritten wurde und der teilgestän-dige Angeklagte in der Hauptverhandlung Angaben zu einem Hintermann ge-macht hat, liegt es nicht fern, dass das Landgericht trotz gewisser erschweren-der Umstände bei Berücksichtigung der bisherigen Unbestraftheit des Ange-klagten einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hätte, weshalb gemäß dem Antrag des Generalbundesanwalts der Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben war.“

Und nochmals: Ein Blick ins Gesetz…, oder Rubrik: Anfängerfehler (?)

Die Strafkammer verurteilt den Angeklagten u.a. besonders schweren Raubes. Der BGH moniert die Strafzumessung im BGH, Beschl. v. 12.06.2012 – 3 StR 141/12: Die Gründe sprechen m.E. für sich:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Mo-naten verurteilt. Mit seiner Revision beanstandet er die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel bleibt im Schuldspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben.

Die Strafkammer hat sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten erwogen, dass er bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten und schon mit Jugendarrest belegt worden ist. Das Landgericht hat dabei übersehen, dass der Angeklagte vor der Hauptverhandlung das 24. Lebensjahr vollendet hat und deshalb gemäß § 63 Abs. 1 BZRG alle Eintragungen im Erziehungsregister tilgungsreif waren. Sie durften daher gemäß § 63 Abs. 4 i.V.m. § 51 Abs. 1 BZRG bei der Strafzumessung nicht mehr verwertet werden. Der gegen den Angeklagten verhängte Jugendarrest wegen Zuwiderhandlungen gegen Auflagen aus der Verurteilung vom 21. September 2006 steht der Löschung der Eintragungen im Erziehungsregister gemäß § 63 Abs. 1 und 2 BZRG nicht entgegen. Er ist nach § 4 Nr. 1 BZRG weder im Zentralregister ein-zutragen noch stellt er als Ungehorsamsfolge einen Strafarrest im Sinne des § 63 Abs. 2 BZRG dar (BGH, Beschluss vom 1. Juli 2004 – 3 StR 179/04; StV 2004, 652).

Flüchtigkeits- oder Anfängerfehler? Egal. Es dürfte m.E. einen Strafkammer nicht passieren.

§ 61 BZRG sollte man schon kennen, wenn man in einer Strafkammer sitzt…

denn dann dürften nicht so – schreibe ich „peinliche“ oder „unverständliche“? – Fehler passieren, auf die der BGH in einem Beschl. v. 12.10.2010 – 3 StR 381/10 hinweisen musste. Dass er den GBA „eingerückt“ hat, zeigt sehr deutlich, was er von dem landgerichtlichen Urteil hält/hielt. Ausgeführt wird:

„Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat bei der Strafzumessung ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten erwogen, dass er bereits seit 2001 ‚insgesamt neunmal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist‘, wobei es sich bei acht der betreffenden Entscheidungen um solche handelt, die gemäß § 60 BZRG in das Erziehungsregister einzutragen sind (UA S. 13 i.V.m. UA S. 3 f.). Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits 24 Jahre alt (UA S. 3). Die jugendstrafrechtlichen Vorbelastungen hätten daher nur dann verwertet werden dürfen, wenn im Zentralregister eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung eingetragen gewesen wäre (§ 51 Abs. 1 BZRG i.V.m. § 63 Abs. 1, 2 und 4 BZRG). Dies ist jedoch nicht der Fall (UA S. 3 f.). Der gegen den Angeklagten u.a. verhängte Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen aus der Verurteilung vom 17. Januar 2006 (UA S. 4, 13) ist nach § 4 Nr. 1 BZRG nicht in das Zentralregister einzutragen. Er stellt als Ungehorsamsfolge keinen Strafarrest im Sinne des § 63 Abs. 2 BZRG dar (Senat StV 2004, 652 f.). Das Landgericht hat daher nicht beachtet, dass für die vor der Vollendung des 24. Lebensjahres des Angeklagten in dem Erziehungsregister enthaltenen Eintragungen zum Zeitpunkt der Urteilsfindung ein Verwertungsverbot bestand.“