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StPO II: Verständigung und Mitteilungspflicht, oder: Nochmals Inhalt der Mitteilung

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In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 16.09.2020 – 2 StR 459/19, also schon etwas älter, geht es auch um eine Verständigungsproblematik, nämlich um die Frage/Erfüllung der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO.

Das LG  hat den Angeklagten u.a. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, zu deren Begründung folgendes – falsches – Verfahrensgeschehen vorgetragen wird:

„Der Vorsitzende der Strafkammer stellte nach Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung fest, dass Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung nicht stattgefunden hätten. Daraufhin erklärte der Verteidiger des Angeklagten, dass vor Beginn der Hauptverhandlung zwischen ihm und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ein Gespräch stattgefunden hätte, das zu keinem Ergebnis geführt habe. Anschließend erörterte das Gericht die Sach- und Rechtslage mit den Verfahrensbeteiligten. Die Hauptverhandlung wurde um 09.28 Uhr unterbrochen und um 10.16 Uhr fortgesetzt. In der Zwischenzeit fanden auf Anregung der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers Erörterungen „gemäß § 257c StPO“ statt. Dazu teilte der Vorsitzende mit, dass die Strafkammer im Fall einer geständigen Einlassung des Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe mit einem Strafrahmen von sechs bis sechseinhalb Jahren als tat- und schuldangemessen erachte. Eine Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung sei aber nicht erfolgt.“

Die Revision rügt unter anderem, der Vorsitzende habe nicht mitgeteilt, warum die Verständigung nicht zustande gekommen sei; über Äußerungen der Verfahrensbeteiligten sei im Hinweis des Vorsitzenden nichts ausgesagt worden. Und der Angeklagte rügt mit Erfolg:

„2. Bei dieser Verfahrenslage ist § 243 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO verletzt.

a) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende des Gerichts mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO auch im Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben. Sie ist selbst dann zu beachten, wenn es um erfolglos geführte Gespräche geht, in deren Verlauf keine Verständigung zustande gekommen ist (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, BGHSt 59, 252, 255).

Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden und auf welche Resonanz diese bei den anderen Beteiligten gestoßen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, BVerfGE 133, 168, 215 f.; Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – 2 StR 367/16, NStZ 2017, 244; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601; Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 2 StR 417/18, StV 2019, 377 f.; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 152; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353).

b) Gemessen daran genügte die Mitteilung des Standpunktes des Gerichts zur Straferwartung im Fall eines Geständnisses sowie des Ausbleibens einer Übereinstimmung unter den Verfahrensbeteiligten den Anforderungen des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht.

c) Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verfahrensfehler und dem Schuldspruch kann nicht ausgeschlossen werden. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung vom 11. März 2019 durch Bezugnahme auf eine Erklärung seines Verteidigers zur Sache eingelassen; dem ist die Strafkammer nur zum Teil gefolgt. In den Terminen vom 5. März und 11. März 2019 hat er sich zu seinem Drogenkonsum geäußert. Diese Einlassung hat die Strafkammer als widerlegt angesehen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte anders oder weitergehend zur Tat-, Schuld- und Rechtsfolgenfrage ausgesagt hätte, wenn er den nicht offen gelegten Inhalt der Erörterungen in seiner Abwesenheit gekannt hätte.“

StPO I: Belehrung und Verständigung, oder: Der richtige Belehrungszeitpunkt

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Heute dann mal wieder drei StPO-Entscheidungen, alle drei stammen vom BGH.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 30.03.2021 – 2 StR 383/20. Er nimmt zum „richtigen“ Zeitpunkt für die Belehrung des Angeklagten in Zusammenhnag mit einer Verständigung (§ 257c StPO) Stellung.

Der BGH hatte folgendes Verfahrensgeschehen zu beurteilen:

„Der Vorsitzende teilte ? nach telefonischen Vorgesprächen mit der Staatsanwaltschaft und einem Verteidiger ? in der Hauptverhandlung vom 26. März 2020 als vorläufiges Beratungsergebnis der Strafkammer unter anderem mit, dass die bisherige Beweisaufnahme hinsichtlich des Angeklagten T. gewichtige Indizien ergeben habe, dass dieser eine Tötung nicht billigend in Kauf genommen habe, und zudem keine belastbaren Umstände ersichtlich seien, die für eine jedenfalls konkludente Mittäterschaft des Angeklagten Y. bezüglich der Schüsse des Angeklagten T. sprächen. Am darauffolgenden Sitzungstag gab die Strafkammer einen Verständigungsvorschlag bekannt, mit dem dem Angeklagten T. unter im Einzelnen aufgeführten Bedingungen eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen drei Jahren und drei Jahren und sechs Monaten und dem Angeklagten Y. eine Freiheitsstrafe zwischen zwei Jahren und sechs Monaten und drei Jahren und zudem die Aufhebung der Haftbefehle in Aussicht gestellt wurden. Den Verteidigern und den Angeklagten wurde Gelegenheit gegeben, ihre Verteidigung mit Blick auf den Verständigungsvorschlag einzurichten und sich zum Verständigungsvorschlag zu äußern. In Anbetracht des vom Landgericht zur Bedingung der Verständigung gemachten „angemessenen“ Täter-Opfer-Ausgleichs kam es im weiteren Verlauf der Verhandlung zur Übergabe von 10.000 € an den Nebenkläger, der den ihm in der Hauptverhandlung übergebenen Betrag entgegen- und die Entschuldigung der Angeklagten annahm. Anschließend stimmten beide Angeklagte nach Rücksprache mit ihren Verteidigern sowie die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft der Verständigung zu.

Erst danach belehrte der Vorsitzende die Angeklagten erstmals gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO. Die Verteidiger der Angeklagten gaben sodann eine Erklärung zur Sache ab, die von den Angeklagten jeweils als richtig bestätigt wurden.“

Das Landgericht hat den Angeklagten dann verurteilt. Mit der Verfahrensrüge wird in der Revision eine zu späte Belehrung geltend gemacht. Der BGh sieht das auch so:

„2. Die Rüge ist begründet. Der von den Angeklagten gerügte Rechtsfehler liegt vor. Denn der Vorsitzende der Strafkammer hätte die Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG NStZ 2014, 721; BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2015 ? 4 StR 595/14, NStZ 2015, 358, 359; vom 11. Mai 2016 ? 1 StR 71/16, StV 2018, 111 mwN, und vom 8. November 2018 ? 4 StR 268/18, NStZ 2019, 169).

Die Geständnisse der Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegte Tat auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Hierauf hat die Strafkammer die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass den Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bei Abgabe ihrer Geständnisse bekannt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2019 ? 1 StR 295/19, NStZ-RR 2019, 385), bestehen nicht. Der Umstand, dass die Angeklagten noch vor Abgabe ihrer Geständnisse belehrt worden sind, ändert an dieser Beurteilung nichts (zu dieser Fallkonstellation BGH, Beschluss vom 8. November 2018 ? 4 StR 268/18, NStZ 2019, 169). Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Angeklagten davon ausgegangen sind, an ihre erklärte Zustimmung gebunden zu sein. Eine „qualifizierte“ Belehrung, mit der sie darauf hingewiesen worden wären, dass sie an ihre erklärte Zustimmung nicht gebunden seien und diese folgenlos noch einmal überdenken könnten, ist nicht erfolgt.“

StPO III: Aussetzung der HV nach Verständigung, oder: Bindungswirkung und Belehrungspflicht?

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Und dann als dritte Entscheidung dann noch der BGH, Beschl. v. 17.02.2021 – 5 StR 484/20 -, der auch zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ist.

Gegenstand der Entscheidung ist dann auch noch einmal die Verständigung (§ 257c StPO), und zwar wie folgt: In einem Verfahren wegen Handeltreibens mit BtM ist es in einer ersten Hauptverhandlung zu einer Verständigung nach § 257c StPO gekommen. Im Hinblick darauf hatte der Angeklagte ein den Ankla­gevorwurf vollständig einräumendes Geständnis abgegeben. Da dann ein Schöffe und der richterliche Beisitzer erkrankten, musste diese Hauptverhandlung aus­gesetzt werden. Nach dem Neubeginn der Hauptverhandlung teilte der Vorsit­zende den Inhalt der Verständigung in der HV dahin mit, „dass bei einer glaubhaften und geständigen Einlassung des Angeklagten zu den Anklagevorwürfen eine Ge­samtfreiheitsstrafe zwischen 2 Jahren und 6 Monaten und 2 Jahren und 9 Mona­ten verhängt [werde]. Nach Aussetzung der Hauptverhandlung [sei] die Bindung an diese Verständigung entfallen.“ Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung legte der Angeklagte nunmehr ein Teilgeständnis ab.

Der Angeklagte wird dann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 9 Monaten verurteilt : Dagegen seine, die keinen Erfolg hat.

Der BGH geht davon aus, dass die Bindungswirkung an die Absprache entfallen ist. Die Aussetzung des Verfahrens führe zum Wegfall der Bindungswirkung. Das ergebe sich zwar  nicht aus § 257c Abs. 4 StPO hervor, weil die Aussetzung hier nicht genannt werde. Der Gesetzgeber habe allerdings zum Ausdruck gebracht, dass die Bindungswirkung nach den allgemeinen Grundsätzen entfalle. Danach gelte eine Absprache nur zwischen den Beteiligten – also könnten auch nur die Richter gebunden werden, die den Deal geschlossen haben. Eine Aussetzung führe zu einem Neubeginn des Hauptverfahrens. Darüber sei der Angeklagte auch zu informieren – eine Belehrung darüber hinaus sei aber nicht erforderlich.

Auch hier im Übrigen wegen des Umfangs der Entscheidung nur die Lietsätze, die lauten:

  1. Wird das Verfahren, in dem es zu einer Verständigung ge­kommen war, ausgesetzt, entfällt die Bindung des Gerichts an die Verständigung.
  2. Das aus der Aussetzung resultierende Entfallen der Bin­dungswirkung führt grundsätzlich zur Unverwertbarkeit des im Vertrauen auf den Bestand der Verständigung abgegebe­nen Geständnisses in der neuen Hauptverhandlung.
  3. Eine Pflicht, den Angeklagten zu Beginn der neuen Hauptver­handlung über die Unverwertbarkeit seines in der ausgesetz­ten Hauptverhandlung abgegebenen Geständnisses aus­drücklich („qualifiziert“) zu belehren, besteht nicht, wenn der Angeklagte vor der Verständigung ordnungsgemäß nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war; es genügt, wenn er zu Beginn der neuen Hauptverhandlung darüber informiert wird, dass eine Bindung an die in der ausgesetzten Hauptver­handlung getroffene Verständigung entfallen ist (Abgrenzung zu BGH – 1. Senat – NStZ 2019, 483).

Bei der erwähnten Entscheidung des 1. Strafsenats handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 24.04.2019 – 1 StR 153/19. Wenn man den so liest, hat man schon den Eindruck, dass der 5. Strafsenat ein wenig „eiert“, um nicht dem Großen Seant vorlegen zu müssen.

StPO II: Ausdrückliche Zustimmung der StA in der HV zur Verständigung, oder: Nur konkludent geht nicht

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem BVerfG, Beschl. v. 29.04.2021 – 2 BvR 1543/20. Das hat sich mal wieder zur Verständigung (§ 257c StPO) geäußert.

Anhängig war eine Verfassungsbeschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung. Der BGH hatte die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des LG Lüneburg nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

In dem Verfahren hatte der Kammervorsitzende zu Beginn der Beweisaufnahme einen Verständigungsvorschlag unterbreitet, dem der Angeklagte zustimmte. Die StA gab keine ausdrückliche Zu­stimmungserklärung ab. Auf Grundlage des Verständigungsvorschlags gestand der Angeklagte dann (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO). Das LG hat seinem Urteil die Verständigung zugrunde gelegt. Mit der Revision rügte der Angeklagte dann, die Verständigung sei verfahrensfehlerhaft gewesen. da die StA einer Verständigung nicht ausdrücklich zugestimmt habe. Der BGH hat die Revision mit Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Er ist damit dem Antrag des General­bundesanwalts gefolgt, der es als ausreichend erachtete, dass sich „unzweifelhaft“ eine „eindeutige (konkludente) Zustimmungserklärung“ aus dem im Hauptverhandlungsprotokoll niedergelegten Verfahrensgang ergebe.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es hat sie als unzulässig angesehen, hat aber – als „obiter dictum“ – zur Sache Stellung genommen. Dazu hat es – was m.E. un gewöhnlich ist – umfangreich ausgeführt. So umfangreich, dass ich das Selbstleseverfahren anwende und hier nur den Leitsatz vorstelle:

Die Vorgaben an die Transparenz des Verständigungsverfahrens erfordern, dass Angeklagter und Staatsanwaltschaft einem gerichtlichen Verständigungsvorschlag ausdrücklich – und nicht lediglich konkludent – zustimmen. Nur in Ausnahmefällen wird ein Urteil nicht darauf beruhen, dass das erkennende Gericht bei einer verfahrensrechtswidrig nur konkludent erklärten Zustimmung von einer wirksamen Verständigung ausgegangen ist.

 

StPO II: Verständigung oder „nur“ Erörterung?, oder: Lasst uns über die Strafhöhe sprechen.

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Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 03.12.2020 – 1 Ws 361/20 – hat auch – im weiteren Sinn – mit einer Verständigung (§ 257c StPO) zu tun. Das OLG hat in dem Beschluss nämlich zur Unterscheidung/Abgrenzung der Verständigung (§ 257 c StPO) von einer Erörterung des Verfahrensstandes (§ 257b StPO) Stellung nehmen müssen. Der Angeklagte und der Verteidiger hatten beim AG auf die Einlegung von Rechtsmitteln „verzichtet.Später hat der Angeklagte dann doch Berufung eingelegt. Das LG hat die als unzulässig angesehen, da der vom Beschwerdeführer im Rahmen der Hauptverhandlung erklärte Rechtsmittelverzicht wirksam gewesen sei. In dem protokollierten Austausch der Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung beim AG sei trotz fehlendem Negativtestat im Protokoll keine Verständigung im Sinne des § 257c StPO zu sehen. Die Beteiligten hätten sich lediglich über die Strafhöhe im Falle einer geständigen Einlassung bzw. einer nicht geständigen Einlassung und vollem Tatnachweis ausgetauscht.

Dagegen die sofortige Beschwerde, die beim OLG keinen Erfolg hatte:

„Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Der vom Beschwerdeführer wirksam erklärte Rechtsmittelverzicht steht einer zulässigen Berufungseinlegung entgegen.

Der wirksame Verzicht eines Angeklagten auf ein Rechtsmittel führt zum Verlust des Rechtsmittels. Ein dennoch eingelegtes Rechtsmittel – hier die Berufung – ist sodann unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2019, Az. 3 StR 214/19 in NStZ-RR 219, 318). Die Unwirksamkeit einer solchen Verzichtserklärung kommt dann in Betracht, wenn dem Urteil eine Verständigung im Sinn des § 257c StPO vorausgegangen wäre (§ 302 Absatz 1 Satz 2 StPO), der Angeklagte prozessual handlungsunfähig gewesen wäre und deshalb den Bedeutungsgehalt des Rechtsmittelverzichts verkannt haben könnte, wenn er die Verzichtserklärung irrtumsbedingt aufgrund einer dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft zuzurechnenden Täuschung abgegeben hätte oder wenn der Rechtsmittelverzicht auf einer vom Gericht zu verantwortenden unzulässigen Einwirkung des Gerichts beruhte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2019, a.o.O.). Keiner dieser Voraussetzungen ist vorliegend gegeben.

In dem protokollierten Austausch der Verfahrensbeteiligten über die mögliche Höhe des Strafmaßes lag keine konkludente Verständigung im Sinne des § 257c StPO, sondern es handelte sich um eine Erörterung gemäß § 257b StPO. Nach dem Willen des Gesetzgebers beschränkt sich diese Vorschrift auf kommunikative Elemente, die der Transparenz und Verfahrensförderung dienen, aber nicht auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung, wie sie der § 257c StPO vorsieht, gerichtet sind. Sie trägt dem Gedanken eines transparenten Verfahrensstils in der Hauptverhandlung Rechnung, ohne dass sich der Richter dem Vorwurf der Befangenheit ausgesetzt sehen soll. Gegenstand einer solchen Erörterung kann auch die Angabe einer Ober- und Untergrenze nach gegenwärtigem Verfahrensstand zu erwartenden Strafe durch das Gericht sein (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S.12 f.; BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019, Az. 1 StR 2/19 in NStZ 2019, 684; Beschluss vom 14. April 2015, Az. 5 StR 9/15 in NStZ 2015, 535), ebenfalls kann die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses zur Sprache kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019, Az. 1 StR 2/19 a.a.O.; Az. 3 StR 153/16; Beschluss vom 14. April 2015, Az. 5 StR 9/15 a.o.O.). Eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO kommt hingegen zustande, wenn das Gericht ankündigt, wie die Verständigung aussehen könnte (§ 257c Absatz 3 Satz 1 StPO) und wenn der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft zustimmen (§ 257c Absatz 3 Satz 4 StPO). Kennzeichen der Verständigung ist die synallagmatische Verknüpfung der Handlungsbeiträge der Beteiligten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. April 2016, Az. 2 BvR 1422/15 in NStZ 2016, 422). Voraussetzungen für ihr formwirksame Zustandekommen ist die Zustimmung der Verfahrensbeteiligten (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 13; BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019, Az. 1 StR 169/19 in NStZ 2019, 688). Sie muss – nicht zuletzt wegen der Bindungswirkung – ausdrücklich erfolgen; eine konkludente Erklärung genügt nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019, Az. 1 StR 169/19 a.a.O.; Beschluss vom 7. Dezember 2016, Az. 5 StR 39/16 in NStZ-RR 2017, 87). Vorliegend fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Zustimmung sowohl der Staatsanwaltschaft als auch des Beschwerdeführers. Dies ergibt sich zum einen aus dem Protokoll der Hauptverhandlung, zum anderen auch aus den dienstlichen Stellungnahmen der Prozessbeteiligten und wird vom Vortrag des Beschwerdeführers auch nicht angegriffen. Darüber hinaus genügt der Hinweis des Gerichts auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses – selbst wenn das Gericht wie vorliegend geschehen die Höhe des Strafmaßes eingrenzt und die Beweisaufnahme schon fortgeschritten ist – nicht, um eine gegenseitige Verknüpfung des Geständnisses mit einem bestimmten Strafmaß anzunehmen, wie es die Verständigung nach § 257c StPO vorsieht. Vielmehr ist in der protokollierten Erklärung eine Offenlegung der gerichtlichen Einschätzung des Verfahrenstandes in Bezug auf den bisherigen Verfahrensgang und die möglichen Folgen für das Strafmaß zu sehen, die dem Angeklagten zwar nochmals die Vorteile eines Geständnisses vor Augen führen sollte, aber weder eine unzulässige Drohkulisse aufbaute, noch das Angebot einer das Gericht bindende Verständigung darstellte. Diese Bekanntgabe diente allein der Transparenz und der Verfahrensförderung und war in ihrem Umfang von der Regelung des § 257b StPO gedeckt. Eine versteckte Verständigung im Sinne des § 257c StPO, die einen wirksamen Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen hätte, war hierin nicht zu erkennen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer prozessual handlungsunfähig gewesen sein und deshalb den Bedeutungsgehalt des Rechtsmittelverzichts verkannt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Prozessual handlungsfähig ist, wer aufgrund seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen verständig wahrzunehmen und Prozesshandlungen mit Verständnis und Vernunft auszuführen. In Zusammenhang mit einem Rechtsmittelverzicht ist die Fähigkeit ausschlaggebend, die verfahrensrechtliche Bedeutung des Verzichts zu erkennen. Diese Fähigkeit wird erst durch schwerwiegende psychische oder körperliche Beeinträchtigungen aufgehoben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2019 a.a.O mit Verweis auf Beschluss vom 24. August 2016, Az. 1 StR 301/16 in NStZ-RR 2017, 92 m.w.N). Hinweise auf eine solche Beeinträchtigung sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass er keine Kenntnis über die Bedeutung eines Rechtsmittelverzichts gehabt habe und diese ihm vor der Abgabe der Verzichtserklärung auch nicht erläutert worden sei, genügt dies allein für die Unwirksamkeit einer Verzichtserklärung nicht. Zudem vermag dieser Vortrag im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer ausweislich der Bundeszentralregisterauskunft bereits 27 mal verurteilt wurde und 3 Urteile am Tag der Verkündung in Rechtskraft erwachsen sind – das letzte am 11. April 2017 -, was auf einen entsprechenden Rechtsmittelverzicht in der Hauptverhandlung schließen lässt, auch nicht zu überzeugen.“