StPO I: Umfang und Reichweite der Mitteilungspflicht, oder: Was hat wer mit wem und wie erörtert?

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Und heute einige StPO-Entscheidungen,

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 10.08.2023 – 3 StR 93/23 – zu Umfang und Reichweite der verständigungsbezogenen Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 StPO).

Das LG hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Der Angeklagte hat dagegen Revision eingelegt und gerügt, der Vorsitzende habe gegen seine Pflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 StPO verstoßen, den wesentlichen Inhalt von außerhalb der Hauptverhandlung geführten verständigungsbezogenen Erörterungen mitzuteilen. Die Revision hatte Erfolg.

Der Rüge liegt im Wesentlichen das folgende Verfahrensgeschehen zugrunde: Die Hauptverhandlung wurde auf Anregung der Verteidigung am ersten Sitzungstag unterbrochen, um Verständigungsmöglichkeiten zu erörtern. Bei dem Gespräch sagte der Vorsitzende in Anwesenheit der Beisitzerin, der Schöffen, des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, der beiden Verteidiger und des Angeklagten sinngemäß, für den Fall eines Geständnisses könne die Strafkammer einen Strafrahmen von fünf Jahren und sechs Monaten bis sechs Jahre und sechs Monate zusagen. Er erläuterte dessen Angemessenheit und äußerte, die geständige Einlassung könne auch dazu führen, dass sich die Tat nicht als täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sondern lediglich als Beihilfe hierzu darstelle. Daraufhin erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, er wolle dem genannten Strafrahmen nicht entgegentreten, während die Verteidigung nicht Stellung nahm. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung machte der Vorsitzende Angaben zu dem Gespräch. Die Mitteilung verhielt sich aber nicht zu der Erklärung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft sowie dem Hinweis des Vorsitzenden auf eine etwaige Beihilfestrafbarkeit bei entsprechender geständiger Einlassung. Im nächsten Hauptverhandlungstermin äußerte die Verteidigung, der Angeklagte nehme das Angebot des Gerichts nicht an.

Nach zehn weiteren Sitzungstagen fand auf Anregung der Verteidigung in Unterbrechung der Hauptverhandlung ein weiteres Gespräch statt, das auf die Herbeiführung einer Verständigung gerichtet war. Am darauffolgenden Sitzungstag gab der Vorsitzende bekannt, dass nach dem vorausgegangenen Hauptverhandlungstermin auf Anregung der Verteidigung ein weiteres Gespräch zur Herbeiführung einer verfahrensabkürzenden Absprache zwischen der Strafkammer, den Verteidigern sowie der Staatsanwaltschaft stattgefunden habe und welcher (erhöhte) Strafrahmen dem Angeklagten nunmehr „für ein Geständnis“ als „Ergebnis“ zugesagt worden sei. Die Mitteilung verhielt sich wiederum nicht zu der Erklärung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft sowie zu den Äußerungen der Beteiligten mit Bezug zu einer etwaigen Beihilfestrafbarkeit. Anschließend wurde der Angeklagte über die Voraussetzungen und Folgen einer möglichen späteren Abweichung des Gerichts von der in den Blick genommenen Verständigung belehrt (§ 257c Abs. 5 StPO). Im nächsten Hauptverhandlungstermin äußerte der Angeklagte, einer solchen verfahrensabkürzenden Absprache nicht zuzustimmen, und ließ sich weiter bestreitend zur Sache ein. Zu einer Verständigung kam es auch in der Folgezeit nicht mehr.

Der BGH verweist in seinem Beschluss zunächst darauf, dass der revisionsgerichtlichen Prüfung das vom Angeklagten vorgetragene Verfahrensgeschehen zugrunde zu legen sei. Die behaupteten Vorgänge in der Hauptverhandlung seien insbesondere durch die Sitzungsniederschrift (§ 274 Abs. 1 StPO) und daneben durch die Urteilsurkunde bewiesen. Dem Revisionsvorbringen zu den außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gesprächen stünden weder die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (§ 347 Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO) noch die – vom Senat im Wege des Freibeweises eingeholten – dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden und der Beisitzerin entgegen. Die dienstlichen Erklärungen seien, was der BGH im Einzelnen ausführt zumindest als nicht hinreichend substantiiert zu bewerten, um das Revisionsvorbringen zu den außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gesprächen in Zweifel ziehen zu können.

Und dann führt er zum Umfang und Reichweite der Mitteilungspflicht aus, was sich etwa in folgendem Leitsatz zusammenfassen lässt:

Umfang und Reichweite der verständigungsbezogenen Mitteilungspflicht gebieten, nicht nur mitzuteilen, dass es Erörterungen mit verständigungsbezogenem Inhalt gegeben hat, sondern auch deren wesentlicher Inhalt. Hierzu gehört in der Regel, wer an dem Gespräch teilgenommen hat, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen worden ist, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertreten haben und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen sind.

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