Schlagwort-Archive: Verständigung

StPO I: Die vereinbarte/abgesprochene Unterbringung, oder: Die Unterbringung kann man nicht „vereinbaren“

© FotolEdhar Fotolia.com

So, dann noch einmal in diesem Jahr StPO-Entscheidungen.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 03.12.2020 – 4 StR 541/19 – zum zulässigen Inhalt einer Verständigung (§ 257c StPO). Das LG hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat das LG die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und auch insoweit die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Dagegen die Revision des Angeklagten. Zur Begründung der erhobenen Verfahrensrüge bezieht sich der Angeklagte auf folgendes Verfahrensgeschehen:

„Am ersten Hauptverhandlungstag kam es auf Initiative des Verteidigers zu einem Rechtsgespräch, bei dem das Landgericht nach kammerinterner Beratung für den Fall eines Geständnisses der Angeklagten folgenden Vorschlag unterbreitete: „Sollte sich die Angeklagte zu einem Adhäsionsvergleich mit der Geschädigten über einen Betrag von 4.000,00 Euro bereit erklären, sowie einer stationären Therapie mit engen Auflagen über Beginn, Andauern, Medikation und Beendigung der Therapie nur aufgrund ärztlicher Entscheidung, könnte unter Anordnung einer Bewährungszeit und einer Zeit der Führungsaufsicht über jeweils 4 Jahre sich das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe bis maximal 2 Jahre mit Strafaussetzung zur Bewährung sowie Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB, eine Aussetzung auf [richtig wohl: auch] letzterer Maßregel zur Bewährung, vorstellen. Weitere Geldauflagen kämen bei einer derartigen Gesamtwürdigung nicht in Betracht.“ Die Angeklagte lehnte den Vorschlag zunächst ab, stimmte in der Folge dann einer stationären Therapie und dem Verständigungsvorschlag zu; auch der Verteidiger und der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärten ihre Zustimmung.“

Der BGH hebt auf:

„b) Die zulässig erhobene Rüge ist begründet. Die Verständigung verstößt gegen § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO, weil die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zum Gegenstand der Verständigung gemacht worden ist.

Nach § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO dürfen der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht Gegenstand einer Verständigung sein. Über die bisherige Rechtsprechung hinaus hat der Gesetzgeber nicht nur die Sicherungsverwahrung (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 – 4 StR 325/04, NStZ-RR 2005, 39; Beschluss vom 18. Juni 2008 – 1 StR 204/08, NStZ 2008, 620), sondern sämtliche Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne von § 61 StGB aus den vereinbarungsfähigen Rechtsfolgen herausgenommen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 257c Rn. 9; Jahn/Kudlich in: MüKo-StPO, 1. Aufl., § 257c Rn. 114).

Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war vorliegend Inhalt der Verständigung. Der Wortlaut des der Verfahrensabsprache zugrundeliegenden gerichtlichen Vorschlags lässt insoweit keine Zweifel aufkommen. So hat sich das Landgericht selbst auf die „Gesamtwürdigung“ seines Vorschlags berufen und damit unmissverständlich einen Bezug zwischen den von der Angeklagten erwarteten Prozesshandlungen – dem Abschluss eines Vergleichs im Rahmen des Adhäsionsverfahrens und ihrer Zustimmung zu einer Therapieauflage – einerseits und den im einzelnen dargestellten Rechtsfolgen in ihrer Gesamtheit – also einschließlich einer Maßregelanordnung gemäß § 63 StGB – andererseits hergestellt. Angesichts dieser in dem gerichtlichen Vorschlag eindeutig hergestellten Verknüpfung besteht kein Raum für die Annahme, dass das Landgericht hinsichtlich der Maßregelanordnung lediglich eine vom Prozessverhalten der Angeklagten unabhängige vorläufige Bewertung der Rechtsfolgen abgeben oder – wie der Generalbundesanwalt meint – eine bloße Information über die Rechtsfolgenerwartung erteilen wollte. Vielmehr wurde die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durch ihre Zustimmung zu dem unterbreiteten Vorschlag und ihr nachfolgendes verständigungsbasiertes Verhalten bedingt. Dies ergibt sich auch aus einem Vermerk im Protokoll über den zweiten Hauptverhandlungstag. Danach wurden in dem Verständigungsgespräch sowohl die Dauer der Bewährungszeit als auch diejenige der (bei Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kraft Gesetzes eintretenden) Führungsaufsicht „in Aussicht genommen“. Nachdem sich insoweit aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen eine Änderung ergeben hatte, erklärten sich der Verteidiger, die Angeklagte und der Vertreter der Staatsanwaltschaft „hiermit einverstanden und äußerten, an der Verständigung festzuhalten“.

Da schon die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus einen unzulässigen Verständigungsinhalt darstellt, kann der Senat offenlassen, ob das Verbot des § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO auch für Folgeentscheidungen – wie hier die Aussetzung der Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67b StGB – gilt (vgl. zum Streitstand Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 257c Rn. 9 mwN).“

Tja, steht nun mal so im Gesetz.

Kessel Buntes I: Mitteilung nach der Verständigung, oder: Let`s talk about

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Moin, heute dann hier mal ein wenig „Kessel Buntes“.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 06.10.2020 – 2 StR 262/20. es geht um die Verletzung der Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 StPO) nach (erfolgreichen) verständigungsgesprächen:

Das LG hatte den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung und Freiheitsberaubung und wegen schwerer räuberischer Erpressung izu einer „Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten“ verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hatte mit der Verfahrensrüge, die Mitteilung des Vorsitzenden über ein Verständigungsgespräch genüge nicht den Anforderungen des § 243 Abs. 4 StPO, Erfolg:

„1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Am ersten Hauptverhandlungstag gab der Vorsitzende zwischen Verlesung der Anklage und Belehrung des Angeklagten und der nichtrevidierenden Mitangeklagten bekannt, dass Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO nicht stattgefunden hätten. Sodann baten die Verteidiger um ein Rechtsgespräch im Hinblick auf eine mögliche Verständigung. Der Verfahrensstand wurde „gemäß § 257b StPO“ erörtert. Auf Anregung des Gerichts wurden sodann zunächst die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Mitangeklagten „erörtert“ und der Vertreter der Jugendgerichtshilfe gehört. Um 10.43 Uhr wurde die Hauptverhandlung unterbrochen und das Gericht, der Vertreter der Staatsanwaltschaft und sämtliche Verteidiger zogen sich zu dem erbetenen Rechtsgespräch zurück. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung um 11.44 Uhr gab der Vorsitzende bekannt, „dass Gegenstand des Rechtsgesprächs das Ziel der jeweiligen Verteidiger bzgl. der Rechtsfolge im Verurteilungsfall gewesen sei. Es sei dabei deutlich geworden, dass die Verteidigung der Angeklagten (…) jeweils die Anwendung von Jugendstrafrecht anstrebt und dass die Verteidigung aller Angeklagter eine Aussetzung zu verhängender Strafen zur Bewährung zum Ziel hat. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft habe erklärt, sich am heutigen Tage nicht abschließend äußern zu wollen.“ Die Angeklagten ließen sich im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung teilgeständig ein.

2. Die in zulässiger Weise erhobene Verfahrensbeanstandung hat Erfolg.

a) Das Landgericht hat – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausführt – seine Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 StPO verletzt.

aa) Nach § 243 Abs. 4 StPO, der einerseits dem Schutz der Angeklagten dient, die an Verständigungsgesprächen nicht teilgenommen haben, weil sie gegebenenfalls ihr Verteidigungsverhalten an den Informationen über die gescheiterten Gespräche ausrichten können, andererseits die Verfahrenstransparenz und die damit einhergehende Verfahrenskontrolle durch die Öffentlichkeit sichern will (vgl. BVerfG, NJW 2020, 2461, 2463 Rn. 26 mwN), muss der Vorsitzende über Erörterungen mit Verfahrensbeteiligten, die nach Beginn der Hauptverhandlung, aber außerhalb von dieser stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung Mitteilung machen. Mitzuteilen ist dabei nicht nur der Umstand, dass es solche Erörterungen gegeben hat, sondern auch deren wesentlicher Inhalt. Hierzu gehört regelmäßig die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 f.; BVerfG, NJW 2020, 2461; Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, BGHSt 59, 252; BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2017 – 3 StR 216/16; vom 11. Januar 2018 – 1 StR 532/17, vom 3. März 2020 – 5 StR 36/20). Diese Umstände sind auch im Fall erfolgloser Verständigungsbemühungen mitzuteilen (BVerfG, NJW 2020, 2461 mwN; BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, BGHR StPO § 257c Abs. 1 Erörterungen 1; vom 9. April 2014 – 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417; Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, BGHSt 59, 252, 255).

bb) Diesen Anforderungen genügt die Mitteilung über das mit dem Ziel einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräch nicht. Aus ihr geht nicht hervor, welchen Standpunkt der Vorsitzende oder das Gericht gegenüber den Vorstellungen der Verteidiger eingenommen haben. Selbst wenn der Vorsitzende noch keinen eigenen Standpunkt vertreten hatte, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung ausführt, sich deshalb zunächst einer eigenen Bewertung enthielt und sich nur die Positionen der anderen Verfahrensbeteiligten anhören wollte, wäre dieser Umstand nach § 243 Abs. 4 StPO in der Hauptverhandlung mitteilungsbedürftig gewesen. Angesichts des Zwecks der Mitteilungspflicht, durch die Information des Angeklagten und der Öffentlichkeit Transparenz und Wissensparität im Hinblick auf den Inhalt der Verständigungsgespräche zu schaffen und eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu ermöglichen, ist auch die Information, dass das Gericht zu einem Vorschlag (noch) keinen Standpunkt eingenommen hat, ein wesentlicher und demzufolge mitteilungspflichtiger Umstand (BVerfG, NJW 2020, 2461, 2463 Rn. 35).

b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der Beschwerdeführer bei einer ordnungsgemäßen Information zu einem anderen Verteidigungsverhalten entschlossen hätte und deshalb andere, für ihn günstigere Feststellungen hätten getroffen werden können, mithin das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht (§ 337 StPO).

aa) Zwar hat der Gesetzgeber Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung, zu denen auch die Transparenz- und Dokumentationspflichten gehören, nicht als absolute Revisionsgründe eingestuft, so dass die Revision nur darauf gestützt werden kann, dass das Urteil auf dem Verstoß beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Allerdings ist bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO regelmäßig davon auszugehen, dass das Urteil darauf beruht (vgl. BVerfG, NStZ 2015, 170, 172 mwN; BVerfG, NJW 2020, 2461, 2464 Rn. 37; Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 2 StR 417/18 Rn. 2; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2018 – 1 StR 532/17, NStZ 2018, 363), da sich – bis auf eng begrenzte Ausnahmefälle – nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzmäßigem Vorgehen infolge eines anderen Prozessverlaufs zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

bb) So liegt es auch hier. Angesichts des entstandenen Informationsdefizits und des Umstands, dass sich der Angeklagte teilgeständig eingelassen und das Gericht dieses – unter anderem – seiner Verurteilung zugrunde gelegt hat, vermag der Senat einen von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten Ausnahmefall nicht zu erkennen. Das Informationsdefizit des Angeklagten konnte hier – wie regelmäßig – auch nicht durch eine Unterrichtung durch den Verteidiger ausgeglichen werden, da richterliche und nichtrichterliche Mitteilungen nicht von identischer Qualität sind (vgl. BVerfG, NJW 2020, 2461, 2464 Rn. 38; vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – 2 StR 367/16, NStZ 2017, 244; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, Rn. 20, BGHSt 59, 252; BGH, Beschluss vom 26. November 2019 – 3 StR 336/19, NStZ-RR 2020, 87).

3. Die Sache bedarf daher, soweit der Revisionsführer verurteilt wurde, neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, die Voraussetzungen des § 64 StGB – so dazu weiterhin Anlass besteht – näher in den Blick zu nehmen. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, stünde der Anordnung einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt nicht entgegen; die Nichtanwendung des § 64 StGB ist nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 – 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107).“

StPO II: Mitteilungspflicht beim „Deal“ verletzt, aber: Kein Beruhen

© FotolEdhar Fotolia.com

In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 16.09.2020 – 5 StR 249/20 – geht es mal wieder um die Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO):

Der Erörterung bedarf ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts lediglich die Verfahrensrüge der Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO.

1. Mit dieser Rüge beanstandet die Revision, die Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer habe drei Gespräche mit einem der Verteidiger des Angeklagten, die sie am 3. Juli und 4. Juli 2018 sowie am 9. Januar 2020 mit dem Ziel der Verständigung geführt habe, in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt.

Der Rüge liegt nach dem – in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft unwidersprochen gebliebenen – Vortrag der Revision folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Nach Zustellung der Anklageschrift am 29. Juni 2018 rief die Vorsitzende Richterin am 3. Juli 2018 bei dem Verteidiger Rechtsanwalt S. an. In dem Telefonat teilte sie eine Verlängerung der Erklärungsfrist nach § 201 Abs. 1 Satz 1 StPO bis Ende August 2018 und ihre Einschätzung mit, dass sich die Sache für eine Verständigung eigne und bei streitiger Verhandlung wohl erst ab Januar 2019 terminiert werden könne. Der Verteidiger erklärte, erst mit seinem Mandanten sprechen zu müssen und noch keine belastbare Aussage treffen zu können. Am Folgetag begegneten sich die Vorsitzende Richterin und Rechtsanwalt S. , als dieser auf der Geschäftsstelle des Landgerichts Akteneinsicht nahm. Sie sprach ihn nochmals darauf an, dass er sich melden solle, falls er ein Verständigungsgespräch wünsche. Dabei äußerte sie die Auffassung, dass man die Anklage auf die ersten beiden Anklagepunkte beschränken könne und ein Geständnis aufgrund des Umfanges der Sache außerordentlich strafmildernd sei.

Nach einem Termin zur Verkündung eines gegen den Angeklagten erlassenen Haftbefehls suchte der Verteidiger Rechtsanwalt . S. am 9. Januar 2020 das Dienstzimmer der Vorsitzenden Richterin auf. Sie sprach ihn erneut auf die Möglichkeit einer Verständigung an. Auf seine Erklärung, eine Verständigung käme nur dann in Betracht, wenn der Haftbefehl aufgehoben würde, erwiderte die Vorsitzende, dass sie sich dies vorstellen könne.

Im Hauptverhandlungstermin vom 15. Januar 2020 teilte die Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO mit, dass zwischen den Verfahrensbeteiligten keine verständigungsbezogenen Gespräche geführt worden seien. Sie erklärte weiterhin, Rechtsanwalt Sc. in einem Gespräch Ende 2019, in dem dieser angekündigt habe, sich als weiterer Verteidiger bestellen zu lassen, darauf hingewiesen zu haben, dass im Falle eines Geständnisses des Angeklagten eine geringere Strafe in Aussicht gestellt und eventuell das Verfahren gemäß § 154 StPO bezüglich einzelner Anklagefälle eingestellt werden könne.

Am 5. Februar 2020 kam es auf Anregung des Verteidigers Rechtsanwalt S. zwischen den Verfahrensbeteiligten zu einem Verständigungsgespräch außerhalb der Hauptverhandlung, in dem er darauf hinwies, dass für den Angeklagten die Aufhebung des Haftbefehls Hauptbedingung einer Verständigung sei. Diese Voraussetzung wurde von Seiten des Gerichts und der Staatsanwaltschaft akzeptiert. In der Hauptverhandlung vom 12. Februar 2020 teilte die Vorsitzende den Inhalt des von ihr in der Akte dokumentierten Verständigungsgesprächs mit. Der damit verbundene Verständigungsvorschlag der Wirtschaftsstrafkammer sah unter anderem vor, dass bei einer geständigen Einlassung des Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen vier Jahren und vier Jahren und sechs Monaten verhängt, mehrere Anklagepunkte gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und der Haftbefehl (mit der Urteilsverkündung) aufgehoben werden sollte.

Nachdem in der Hauptverhandlung am 19. Februar 2020 die Belehrung des Angeklagten nach § 257c Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 StPO erfolgt und durch seine Zustimmung und die der Vertreterin der Staatsanwaltschaft die vorgeschlagene Verständigung gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustande gekommen war, ließ sich der Angeklagte am 4. März 2020 geständig ein.

2. Bei dem geschilderten Verfahrensablauf liegt eine Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vor.

Die Mitteilung der Vorsitzenden der Strafkammer, wonach verständigungsbezogene Erörterungen nicht stattgefunden hätten, war unzutreffend. Sie hätte vielmehr über die vor der Hauptverhandlung stattgefundenen Gespräche berichten müssen, soweit deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist. Dies war – anders als in dem ersten Telefonkontakt vom 3. Juli 2018, der organisatorischen Hintergrund hatte und zur Klärung der Terminierungsfrage nur eine unverbindliche Fühlungsaufnahme darstellte – bei den Gesprächen am 4. Juli 2018 und am 9. Januar 2020 der Fall (vgl. zur Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 StPO bei Sondierungsgesprächen BGH, Urteile vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, NStZ 2015, 537, 538; vom 28. Juli 2016 – 3 StR 153/16, NStZ 2017, 52, 53; Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 StR 571/15, NStZ 2016, 743, 744). Denn insoweit war zwar bei beiden Unterredungen ein möglicher Inhalt einer Verständigung noch wenig konkret. Jedoch war die Ablegung eines Geständnisses mit den einer Verständigung zugänglichen Gesichtspunkten einer Beschränkung der Anklagevorwürfe und der Haftfrage verbunden worden.“

Aber: Kein Beruhen:

„3. Der Senat kann indes ein Beruhen des Urteils auf einer Verletzung der Mitteilungspflichten ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO).

Zwar führt ein Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer Verständigung mit der Folge, dass ein Beruhen des Urteils auf dem Gesetzesverstoß regelmäßig nicht auszuschließen ist (BVerfGE 133, 168, 223). Hier kann aber ausnahmsweise unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Verstoßes (BVerfG, NJW 2015, 1235; BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO; Beschlüsse vom 5. August 2015 – 5 StR 255/15, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Mitteilungspflicht 5; vom 24. Juli 2019 – 1 StR 656/18, NStZ 2020, 93, 94) ein Ausschluss des Beruhens angenommen werden. In die wertende Gesamtbetrachtung war insbesondere einzubeziehen, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 12. Februar 2020 durch die Vorsitzende über den Inhalt und das Ergebnis eines auf Anregung seines Verteidigers geführten Verständigungsgesprächs informiert worden war‘ das schließlich Grundlage der Verfahrensabsprache wurde. Der Inhalt dieses Verständigungsgesprächs vom 5. Februar 2020 umfasste auch die in den zuvor am 4. Juli 2018 und 9. Januar 2020 geführten Gesprächen angesprochenen Gesichtspunkte einer Beschränkung der Anklagevorwürfe bzw. der Haftfrage. Der Informationsgehalt jener gleichsam überholten Gespräche ging mithin nicht über den der zur Verfahrensabsprache führenden Erörterung hinaus. Hinzu kommt, dass die Vorsitzende mit ihrem zu Beginn der Hauptverhandlung am 15. Januar 2020 gegebenen Hinweis auf das Ende 2019 mit dem weiteren Verteidiger geführte Gespräch die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit über eine mögliche Beschränkung der Anklagevorwürfe im Falle eines Geständnisses unterrichtet hatte. Daher erscheint es ausgeschlossen, dass ein beim Angeklagten bestehendes Informationsdefizit über Inhalt und Verlauf der Gespräche vom 4. Juli 2018 und 9. Januar 2020 seine Rechtsstellung und seine Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt haben könnte oder sonst der Prozessverlauf aufgrund der stattgefundenen Gespräche beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO; Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 StR 571/15, aaO).

Auch eine Beeinflussung der Entscheidungsfindung durch eine unzureichende Unterrichtung der Öffentlichkeit, deren Informationsbedarf die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zugleich schützt, ist auszuschließen. Denn auch nach dem Revisionsvortrag war der Inhalt der am 4. Juli 2018 und 9. Januar 2020 geführten Gespräche nicht auf die Herbeiführung einer gesetzwidrigen Absprache gerichtet. Eine Beeinträchtigung des Schutzkonzepts der Vorschriften der § 243 Abs. 4, § 273 Abs. 1a und § 257c StPO, durch die sichergestellt werden soll, dass kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wird, drohte nicht (vgl. zu dieser Voraussetzung für einen ausnahmsweise anzunehmenden Beruhensausschluss BVerfGE 133, 168, 223 f.; BVerfG, NJW 2015, 1235, 1237; Beschluss vom 16. Februar 2016 – 2 BvR 107/16; BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO; Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 153 f.; vom 10. Dezember 2015 – 3 StR 163/15; vom 24. Juli 2019 – 1 StR 656/18, aaO, mwN). Vielmehr war auch die Öffentlichkeit durch die am 12. Februar 2020 in der Hauptverhandlung vorgenommene vollständige und zutreffende Mitteilung des Inhalts des Vorgesprächs vom 5. Februar 2020 über sämtliche Essentialia für eine Verfahrensabsprache gemäß § 257c StPO unterrichtet und durch diese Mitteilung sowie durch den Hinweis in der Hauptverhandlung vom 15. Januar 2020 auf die Unterredung der Vorsitzenden mit dem weiteren Verteidiger Ende 2019 auch darüber informiert, dass überhaupt außerhalb der Hauptverhandlung Gespräche über mögliche Verfahrensabläufe stattgefunden haben (vgl. zu diesem Aspekt auch BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO; Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, aaO, S. 155). Demgemäß hat sich die Verständigung trotz der geringfügigen Mitteilungspflichtverletzung in ihrer entscheidenden Gestalt letztlich doch „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbart“ (vgl. BVerfGE 133, 168, 215; BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO).“

StPO II: Verständigung/Absprache, oder: die „defizitäre Unterrichtung über den Inhalt des Verständigungsgesprächs

© Corgarashu – Fotolia.com

Die zweite Entscheidung kommt dann auch vom BGH, und zwar handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – 5 StR 115/20. Der BGH hat noch einmal zur Frage der Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO  – also Mitteilungspflicht – Stellung genommen:

„Dieser Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

1. Nach Verlesung des Anklagesatzes am ersten Hauptverhandlungstag, der Feststellung, dass es bisher keine Verständigungsgespräche gegeben habe, und der Belehrung aller Angeklagten erklärte der Verteidiger des Angeklagten A. in öffentlicher Hauptverhandlung, dass der Angeklagte grundsätzlich zur Äußerung bereit sei, und regte ein Rechtsgespräch auf der Grundlage eines Geständnisses bzw. Teilgeständnisses an, welches die Rechtsfolgen und die Möglichkeit einer Haftverschonung zum Gegenstand haben sollte. Der Strafkammervorsitzende teilte dazu mit, dass er sich keinem Rechtsgespräch verschließe. Für den Angeklagten Ak. erklärte dessen Verteidigerin, dass dieser grundsätzlich zur Äußerung bereit sei, nicht jedoch am ersten Verhandlungstag, da noch keine Gelegenheit zur Einsicht in die Verfahrensakten betreffend den gesondert Verfolgten F. bestanden habe. Die Verteidiger der Mitangeklagten B. und G. teilten mit, dass auch diese grundsätzlich zur Äußerung bereit seien, beim Angeklagten G. hinsichtlich des Zeitpunkts der Einlassung abhängig vom Ergebnis des erwarteten Rechtsgesprächs. Anschließend wurde die Hauptverhandlung zur Durchführung eines Rechtsgesprächs unterbrochen.

An diesem Gespräch nahmen die Verteidiger, der Vorsitzende, die beisitzende Richterin und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft teil. Die Verteidigerin des Angeklagten Ak. führte aus, dass eine Verständigung auf der Grundlage eines umfassenden Geständnisses zu allen Anklagepunkten (Fälle 1 bis 3 und 5) nicht in Betracht komme. Die Vorwürfe in den Anklagepunkten 1 bis 3 werde der Angeklagte Ak. nicht einräumen, insoweit habe sie schon die Nichteröffnung im Zwischenverfahren beantragt. Eine teilgeständige Einlassung zu Fall 5 der Anklage komme möglicherweise in Betracht. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft lehnte eine Verständigung auf der Basis eines Geständnisses nur zu einem Anklagepunkt ab. Voraussetzung für eine Verständigung könne nur ein umfassendes Geständnis zu allen Anklagepunkten sein. Dies wiederum stieß auf Ablehnung bei der Verteidigerin des Angeklagten Ak. .

Der Verteidiger des Angeklagten A. stellte eine teilgeständige Einlassung dieses Angeklagten in Aussicht und erklärte, dass aus seiner Sicht eine Verständigung in Bezug auf den Angeklagten A. möglich erscheine. Der Verteidiger der Angeklagten B. gab keine Erklärung ab. Der Vorsitzende führte aus, dass sich nach seiner Einschätzung die Sache insgesamt eigentlich nicht für eine Verständigung eigne. Ob möglicherweise ein minder schwerer Fall in Betracht komme und in welchen Grenzen sich ein möglicher Strafrahmen bewege, könne er noch nicht einschätzen. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte, dass sie dies ähnlich sehe. Im Übrigen müssten nach ihrer Auffassung sämtliche Haftbefehle aufrecht erhalten bleiben.

Das Gespräch wurde ohne Ergebnis beendet und die Hauptverhandlung anschließend fortgesetzt. Der Vorsitzende berichtete sodann, dass das Rechtsgespräch ohne Ergebnis geblieben sei, weil sich die Sache für eine Verständigung nicht eigne. Eine Beanstandung der Mitteilung erfolgte nicht. Im Sitzungsprotokoll vom 6. September 2019 wurde aufgenommen: „Der Inhalt des Rechtsgesprächs wurde bekannt gegeben.“

Im Hauptverhandlungstermin vom 12. September 2019 gab der Angeklagte Ak. über seine Verteidigerin eine Erklärung zur Sache ab, ohne Nachfragen zuzulassen. Im weiteren Verlauf der Sitzung verlas der Vorsitzende – wie auch im Protokoll vermerkt – einen von ihm am 11. September 2019 gefertigten Vermerk folgenden Inhalts: „Am 6.9.2019 fand in einer Unterbrechung der Hauptverhandlung ein Rechtsgespräch zwischen den beteiligten Berufsjuristen (Verteidiger, Sitzungsvertreter der StA und Berufsrichter) statt. Gegenstand des Rechtsgesprächs war die Möglichkeit einer Verständigung, einer Abtrennung hinsichtl. einzelner Verfahrensbeteiligten und die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Untersuchungshaft. Der Vorsitzende gab seine Einschätzung bekannt, dass bei vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage sich die Sache nicht für eine Verständigung i.S.d. § 257c eignet, eine Abtrennung nicht indiziert und für Maßnahmen bezüglich der Untersuchungshaft v.A.w. keine Veranlassung gegeben sei.“ Auch der Inhalt dieser Mitteilung wurde von keinem der Verfahrensbeteiligten als defizitär beanstandet. Im Fortsetzungstermin am 23. September 2019 ließ sich der Angeklagte Ak. ergänzend zur Sache ein und ließ Nachfragen über seine Verteidigerin zu.“

Und dazu stellt der BGH fest:

2. Bei dieser Verfahrenslage rügt der Angeklagte Ak. im Ansatz zu Recht, dass der Vorsitzende der Strafkammer seiner Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO inhaltlich nicht vollständig Genüge getan hat; den (späten) Zeitpunkt der Mitteilung des Vermerks rügt er hingegen nicht.

a) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende des Gerichts mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a , 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung ( § 257c StPO ) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu deren Beginn ergeben haben. Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 –

b) Diesen Anforderungen genügte die Mitteilung des Strafkammervorsitzenden – auch mit dem Inhalt des am 12. September 2019 verlesenen Vermerks – nicht vollständig, weil danach insbesondere offenblieb, welche Standpunkte die am Gespräch beteiligten Verteidiger und die Staatsanwältin vertreten haben.“

Aber:

„3. Der Senat schließt jedoch aus, dass das Urteil auf diesem Verfahrensverstoß beruht ( § 337 An Teilgeständnis aber strafmildernd berücksichtigt.“

Was der BGh immer so alles „ausschließen“ kann 🙂 .

Beweiswürdigung und Verständigung mit Mitangeklagten, oder: Man muss Inhalt und Zustandekommen der Absprache kennen

© FotolEdhar Fotolia.com

Und als zweites Posting des Tages dann etwas vom BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 29.01.2020 – 1 StR 471/19. Thematik: Beweiswürdigung in den Fällen, in denen eine Verständigung eine Rolle spielen kann:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte und die Mitangeklagten vereinbart, dem Geschädigten P. im Jugendtreff “ “ in N. bei einem Betäubungsmittelgeschäft über 150 g Marihuana die Betäu- bungsmittel ohne Bezahlung und zudem das von P. üblicherweise in einer Bauchtasche mitgeführte Bargeld wegzunehmen. Im Rahmen der Tatausführung zogen sowohl der Angeklagte als auch der Mitangeklagte C. jeweils ein Messer mit einer Klingenlänge von mindestens 9 cm, um den Tatplan umzusetzen. Nachdem sie P. gewaltsam festgehalten hatten und dabei auch in den Besitz der Bauchtasche mit 700 Euro Bargeld gelangt waren, ergriffen sie – der Angeklagte W. mit der Bauchtasche, der Mitangeklagte C. mit den 150 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 5 % THC – die Flucht. Der Mitangeklagte T. half durch seine Anwesenheit, die Drohwirkung des Auftretens des Mitangeklagten C. und des Angeklagten gegenüber der Gruppe um P. zu ver- stärken.

Nachdem gegen P. und die von ihm benannten Zeugen Ermittlungsverfahren eingeleitet worden waren, machten sowohl P. als auch die zum Tathergang vernommenen Zeugen überwiegend von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch. Vom Tatgeschehen hat sich das Landgericht im Wesentlichen auf der Grundlage der insoweit deckungsgleichen Geständnisse der Mitangeklagten C. , T. und B. überzeugt. Im Hinblick auf deren Angaben hält das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, er sei zwar am Tatort anwesend gewesen, habe aber weder selbst ein Messer mit sich geführt noch vom Messer des C. gewusst, für widerlegt. Dem Urteil lag eine Verständigung im Sinne von § 257c StPO mit den Mitangeklagten C. , T. und B. zugrunde, deren Inhalt in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt wird (UA S. 4).

2. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg; die seinen Tatbeitrag betreffende Beweiswürdigung ist lückenhaft und hält deshalb sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Sofern Inhalt und Begleitumstände einer Verständigung – wie etwa bei einer Verständigung mit einem Mitangeklagten – für die Beweiswürdigung relevant sein können, ergibt sich die Notwendigkeit einer Berücksichtigung in der Hauptverhandlung stattgefundener Verständigungsgespräche bereits aus § 261 StPO (BGH, Beschluss vom 6. März 2013 – 5 StR 423/12, BGHSt 58, 184 Rn. 14). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss deshalb bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten, die Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache waren, die Glaubhaftigkeit der Geständnisse in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise gewürdigt werden. Dazu gehört insbesondere die Erörterung des Zustandekommens und des Inhalts der Absprache. Nur bei einer Darlegung der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Geständnisses und des Inhalts der Absprache in den Urteilsgründen ist es dem Revisionsgericht möglich, die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben durch den Tatrichter auf Rechtsfehler zu überprüfen, insbesondere ob dem Tatrichter bewusst war, dass sich der geständige Angeklagte durch ein Nichtgeständige zu Unrecht belastendes Geständnis möglicherweise lediglich eigene Vorteile verschaffen wollte (BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2003 – 1 StR 464/02 Rn. 19, BGHSt 48, 161, 168; vom 8. Dezember 2005 – 4 StR 198/05 Rn. 50; vom 6. November 2007 – 1 StR 370/07, BGHSt 52, 78 Rn. 19; vom 6. März 2013 – 5 StR 423/12, BGHSt 58, 184 Rn. 14 f.).

b) Da das angefochtene Urteil lediglich den Umstand einer mit den Mitangeklagten getroffenen Verständigung im Sinne von § 257c StPO nennt, aber weder etwas vom Inhalt der Absprache mit den Mitangeklagten noch zu ihrem Zustandekommen mitteilt (UA S. 4), genügt die Beweiswürdigung den genannten Darlegungsanforderungen nicht und ist daher lückenhaft. Einer näheren Darlegung der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Geständnisse hätte es schon deshalb bedurft, weil die Geständnisse der Mitangeklagten nur im Kerngeschehen übereinstimmend waren, insbesondere hinsichtlich der Verteilung der Beute jedoch voneinander abwichen (UA S. 15 f.).

Soweit die Revision beanstandet, der sich nicht aus den Urteilsgründen ergebende Umstand, dass die Verständigung mit den Mitangeklagten für den Fall eines Geständnisses jeweils Jugendstrafen mit Strafaussetzung zur Bewährung beinhaltete, sei im Rahmen der Beweiswürdigung nicht erörtert worden, liegt darin eine verfahrensrechtlich zulässig gerügte Verletzung des § 261 StPO in Form einer Inbegriffsrüge (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. März 2013 – 5 StR 423/12, BGHSt 58, 184 Rn. 14 f.), die aus den genannten Gründen ebenfalls durchgreifen würde.

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil zum Nachteil des Angeklagten auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht. Zwar hat der Angeklagte hinsichtlich seiner Tatbeteiligung ein Teilgeständnis abgelegt. Jedoch hat das Landgericht die Überzeugung von der Verwendung eines Messers durch den Angeklagten, die dieser in Abrede gestellt hat, im Wesentlichen auf die Angaben der Mitangeklagten gestützt. Sowohl den Schuldspruch des besonders schweren Raubes (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) als auch denjenigen des Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) hat das Landgericht mit dem Messereinsatz des Angeklagten begründet. Soweit das Landgericht seine Überzeugung von der Verwendung eines Messers ergänzend auch auf die Angaben des Geschädigten P. bei seiner Anzeigeerstat- tung gestützt hat, kann dies ein Beruhen des Urteils auf der lückenhaften Beweiswürdigung nicht ausschließen. Denn nach den Feststellungen des Landgerichts hatte P. , der in der Hauptverhandlung von seinem Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch machte, bei der Anzeigeerstattung den Sachverhalt teilweise falsch dargestellt und – um sein eigenes Betäubungsmitteldelikt zu verschleiern – zudem verheimlicht, dass die Täter von ihm auch Drogen erbeutet hatten (UA S. 3 f.).