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OWi I: Leivtec XV 3 ist nicht mehr standardisiert, oder: OLG Hamm stellt auch ein

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So, heute dann noch einmal/wieder OWi-Entscheidungen.

Zunächst noch einmal Leivtec XV 3, und zwar im OLG Hamm, Beschl. v. 16.09.2021 – 1 RBs 115/21. Das OLG hat ein Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung eingestellt.

„Der Senat hält eine Einstellung des Verfahrens gemäߧ 47 Abs. 2 OWiG, zu der die Generalstaatsanwaltschaft und die Betroffene bzw. ihr Verteidiger angehört worden sind, aus den nachfolgenden Gründen für sachgerecht:

Der Senat schließt sich der Bewertung der Oberlandesgerichte Oldenburg (Beschlüsse vom 20.04.2021 – 2 Ss (OWi) 92/21 -, vom 19.07.2021 – 2 Ss (OWi) 170/21 -, und vom 26.08.2021 – 2 Ss (Owi) 199/21 -, jeweils veröffentlicht bei juris), Celle (Beschluss vom 18.06.2021 — 2 Ss (OWi) 69/21-, juris) und Stuttgart (Beschluss vom 10.06.2021 — 6 Rb 26 Ss 133/21 -, beck-online) an, dass es sich bei einer Geschwindigkeitsmessung mit einem Messgerät vom Typ Leivtec XV3 angesichts der von der PTB bestätigten unzulässigen Messwertabweichungen in speziellen Konstellationen (vgl. hierzu: Zwischenstand im Zusammenhang mit mutmaßlichen Messwertabweichungen beim Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Leivtec XV3, Stand: 27.05.2021, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, D01: 10.7795/520.20210527 und Abschlussstand im Zusammenhang mit unzulässige Messwertabweichungen beim Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Leivtec XV3, Stand: 09.06.2021, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, D01: 10.7795/520.20210609) insgesamt nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt. Die hiervon abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig vom 17. August 2021 (II OLG 26/21, juris), in welcher die fortbestehende Qualifizierung der Messgeräte vom Typ Leivtec XV3 als standardisiertes Messverfahren primär damit begründet wird, dass bei Messungen mit Fahrzeugen, die – wie in den Versuchsreihen der PTB – mit Reflektoren im Innenraum versehen sind, unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse – wenn auch ggf. mit Werten, die nicht der gefahrenen Geschwindigkeit entsprächen – zu erwarten seien, überzeugt nicht. Insofern wird auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26.08.2021 (2 Ss (Owi) 199/21, juris) verwiesen, der sich mit der zeitlich vorausgegangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig ausführlich und für den Senat überzeugend auseinandersetzt.“

Die Kostenentscheidung, die lautete:

 „Im Rahmen der Kostenentscheidung hat der Senat gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 4 StPO davon abgesehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen der Betroffenen aufzuerlegen, da der Tatnachweis im Hinblick auf die Höhe der der Betroffenen zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung nach wie vor unter Einholung eines Sachverständigengutachtens geführt werden könnte. „

ist m.E. Murks.

OWi II: Inhalt der Urteilsgründe bei Poliscan-Messung, oder: Ausführungen zur „Behelfslinie“ erforderlich?

Im zweiten Posting des Tages zu dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.08.2021 – IV-2 RBs 145/21 – geht es auch um ein Messverfahren,  und zwar um Poliscan, das ja lange in der Diskussion war und immer wieder in der Diskussion ist. So auch in diesem Beschluss, in dem es noch einmal um den Inhalt der Urteilsgründe geht.

Der Betroffene ist auf der Grundlage einer Poliscan-Messung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Er beanstandet den Inhalt der Urteilsgründe als zu knapp. Ohne Erfolg beim OLG:

„2. Die Sachrüge bietet keinen Anlass, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Der Fall wirft sachlich-rechtlich keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und abstraktionsfähige Rechtsfrage von praktischer Bedeutung auf.

In der Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem Laserscanner PoliScan um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. zu dem hier verwendeten Gerätetyp PoliScan M1 HP: OLG Braunschweig BeckRS 2017, 160492; OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 5104; KG Berlin BeckRS 2020, 31900).

Die Beanstandung des Betroffenen, das angefochtene Urteil enthalte keine Ausführungen zu der „Behelfslinie“, ist nicht entscheidungserheblich.

Mit der ungebräuchlichen Bezeichnung „Behelfslinie“ meint der Betroffene offenbar die zum Grafikteil des Falldatensatzes gehörende Hilfslinie (vgl. Nr. 9.2 der Gebrauchsanweisung, Software-Version 3.7.4). Neben dem bekannten trapezförmigen Auswerterahmen enthält der Grafikteil bei Geschwindigkeitsverstößen zusätzlich eine Hilfslinie, die einem Maßstab der Breite 0,5 m entspricht. Dieser Wert kommt der Standardbreite von 0,52 m nahe, die ein einzeiliges Kfz-Kennzeichen aufweist (Abschnitt 1 Nr. 1 lit. a der Anlage 4 zur FZV).

Die in das Messfoto eingeblendete Hilfslinie visualisiert die Abtastebene durch das Messsignal, d. h. die Hilfslinie stellt die Mittelebene des sich aufweitenden Lasers optisch dar (vgl. PTB-Mitteilungen 2019, Heft 2, S. 79 u. 82; Smykowski NZV 2018, 358, 359).

Nach Nr. 9.5 der Gebrauchsanweisung müssen folgende Auswertekriterien erfüllt sein, um die im Datenfeld angezeigte Geschwindigkeit dem im Auswerterahmen positionierten Fahrzeug zuzuordnen:

– Bei Frontmessung müssen sich zumindest teilweise ein Vorderrad und/oder das Kennzeichen des Fahrzeugs innerhalb des Auswerterahmens befinden.

– Weitere Verkehrsteilnehmer, die sich auf der gleichen oder einer unmittelbar benachbarten Fahrspur in gleicher Fahrtrichtung bewegen, dürfen innerhalb des Auswerterahmens auch nicht teilweise zu sehen sein.

– Die Unterseite des Auswerterahmens muss sich unterhalb der Räder befinden.

Diese Auswertekriterien sind nach den getroffenen Feststellungen vorliegend uneingeschränkt erfüllt. Dies konnte der Senat anhand des Messfotos, auf das in dem Urteil wegen der Einzelheiten verwiesen worden ist (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO), durch eigene Anschauung nachvollziehen. Anzumerken ist, dass auf dem Messfoto allein das Fahrzeug des Betroffenen zu sehen ist, und zwar beim Befahren der mittleren Fahrspur der Autobahn.

Ausführungen zu der Position der Hilfslinie bedurfte es bei dieser eindeutigen Sachlage in den Urteilsgründen nicht. Die Gebrauchsanweisung sieht bei der Zuordnung des Fahrzeugs eine zusätzliche Heranziehung der Hilfslinie auch nicht vor. Die unabhängig von dem Auswerterahmen generierte Hilfslinie kann für eine zweifelsfreie Zuordnung allenfalls bei der Abbildung von zwei oder mehr Fahrzeugen in gleicher Fahrtrichtung von Bedeutung sein.

Im Übrigen ist die Hilfslinie entgegen dem Vorbringen des Betroffenen auch auf dem Messfoto (Bl. 1 untere Hälfte) erkennbar. Sie befindet sich knapp unterhalb der oberen Kante des Kühlergrills, wobei sich die hell eingeblendete Hilfslinie deutlich von dem dunklen Kühlergrill abhebt. Die Breite der Hilfslinie entspricht wie vorgesehen ca. der Breite des Kfz-Kennzeichens. Durch die Verweisung auf das Messfoto sind die dort ersichtlichen Einzelheiten der Abbildung, hier also auch die Position der Hilfslinie an der Fahrzeugfront, Bestandteil der Urteilsgründe.“

OWi I: Leivtec XV3 (auch) in Bayern nicht standardisiert, oder: Wunder gibt es immer wieder

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Und heute hier dann mal wieder OWi-Entscheidungen.

Zunächst ein Beschluss aus Bayern vom BayObLG. Es ist ja (leider) selten, dass man vom BayObLG überrascht wird, hier ist den Bayern mit dem BayObLG, Beschl. v. 12.08.2021 – 202 ObOWi 880/21 – aber mal gelungen. Man glaubt es kaum: Leivtec XV§ ist auch in Bayern derzeit nicht standardisiert. Es gibt also keine bayerische Sonderanfertigung, wie z.B. in Schleswig-Holstein. Und das Ganze ohne viel Wenn und Aber:

„Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache, weil das angefochtene Urteil deshalb an einem durchgreifenden sachlich-rechtlichen Feststellungs- und Darstellungsmangel im Sinne von § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO leidet, als das Amtsgericht mit Blick auf die für den Schuldspruch relevante tatrichterliche Überzeugung vom Vorliegen der für den Tatnachweis unabdingbaren messtechnischen Urteilsgrundlagen zu Unrecht hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät ‚Leivtec XV3‘ von einem ‚standardisierten Messverfahren‘ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgegangen ist (grundlegend BGH, Beschl. v. 19.08.1993 – 4 StR 627/92 = BGHSt 39, 291, 297 ff. = MDR 1993, 1107 = VM 1993, Nr 107 = NJW 1993, 3081 = ZfSch 1993, 390 = NStZ 1993, 592 = NZV 1993, 485 = DAR 1993, 474 = DRiZ 1994, 58 und Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97 = BGHSt 43, 277, 282 f. = NJW 1998, 321 = NZV 1998, 120 = DAR 1998, 110 = BGHR StPO § 267 Abs 1 S 1 Beweisergebnis 11 = VerkMitt 1998, Nr 40 = VRS 94 [1998], 341).

Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Stuttgart (OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.06.2021 – 6 Rb 26 Ss 133/21 = BeckRs 2021, 14050), Celle (OLG Celle, Beschl. v. 18.06.2021 – 2 Ss [OWi] 69/21 bei juris) und Oldenburg (OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.07.2021 – 2 Ss [OWi] 170/21 bei juris) an.

Jedenfalls gegenwärtig kann hinsichtlich des eingesetzten Messgeräts ‚Leivtec XV3‘ nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden.

Das Messgerät bietet nach den Erkenntnissen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (vgl. ‚Abschlussstand im Zusammenhang mit unzulässigen Messwertabweichungen beim Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Leivtec XV3‘ [Stand: 09.06.2021/Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin – DOI: 10.7795/520.20210609]) nicht mehr die Gewähr dafür, dass es bei Beachtung der Vorgaben für seine Bedienung zu hinreichend zuverlässigen Messergebnissen kommt. Vielmehr haben die Überprüfungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ergeben, dass es bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät zu unzulässigen Messwertabweichungen auch zu Ungunsten Betroffener u.a. wegen des Auftretens sog. ‚Stufeneffekte‘ bzw. Stufenprofil-Fehlmessungen (vgl. hierzu näher Kugele/Gut/Hähnle VKU 2021 [Heft 3], 88 ff.) kommen kann und deshalb nicht länger von einem vereinheitlichten technischen Verfahren auszugehen ist, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.“

Wunder gibt es eben doch immer wieder.

Nachtrag I: Leivtex XV 3 ist doch nicht standardisiert, oder: Die Bayern des Nordens spinnen

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In die 35. KW. geht es dann heute – vor der Rätsellösung – mit zwei Postings, die ein Nachtrag zu Entscheidungen/Problemen sind, über die ich schon berichtet habe.

Den Anfang mache ich mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.08.2021 – 2 Ss (OWi) 199/21. Der gehört zur Diskussion um die Verwertbarkeit von Messungen mit Leivtex XV3, über die ich ja schon mehrfach berichtet habe. Zuletzt habe ich dazu den OLG Schleswig, Beschl. v. 17.08.2021– II OLG 26/21 – vorgestellt (OWi I: Leivtex XV 3 ist doch noch standardisiert, oder: Die Bayern der Nordens/das OLG Schleswig meldet sich). Das OLG hat die Messungen nach wie vor als verwertbar angesehen. Anders als zuvor das OLG Celle und das OLG Oldenburg.

Zu dem OLG Schleswig, Beschl. v. 17.08.2021– II OLG 26/21 – hat dann inzwischen sehr schnell das OLG Oldenburg in dem Beschl. v. 26.08.2021 ablehnend Stellung genommen:

„Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht argumentiert primär damit, dass ein standardisiertes Messverfahren nach wie vor vorliege, da bei Messungen mit Fahrzeugen, die mit Reflektoren im Innenraum versehen seien, unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse – wenn auch ggf. mit Werten, die nicht der gefahrenen Geschwindigkeit entsprächen – zu erwarten seien.

Der Senat hält schon die Anknüpfung, die das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht vornimmt, für unzutreffend. Es kann nämlich nicht darauf ankommen, ob bei Fahrzeugen, bei denen sich Reflektoren im Innenbereich befinden, regelmäßig die gleichen Messergebnisse erzielt werden. Entscheidend ist vielmehr, dass Fahrzeuge, die mit der Geschwindigkeit „X“ an einem Messgerät vorbeifahren, identische Messergebnisse („X“ +/- Toleranz) hervorrufen, unabhängig davon, ob sie im Innenraum reflektierende Flächen aufweisen oder nicht. Das ist aber nicht immer der Fall.

Im Übrigen löst das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Begriff des standardisierten Messverfahrens nach Auffassung des Senats in unzulässiger Weise von einer Richtigkeitsvermutung für derartige Messverfahren. Der BGH (St 39, 291, Rn. 28 bei juris) hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass eine absolute Genauigkeit von Geschwindigkeitsmessgeräten nicht möglich sei, der Tatrichter dem vielmehr durch die Zubilligung von Messtoleranzen Rechnung tragen müsse. Das bedeutet aber, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass unter Berücksichtigung derartiger Messtoleranzen zutreffende Ergebnisse zu erwarten sind. Das ist aber nach den Feststellungen der PTB nicht in allen Konstellationen so.

Soweit das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in seiner Entscheidung die Erwartung äußert, der Hersteller werde die Benutzer anweisen, Messungen die nach den Feststellungen der PTB fehlerbehaftet sein könnten, zukünftig nicht mehr vorzunehmen bzw. zu verwerten, ist diese Annahme unzutreffend. Die Firma Leivtec hat nämlich bereits am 05.07.2021 in einem Schreiben an ihre Kunden mitgeteilt, dass sie keinen Antrag auf Ergänzung der Bedienungsanleitung stellen werde.

Wenn das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht darauf verweist, dass die PTB die Bauartzulassung nicht zurückgenommen habe, beruht dies darauf, dass der PTB seitens des Herstellers mitgeteilt worden ist, dass dieser nicht beabsichtige, neue Geräte auf den Markt zu bringen. Wie die PTB dem Senat am 20. August 2021 mitgeteilt hat, sieht sie jedoch keine Möglichkeit, die Verwendung im Markt befindlicher Geräte zu unterbinden. Insoweit hätte eine Zurücknahme der Bauartzulassung keinerlei unmittelbare Auswirkung gehabt. (Zur Zeit der Geltung von § 25 a EO-AV hätte die Möglichkeit des Widerrufs der Zulassung bestanden)

Der Hinweis des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes auf mit (speziellen) Reflektoren im Innenraum präparierte Fahrzeuge könnte den Eindruck erwecken, derartige Reflektoren seien in der Praxis praktisch irrelevant. Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei den Reflektoren um Warnwesten gehandelt hat, wie sich aus dem Verweis des Abschlussstandes der PTB vom 9.6.2021 auf die Veröffentlichung von Kugele, Gut und Hähnle ergibt.

III.

Soweit der Senat in seinem oben genannten Beschluss vom 19.07.2021 ausgeführt hat, dass nach dem Abschlussbericht der PTB eine generelle Einstellung von Verfahren, bei denen die Geschwindigkeit mit dem Gerät Leivtec XV3 gemessen wurde, nicht mehr in Betracht komme, wird daran festgehalten. Da im vorliegenden Fall jedoch die Entscheidung des Amtsgerichtes bereits vom 14.01.2021 datiert, somit zu einem Zeitpunkt, bevor der Senat die Amtsgerichte erstmalig auf die „Leivtec-Problematik“ aufmerksam gemacht hat, kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht in Betracht. Der Senat schließt aus, dass das Amtsgericht nach seinen – des Senats- veröffentlichten Entscheidungen weiterhin von einem standardisierten Messverfahren ausgeht.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde mit anschließender Übertragung der Sache auf den Senat zur Ermöglichung einer Divergenzvorlage zum BGH kommt ebenfalls nicht in Betracht, da sich schon die tatsächliche Grundlage des vorliegenden Falles von der Konstellation des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes unterscheidet. Hier ist nämlich das Fahrzeugkennzeichen im Messung-Start-Foto vom Messfeldrahmen nur teilweise umfasst, sodass einer der Fälle vorliegt, in denen seitens der PTB unzulässige Messwertabweichungen festgestellt worden sind. Darüber hinaus liegt auch insoweit eine abweichende Tatsachengrundlage vor, als der Hersteller -wie ausgeführt-gerade keine Anpassung der Gebrauchsanweisung vornehmen wird.

Außerdem scheint das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht davon auszugehen, dass es ausschließlich in den von der PTB genannten Fällen zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen könne. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19.07.2021 ausgeführt hat, gibt die PTB dafür aber keine „Garantie“.“

OWi I: Leivtex XV 3 ist doch noch standardisiert, oder: Die Bayern der Nordens/das OLG Schleswig meldet sich

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Heute dann mal wieder ein wenig OWi.

Zunächst noch einmal Messverfahren Leivtec XV3. Dieses Messverfahren und seine Verwertbarkeit sind ja seit einiger Zeit in der Diskussion. Inzwischen haben ja zwei OLG sich dahin geäußert, dass das Verfahren der nicht als standardisiert anzusehen sind, und zwar auch nach Abschluss der Untersuchungen durch die PTB (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.07.2021 – 2 Ss (OWi) 170/21 und OLG Celle, Beschl. v. 18.06.2021 – 2 Ss (OWi) 69/21). Das hat das OLG Celle dann im OLG Celle, Beschl. v. 05.07.2021 – 2 Ss (Owi) 153/21 – noch einmal bestätigt, wobei allerdings die Kostenentscheidung des Beschlusses m.E. falsch ist.

Soweit, so gut. Oder auch nicht. Denn wer gedacht hatte, dass die OLG das einheitlich sehen, der hat sich geirrt. Jetzt haben sich nämlich die „Bayern des Nordens“ 🙂 – das OLG Schleswig zu Wort gemeldet. Und die machen es – wie m.E. so häufig – im OLG Schleswig, Beschl. v. 17.08.2021– II OLG 26/21 – anders. Hier nur die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Die Tatsache, dass bei einem bisher als „standardisiertes Messverfahren“ der Geschwindigkeit anerkanntem Messverfahren ein besonderer Messaufbau unzutreffende Messergebnisse liefert, spricht nicht gegen die Annahme eines sogenannten standardisierten Messverfahrens, wenn bei gleichem Versuchsaufbau stets gleiche Messergebnisse erzielt werden.
  2. Bei dem Messverfahren mit dem Gerät Leivtec XV3 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren auch unter Berücksichtigung des Abschlussberichts der Überprüfungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt vom 9. Juni 2021.

M.E. falsch. Aber natürlich – den Mut hat man nicht:

„Der Senat sieht sich nicht gehalten, die Sache dem Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG vorzulegen, da der Senat nicht von der zitierten einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Definition eines standardisierten Messverfahrens und zu den Anforderungen an die Feststellungen des Tatrichters abweicht.“

Das ist die Lieblingsbegründung, vornehmlich des OLG Bamberg, um eine Vorlage an den BGH zum umgehen. Ich sage doch: „Bayern des Nordens.