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Gebührenanspruch des Terminsvertreters des Pflichti, oder: Volle Vergütung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG

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Und dann am Freitag wie immer/meist etwas zum Gebührenrecht. Und da haben wird dann heute noch einmal zwei Entscheidungen zum Gebührensanspruch des Terminsvertreters des Pflichtverteidigers. Das ist sicherlich mit eins der Themen, die die Rechtsprechung im RVG betreffend das Strafverfahren derzeit mit am häufigsten beschäftigt. Da wäre es m.E. mal an der Zeit, dass das BMJ tätig wird und die Frage regelt. Aber: Was bekommt das BMJ schon geregelt?

Ich beginne mit LG Kiel, Beschl. v. 13.05.2024 – 2 KLs 590 Js 56426/20 jug. Da war der Rechtsanwalt dem Beschuldigten für einen von vier Hauptverhandlungstagen als Terminsvertreter des (verhinderten) Pflichtverteidigers beigeordnet worden. Das LG hat auch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG für den Terminsvertreter festgesetzt.

„Der Erinnerungsführer hat einen Anspruch auf die mit dem Festsetzungsantrag vom 20.07.2023 begehrte Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 176,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Eine solche Gebühr entsteht für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall mit der Übernahme des Mandats und deckt alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten ab. Nach Auffassung der Kammer ist diese Gebühr bei Rechtsanwalt pp. mit der Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins am 14.07.2023 anstelle von Rechtsanwalt H. mit entsprechender Beiordnung angefallen.

Die Frage der Vergütung eines Pflichtverteidigers, der anstelle des an einzelnen Hauptverhandlungstagen verhinderten Pflichtverteidigers wie hier beigeordnet wird, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird angenommen, dass dieser sog. „Terminsvertreter“ nur die Terminsgebühr erhalte, weil er lediglich als Vertreter des die Verteidigung insgesamt führenden Pflichtverteidigers beigeordnet worden sei und der Vertreter für die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins keine höhere Vergütung beanspruchen könne als es der vertretene Pflichtverteidiger hierfür könne (so etwa KG Berlin, Beschluss v. 18.02.2011 – 1 Ws 38/09, Rn. 4 f.; OLG Brandenburg, Beschluss v. 25.08.2009 – 2 Ws 111/09; OLG Celle, Beschluss v. 25.08.2006 – 1 Ws 423/06; OLG Dresden, Beschluss v. 05.09.2007 – 1 Ws 155/07; Kroiß, in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG VV 4100, Rn. 20). Nach anderer Ansicht stehe dem weiteren Pflichtverteidiger für die „Terminsvertretung“ hingegen eine volle Vergütung nach Abschnitt 1 des Teiles 4 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG zu, die auch die Grundgebühr für die (notwendige) Einarbeitung in den Fall umfasse (so etwa: OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.10.2008, III – 1 Ws 318/08; OLG Hamm, Beschluss v. 23.03.2006 – 3 Ws 586/05; OLG Jena, Beschluss v. 14.04.2021 – (S) AR 62/20, Rn. 18, OLG Karlsruhe, Beschluss v. 16.07.2008 – 3 Ws 281/08, NJW 2008, 2935; OLG Köln, Beschluss v. 26.03.2010 – 2 Ws 129/10; OLG München, Beschluss v. 23.10.2008 – 4 Ws 140/08, Beschluss v. 27.02.2014 ¬4c Ws 2/14; OLG Nürnberg, Beschluss v. 13.11.2014 – 2 Ws 553/14; Burhoff, in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4100 VV Grundgebühr, Rn. 10; Felix, in: Toussaint, Kostenrecht, 54. Auflage 2024, Vorbemerkung 4.1, Rn. 15; Knaudt, in: BeckOK RVG, 63. Edition, Stand: 01.03.2024, RVG VV Vorbemerkung 4, Rn. 19 ff.). Dieser letztgenannten Ansicht schließt sich die Kammer an.

Der Erinnerungsführer war für den Hauptverhandlungstag vom 14.07.2023 uneingeschränkt als Pflichtverteidiger beigeordnet mit allen daraus folgenden Rechten und Pflichten. Bei der Tätigkeit von Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger für den 14.07.2023 handelte es sich trotz der zeitlichen Beschränkung auf einen Verhandlungstag nicht um eine Einzeltätigkeit im Sinne der Nr. 4301 VV RVG, die eine geringere Vergütung als bei einer „Vollverteidigung“ rechtfertigen würde. Rechtsanwalt pp. ist dem Angeklagten zwar nicht insgesamt in dem Verfahren als Pflichtverteidiger bestellt worden, sondern nur für den einzelnen Termin am 14.07.2023, während im Übrigen weiterhin Rechtsanwalt H. als Verteidiger beigeordnet war. Gleichwohl stellt diese „Terminsvertretung“ keine Einzelaufgabe aus dem Arbeitsbereich des Verteidigers dar. Die Strafprozessordnung kennt keine Beiordnung eines Verteidigers lediglich als Vertreter des bereits bestellten Pflichtverteidigers. Auch die Bestellung für nur einen Verhandlungstag begründet ein eigenständiges öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis, Kraft dessen der bestellte Verteidiger für die Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend eigenverantwortlich und inhaltlich unbeschränkt zu übernehmen hat. Anlass zu einer gebührenbezogenen Herabstufung neben dem im Übrigen bestellten Verteidiger gibt es daher nicht. Aus der Eigenständigkeit des jeweiligen Beiordnungsverhältnisses folgt vielmehr, dass die anwaltlichen Tätigkeiten der jeweiligen Pflichtverteidiger separat zu bewerten und vergüten sind. Zur interessengerechten Verteidigung, wenn auch nur in einem Hauptverhandlungstermin, war auch für Rechtsanwalt pp. eine Einarbeitung mit der Übernahme des Mandats notwendig, so dass die Voraussetzungen für das Entstehen der Grundgebühr vorlagen

Nach dem Vorstehenden steht Rechtsanwalt pp. zur Abgeltung der gesamten Tätigkeit neben der Terminsgebühr auch eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG zu, deren Höhe die Kammer mit 176,00 € zzgl. Mehrwertsteuer für angemessen erachtet.“

Eine der vielen Entscheidungen aus der letzten Zeit, die die Streitfrage zutreffend löst. Ich verwiese nur auf den OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.02.2024 – 1 Ws 13/24 (S) und auf den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.2.2023 – 2 Ws 13/23, beide Entscheidungen hatte ich hier vorgestellt.

Die einzige Frage, die sich für moch hier stellt, ist: Geht das LG davon aus, dass nur Grundgebühr und Terminsgebühr entstehen, oder ist auch die Verfahrensgebühr festgesetzt worden? Das lässt sich aus der Entscheidung nicht eindeutig entnehmen, die vom LG zitierte Rechtsprechung und die Formulierung „volle Vergütung nach Abschnitt 1 des Teiles 4 VV RVG“ sprechen allerdings für diese richtige Lösung, die man m.E. inzwischen als herrschende Auffassung bezeichnen kann.

Pflichti III: Und wieder „rückwirkende Bestellung“, oder: Alles nur „gute“ Entscheidungen

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Und dann im letzten Posting – traditionsgemäß – einige Entscheidungen zur rückwirkenden Bestellung, und zwar:

Der Bestellung eines Pflichtverteidigers steht im Strafbefehlsverfahren nicht entgegen, dass ein Strafbefehl zum Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung bereits erlassen ist.

1. Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist ausnahmsweise zulässig.

2. Auf Fälle einer Bestellung eines Pflichtverteididgers auf Antrag des Beschuldigten gem. § 140 Abs. 1 StPO ist Abs. 2 S. 3 des § 141 StPO nicht anwendbar.

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist zulässig, wenn der Antrag rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt worden, dann aber von der Staatsanwaltschaft erst verspätet dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt worden ist.

Pflichti II: Bestellung eines Sicherungsverteidigers, oder: Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung

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Und im zweiten Posting dann „Diverses“ zur Pflichtverteidigung, allerdings auch wieder nur die Leitsätze, da die entschiedenen Fragen schon häufiger entschieden worden sind. Hier sind dann also:

1. Die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers als Sicherungsverteidiger kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht.

2. Ein derartiger Fall ist nur anzunehmen, wenn hierfür – etwa wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache – ein „unabweisbares Bedürfnis“ besteht, um eine sachgerechte Wahrnehmung der Rechte des Angeklagten und einen ordnungsgemäßen Verfahrensverlauf zu gewährleisten.

1. Zu den Voraussetzungen der Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung.

2. Die Aufhebung der Bestellung nach § 143 Abs. 2 Satz 1 StPO steht im Ermessen des Gerichts. Den Beschlussgründen muss zu entnehmen sein, dass sich das Gericht des ihm eröffneten Ermessensspielraums bewusst war und dass es sein Ermessen unter Berücksichtigung der im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte ausgeübt hat.

 

 

Pflichti I: 5 x etwas zu den Beiordnungsgründen, oder: Höhe der Strafe, Berufung der StA, Betreuer, KiPo

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Und heute ist dann mal ein „Pflichti-Tag“ mit einigen Entscheidungen zu Pflichtverteidigungsfragen. Da hat sich in der letzten Zeit einiges angesammelt.

Ich starte hier mit Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, und zwar – wie gehabt – nur mit den Leitsätzen, da es sonst zu viel wird:

Die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist in der Regel erst bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu bejahen.

Im Berufungsverfahren ist dem Angeklagten in der Regel ein Verteidiger beizuordnen, wenn die Staatsanwaltschaft gegen ein freisprechendes Urteil Berufung eingelegt hat und eine Verurteilung aufgrund abweichender Beweiswürdigung oder sonst unterschiedlicher Beurteilung der Sach- oder Rechtslage erstrebt.

Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen Unfähigkeit der Selbstverteidigung, wenn dem Beschuldigten ein Betreuer bestellt ist.

Die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge im Sinne des § 68 Nr. 1 JGG i.V.m. § 140 Abs. 2 StPO gebietet die Beiordnung eines Pflichtverteidigers, wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zu erwarten ist. Ausreichend ist, wenn einem Angeklagten in mehreren Parallelverfahren Strafen, die letztlich gesamtstrafenfähig sind und deren Summe voraussichtlich eine Höhe erreicht, drohen.

1. Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers in einem sog. KiPo-Verfahren.
2. Die Sachlage ist unter anderem dann im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO schwierig, wenn die Staatsanwaltschaft in Ermittlungsverfahren wegen Verdachts von Straftaten nach § 184b StGB ggf. externe Sachverständige mit der Auswertung und Begutachtung sichergestellter Datenträger beauftragt. Die zu erwartende Auseinandersetzung mit technischen Untersuchungsberichten begründet eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der Sachlage, für die auch nur dem Verteidiger zu gewährende Aktenkenntnis erforderlich ist.

Terminsvertreter des Pflichtverteidigers für einen Tag, oder: OLG Hamm ändert LG Essen unrichtig ab

daumen

Und dann noch nochmal etwas zu den Gebühren des Terminsvertreters des Pflichtverteidiger. Folgender Sachverhalt in Kürze: Die Kollegin ist durch Beschluss der Vorsitzenden einer großen Strafkammer des LG Essen vom 03.03.2022 in einem dort anhängigen Strafverfahren gegen u.a. den Angeklagten als Terminsvertreterin für den Pflichtverteidiger dieses Angeklagten, Rechtsanwalt R. für den ersten Hauptverhandlungstag beigeordnet worden. Der erste Hauptverhandlungstermin fand am 07.03.2022 statt und dauerte dreißig Minuten, es wurde im Wesentlichen die Anklageschrift verlesen. Eine Einlassung des Angeklagten erfolgte zunächst nicht.

Die Kollegin hat dann beantragt, ihre Gebühren festzusetzen. Sie hat Festsetzung der Grundgebühr Nr. 4101, VV RVG, der Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV RVG, der Terminsgebühr Nr. 4115 VV RVG, der Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG sowie von Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgelder sowie USt beantragt.

Das LG hat die dann auch festgesetzt im LG Essen, Beschl. v. 06.07.2023 – 27 KLs 43/21, der folgenden Leitsatz hat:

    1. Der nur für einen Termin als Terminsvertreter beigeordnete Rechtsanwalt rechnet nach Teil Abschnitt 1 VV RVG ab.
    2. Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühr, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände.

Es kommt dann natürlich das, was zu erwarten war, nämlich das Rechtsmittel des Bezirksrevisors. Und dann kommt das OLG Hamm in seiner überbordenden Weisheit und hebt im OLG Hamm, Beschl. v. 30.10.2024 – III-5 Ws 273/23 – die Entscheidung des LG auf und sagt:

Für den „Terminsvertreter“ des Pflichtverteidigers entsteht nur die Terminsgebühr. Grund-, Verfahrensgebühr und Auslagenpauschale entstehen nicht.

Ich fasse die Begründung des Beschlusses des Einzelrichters (!) mal zusammen. Sie lautet. Vertretung ist bei der Pflichtverteidigung zulässig und der Vertreter verdient dann nur die Terminsgebühr. Wer mehr von der falschen Begründung lesen will, der mag das im verlinkten Volltext tun.

Anzumerken ist dazu Folgendes:

Der Entscheidung ist zu widersprechen.

1. Zu widersprechen ist schon der Auffassung des Einzelrichters, dass wegen der ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm eine Übertragung auf den und durch den Senat nicht erforderlich sei. Es ist ja schön, wenn das OLG die Frage offenbar schon häufiger entschieden hat. Nur: Die Beschlüsse sind alle unveröffentlicht, hängen also irgendwo beim OLG Hamm im „stillen Kämmerlein“. Man fragt sich., warum man diese Entscheidungen in einer Frage, die ja nun die Rechtsprechung schon seit langem immer wieder beschäftigt nicht, nicht nach außen kund tut. Vielleicht waren die Beschlüsse ja überzeugend, jedenfalls hätten sie zur Diskussion beitragen könne?

Zu einer Übertragung auf den Senat hätte m.E. auf vor allem deshalb Anlass bestanden, weil die Frage, ob der Terminsvertreter des Pflichtverteidigers nur die Terminsgebühr verdient oder auch die Grund- und Verfahrensgebühr ja inzwischen von zahlreichen Gerichten anders gesehen wird als vom OLG Hamm (vgl. nur OLG Bamberg, NStZ-RR 2011, 223 [Ls.]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.2.2024 – 1 Ws 13/24 (S), AGS 2024, 171; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.2008 – 1 Ws 318/08; OLG Jena, JurBüro 2011, 478; Beschl. v. 14.4.2021 – (S) AR 62/20, AGS 2021, 394 = JurBüro 2021, 576; OLG Karlsruhe, StraFo 2008, 349 = NJW 2008, 2935 = RVGreport 2009, 19 = StRR 2009, 119; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.2.2023 – 2 Ws 13/23, AGS 2023, 164 = NStZ-RR 2023, 159; OLG Köln, RVGreport 2010, 462 = AGS 2011, 286; OLG München, NStZ-RR 2009, 32 = StRR 2009, 120 = RVGreport 2009, 227; OLG München, RVGreport 2016, 145 = AGS 2014, 174 = Rpfleger 2014, 445; OLG Nürnberg, RVGreport 2016, 105 = StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29; OLG Schleswig SchlHA 2010, 269 [Dö/Dr]). Insbesondere die gut begründete Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 9.2.203 (a.a.O.) hätte dem OLG Hamm Anlass sein sollen, sich noch einmal näher mit der streitigen Frage auseinander zu setzen. Aber die wird noch nicht einmal erwähnt. Das lässt – zumindest bei mir – den Eindruck entstehen, es hier mit einer Entscheidung zu tun zu haben, die in die Rubrik: „Das haben wir immer schon so gemacht.“ einzuordnen ist.

2. In der Sache ist dem OLG ebenfalls zu widersprechen. Die Entscheidung steht und fällt mit der Frage, ob die Ansicht des OLG, eine „Vertretung“ i.e.S. des Pflichtverteidigers sei zulässig. Das ist m.E. nicht der Fall. Denn die Beiordnung des Pflichtverteidigers ist auf seine Person beschränkt; sie ist höchst persönlich (so auch Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 142 Rn 15; Hillenbrand in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn 3636 f., jeweils m.w.N.; BGHSt 59, 284 = NJW 2014, 3320 m. Anm. Barton StRR 2015, 62; BGH NStZ 2012, 276; OLG Saarbrücken, RVGreport 2015, 64 = StRR 2015, 117). Soweit einige Gerichte (OLG Celle RVGreport 2009, 226; OLG Koblenz JurBüro 2013, 84 = RVGreport 2013, 17; LG Potsdam JurBüro 2011, 417 = AGS 2012, 65; LG Saarbrücken, Beschl. v. 30.6.2014 – 2 KLs 2/13) anderer Ansicht sind, ist das m.E. seit BGHSt 59, 284 nicht mehr haltbar.

3. Im Übrigen: Zu der Frage, dass nicht nur die Terminsgebühr, sondern auch Grundgebühr und Verfahrensgebühr anfallen, ist schon viel geschrieben worden. Das muss man hier nicht wiederholen. Ich verweise dazu auf den o.a. Beschluss des OLG Karlsruhe und auf Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 2101 ff.). In dem Zusammenhang liegt der Hinweis des OLG auf die (geringe) Dauer des Hauptverhandlungstermins an dieser Stelle neben der Sache.

Zu der Frage, warum die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG nicht entstanden ist, enthält der Beschluss des OLG kein Wort der Begründung. Die dürfte hier aber entstanden sein, da sich aus dem Beschluss ergibt, dass die Pflichtverteidigerin auch telefoniert hat. Das reicht aber für das Entstehen der Nr. 7002 VV RVG aus (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 7002 VV Rn 1 m.w.N.).

4. Für den Verteidiger lässt sich aus der Entscheidung ableiten, dass er in diesen Fällen sehr sorgfältig prüfen sollte/muss, welche Entscheidungen ergehen. Ggf. muss gegen einen Beschluss, der einen Antrag nicht voll ausschöpft, so wie hier, da Bestellung als „weiterer Pflichtverteidiger„ beantragt war, sofortige Beschwerde (§ 142 Abs. 7 StPO) eingelegt oder auf Klarstellung gedrängt werden, dass man nicht von einer Vertretung i.e.S. (vgl. auch § 5 RVG) ausgeht.“