Schlagwort-Archive: Beweisverwertungsverbot

Achtung: Videomessung: OLG Oldenburg kommt zum Beweisverwertungsverbot

Die Frankfurter Rundschau meldet auf der Grundlage einer Pressemitteilung des OLG Oldenburg:

„Verkehrssünder dürfen nicht mit Bußgeldern belegt werden, wenn sich ihr Verkehrsverstoß nur durch Aufnahmen aus einer stationären Dauervideoanlage beweisen lässt. Das hat jetzt das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden, wie die OLG-Pressestelle am Mittwoch bekanntgab.

Bereits im August hatte das Bundesverfassungsgericht beschlossen, dass eine Dauervideoüberwachung in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift und dafür eine – bisher nicht vorhandene – gesetzliche Grundlage nötig wäre. Karlsruhe hatte aber offen gelassen, ob die Aufnahmen deshalb generell nicht mehr als Beweismittel benutzt werden dürften; dafür komme es auf die Umstände des Einzelfalls an. Seitdem haben Amtsgerichte unterschiedlich darüber geurteilt.

Als offenbar erstes OLG hat jetzt das Oldenburger Gericht rechtskräftig entschieden, dass Aufnahmen aus stationären Dauervideoanlagen generell nicht als Beweismittel gegen Verkehrssünder verwendet werden dürfen. Die Daten seien ohne gesetzliche Grundlage erhoben worden und stellten „einen schweren Eingriff in die Grundrechte einer Vielzahl von Personen dar, die sich im Straßenverkehr korrekt verhalten“, heißt es in dem Beschluss.

Auf Nachfrage der FR sagte eine OLG-Sprecherin, die Rechtslage wäre „eventuell anders zu beurteilen“, wenn für die pauschale Dauerüberwachung eine Rechtsgrundlage geschaffen würde. Unproblematisch seien auf jeden Fall Radaranlagen oder Verfolgungsfahrten mit Videokamera, solange damit nur individuelle Verkehrsverstöße festgehalten würden.

Im vorliegenden Fall bestätigte das Oberlandesgericht einen Freispruch des Amtsgerichts Osnabrück für einen Autofahrer, der auf der A 1 zu dicht aufgefahren war. Wegen des „Beweisverwertungsverbots“ konnten die Aufnahmen aus einer Dauervideoanlage nicht gegen ihn verwandt werden.

(Aktenzeichen: Ss Bs 186/09)“

Na, das wird ja fröhlich. Es stellt sich die Frage einer Vorlage an den BGH – s. OLG Bamberg

OLG Rostock: Widerspruch in der HV gegen Videomessung erforderlich

Also: Nicht vergessen. Sonst wird es mit dem Beweisverwertungsverbot mit Sicherheit nichts.

BVV nach Fehler bei der Blutentnahme, aber dennoch verurteilt

Inzwischen liegt die 2. Entscheidung des OLG Oldenburg zum Beweisverwertungsverbot bei einem Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 stPO vor (Beschl. v. 1 Ss 183/09), allerdings zunächst mal nur als Pressemitteilung des Gerichts (vgl. PM v. 24. 11. 2009). In der Sache hatte die Revision des Angeklagten zwar keinen Erfolg, weil in der Revisionsbegründung nichts dazu vorgetragen worden war, ob der Angeklagte mit der Blutentnahme einverstanden war. Gleichzeitig stellte der 1. Strafsenat jedoch klar, dass die Polizei den Richtervorbehalt zu beachten hat und vor der Entnahme einer Blutprobe gegen den Willen eines Verdächtigen versuchen muss, den zuständigen Richter zu erreichen. Die Polizei darf von der Einholung eines richterlichen Beschlusses nicht absehen, weil dies in einer innerdienstlichen Weisung allgemein so vorgesehen ist. In einem solchen Fall kann dann das Blutalkoholgutachten nicht als Beweismittel verwertet werden.
Was lernt man daraus:

  1. Die Diskussion um das Beweisverwertungsverbot ist noch lange nicht am Ende:
  2. Es kommt mitentscheidend für den Erfolg des Rechtsmittels auf seine Begründung an. Daran stellen die Gerichte hohe Anforderungen.

OLG Schleswig: Beweisverwertungsverbot bei rechtswidriger Blutentnahme

Bei der Frage nach einem Beweisverwertungsverbot, wenn eine Blutentnahme unter Verstoß gegen § 81a Abs. 2 StPo erfolgt ist, geht es anders als bei dem Lied „10 kleine Negerlein“. Dort werden es immer weniger Negerlein, hier werden  es immer mehr „Negerlein“/Stimmen/OLG, die ein Beweisverwertungsverbot annehmen, wenn die Blutentnahme unter Verstoß gegen § 81a Abs. 2 StPO erfolgt ist.

So jetzt auch das OLG Schleswig in einem Beschluss Urteil vom 26.10.2009, 1 Ss OWi 92/09 (129/09), den uns der Kollege Strüwe aus Essen freundlicherweise im Forum bei LexisNexis Strafrecht zur Verfügung gestellt hat. Das OLG Schleswig macht aus dem Quartett der OLG, die ein Beweisverwertungsverbot annehmen – Hamm, Celle, Dresden, Oldenburg -, nun ein Quintett. Der entschiedene Sachverhalt ist ein Allerweltsfall. Und das OLG stellt auch nur kurz und trocken fest: 45 Minuten reichen, um eine richterliche Anordnung zu erlangen (das reicht wirklich allemal) und: Wenn die Polizeibeamten das nicht mal versuchen, „weil sie es ja schon immer nicht getan haben“, ist das Willkür und führt zu einem BVV. Alles bezogen auf Sommer 2008.

M.E. richtig. Und: Die Karawane zieht weiter. ich bin gespannt, wie lange es noch dauert, bis die Rufe nach der Abschaffung des Richtervorbehalts gehört werden.

Auch OLG Oldenburg: BVV bei Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO)

Der Kollege Koop aus Lingen übersendet mir gerade den Beschluss des OLG Oldenburg vom 12.10.2009 – 2 SsBs 149/09, durch den die Geschichte der Rechtsprechung zu § 81a StPO um eine weitere (richtige) Entscheidung erweitert wird. der Kollege schreibt u.a.:

„Das OLG Oldenburg hat am 12.10.2009 (2 SsBs 149/09) ein Beweisverwertungsverbot bejaht und den Betroffenen freigesprochen. Ihm war eine Fahrt am 30.04.2008 unter Einfluss von THC vorgeworfen worden. Der die Blutprobe anordnende Polizeibeamte hatte gar nicht erst versucht, eine richterliche Genehmigung zu erreichen, und sich darauf berufen, dass ihm von seiner vorgesetzten Dienststelle mitgeteilt worden war, der Präsident des AG Osnabrück am 02.04.2008 habe ‚bekannt gegeben‘, bei der Anordnung von Blutproben bestehe immer Gefahr im Verzug und eine richterliche Anordnung sei nicht mehr erforderlich.

Vorausgegangen war im Ermittlungsverfahren eine Entscheidung des AG Osnabrück (Beschl. v. 01.09.2008 – 248 Gs 576/08 = StRR 2008, 468 = VRR 2008, 475), mit der die Entnahme der Blutprobe als nicht rechtmäßig erachtet wurde. Das Landgericht Osnabrück hatte die Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 22.10.2008 (15 Qs 931/08 = StRR 2008, 468 = VRR 2008, 475 = StraFo 2009, 17) zurückgewiesen.

Gleichwohl war der Betroffene durch Urteil des Amtsgericht Lingen (Ems) vom 03.07.2009 (22 Owi (612 Js 52948/08) 292/08) wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gem. §§ 24 StVG, 24a Abs. 2 u. 3 StVO zur Regelbuße und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt worden. Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde übertrug der Bußgeldrichter auf Antrag der Verteidigung mit Beschluss vom 07.10.2009 die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern, § 80a Abs. 3 OWiG.
Der Senat hob mit Beschluss vom 12.10.2009 (2 SsBs 149/09) das Urteil des Amtsgerichts auf und sprach den Betroffenen frei; die Generalstaatsanwaltschaft hatte einen Verwerfungsantrag nach § 349 Abs. 2 StPO gestellt. Der Senat nimmt ein Beweisverwertungsverbot an; zwar -sei dem anordnenden Polizeibeamten kein willkürliches Handeln vorzuwerfen. „Es liegt vielmehr ein grober Verstoß seiner Dienstvorgesetzten vor“, der im Ergebnis das Beweisverwertungsverbot begründet. Der Präsident der Polizeidirektion Osnabrück hatte hatte in einer dienstlichen Mitteilung erklärt, bei Trunkenheitsfahrten liege immer Gefahr im Verzug vor. Die OLG-Entscheidung gibt die dienstliche Mitteilung im Wortlaut wieder.

Mit dem Freispruch ist die Sache für den Betroffenen noch nicht ausgestanden. Denn es schließt sich ein weiterer Streit an, nachdem unter Hinweis auf die THC-haltige Blutprobe das zuständige Straßenverkehrsamt dem Betroffenen die Fahrerlaubnis mit Sofortvollzug entzogen hat. Hiergegen wehrt er sich mit der Klage vor dem Verwaltungsgericht. Dies hat inzwischen zu verstehen gegeben, dass ein strafrechtliches Verwertungsverbot „grundsätzlich“ keine direkte Auswirkung auf die Entziehung habe (vgl. VG Osnabrück, Urt. v. 20.02.2009, Az 6 A 65/08, nicht rkr.- Berufungszulassungsverfahren 12 LA 61/09 OVG Niedersachsen). Bis durch die Entscheidung des OVG bzw. „in einem ggf. nachfolgenden Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht … eine abschließende Klärung der Frage erfolgt ist, inwieweit strafprozessuale Beweisverwertungsverbote auch in Fahrelaubnisentziehungsverfahren gelten“, solle der Betroffene warten und in das Ruhen des Verfahrens einwilligen….“

Na ja, zumindest schon mal ein „Etappensieg“.