Strafe I: Schutzaltersgrenze beim sexuellen Missbrauch, oder: „geplante Tat“ und Verfahrensverzögerung

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Heute stelle ich mal wieder einige Strafzumessungsentscheidungen vor. Die hatte ich schon länger nicht mehr.

Zunächst kommen hier drei- schon etwas ältere – BGH-Entscheidungen, und zwar:

„Entgegen der Auffassung der Revision war das Landgericht von Rechts wegen nicht verpflichtet, das mit jeweils 13 Jahren knapp unter der Schutzaltersgrenze des § 176 Abs. 1 StGB liegende Alter der Geschädigten strafmildernd zu berücksichtigen.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass es zugunsten des Täters gewertet werden darf, wenn das Alter des Missbrauchsopfers sich der Schutzaltersgrenze annähert (vgl. , NStZ-RR 2009, 307, 308; vom – 3 StR 401/19, Rn. 15; vgl. auch ? 6 StR 542/21, Rn. 5); um einen bestimmenden Milderungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO, der losgelöst von den Umständen des Einzelfalls regelmäßig strafmildernd berücksichtigt werden muss, handelt es sich aber nicht (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 1610). Ob anderes in Fällen gilt, in denen die Tat wenige Tage vor Erreichen der Schutzaltersgrenze der §§ 176, 176a StGB stattfindet (vgl. ? 5 StR 381/14), bedarf keiner Entscheidung, denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.“

„Die strafschärfende Erwägung, es handele sich um eine „geplante Tat“, begegnet rechtlichen Bedenken. Den Feststellungen kann eine längere planvolle Vorbereitung der Tat, die auf eine erhebliche kriminelle Energie hindeuten könnte, nicht entnommen werden. Dass er nicht spontan gehandelt hat, darf dem Angeklagten aber nicht angelastet werden. Spontanes Handeln wäre ein Strafmilderungsgrund, dessen Fehlen nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 4 StR 213/22).“

„a) Die Strafkammer hat die „erhebliche Verzögerung des vorliegenden Strafverfahrens durch die beteiligten Strafverfolgungsbehörden“ und „die damit einhergehende Belastung“ für die Angeklagten lediglich im Rahmen der Kompensationsentscheidung berücksichtigt. Sie hat zwar zutreffend erkannt, dass die mit einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung verbundene Belastung der Angeklagten keinen selbstständigen Strafmilderungsgrund darstellt (BGH, Urteil vom 5. April 2023 – 6 StR 517/22, Rn. 9 mwN). Sie hat aber übersehen, dass der große zeitliche Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie eine lange Verfahrensdauer und ihre nachteiligen Auswirkungen auf den Angeklagten regelmäßig gewichtige Strafmilderungsgründe nach § 46 Abs. 2 StGB bei der Zumessung der Einzelstrafen darstellen, die im Urteil nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO anzuführen sind (BGH, Beschluss vom 2. März 2022 – 2 StR 541/21, Rn. 6 mwN). Dies ist nicht geschehen.“

 

StGB III: Weisungen im Bewährungsbeschluss, oder: „Meldeauflage“ ist eine zulässige Bewährungsweisung

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Und im dritten Beitrag dann etwas zur Bewährung (§§ 56 ff. StGB), und zwar zur Frage, ob die Weisung „Wohnsitzwechsel“ eine zulässige Bewährungsweisung ist.

Der Angeklagte ist wegen gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von 6 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Mit zugleich verkündetem Bewährungsbeschluss wurden ihm mehrere Auflagen und Weisungen erteilt. U.a. wurde er angewiesen, dem bewährungsaufsichtsführenden Gericht jeden Wechsel des Wohnsitzes bzw. ständigen Aufenthaltsortes mitzuteilen. Dagegen die Beschwerde des Angeklagten, die keinen Erfolg hatte.

Das OLG Frankfurt am Main führt dazu im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 25.02.2025 – 3 Ws 44/25 – aus:

„Gemäß §§ 305 Abs.1 S.2, 453 Abs.2 S.2 StPO ist die Überprüfungskompetenz des Senats als zuständiges Beschwerdegericht eingeschränkt. Der Senat kann die Anordnungen nur auf ihre Gesetzeswidrigkeit hin überprüfen, wozu auch eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch gehört, etwa wenn die Anordnung einen einschneidenden unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten enthält (§ 305 a Abs.1 S.2, § 453 Abs.2 StPO, § 56 b Abs.1 S.2 StGB). Eine eigene Ermessensausübung ist dem Beschwerdegericht verwehrt.

Insoweit sind die von der Berufungskammer getroffenen Anordnungen nicht zu beanstanden; das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Die Festsetzung der Bewährungszeit auf 3 Jahre beruht auf § 56 a Abs.1 StGB und hält sich in Rahmen der zeitlichen Höchst- und Mindestgrenzen. Angesichts der Schwere des Vorwurfs einer gefährlichen Körperverletzung ist die Festsetzung auf 3 Jahre nicht ermessensfehlerhaft, zumal sich dies in einem angemessenen Verhältnis zur Strafhöhe von sechs Monaten Freiheitsstrafe hält.

Die gemeinhin als „Meldeauflage“ bezeichnete und üblicherweise in Bewährungsbeschlüssen enthaltene Anordnung an einen Verurteilten, dem bewährungsaufsichtsführenden Gericht jeden Wechsel des Wohnsitzes bzw. ständigen Aufenthaltsortes mitzuteilen, stellt nach neuerer Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs regelmäßig eine zulässige Weisung i.S.d. § 56 c StGB dar (vgl. hierzu BGH Beschluss vom 7. September 2022 – 3 StR 261/22 Rdnr. 13 zitiert über Juris, NStZ 2023, 32-33), da damit die Voraussetzung geschaffen werden soll, spezialpräventiv auf den Verurteilten – ggfls. durch neue Auflagen oder Weisungen -einzuwirken. Dieser Meinungsstreitigkeiten in der obergerichtlichen Rechtsprechung ausräumenden, überzeugendem Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs schließt sich der Senat unter Aufgabe seiner älteren Rechtsprechung, wonach eine solche Meldeauflage zumeist nur der behördlichen Aufgabenerfüllung und nicht der von § 56 c StGB intendierten Einflussnahme auf die künftige Lebensführung des Probanden dient (vgl. hierzu Beschluss Senat vom 29. Juni 2007 – 3 Ws 624/07, NStZ 2009, 39 zitiert über juris), nun an.

Soweit sich der Verurteilte mit der Beschwerde insbesondere gegen die von der Kammer angeordnete Geldauflage zur Zahlung von insgesamt 1.500,00 € an die Opfer- und Zeugenhilfe Fulda e.V. in sechs monatlichen Raten a 250,00 € (§ 56b Abs. 2 Nr. 4 StGB i.V.m. § 268 a Abs. 1 StPO) wendet, hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg……“

StGB II: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, oder: Rechtsmäßigkeit der Diensthandlung?

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Und im zweiten Posting dann der BayObLG, Beschl. v. 18.02.2025 – 204 StRR 43/25 – zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§§ 113, 114 StGB) und zur Rechtsmäßigkeit der Diensthandlung.

Der Angeklagte ist wegen  Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 Abs. 1 StGB) und mit Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) verurteilt. Das LG ist davon ausgegangen, dass der geschädigte Polizeibeamte POM K. eine rechtmäßige Diensthandlung im Sinne der §§ 113, 114 StGB vorgenommen hat. Dagegen die Revision des Angeklagten, die keinen Erfolg hatte:

„a) Der Begriff der Diensthandlung erfasst alle gezielten Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung des bereits durch Gesetz, Verordnungen, Gerichtsbeschlüsse, Verwaltungsakte oder Allgemeinverfügungen festgelegten staatlichen Willens in einem konkreten Einzelfall (MüKoStGB/Bosch, 4. Aufl. 2021, § 113 Rn. 11; Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl. 2019, § 113 Rn. 10). Die Tätigkeit des Organwalters (hier der genannte Polizeibeamte) muss erkennbar darauf abzielen, den durch sie für einen bestimmten Fall konkretisierten staatlichen Willen notfalls mit Mitteln des hoheitlichen Zwangs gegenüber bestimmten Personen durchzusetzen, so dass für die betroffenen Normadressaten eine Zwangslage zur Duldung des Eingriffs in ihre Rechtssphäre herbeigeführt wird (vgl. MüKoStGB/Bosch, 4. Aufl. 2021, § 113 Rn. 11).

b) So liegt es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier:
Zusammengefasst lag danach dem Vorgehen des Polizeibeamten POM K., der zusammen mit dem PHM E. vor Ort war, zugrunde, dass der Zeuge G. auf dem Straßenbereich vor dem Anwesen V-Straße in N. mehrere Personen mit einem abgebrochenen Flaschenhals bedroht hatte. Nachdem diese Situation entschärft war, wollten die beiden Polizeibeamten die zur Verfolgung der Straftat notwendigen Feststellungen, insbesondere zur Person, treffen. Der Zeuge G. wollte sich dem entziehen, indem er in Richtung L-Straße davonrannte. Den beiden den Zeugen G. verfolgenden Beamten stellte sich die Angeklagte entgegen, um die polizeilichen Maßnahmen zu verhindern, und, nachdem der POM K. versucht hatte, die Angeklagte aus dem Weg zu schieben, stieß diese ihrerseits den POM K. weg. Um weitere Handlungen der Angeklagten zur Verhinderung der Identitätsfeststellung des Zeugen G. zu unterbinden, brachte POM K. die Angeklagte zu Boden und hielt sie fest, wobei diese sich dagegen wehrte und POM K. hierbei mit mindestens zwei Tritten am linken Kopfbereich traf, wodurch dieser Schmerzen im Bereich des Kopfes, der Ohren und des Kiefers verspürte und in der Folge mehrere Tage lang Schluckbeschwerden hatte.

c) Das Berufungsgericht geht aufgrund der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei von einer Vollstreckungstätigkeit im Sinne der §§ 113, 114 StGB. Die zur nachvollziehbaren rechtlichen Einordnung der Diensthandlung notwendigen Feststellungen nach ihrer Art, ihrem Zweck, der Ausführung und den Begleitumständen (OLG Hamm, Beschluss vom 25.02.2016 – III – 3 RVs 11/16 –, juris Rn. 6) sind vorliegend ausreichend getroffen.

Zu unterscheiden sind insoweit die Ausgangsmaßnahme, die sich gegen den Zeugen G. richtete, und die gegen die Angeklagte gerichtete Maßnahme der Festnahme.

aa) Die beiden Beamten PHM E. und POM K. waren hier repressiv tätig, weil sie zur Aufklärung einer Straftat (Bedrohung durch den Zeugen G.), deren Zeugen sie waren, tätig wurden, da sie die zur Verfolgung der Straftat notwendigen Feststellungen, insbesondere zur Person des Täters, treffen wollten und hierzu dessen Verfolgung aufnahmen, nachdem dieser davonrannte. Hierbei handelt es sich um eine rechtmäßige Maßnahme nach § 163b Abs. 1 StPO.

bb) Soweit die Angeklagte diese Maßnahme unterbinden wollte, indem sie sich POM K. in den Weg stellte und diesen sogar zurückstieß, war sie Störerin im Sinne des § 164 StPO (MüKoStPO/Kölbel/Neßeler, 2. Aufl. 2024, StPO § 164 Rn. 4; BeckOK StPO/El Duwaik, 54. Ed. 01.01.2025, StPO § 164 Rn. 5; HK-GS/Kai Ambos, 5. Aufl. 2022, StPO § 164 Rn. 3). Entsprechend § 164 StPO war POM K.auch berechtigt, die Angeklagte festzunehmen. Dies war vorliegend zur Verhinderung weiterer Handlungen der Angeklagten gegen die polizeilichen Maßnahmen gegen den Zeugen G. auch erforderlich, geeignet und angemessen (Verhältnismäßigkeit), nachdem die Angeklagte vorliegend durch aktives Tun (Wegstoßen des PHM K.) ihr Ziel verfolgte und sich durch das vorherige Aus-Dem Weg-Stoßen seitens POM K. nicht von der Durchführung weiterer Störungen hatte abbringen lassen.

cc) Hierzu durfte POM K. auch unmittelbaren körperlichen Zwang anwenden (MüKoStPO/Kölbel/Neßeler, 2. Aufl. 2024, StPO § 164 Rn. 7; BeckOK StPO/El Duwaik, 54. Ed. 01.01.2025, StPO § 164 Rn. 8; KK-StPO/Schmitt, 9. Aufl. 2023, StPO § 164 Rn. 8; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 67. Auflage 2024, StPO § 164 Rn. 2), der vorliegend auch nicht angedroht werden musste.

(1) § 164 StPO bildet demnach nicht nur die Rechtsgrundlage für den dort bezeichneten Eingriff in die Bewegungsfreiheit der Angeklagten, sondern darüber hinaus auch die Grundlage für die mit der Festnahme verbundenen Vorbereitungs- und Vollziehungsmaßnahmen, soweit diese notwendig und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Mittel und Zweck angemessen sind (OLG Dresden, Beschluss vom 01.08.2001 – 3 Ss 25/01 –, juris Rn. 27 für eine Maßnahme nach § 81a StPO). Mit dieser Regelung des unmittelbaren Zwangs wird die Rechtsstellung der Angeklagten nicht verletzt. Sie wird vielmehr durch den mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geschützt, der für das gesamte öffentliche Recht, somit auch im Strafrecht, Geltung hat. Die Ausübung des unmittelbaren Zwangs hat sich daher in Wahl und Ausmaß des angewandten Mittels nach dem in der konkreten Situation Erforderlichen zu richten. Ein Übermaß an Gewalteinwirkung wäre hiernach rechtlich nicht gedeckt (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 67. Auflage 2024, Einl., Rn. 20 ff.).

(2) Zur Einhaltung und Ausgestaltung dieser Grundsätze können in der Praxis – so wie es hier das Berufungsgericht durchgeführt hat – als Orientierungsmaßstab die für das jeweilige Handeln der besonderen Beamtengruppe erlassenen Vorschriften herangezogen werden, hier die Regelungen des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwangs (vgl. vom Rechtsgedanken her auch MüKoStGB/Bosch, 4. Aufl. 2021, StGB § 113 Rn. 41; Fischer/Anstötz, 72. Auflage 2025, StGB § 113 Rn. 13 m.w.N.). Sie haben die Funktion, für typisierte Fallgestaltungen der polizeilichen Tätigkeit Mindesterfordernisse bei besonders belastenden Eingriffen zu gewährleisten. Sie sind somit regelmäßig die positiv-rechtliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Gemäß Art. 81 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes muss unmittelbarer Zwang vor seiner Anwendung angedroht werden. Nach Satz 2 der Vorschrift kann hiervon abgesehen werden, „wenn die Umstände sie nicht zulassen“, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist.

Im Polizeirecht handelt es sich bei der Androhung des unmittelbaren Zwangs um eine wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens, wenn die Diensthandlung gerade in dessen Anwendung besteht. Das Erfordernis der Androhung ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und bezweckt, polizeiliche Zwangsmaßnahmen, die regelmäßig mit Gefahren für den Betroffenen und für den Polizeibeamten verbunden sind, möglichst zu vermeiden. Deshalb soll der jeweils Betroffene, der nicht bloßes Objekt einer hoheitlichen Maßnahme ist, durch die Androhung des Einsatzes unmittelbaren Zwangs vor dessen Einsatz den ganzen Ernst der Situation deutlich erkennen. Er soll damit — letztmalig — die Möglichkeit erhalten, sein Verhalten selbst zu korrigieren (OLG Dresden, Beschluss vom 01.08.2001 – 3 Ss 25/01 –, juris Rn. 28 ff.).

Eine Androhung des unmittelbaren Zwangs war vorliegend nicht notwendig. Die Kammer hat sich in ausreichender Weise mit der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes oder einer etwaigen Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit der vorherigen Androhung des unmittelbaren Zwangs auseinandergesetzt. In nicht zu beanstandender Weise ist sie zu dem Ergebnis gekommen, dass eine vorherige Androhung des unmittelbaren Zwangs nicht erforderlich war, weil eine Androhung aufgrund des bereits gezeigten Verhaltens der Angeklagten von vornherein keinen Erfolg versprach, nachdem diese sich bereits nicht durch ein erstes Wegstoßen von der Durchführung weiterer Störungsversuche abhalten ließ (BeckOK StPO/El Duwaik, 54. Ed. 01.01.2025, StPO § 164 Rn. 8; Erb in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 164 StPO Rn. 12).“

StGB I: Vollendung oder Versuch beim Tankbetrug?, oder: Hat das Personal den Tankvorgang bemerkt?

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Und heute geht es weiter mit StGB-Entscheidungen.

Ich beginne die Berichterstattung mit dem BGH, Beschl. v. 21.01.2025 – 6 StR 676/24 – zur Frage Vollendung/Versuch beim Tankbetrug. Das LG hat den Angeklagten u.a. in vier Fällen wegen vollendeten Betruges verurteilt. Das hat der BGG beanstandet:

„1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten S. wegen vollendeten Betruges in den Fällen II.3 bis 6 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den Feststellungen zu diesen vier Fällen betankte der Angeklagte „wie ein zahlungsfähiger und -williger Kunde“ den Pkw seiner Schwester an einer Tankstelle und entrichtete – wie von vornherein beabsichtigt – den hierfür zu bezahlenden Betrag nicht, sondern fuhr nach Ende des Tankvorgangs davon.

b) Diese Feststellungen tragen die Bewertung als vollendete Betrugstaten nicht. Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme der Tatvollendung in Fällen eines sogenannten Tankbetruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen seiner Zahlungsbereitschaft bei einem Tankstellenbeschäftigten einen Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Hierfür ist die Feststellung erforderlich, dass der Tankvorgang vom Personal überhaupt bemerkt wurde. Fehlt – wie hier – eine entsprechende Feststellung, ist mangels Irrtumserregung nur ein versuchter Betrug gegeben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. Mai 1983 – 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827; Beschlüsse vom 13. Januar 2016 – 4 StR 532/15, NJW 2016, 1109, Rn. 4; vom 21. August 2019 – 3 StR 221/18, Rn. 21; vom 9. März 2021 – 6 StR 74/21).“

Pflichti III: Entscheidungen von der „Resterampe“, oder: Abfall ?, Haftentlassung, Rückwirkung, Wahlanwalt

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Und dann hier im dritten Posting der „Rest“, also „Resterampe“, und zwar einige Entscheidungen zur Rückwirkung, zu den Bestellungsgründen und zu Bestellung. Auch hier gibt es nur die Leitsätze, und zwar:

Von einer schwierigen Rechtslage im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO ist auszugehen, wenn in einem Strafverfahren die Frage entscheidungserheblich ist, ob und unter welchen Voraussetzungen Autowracks Abfall im Sinne von § 326 StGB darstellen.

Sowohl die Aufhebung der Bestellung nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO als auch nach § 143 Abs. 2 S. 2 StPO steht im Ermessen des Gerichts. Bei der Ermessensentscheidung ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die frühere, auf der Inhaftierung beruhende Behinderung der Verteidigungsmöglichkeiten es weiter notwendig macht, dass der Angeschuldigte trotz Aufhebung der Inhaftierung durch einen Pflichtverteidiger unterstützt wird, was in der Regel der Fall sein wird.

1. Die rückwirkende Bestellung eines notwendigen Verteidigers kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines notwendigen Verteidigers zum Zeitpunkt eines rechtzeitig hierauf gerichteten Antrages gegeben waren und die Bestellung allein aufgrund justizinterner Gründe unterblieben ist.

2. Unverzüglich im Sinne des § 141 Abs. 1 S. 1 StPO bedeutet, dass die Pflichtverteidigerbestellung zwar nicht sofort, aber so bald wie möglich ohne schuldhaftes Zögern, mithin ohne sachlich nicht begründete Verzögerung erfolgen muss.

3. Die Ausnahmeregelung nach § 141 Abs. 2 S. 3 StPO, wonach in den Fällen des § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StPO die Bestellung unterbleiben kann, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen, greift nicht, wenn die Pflichtverteidigerbestellung nicht von Amts nach den genannten Bestimmungen, sondern aufgrund des Antrages des vormaligen Beschuldigten veranlasst ist.

Hat der Wahlverteidiger des Angeklagten, dem bisher noch kein Pflichtverteidiger bestellt wurde, sein Mandat niedergelegt und seine Bestellung als Pflichtverteidiger beantragt, ist einem Bestellungsantrag zu entsprechen, da der Beschuldigte mit der Niederlegung des Wahlmandats unverteidigt im Sinne von § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO ist.