Archiv für den Monat: September 2012

(Preis)Frage: Täter oder nur Teilnehmer? – was bringt es?

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In BtM-Verfahren spielt die Frage der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme eine große Rolle und hat für den Angeklagten bei einer Verurteilung i.d.R. – siehe aber unten – Auswirkungen hinsichtlich der Strafhöhe. Deshalb muss auf alle Umstände des Falles geachtet werden.Das zeigt noch einmal der BGH, Beschl. v. 22.08.2012 – 4 StR 272/12, in dem der BGH folgenden Sachverhalt zu beurteilen hatte:

„…Die Tätigkeit des Angeklagten war darauf beschränkt, auf Anweisung seiner Hinterleute der von ihm angeworbenen Kurierfahrerin den Auftrag zu erteilen, nach Spanien zu fahren und dort Kokain aufzunehmen. Da-bei stellte er das Geld für die Anmietung des Transportfahrzeuges aus Mitteln bereit, die er zuvor zu diesem Zweck von seinen Auftraggebern erhalten hatte. Während der Fahrt nach Spanien war der Angeklagte für die Kurierfahrerin stets telefonisch erreichbar. Nach ihrer Ankunft in Madrid benachrichtigte er die Betäubungsmittellieferanten, die daraufhin Kontakt zu der Kurierfahrerin auf-nahmen. Nach der Übernahme der zu transportierenden Betäubungsmittel diri-gierte er die Kurierfahrerin zu den Zielorten in England oder Italien und stellte auch dort den Kontakt zu den Abnehmern her. Im Anschluss an die Übergabe der transportierten Betäubungsmittel kehrte die Kurierfahrerin zu dem Ange-klagten zurück und überbrachte ihm die für ihn bestimmte „Entlohnung“. Aus dem dargestellten Ablauf ergibt sich, dass der Angeklagte keinen Einfluss auf Art und Menge der zu transportierenden Betäubungsmittel hatte und auch nicht bestimmen konnte, ob und wann ein Transport stattfindet. An der Preisgestaltung und den Zahlungsströmen war er offenkundig nicht beteiligt. Für entstehende Kosten verwendete er zweckgebunden überlassene Mittel seiner Auftraggeber. Die ihm verbleibenden Handlungsspielräume bei der Auswahl der Kurierfahrerin sowie ihrer Anleitung und Überwachung waren auf den Transportvorgang beschränkt…“

An sich sollte sich danach die Frage: Täter oder nur Teilnehmer?, nicht mehr stellen. Das LG hatte aber auf der Grundlage dieser Feststellungen wegen täterschaftlichen Handelns verurteilt. Der BGH sieht – unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung – nur eine  Beihilfe und ändert den Schuldspruch ab.

Mehr aber auch nicht. Denn:

Der Senat kann ausschließen, dass die Schuldspruchänderung eine Auswirkung auf die am Erziehungsgedanken orientierte Bemessung der sehr maßvollen Jugendstrafe gehabt hätte.“

Es bleibt also bei einer Jugendstrafe zwei Jahren und elf Monaten

Nicht schon wieder – die Revision des Nebenklägers, leider doch

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Es scheint doch schwieriger zu sein, als man glaubt: Die Begründung der Revision des Nebenklägers. Das beweisen m.E. die vielen Entscheidungen des BGH, die es zu dieser Frage gibt, und in denen der BGH fast gebetsmühlenartig immer wieder wiederholen muss: Der Nebenkläger kann seine Revision nicht nur mit der allgemeinen Sachrüge begründen. Das sollte sich bei Verteidigern herumgesprochen haben. Hat es aber nicht :-(. Und dabei steht es doch in allen Handbüchern/-reichungen zur Revision. Demnächst auch in unserem neuen „Burhoff/Kotz, Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe„.

Zu der Problematik noch mal der BGH im BGH, Beschl. v. 28.08.2012 – 3 StR 360/12 – die Senate haben sicherlich einen Textbaustein:

„Die Revision des Nebenklägers ist unzulässig. Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Die Begründung der Revision  des Nebenklägers muss daher erkennen lassen, dass er mit seinem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, also einen bisher unterbliebenen Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen einer Straftat, die die Berechtigung des Nebenklägers zum Anschluss an das Verfahren be-gründet; wird eine derartige Präzisierung bis zum Ablauf der Revisions-begründungsfrist nicht vorgenommen, ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 400 Rdn. 6 m.w.N.). So liegt es hier. Der Nebenkläger hat lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben. Weitere Ausführungen, aus denen sich das Ziel seines Rechtsmittels entnehmen ließe, sind bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht eingegangen. Die Revision des Nebenklägers ist daher zu verwerfen.“

Wo nichts versäumt ist, braucht man auch keine Wiedereinsetzung

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Wenn keine Frist versäumt ist,  ist ein Wiedereinsetzungsantrag (§§ 44 ff. StPO) auch nicht erforderlich. Ein dennoch gestellter Antrag ist unzulässig. Das wird häufig übersehen. Und: Übersehen wird auch nicht selten, dass bei einer Zustellung an mehrere Zustellungsempfänger, sich die einzuhaltende Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung richtet. Steht in § 37 Abs. 2 StPO und im BGH, Beschl. v. 28.08.2012 – 3 StR 353/12:

1. Zu dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„Die Revisionsbegründungsschrift ist rechtzeitig eingegangen, mangels Fristversäumnis ist der Wiedereinsetzungsantrag nach ständiger Rechtsprechung unzulässig (vgl. Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 44 Rdnr. 2 m. w. N.).
Die vom Vorsitzenden der Strafkammer angeordnete Urteilszustellung an den Angeklagten (Bl. 646 Bd. III d. A.) erfolgte am 20. Juni 2012 (Bl. 655 Bd. III d. A.). Wird eine Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, richtet sich die Berechnung der Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung (§ 37 Abs. 2 StPO). Der Eingang der Revisionsbegründung am 19. Juli 2012 (Bl. 665 Bd. III d. A.) lag somit innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO.“
Dem schließt sich der Senat an.

Zeugin erkennt „ihr auf der Hülle eines Porno-Videos gezeigte männliche Genitalien nicht als solche“ – Folge?

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Das LG hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Der BGH hebt auf die Revision des Angeklagten im BGH, Beschl. v.  28.08.2012 – 4 StR 155/12 auf, weil ihm die Feststellungen zur inneren Tatseite, also zum Vorsatz des Angeklagten nicht genügen. Die Strafkammer hatte nicht genügend zur sog. Schutzaltersgrenze festgestellt:

„Der innere Tatbestand des § 176 Abs. 1 StGB ist erfüllt, wenn der Täter in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale zumindest bedingten Vorsatz hat (BGH, Beschluss vom 12. August 1997 – 4 StR 353/97, Rn. 5). Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte mit der Möglichkeit rechnete oder gar wusste, dass die Zeugin im Zeitpunkt der Taten das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteils-gründe kann dies nicht zweifelsfrei entnommen werden.

Nach den Feststellungen reichte der Tatzeitraum bis zum Tag vor dem 14. Geburtstag der Zeugin, diese wohnte in einer Nachbarwohnung und hielt sich zusammen mit ihrer Schwester häufiger in der Wohnung des Angeklagten auf. Gelegentlich betreute sie dessen Kinder, wenn er mit seiner Ehefrau aus-ging. Bei dieser Sachlage hätte es näherer Feststellungen dazu bedurft, ob der Angeklagte das Alter der Zeugin kannte oder ob die Zeugin zur Tatzeit – auch vom Angeklagten erkannt – nach ihrem Erscheinungsbild und ihrem Verhalten wie ein noch nicht 14 Jahre altes Kind wirkte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2002 – 3 StR 358/02, StV 2003, 393; Beschluss vom  12. August 1997 – 4 StR 353/97, Rn. 5). Allein der Umstand, dass sie ihr auf der Hülle eines Porno-Videos gezeigte männliche Genitalien nicht als solche erkannte, reicht nicht aus, um einen bedingten Vorsatz des Angeklagten in Bezug auf eine Unterschreitung der Schutzaltersgrenze zu belegen.“

 

„Strafklageverbrauch“ im Bußgeldverfahren? – Hätten Sie es gewusst?

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Vor einige Tagen haben mir die Kollegen vom OLG Nürnberg eine interessante Entscheidung geschickt, die u.a. ein Problem/eine Frage behandelt, die mir so auch nicht bewusst war. Und zwar geht es im OLG Nürnberg, Beschl. 25.07.2012 – 2 St OLG Ss 159/12 u.a. auch um die Frage, welche (Aus)Wirkungen die Beschränkung des Einspruchs im Bußgeldverfahren haben kann, und zwar:

Nach § 84 Abs. Satz 1 OWiG steht ja das rechtskräftige Urteil über die Tat als Ordnungswidrigkeit auch ihrer Verfolgung als Straftat entgegen. Voraussetzung dafür ist aber, dass eine Überprüfung des im Bußgeldbescheid getroffenen Schuldspruchs und der Übergang in das Strafverfahren (noch) möglich sind. Nur dann kann ein Strafklageverbrauch nach dieser Vorschrift eintreten. Das ist jedoch nicht mehr der Fall, wenn der  Betroffene seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkt hat. Dann sind der Teil des Bußgeldbescheids, in dem die Sachverhaltsfeststellungen und die rechtliche Würdigung getroffen wurden, in eine rechtskraftähnliche Bindungswirkung erwachsen und können vom AG bei seiner Entscheidung über den beschränkten Einspruch nicht abgeändert werden. Auch der Übergang in das Strafverfahren gem. § 81 Abs. 1 OWiG und eine Verurteilung wegen einer Straftat ist dem AG dann nicht (mehr) möglich.

Das sind als einerseits die Vorteile einer Beschränkung. Der auch zu bedenkende Nachteil ist, dass die Wirkungen des § 84 Abs. 1 Satz 1 OWiG nicht mehr eintreten können. Für das OLG folgt „das bereits  aus dem Wortlaut der Vorschrift, da für einen Strafklageverbrauch „ein rechtskräftiges Urteil über die Tat als Ordnungswidrigkeit“ und nicht nur über die Rechtsfolgen der Tat erforderlich ist„.

Haben natürlich alle Mitlesenden gewusst. 🙂 😉