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Vorlage einer Kopie, oder: Urkundenfälschung?

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Als zweite Entscheidung dann der OLG Bamberg, Beschl. v. 25.02.2019 – 110 Ss 6/19, u.a. zur Frage der Urkundenfälschung bei Vorlage einer Kopie durch Gebrauchmachen der Urschrift.

Wie immer reichen beim OLG Bamberg die Leitsätze, die lauten:

  1. Zwar handelt es sich bei einer nach außen als solche erkennbaren Kopie mangels eines ihr zukommenden Beweiswerts nicht selbst um eine Urkunde, jedoch kann durch die Verwendung der Kopie einer unechten oder verfälschten Urkunde zur Täuschung über beweiserhebliche Umstände im Rechtsverkehr der Tatbestand der Urkundenfälschung in der Variante des Gebrauchmachens der Urschrift i.S.v. § 267 I 3. Alt. StGB verwirklicht werden (st.Rspr., u.a. Anschl. an BGH, Urt. v. 23.09.2015 – 2 StR 434/14 = NJW 2016, 884 = NStZ-RR 2016, 115 = wistra 2016, 161 = AnwBl. 2016, 440 = BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 39 = BGHR StPO § 24 Abs 2 Befangenheit 24 = StV 2016, 269 m.w.N.).
  2. Die für einen Straftatbestand relevanten tatsächlichen Umstände können sich vollständig erst aus der Gesamtschau der Urteilsgründe, u.a. aus der Beweiswürdigung oder den Darlegungen des Tatgerichts zur rechtlichen Würdigung, finden; ihrer Berücksichtigung steht wegen der Einheitlichkeit der schriftlichen Urteilsgründe insoweit auch nicht entgegen, dass sich die Feststellungen in verschiedenen und dabei auch in solchen Zusammenhängen befinden, in denen sie nach dem üblichen Urteilsaufbau nicht erwartet werden (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 26.05.1987 – 1 StR 110/87 = BGHR StPO § 267 I 1, Feststellungen 1 – Zusammenhang der Urteilsgründe; Beschl. v. 05.12.2008 – 2 StR 424/08 [bei juris] und Urt. v. 21.03.2017 – 1 StR 486/16 = StV 2018, 727).

Strafzumessung III: Die „Schädigung der Solidargemeinschaft der Steuerzahler“ , oder: „Schweinehundtheorie“

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Die dritte Strafzumessungsentscheidung kommt mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 25.02.2019 – 110 Ss 6/19 – aus Bayern. Der Angeklagte ist u.a. wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. Leider teil das OLG den näheren Sachverhalt nicht mit. Jedenfalls hat es aber die Strafzumessung unbeanstandet gelassen:

„3. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Zwar ist strafschärfende Erwägung im Zusammenhang mit der Urkundenfälschung, der Angekl. habe „die Solidargemeinschaft der Steuerzahler in Höhe von 720 € geschädigt“- unbeschadet des Widerspruchs, der darin liegt, dass er nicht auch wegen Betrugs verurteilt wurde, was ihn freilich nicht beschwert – rechtsfehlerhaft. Denn auf die Person des Geschädigten kommt es im Rahmen der Strafzumessung mit Blick auf § 46 III StGB grundsätzlich nicht an, soweit es um den Schutz des Vermögens geht. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Straftat den Geschädigten im Hinblick auf seine beengten wirtschaftlichen Verhältnisse besonders hart trifft. In Anbetracht der massiven Vorstrafen des Angekl., bei dem es sich trotz langjährigen Strafvollzugs um einen hartnäckigen Wiederholungstäter handelt, schließt der Senat jedoch aus, dass das LG für diesen Fall bei richtiger Bewertung eine geringere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hätte, so dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler nicht beruht i.S.d. § 337 I StPO. […]“

„Schweinehundtheorie“.

OWi I: Nachträgliche Einspruchsbeschränkung, oder: Ausreichende Ermächtigung des Verteidigers?

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Heute dann – nein, nicht schon wieder Pflichtverteidigung 🙂 – sondern: OWi. Auch da hat sich einiges angesammelt und ich stelle heute daher drei verfahrensrechtliche OWi-Entscheidungen vor.

Den Opener macht der OLG Bamberg, Beschl. v. 08.02.2019 – 2 Ss OWi 123/19 – zur Frage der Wirksamkeit einer nachträglichen Einspruchsbeschränkung. Das OLG hat die vom Verteidiger erklärte Beschränkung als unwirksam angesehen:

a) Auf Feststellungen zum Schuldspruch durfte nicht verzichtet werden, weil die am 27.11.2017 erklärte Einspruchsbeschränkung unwirksam ist.

aa) Begrifflich handelt es sich auch dann um eine Einspruchsbeschränkung i.S.v. § 67 II OWiG, wenn der zunächst unbeschränkt erhobene Einspruch erst später, etwa im Wege eines Verteidigerschriftsatzes im Vorfeld der Hauptverhandlung oder aber – wie hier – innerhalb einer Hauptverhandlung teilweise zurückgenommen und damit nachträglich auf bestimmte Punkte, namentlich den Rechtsfolgenausspruch, beschränkt wird (OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfS 2018, 588 und 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr. 7 = ZfS 2018, 114; KG, Beschl. v. 9.10.2015 – 162 Ss 77/15 = VRS 129 [2015] Nr 28; Burhoff [Hrsg.]/Gieg, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 945, 992, jeweils m.w.N.).

bb) Ebenso wie für einen Teil-Verzicht auf den Einspruch bedarf der erklärende Verteidiger auch für die Teilrücknahme des Einspruchs vor oder in der Hauptverhandlung nach §§ 67 I 2 i.V.m. 302 II StPO einer bereits bei Abgabe der Rechtsmittelerklärung vorliegenden besonderen – jederzeit durch formlose Erklärung widerruflichen – ausdrücklichen Ermächtigung des Betr. bzw. Einspruchsberechtigten, die sich inhaltlich auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen muss (OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfS 2018, 588; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.02.2010 – 1 Ss 5/10 = StraFo 2010, 252; KG, Beschl. v. 19.2.1999 – 2 Ss 419/98 [bei juris]; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 302 Rn. 31a; Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 67 Rn 35 f.; Burhoff [Hrsg.]/Giega.O. Rn. 945, 992; KK-OWiG/Ellbogen § 67 Rn. 99, jeweils m.w.N.).

b) Eine derartige ausdrückliche Ermächtigung lag hier jedoch nicht vor. Insbesondere ergibt sich eine solche weder aus den Vollmachtsurkunden, die für die vormalige Verteidigerin des Betr. bereits unter dem 19.05.2017 und damit noch vor Erlass des Bußgeldbescheids sowie der Unterbevollmächtigten ausgestellt worden sind, noch ist ein entsprechender Nachweis für die Existenz einer notwendigen ausdrücklichen Ermächtigung bereits im Zeitpunkt der Einspruchsbeschränkung in zulässiger Weise nachträglich (vgl. hierzu neben BGHSt 36, 259/260 u.a. BGH, Beschl. v. 06.12.2016 – 4 StR 558/16 = NStZ-RR 2017, 185; 04.2015 – 1 StR 112/15 = NStZ-RR 2016, 24; 05.02,2014 – 1 StR 527/13 [bei juris]; Urt. v. 18.07.2013 – 4 StR 100/13 = NStZ-RR 2013, 352 = BGHR StPO § 302 I Rücknahme 7 und OLG Bamberg a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 302 Rn. 33) erbracht worden. Eine hierauf unter Darlegung der maßgeblichen Rechtsfragen abzielende Anfrage der GStA vom 07.01.2019 bei der vormaligen Verteidigerin des Betr. blieb unbeantwortet. Da Anhaltspunkte dafür fehlen, die Frage könne durch den Senat freibeweislich weiter aufgeklärt werden, ist davon auszugehen, dass der Betr. die in erster Instanz für ihn tätig gewordenen Verteidigerinnen nicht ausdrücklich zu der am 27.11.2017 von der unterbevollmächtigten Verteidigerin erklärten Einspruchsbeschränkung ermächtigt hatte mit der Folge, dass mit dem Einspruch des Betr. als Rechtsbehelf eigener Art (näher zur Rechtsnatur des Einspruch vgl. Burhoff [Hrsg.]/Gieg a.a.O. Rn. 928 ff.) der Bußgeldbescheid vom 12.06.2017 seitens des AG weiterhin als umfassend angefochten zu behandeln gewesen wäre.“

OWI II: PoliscanSpeed aus Enforcement Trailer: oder Das OLG als PTB bzw.: Was interessiert uns die Bedienungsanleitung

Als zweite Entscheidung stelle ich den OLG Bamberg, Beschl. v. vom 12.03.2019 – 2 Ss OWi 67/19 – vor.  Problematik:  Standardisierter Messbetrieb mit PoliScanSpeed auch, wenn aus einem sog. „Enforcement Trailer“ gemessen wird. Das OLG Bamberg sagt natürlich ja:

„Der Anerkennung des digitalen Geschwindigkeitsmessverfahrens PoliScanspeed M1 HP als standardisiertes Messverfahren i.S.d. Rspr. des Bundesgerichtshofs (BGHSt 39, 291 und 43, 277) steht bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nicht entgegen, dass die Messung aus einem sog. ‚Enforcement Trailer‘, d.h. aus einem eigens für das Messgerät vom Hersteller entwickelten und konstruierten, gegen äußere Einflüsse gesicherten mobilen Spezialanhänger heraus erfolgt. Die Anerkennung als standardisiertes Messverfahren ist insbesondere nicht deshalb zu versagen, weil die Gebrauchsanweisung für das verfahrensgegenständliche Messgerät (bislang) nicht ausdrücklich dahin angepasst bzw. ergänzt wurde, dass der Betrieb des Messgeräts neben dem Einsatz „aus einem Kfz, auf einem Stativ oder in einer Messkabine“ (vgl. Vitronic Gebrauchsanweisung Version 3.3.7-08.07.13 für PoliScanspeed M1/M1 HP, Kap. 5.1 [Funktionsbeschreibung-Messprinzip], S. 21 oben) auch aus einem – damals noch nicht existierenden – sog. ‚Enforcement Trailer‘ heraus erfolgen darf. Auf die Frage, ob ein als Anhänger zugelassener sog. ‚Enforcement Trailer‘ als ‚Kraftfahrzeug‘ oder ‚Fahrzeug‘ im Sinne der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (vgl. § 2 Nrn. 1 und 3 FZV) anzusehen ist, kommt es nicht an. Entscheidend ist insoweit allein, ob der Einsatz des Messgeräts aus einem sog. ‚Enforcement Trailer‘ heraus zu Verfälschungen der Messergebnisse führen kann. Hierfür fehlt jeder Anhaltspunkt. Im Gegenteil ist gewährleistet, dass die Richtigkeit des Messergebnisses durch diese Art der Verwendung nicht berührt wird, weil die innerstaatliche Bauartzulassung für das Gerät PoliScanspeed M1 HP (PTB-Zul. 18.11/10.02) die Verwendung aus einem „Fahrzeug“ heraus vorsieht, mithin nicht den Einsatz gerade aus einem „Kraftfahrzeug“ heraus verlangt. […]“.

Man könnte auch schreiben: Das OLG als PTB – „bislang“ oder: Was interessiert uns die Bedienungsanleitung?

Revision I: Aufklärungsrüge, oder: Das wollen wir lesen

entnommen openclipart.org

Heute dann mal ein wenig Revisions- bzw. Rechtsbeschwerderecht – ist ja kein so großer Unterschied – und zwar mit drei Entscheidungen zur Begründung des Rechtsmittels.

Den Opener macht das OLG Bamaberg, Urt. v. 09.02.2018 – 3 OLG 110 Ss 138/17, das zu den Anforderungen an die Aufklärungsrüge bei Zeugenbeweis und wegen unterbliebener Schuldfähigkeitsbegutachtung Stellung nimmt. Es reichen – wie häufig beim OLG Bamberg – die (amtlichen) Leitsätze. Die lauten:

  1. Die Aufklärungsrüge, mit der die unterbliebene Vernehmung eines Zeugen beanstandet wird, ist nicht zulässig erhoben, wenn dessen ladungsfähige Anschrift nicht mitgeteilt wird .
  2. Eine zulässige Aufklärungsrüge erfordert ferner den Vortrag, welche konkreten Angaben der nicht vernommene Zeuge hätte machen können.
  3. Die Aufklärungsrüge, mit der die unterlassene Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu den Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB gerügt wird, ist unzulässig, wenn ausreichend bestimmte Behauptungen dazu, welche konkreten Tatsachen das Gericht hätte aufklären können und was es zu der vermissten Beweiserhebung drängen musste, unterbleiben.

Also: Beachten!!