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Anfängerurteil, oder: Wenn bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung aber auch gar nichts stimmt

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Heute dann ein Tag des (Licht)Bildes. Den Opener macht der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.03.2018 – IV-3 RBs 54/18, den mir der Kollege P.Lauterbach aus Solingen übersandt hat. Es handelt sich bei dem dem Beschluss zugrunde liegenden Urteil des AG Wuppertal mal wieder um ein AG-Urteil, bei dem aber auch gar nichts stimmt:

„1. Den Urteilsgründen ist bereits nicht zu entnehmen, worauf die Feststellungen zu der vorwerfbaren Geschwindigkeit beruhen. Ausweislich der Urteilsgründe hat sich der Betroffene nicht zur Sache eingelassen. Im Übrigen befassen sich die Ausführungen zur Beweiswürdigung des Amtsgerichts allein mit der Fahreridentifizierung und der Ordnungsgemäßheit der Messung. Angaben zur Grundlage der Feststellungen zum Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung fehlen hingegen. Insbesondere der— im Zusammenhang mit der Fahreridentifizierung erörterte — Umstand, dass das „Messfoto in Augenschein genommen“ (UA § . 3) wurde, trägt die Feststellungen zur Geschwindigkeit nicht. Bei etwaig eingeblendeten Daten des Messfotos handelt es sich um urkundliche Angaben, die von der allein mitgeteilten Einnahme des Augenscheins nicht erfasst werden.

2. Die Urteilsgründe genügen auch den sachlichrechtlichen Anforderungen an die Darlegung von Gutachten, die nicht unter Anwendung eines allgemein anerkannten und weithin standardisierten Verfahrens erstattet worden sind, wie es bei einem anthropologischen Vergleichsgutachten der Fall ist, nicht. Nach ständiger obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung muss der Tatrichter, der ein solches Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer in sich geschlossenen — wenn auch nur gedrängten — zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmitteigericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. die Nachweise bei Huckenbeck/Krumm, NZV 2017, 453, 456). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil, das lediglich die vom Sachverständigen „festgestellten“ Übereinstimmungen und das vergebene Wahrscheinlichkeitsprädikat mitteilt, nicht gerecht. Eine Darlegung der Ausführungen des Sachverständigen war vorliegend auch nicht deswegen entbehrlich, weil die Fahreridentifizierung nicht ausschließlich aufgrund eines anthropologischen Sachverständgengutachtens erfolgt ist. Verschafft sich der Tatrichter — wie hier (UA § . 3) — auch aufgrund eigener Wahrnehmung von der Person des Betroffenen und einem Abgleich mit dem Radarfoto die notwendige Überzeugung von der Fahrereigenschaft, gelten die erhöhten Darlegungsanforderungen zwar nicht uneingeschränkt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. Juni 20171 4 RBs 216/17 <beck-online>). Vielmehr kann in diesem Fall von näheren Ausführungen zum Inhalt des Gutachtens abgesehen werden, wenn die Urteilsgründe im Übrigen so gefasst sind, dass das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob das jeweilige Lichtbild überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Diese Forderung kann der Tatrichter bereits dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf das in der Verfahrensakte befindliche Messbild gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 § . 3 StPO Bezug nimmt. Durch die Bezugnahme wird das Lichtbild Bestandteil der Urteilsgründe und das Rechtsbeschwerdegericht hat insoweit die Möglichkeit, aus eigener Anschauung zu würdigen und zu beurteilen, ob das Lichtbild als Grundlage einer Identifizierung generell tauglich ist (vgl. BGH, NJW 1996, 1420, 1421 m. w. N.). Macht der Tatrichter von der Möglichkeit der Bezugnahme Gebrauch und ist das Lichtbild zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Begründung der Überzeugung von der Identität der abgebildeten Person mit dem Betroffenen insgesamt entbehrlich, zumal die Überprüfung dieser tatrichterlichen Wertung dem Rechtsbeschwerdegericht weder zusteht noch möglich ist (BGH, a.a.O.). Auch nach diesen Maßgaben hält das Urteil sachlichrechtlicher Prüfung indes nicht Stand. Denn es fehlt an einer ordnungsgemäßen Bezugnahme auf das Beweisfoto. Eine solche ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die genaue Fundstelle des konkreten Lichtbildes in den Akten mitgeteilt wird (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 21. September 2011, 322 SsBs 328/1 1 <beck-online>). Diese Mitteilung ist hier unterblieben.

3. Überdies sind die amtsgerichtlichen Feststellungen zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung lückenhaft und bieten damit auch keine hinreichende Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs. Zwar teilt der Amtsrichter das angewandte Messverfahren mit, bei dem es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Es fehlen jedoch vollständige Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug. Dem Urteil ist lediglich zu entnehmen, dass ein solcher vorgenommen worden sein soll. Angaben zur Höhe fehlen hingegen. Aufgrund der ebenfalls fehlenden Angabe zur gemessenen tatsächlichen Geschwindigkeit lassen sich die Vornahme und die Höhe des Abzugs auch nicht mittelbar nachvollziehen. Dem Senat ist es somit insgesamt nicht möglich zu überprüfen, ob etwaige Fehlerquellen in ausreichendem Maße berücksichtigt worden sind. Insofern kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass das Ausmaß der vorwerfbaren Geschwindigkeitsüberschreitung unterhalb der vom Amtsgericht angenommenen Geschwindigkeit liegt. In Anbetracht der Höhe des vorzunehmenden Toleranzabzuges und der vom Amtsgericht angenommenen Geschwindigkeit „nahe der Grenze“ zum nächstgeringeren Regeltatbestand ist daher auch nicht zu erkennen, ob die hinsichtlich der Bußgeldhöhe und insbesondere des Fahrverbots zugrunde gelegten Regelanordnungen rechtsfehlerfrei gewählt worden sind.“

Tja, – selbst auf die Gefahr böser Kommentare: Anfängerurteil.

Ein Eichschein ist eine zu verlesende Urkunde, aber: Die Beruhensfalle schnappt zu

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Immer wieder wird in amtsgerichtlichen Entscheidungen betreffend Geschwindigkeitsüberschreitungen bzw. Abstandsunterschreitungen in den Feststellungen u.a. auf den Eichschein des verwendeten Messgeräts und/oder andere Urkunden Bezug genommen. So auch in dem dem OLG Bamberg, Beschl. v. 07.03.2018 – 3 Ss OWi 284/18 – zugrundeliegenden amtsgerichtlichen Urteil. Dazu meint das OLG Bamberg:

„In sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandet die Rechtsbeschwerde allerdings zu Recht, dass das AG rechtsfehlerhaft „wegen der Einzelheiten“ auf die bei den Akten befindlichen und jeweils das als ‚standardisiert‘ anerkannte verfahrensgegenständliche Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystems ‚VKS 3.0‘ betreffenden Eichscheine des Bay. Landesamts für Maß und Gewicht vom 24.01.2017 und des Landesamts für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz vom 17.11.2016 gemäß § 71 I i.V.m. § 267 I 3 StPO Bezug genommen hat.

a) Denn bei den Eichscheinen handelt es sich ebenso wie bei Konformitätsnachweisen, Messprotokollen, Schulungsnachweisen, der sog. ‚Lebensakte‘ Gerätstammkarte oder Videodistanzauswertungen um (regelmäßig zu verlesende) Urkunden i.S.v. § 249 StPO und gerade nicht um die Außenwelt unmittelbar wiedergebende Abbildungen i.S.v. § 267 I 3 StPO, weshalb eine Bezugnahme nach dieser Vorschrift ausscheidet; der Tatrichter hat diese Beweismittel vielmehr im Urteil in einer aus sich heraus verständlichen Form zu würdigen (vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 07.08.2017 – 3 Ss OWi 996/17 = BA 55 [2018], 78 und OLG Hamm, Beschl. v. 11.05.2017 – 4 RBs 152/17 [bei juris]; ferner schon OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.11.2004 – 1 Ss [OWi] 210 B/04 = DAR 2005, 97 = StraFo 2005, 120 = NStZ 2005, 413; OLG Hamm, Beschl. v. 07.01.2009 – 3 Ss OWi 948/08 = NStZ-RR 2009, 151 = NZV 2009, 303 [Ls.] sowie OLG Schleswig, Beschl. v. 06.01.2011 – 1 Ss OWi 209/10 = VA 2011, 64; s. auch Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. [2017] § 71 Rn 42 ff. und Burhoff [Hrsg.]/Gieg HB OWi-Verfahren 5. Aufl. [2018] Rn. 144, jew. m.w.N.).“

Aber: Im Ergebnis bringt der Fehler nichts – die „Beruhensfalle“ schnappt zu:

„b) Jedoch greift die Beanstandung der Rechtsbeschwerde hier deshalb nicht durch, weil ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf dem festgestellten Rechtsfehler beruht (§ 337 I StPO). Denn zur Erfüllung der gebotenen sachlich-rechtlichen Darstellungsanforderungen bedurfte es der Mitteilung der gedanklichen Inhalte der Eichscheine oder gar einer Auseinandersetzung mit diesen im Urteil nicht.

aa) Erfüllt die Abstandsmessung – wie hier vom AG rechtsfehlerfrei festgestellt – die Voraussetzungen eines als ‚standardisiert‘ anerkannten Messverfahrens i.S.d. Rspr. des BGH (grundlegend BGHSt 39, 291/301 ff. = NJW 1993, 3081 = DAR 1993, 474 u. BGHSt 43, 277, 282 ff. = NJW 1998, 321 = MDR 1998, 214 = DAR 1998, 110) und ergibt sich aus den Gründen des Bußgeldurteils zweifelsfrei, dass die dem Betr. vorgeworfenen Geschwindigkeits- und Abstandswerte unter Vornahme des gebotenen Toleranzabzugs ermittelt wurden, stellt es für sich genommen grundsätzlich keinen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils i.S.v. § 71 I i.V.m. § 267 I StPO dar, wenn sich die Verurteilung hinsichtlich des Messvorgangs auf die Mitteilung des angewendeten Messverfahrens, die errechnete Geschwindigkeit des Betr. und die Länge des vorwerfbaren Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug beschränkt. Die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert bilden somit die Grundlage einer ausreichenden, nachvollziehbaren Beweiswürdigung. Eine darüber hinausgehende ausdrückliche Erörterung weiterer tatsächlicher Voraussetzungen dieses vom Rechtsbeschwerdegericht anzulegenden Prüfungsmaßstabes im Urteil wäre daher überflüssig (vgl. neben BGH a.a.O. u.a. KG, Beschl. v. 12.11.2015 – 122 Ss 111/15 = NStZ-RR 2016, 27 = VRS 129 [2015], 155 = NZV 2016, 293 und v. 02.99.2015 – 3 Ws [B] 447/15122 Ss 125/15 sowie zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 19.07.2017 – 3 Ss OWi 836/17 [bei juris] m. Anm. Krenberger, jurisPR-VerkR 25/2017 Anm. 6), sofern nicht ausnahmsweise aufgrund der Art des Verkehrsverstoßes weitere Feststellungen, beim Abstandsverstoß mit Blick auf seine Vorwerfbarkeit und bei Vorliegen eines substantiierten Einwands etwa zur sog. ‚Beobachtungsstrecke‘ und etwaigen außergewöhnlichen Fahrmanövern und hierdurch dem Betr. nicht vorwerfbare Abstandsunterschreitungen (z.B. unerwarteter Spurwechsel mit Einscheren eines überholenden Fahrzeugs oder plötzliches Abbremsen des Vorausfahrenden), geboten sind (Burhoff [Hrsg.]/Giega.O. Rn. 156, 158 ff. m.w.N.).

bb) Diesen Mindestanforderungen wird das angegriffene Urteil gerecht, weshalb es sowohl bei der Errechnung der Geschwindigkeit des Betr. als auch bei der hieraus abgeleiteten Bestimmung des Abstandes sogar keiner Mitteilung der Toleranzwerte mehr bedurft hätte, da ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die nach der Gebrauchsanweisung des Herstellers vorgesehenen systemimmanenten Verkehrsfehlergrenzen bereits vom Rechenprogramm abgezogen und damit beim Ergebnis berücksichtigt wurden (st.Rspr.; vgl. [für ViBrAM-BAMAS] OLG Stuttgart NStZ-RR 2007, 382 = DAR 2007, 657 = VRR 2007, 475 [Krumm]; [für Brückenabstandsmessverfahren VAMA] OLG Bamberg ZfS 2013, 290 = VM 2013, Nr 30 = VRR 2013, 111 [Deutscher]; vgl. auch OLG Brandenburg VRS 108, 121 = DAR 2005, 162 und NStZ 2005, 413 [jew. für Geschwindigkeitsermittlungen mittels VIDISTA-R]; OLG Karlsruhe NZV 2007, 256; vgl. ferner schon BGHSt 39, 291/301 ff.; 43, 277/282 ff.; BayObLGSt 1993, 55/56 f sowie OLG Bamberg, Beschl. v. 19.7.2017 – 3 Ss OWi 836/17; OLG Bamberg NJW 2015, 1320 = NZV 2015, 309 = DAR 2015, 396 und OLG Bamberg, Beschl. v. 21.11.2016 – 3 Ss OWi 1394/16 = DAR 2017, 91; Burhoff[Hrsg.]/Gieg, a.a.O. Rn. 152, 154 ff. m.w.N.; Hentschel/König/Dauer a.a.O. § 4 StVO Rn 26; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke a.a.O. § 4 StVO Rn 7; Gutt/Krenberger ZfS 2015, 664, 666).“

Wenn der Messbeamte sich nicht mehr erinnern kann, oder: Bezugnahme auf das Messprotekoll?

Gerade in den Bußgeldverfahren gibt es immer wieder Streit/Probleme bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der Frage: An was kann sich der Messbeamte eigentlich noch erinnern bzw. was kann ich/der Amtsrichter ihm noch glauben. Bei der Vielzahl der Messungen ist es schon „verständlich“, wenn sich die Messbeamten nicht mehr an jede Messungen erinnern können. Wenn sie „ehrlich“ sind, räumen sie das dann auch in der Hauptverhandlung ein und ziehen sich dann auf das Messprotokoll zurück. Tenor: „Wenn das da so steht, soll es schon so gwesen sein“. Das geht, wenn überhaupt, allenfalls dann, wenn der Messbeamte das Messprotokoll auch selbst gefertigt und unterschrieben hat. Sonst klappt das nicht.

So (zutreffend) jetzt das AG Dortmund im AG Dortmund, Urt. v. 14.o7.2017 – 729 OWi-268 Js 995/17 -169/17 – mit dem Leitsatz:

„Das nur in einem Messprotokoll enthaltenen Messergebnis einer Geschwindigkeitsmessung, an das sich der Messbeamte nicht selbst erinnern kann, kann einer Verurteilung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn der Messbeamte die Gewähr für die Richtigkeit seiner laut Messprotokoll getroffenen Feststellungen übernimmt. Dies ist nicht möglich, wenn er selbst das Messprotokoll gar nicht gefertigt oder (mit) unterschrieben hat. Gleiches gilt für durchgeführte Gerätetests.“

Ähnlich hatte das AG Dortmund vor kurzem zu einem Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO entschieden (vgl. AG Dortmund, Urt. v. 13.06.2017 – 729 OWi-261 Js 625/17-114/17; dazu: Mobiltelefon im Straßenverkehr, oder: Was haben die Polizeibeamten gesehen/wofür kann man die „Gewähr“ übernehmen?) Dazu dann auch BGHSt 23, 213.

Täteridentifizierung und kein Ende, oder: So geht es jetzt – einfacher (?)

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Die ordnungsgemäße Bezugnahme auf ein Lichtbild, mit dem ggf. der Betroffene als Führer/Fahrer eines Kraftfahrzeuges zum Vorfallszeitpunkt identifiziert werden kann, beschäftigt im Moment mal wieder die obergerichtliche Rechtsprechung. Dabei geht es um die Frage, wann der Tatrichter ordnungsgemäß im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf eine bei den Akten befindliche Abbildung verwiesen hat. Damit hat sich jetzt auch das OLG Hamm noch einmal befasst. Es geht unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des BGH davon aus, dass eine Bezugnahme deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen gebracht werden muss, wofür die Angabe der bloßen Fundstelle des Lichtbildes in der Akte genügen könne. Eine wirksame Bezugnahme auf Abbildungen liege aber dann nicht vor, wenn lediglich der Beweiserhebungsvorgangs in allgemeiner Form (etwa zu Beginn der Beweiswürdigung im Rahmen einer übersichtsartigen Benennung der Beweisgrundlagen) geschildert wird. So der OLG Hamm, Beschl. v. 23.03.2017 – 4 RVs 30/17, der zwar in einem Revisionsverfahren ergangen ist, der aber auch für das Bußgeldverfahren gilt.

Die Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Bezugnahme auf Lichtbilder weicht im Hinblick auf das auch vom OLG Hamm angeführte BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/15 auf. In der Vergangenheit ist man teilweise davon ausgegangen, dass der bloße Hinweis, dass bestimmte Lichtbilder, die ggf. noch mit Blattzahl der Akten benannt werden, in Augenschein genommen wurden, nicht hinreichend deutlich den Willen zur Inbezugnahme i.S.v. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO erkennen lasse (u.a. OLG Bamberg NZV 2008, 211). Inzwischen schwenkt die OLG-Rechtsprechung jedoch auf den „weicheren“ Kurs des BGH ein. So dann auch schon OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2016 – 3 Ss OWi 1164/16 und dazu Täteridentifizierung, oder: Mainstream vom OLG Bamberg und OLG Bamberg, Beschl. v. 06.02.2017 – 3 Ss OWi 156/17 und dazu Nochmals Täteridentifizierung, oder: Wie muss die Lichtbildbezugnahme aussehen?). Etwas einschränkender wird das vom OLG Düsseldorf gesehen (vgl. den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.05.2017 – 1 RBs 55/16, auf den ich vorhin ja schon in andererem Zusammenhang hingewiesen habe). Danach soll bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten nicht ausreichen, wenn im Urteil auch die Fundstellen verschiedener in der Hauptverhandlung verlesener Urkunden angegeben werden, die keinesfalls durch Bezugnahme Bestandteil der Urteilsgründe werden können.

Warum brauche ich dafür ein OLG?, oder: Urkunden/Abbildungen

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So, und dann noch einen Owi-Beschluss, der vor einiger Zeit auch schon beim Kollegen Gratz im VerkehrsrechtsBlog gelaufen ist. Es ist der OLG Naumburg, Beschl. v. 04.04.2016 – 2 Ws 60/16, der ein Frage/ein Problem behandelt, bei dem die Lösung m.E. auf der Hand liegt. Nämlich die Frage: Auf welche Unterlagen usw. kann eigentlich im straf- und damit auch im bußgeldrechtlichen Urteil Bezug genommen werden?

Die Lösung folgt unschwer aus § 267 Abs 1. Satz 3 StPO: Es kann wegen der Einzelheiten auf Abbildungen Bezug genommen werden. Und „Urkunden wie Lieferscheine, Rechnungen, Wegprotokolle, Eichscheine und sonstige Schriftstücke [sind] einer Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i. V. m. § 71 OWiG nicht zugänglich„, denn das sind eben „Urkunden“ und keine „Abbildungen“. Warum man dafür ein OLG braucht, erschließt sich mir nicht. Sollte man als Amtsrichter wissen.