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Immer wieder Blutentnahme und Beweisverwertungsverbot – zumindest können sich die „Mühen“ bei den Rechtsfolgen „lohnen“…

Das OLG Celle hat jetzt auch noch einmal zum Beweisverwertungverbot bei der Blutentnahme (§ 81a StPO) Stellung genommen. Der Beschl. v. 15.07.2010 – 322 SsBs 159/10 lässt sich in etwa folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

  1. Zwischen der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungsbehörden besteht im Hinblick auf die Eilzuständigkeit gem. § 81a Abs. 2 StPO kein Rangverhältnis.
  2. Zu den Voraussetzungen an die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge mit der der Rechtsmittelführer das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Eildienstes und ein darauf zurückzuführendes Beweisverwertungsverbot geltend macht.
  3. Das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Eildienstes zur Erfüllung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
  4. Bei einer Geldbuße von 275 € muss das tatrichterliche Urteil Ausführungen zur den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen enthalten, da das Rechtsbeschwerdegericht sonst nicht nachvollziehen kann, ob die Bemessung der Geldbuße in Einklang mit § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG steht.

Der Beschluss liegt weitgehend auf der Linie der Rechtsprechung anderer OLG, wozu schon manches/vieles geschrieben ist. Die im Ls. 1 angesprochene Frage scheint m.E. das BVerfG anders zu sehen (vgl. BVerfG VRR 2008, 389 = StRR 2008, 382 = NJW 2008, 3053; BVerfG, Beschl. v. 11.06.2010, 2 BvR 1046/08). Interessant auch die Ausführungen des OLG zu Ls. 3, in dem es die Anforderungen an die Verfahrensrüge in diesen Fällen noch einmal verschärft hat.

Aber: Die (erfolglosen) Mühen haben sich für den Verteidiger und seinen Mandanten zumindest teilweise „gelohnt“. Das OLG weist in der Segelanweisung auf den langenZeitablauf hin und darauf, dass im zweiten Anlauf nun wohl ggf. ein Fahrverbot nicht mehr verhängt werden dürfte.

Messung mit Leivtec XV2 – AG Prenzlau zum Anfangsverdacht

Der Kollege Glienke hat mir das von ihm erstrittene Urteil des AG Prenzlau v. 31.05.2010 – 21 OWi 383 Js-OWi 41493/09 (504/09) überlassen; herzlichen Dank. Das Verfahren endete mit einem Freispruch des Mandanten vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit einer Messung mit Leivtec XV2 festgestellt worden sein sollte. Das AG verneint einen Anfangsverdacht, und zwar u.a. wie folgt:

Nach dem Inhalt des eingesehenen Teils der Videoaufzeichnung steht für das Gericht allerdings nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Messbeamte die Aufzeichnungen auf Grund von konkreten Tatsachen auslöste, dass der Fahrzeugführer möglicherweise eine Geschwindigkeitsüberschreitung begeht. Vielmehr drängte sich auf, dass er zu großen Teilen Aufzeichnungen nur wegen eines bloßen Verdachts ohne erforderliche Anhaltspunkte anfertigte.“

Ein schönes Beispiel dafür, wie man nach der Entscheidung des BVerfG v. 05.07.2010 (vgl. hier und hier) – das Urteil des AG Prenzlau stammt aus der Zeit vorher – sich mit dem Anfangsverdacht auseinandersetzen kann/muss

(Video)Messung: 5 erste Punkte aus BVerfG 2 BvR 759/10, oder: In Zukunft wird es schwer werden…

Die Entscheidung des BVerfG v. 05.07.2010 – 2 BvR 759/10 beschäftigt – wie nicht anders zu erwarten – natürlich heute die Blogs (vgl. hier, hier und hier und hier)., weitere Beiträge werden sicherlich folgen. Nachdem ich die Entscheidung nun ein paar Mal gelesen habe, kann ich – vorsichtig – folgende erste Einschätzung abgeben:

  1. Die Entscheidung bertifft nicht die Videomessung, sondern eso ES 3.0
  2. Das BVerfG wendet aber seinen Beschluss vom 11.08.2009 ohne Einschränkungen auf dieses Messverfahren an, wenn es die Ermächtigungsgrundlage bestimmt. Damit dürfte die Frage in der Praxis entschieden sein. Die OLG-Rechtsprechung, die § 100h StPo als Ermächtigungsgrundlage angenommen hat, ist damit quasi abgesegnet. Die Tatgerichte werden auch bei anderen Messverfahren gern 🙂 auf 2 BvR 759/10 verweisen. Näher begründet hat das BVerfG seine Entscheidung leider nicht, es hat sich auch nicht mit den Einwänden bzw. Bedenken erwähnt. Die „a.A“ wird genannt. Das war es.
  3. Die Entscheidung des BVerfG wird m.E. auch Auswirkungen bei der Frage des Beweisverwertungsverbotes haben. Die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit sprechen eine deutliche Sprache. Wir werden sie in der Abwägung der Fachgerichte wieder finden.
  4. Die Diskussion wird sich vermutlich jetzt noch mehr zur Frage der Tatbestandsvoraussetzungen des § 100h StPO verlagern und zur Frage des Anfangsverdachts. Aber auch da: M.E. schlechte Nachrichten aus Karlsruhe. Denn das BVerfG hat die Entscheidung des OLG Brandenburg abgesegnet, in der auch von einer Art „vorgelagertem Tatverdacht“ ausgegangen worden ist. Damit dürfte es auch mit der Verteidigungslinie zumindest nicht einfacher geworden sein.
  5. Fazit: M.E. wird es in Zukunft schwer werden mit der Verfassungswidrigkeit der Messungen. Ich will damit den Beschluss des BVerfG nicht gut heißen, aber: In der Praxis wird schwer an ihm vorbei zu kommen sein 🙁

Und täglich grüßt das Murmeltier, oder Neues aus dem Osten? VerfGThüringen zum BVV bei Verletzung des Richtervorbehalts (§ 81a Abs. 2 StPO)

Der Kollege Melchior hat mich gestern dankenswerter Weise auf den Beschl. des VerfGH Thüringen v. 25.03.2010 – verfGH 49/09 und VerfGH 50/09 hingewiesen.

Auch Backe, das sind rund 30 Seiten (warum muss ein Verfassungsgericht eigentlich immer so viel schreiben?), die ich bislang nur habe überfliegen können. Auf den ersten Blick bringt der Beschluss nichts wesentlich Neues, aber auf zwei Dinge will ich nach einem ersten Lesen doch hinweisen:

  1. Der VerfGH betont ausdrücklich, dass § 81a StPO auch für die Anordnung einer Blutentnahme zum Nachweis einer Trunkenheitsfahrt gilt. Davon sind bisher zwar alle Gerichte ausgegangen – sonst hätten wir die Diskussion ja nicht, aber keins hat es so ausdrücklich erwähnt (ist mir jedenfalls nicht aufgefallen, kann man aber bei der Vielzahl der Entscheidungen auch überlesen haben).
  2. Zur in der Praxis vornehmlich interessierenden Frage :“Beweisverwertungsverbot?“ hält sich die Entscheidung, die sich auch mit der Frage der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde auseinandersetzt, auf dem Level der dazu vorliegenden Rechtsprechung: Abwägung und Verstoß gegen Willkürverbot? (so ganz gut kommen AG und LG aber nicht weg).

Aber halt Stopp!! Von Bedeutung ist m.E. dass von den entscheidenden neun Richtern drei abweichender Auffassung waren und das auch ausgeführt haben. Sie sehen die Frage des Beweisverwertungsverbotes teilweise anders. Insofern also: Ein wenig Neues aus dem Osten.

Man wird die Entscheidung dann mal in Ruhe lesen müssen, um zu sehen, was sie sonst ggf. noch Neues bringt.

Eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg…

…hat der Verteidiger, wenn er im Strafverfahren erfolgreich ein Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den in § 81a Abs. 2 StPO enthaltenen Richtervorbehalt geltend gemacht und durchgesetzt hat. Denn nach dem Strafverfahren eröffnet sich ggf. der nächste Kampfschauplatz, und zwar auf dem Gebiet der Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde. Auch da wird ggf. um die Verwertbarkeit der Blutprobe gestritten (werden müssen).

Allerdings: Der Erfolg ist hier noch schwerer bzw. der Weg noch steiniger und noch seltener erfolgreich. Das gilt vor allem, nachdem man die dazu vorliegende verwaltungsrechtliche Rechtsprechung inzwischen als h.M. dahin zusammenfassen kann, dass diese keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit hat. Keine Einheit der Rechtsordnung und andere Zielsetzung der Verfahren, das sind die Hauptargumente. Zu dem Ganzen jetzt vor kurzem auch der VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.06.2010 – 10 S 4/10, der die altbekannten Argumente wiederholt, allerdings etwas mehr Futter an die Argumentation tut als bislang die anderen OVGs (vgl. OVG Koblenz, BA 2010, 264; OVG Lüneburg, BA 2008, 416 = VRR 2008, 396; zfs 2010, 114 = DAR 2010, 221 = VRR 2010, 159; NJW 2010, 1621 = zfs 2010, 295).