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OWi III: Nochmals Bindung an den Entbindungsantrag, oder: Nachträgliche Ergänzung des (Protokoll)Urteils

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Und im letzten Posting dann noch zwei Entscheidungen zu Verfahrensfragen. Nichts wesentliche Neues, aber man kann mal wieder daran erinnern.

Ich stelle zunächst den OLG Naumburg, Beschl. v. 02.05.2022 – 1 Ws 97/22 – noch einmal zum Entbindungsantrag und zur Verwerfung des Einspruchs (§§ 73, 74 OWiG) vor, und zwar mit folgendem Leitsatz:

Nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert oder wenn er erklärt hat, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht „weiter“ zur Sache äußern, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Die Entscheidung über den Entbindungsantrag steht hierbei nicht im Ermessen des Gerichtes, vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag nachzukommen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.

Und dann noch der BayObLG, Beschl. v. 30.05.2022 – 202 ObOWi 718/22 – mit folgendem Leitsatz:

Die nachträgliche Ergänzung eines Urteils ist grundsätzlich nicht zulässig – und zwar auch nicht innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO -, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist. Für das Bußgeldverfahren folgt daraus, dass ein vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenes, nicht mit Gründen versehenes Urteil, das den inneren Dienstbereich des Gerichts bereits verlassen hat, nicht mehr verändert werden darf, es sei denn, die nachträgliche Urteilsbegründung ist gemäß § 77b Abs. 2 OWiG zulässig.

Auch nichts Neues, Und auch die Formulierung: „Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und zwingt den Senat auf die (unausgeführte) Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.“ ist nicht neu, m.E. aber unschön. Wieso: „zwingt“?

 

Rechtsmittel II: Zweimal zur Rechtsmittelbegründung, oder: Inbegriffsrüge und Sach-/Verfahrensrüge

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Im „Mittagsposting“ hier dann zwei Entscheidungen zur Begründung der Revision/des Rechtsmittels.

Zunächst der OLG Hamm, Beschl. v. 15.02.2022 – 5 RVs 15/22 –, in dem es um die Rüge der Verletzung des § 261 StPO geht:

„Ergänzend zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft bemerkt der Senat, dass zur ordnungsgemäßen Begründung der Rüge nach § 261 StPO auch die Darlegung, dass der Bericht der Bewährungshelferin nicht auf andere zulässige Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Die Rügebegründung, die eine Reihe von Möglichkeiten der Einführung in die Hauptverhandlung ausschließt, verhält sich vorliegend nicht dazu, ob die fraglichen Angaben der Bewährungshelferin nicht durch Verlesung des erstinstanzlichen Urteils, welches diese enthält, zu Beweiszwecken nach § 249 StPO (die Verlesung nach § 324 Abs. 1 StPO würde freilich nicht genügen, vgl. OLG Hamm NJW 1974, 1880) in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist.

Des Weiteren beruhen die landgerichtlichen Feststellungen ausweislich der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil auf der Einlassung des Angeklagten. Will dieser mit der Rüge der Verletzung des § 261 StPO geltend machen, der Angeklagte habe sich anders als im Urteil festgestellt eingelassen, kann er damit nicht durchdringen, weil dies gegen das sog. Rekonstruktionsverbot verstoßen würde (vgl. näher: Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 261 Rdn. 42).“

Und in der zweiten Entscheidung, dem OLG Hamm, Beschl. v. 21.02.2022 – 5 RBs 38/22 -, dann das Werk eines „Revisions-/Rechtsbeschwerdekünstlers. Was passiert ist – oder besser: was nicht passiert ist, ergibt sich aus den Leitsätzen:

  1. Genügt eine erhobene Verfahrensrüge nicht den Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO und wird die Sachrüge nicht erhoben, so ist die Rechtsbeschwerde insgesamt unzulässig.
  2. Lassen die Ausführungen in der Rechtsmittelbegründung erkennen, dass der Beschwerdeführer in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung beanstandet, sondern ausschließlich die Beweiswürdigung und die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen, so handelt es sich nicht um eine Sachrüge.

Zum Letzten: Ohne Worte.

StPO III: Unterbrechung der Zeugenvernehmung, oder: Ordnungsgeld gegen den Angeklagten

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Und zum Schluss habe ich dann hier noch den schon etwas älteren OLG Hamm, Beschl. v. 16.09.2021 – 4 Ws 138/21. Das OLG überprüft einen vom AG gegen den Angeklagten erlassenen Ordnungsgeldbeschluss. Das AG hatte gegen den Angeklagten wegen wiederholten Unterbrechens von Zeugenvernehmungen durch zwei Beschlüsse jeweils ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,- EUR, ersatzweise drei Tage Ordnungshaft, verhängt. Gegen diese Beschlüsse hat der Angeklagte „Widerspruch“ erhoben. Ohne Erfolg:

„Der erhobene „Widerspruch“ ist bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung von § 300 StPO als sofortige Beschwerde gemäß § 181 GVG anzusehen. Diese ist zulässig, kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.

Die gegen den Angeklagten verhängten Ordnungsmittel finden ihre Grundlage in § 178 Abs. 1 S. 1 GVG. Hiernach kann gegen einen Beschuldigten – mithin auch gegen den Angeklagten in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens (zu vgl. Kissel/Mayer, GVG, 10. Auflage, §178 Rn. 4 i. V. m. § 177 Rn. 18) -, der sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig macht, ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,- EUR oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt werden.

Als Ungebühr in diesem Sinne kann insbesondere ein Dazwischenreden außerhalb des verfahrensrechtlichen Frage-, Antrags- und Stellungnahmerechts angesehen werden (zu vgl. Senatsbeschluss vom 06.10.2016 – 4 Ws 308/16 -; KG, Beschluss vom 23.05.2001 – 1 AR 524/01 -; Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 11). Hier hat der Angeklagte ausweislich des Protokolls (§ 182 GVG) die Zeugenvernehmungen in der Hauptverhandlung wiederholt unterbrochen, ohne dass ihm das Wort erteilt worden wäre.

Soweit dem Adressaten eines Ordnungsmittels vor dessen Festsetzung rechtliches Gehör zu gewähren ist (zu vgl. Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 45 m. w. N.), kann dahinstehen, ob hierzu – wie vorliegend ausweislich des Protokolls geschehen – die bloße Androhung des Ordnungsmittels ausreicht, denn die Gewährung rechtlichen Gehörs war hier ausnahmsweise entbehrlich, da aufgrund des Gesamtverhaltens des Angeklagten mit weiteren Ausfällen zu rechnen war und dem Gericht daher die vorherige Anhörung nicht zugemutet werden konnte (zu vgl. Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 46 m. w. N.).

Keinen Bedenken begegnet auch die zweifache Festsetzung der Ordnungsmittel, da der Angeklagte sein ungebührliches Verhalten nach dem Erlass des ersten Beschlusses fortgesetzt hat (zu vgl. Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 33 m. w. N.).

Soweit die Begründungen der angefochtenen Beschlüsse die mit Blick auf § 34 StPO gebotene vollständige und aus sich heraus verständliche Darstellung des zugrunde liegenden Verfahrensgeschehens (zu vgl. Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 9 m. w. N.) vermissen lassen, ist dies unschädlich. Eine solche Darstellung ist entbehrlich, wenn aufgrund des ausdrücklich oder stillschweigend in Bezug genommenen Protokollvermerks über seine Veranlassung davon auszugehen ist, dass die Gründe für den Betroffenen außer Zweifel standen, und wenn der Protokollvermerk dem Beschwerdegericht die volle Nachprüfung des Beschlusses ermöglicht (zu vgl. OLG Celle, Beschluss vom 21.07.2001 – 2 Ws 166/11 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.1988- 1 Ws (OWi) 19/88 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage, § 182 GVG, Rn. 4). So liegt der Fall hier, denn dem Protokoll lässt sich ohne Weiteres entnehmen, auf welchem Geschehen die Anordnung der Ordnungsmittel beruht, und es konnte für den Angeklagten kein Zweifel daran bestehen, aus welchem Grund sie verhängt worden sind.

Der sofortigen Beschwerde ist daher der Erfolg zu versagen.“

OWi III: Rechtsbeschwerde gegen Verwerfungsurteil, oder: Begründungsanforderungen

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Und dann im dritten Posting noch etwas zur Rechtsmittelbegründung in den Verwerfungsfällen, und zwar der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03. 01.2022 – 2 RBs 215/21:

„Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 u. 3 StPO).

1. Zwar beschränken sich die formularmäßigen Urteilsgründe auf die Mitteilung, dass der Betroffene, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht entbunden wurde, in dem Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist. Diese die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 74 Abs. 2 OWiG) bestätigende Kurzbegründung reicht vorliegend indes aus.

Da es sich bei dem Verwerfungsurteil um ein reines Prozessurteil handelt, richtet sich die Begründung nicht nach § 71 Abs. 1 OWiG, § 267 StPO, sondern nach § 46 Abs. 1 OWiG, § 34 StPO. Hierbei genügt eine formularmäßige Begründung mit dem Gesetzestext, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung Entschuldigungsgründe weder geltend gemacht wurden noch sonst ersichtlich sind (vgl. KG Berlin NZV 2009, 518, 519; BeckRS 2014, 9668; OLG Hamm BeckRS 2017, 107965; OLG Saarbrücken BeckRS 2019, 24693 Rdn. 7). So liegt der Fall hier. Der Betroffene hatte vor Erlass des Verwerfungsurteils keine Entschuldigungsgründe vorgebracht, auch nicht durch den in der Hauptverhandlung anwesenden Verteidiger.

Eine zwingende Voraussetzung für die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG ist, dass der Betroffene zu der Hauptverhandlung ordnungsgemäß geladen wurde (vgl. statt vieler: BVerfG NZV 2005, 51; KK-Senge, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rdn. 24 m.w.N.). Diese in § 74 Abs. 2 OWiG nicht ausdrücklich angeführte Voraussetzung ergibt sich inzident daraus, dass der Vorwurf verschuldeter Säumnis grundsätzlich nur gegenüber einem Betroffenen, der zu der Hauptverhandlung ordnungsgemäß geladen wurde, erhoben werden kann.

Angesichts dessen impliziert die Feststellung, dass der Betroffene in dem Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist, ohne Weiteres, dass eine ordnungsgemäße Ladung erfolgt war. Es ist nicht unbedingt erforderlich, über eine an dem Gesetzestext des § 74 Abs. 2 OWiG orientierte Kurzbegründung hinaus die „ordnungsgemäße Ladung“ ausdrücklich festzustellen oder gar das Zustelldatum und die Zustellanschrift in den Gründen des Verwerfungsurteils zu bezeichnen.

Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist nicht relevant, ob und inwieweit das angefochtene Verwerfungsurteil Angaben zu der Ladung des Betroffenen enthält. Denn diese Voraussetzung hat das Rechtsbeschwerdegericht nicht von Amts wegen zu prüfen.

Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Ladung kann der Betroffene nur mit der Verfahrensrüge geltend machen, wobei sämtliche hierfür maßgeblichen Umstände gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgetragen werden müssen (vgl. zu § 74 Abs. 2 OWiG: OLG Karlsruhe NZV 1996, 164; OLG Frankfurt BeckRS 2017, 136687; zu § 329 Abs. 1 StPO: OLG Hamm NStZ-RR 2005, 114; OLG Saarbrücken BeckRS 2019, 24693 Rdn. 23). Daran fehlt es hier. Die Begründungsschrift ordnet die verfahrensrechtliche Frage der ordnungsgemäßen Ladung unzutreffend der Sachrüge zu und beschränkt sich insoweit auf die Beanstandung, dass das Urteil „keine Feststellungen dazu enthält, ob der Betroffene zum Hauptverhandlungstermin ordnungsgemäß geladen worden ist.“ Der Inhalt der Zustellungsurkunde wird in der Begründungsschrift nicht mitgeteilt. Erst recht fehlt jegliches Vorbringen, dass der Betroffene an der Zustellanschrift tatsächlich nicht wohnhaft war.“

OWi II: Die Entscheidung im Beschlussverfahren, oder: Anforderungen an die Beschlussbegründung

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Brandemburg, Beschl. v. 22.09.2021 – 2 OLG 53 Ss-OWi 373/21 – geht es noch einmal um die Begründung des im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG ergangenen Beschlusses. Das OLG hat die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehobe, weil der Beschluss keine Begründung enthielt, die Voraussetzungen für ein Absehen von der Begründung gemäß § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG mangels Verzichtserklärung der Staatsanwaltschaft nicht vorlagen und eine Nachholung der Gründe gemäß § 72 Abs. 6 OWiG nach Zustellung des nicht mit Gründen versehenen Beschlusses an die Verfahrensbeteiligten nicht mehr zulässig war. Dazu nimmt es auf die Stellungnahme der GStA Bezug:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu wie folgt Stellung genommen:

“ (…) Der angefochtene Beschluss vom 25. Januar 2021 ist auf die erhobene Sachrüge hin schon deshalb aufzuheben, weil er die nach § 72 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 OWiG vorgeschriebene Begründung nicht enthält. Danach muss die Begründung eines Beschlusses nach § 72 OWiG, mit dem eine Geldbuße festgesetzt wird, im Wesentlichen den Anforderungen genügen, die gemäß § 71 Abs. 2 OWiG i. V. mit § 267 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO an die Begründung eines nicht freisprechenden Urteils gestellt werden (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 18. Februar 2008, Az.: 1 Ss (OWi) 266 B/07, in: juris; KK-OWiG /Senge, 5. Auflage, 2018, § 72, Rn. 66 m. w. N.). Der am 1. März 2021 zu den Akten gelangte begründete Beschluss war insoweit für das weitere Verfahren — trotz Einhaltung der 5-Wochen-Frist nach § 72 Abs. 6 S. 3 OWiG — unbeachtlich, weil zu diesem Zeitpunkt bereits ein unter Verstoß nach § 72 Abs. 6 S. 1, S. 2 OWiG den Verfahrensbeteiligten als endgültige Fassung zugestellter Beschluss mit Übersendungsverfügung vom 25. Januar 2021 u.a. unter Bezugnahme auf § 41 StPO vorlag (BI. 88 d. A.). Ausweislich BI. 91 d. A. ist die Akte auch der Staatsanwaltschaft mit dem abgekürzten Beschluss zugegangen und von dieser mit Rechtsmittelverzicht zurückgesandt worden (BI. 92 d. A.), Der Beschluss ist auch dem Verteidiger am 3. Februar 2021 (BI. 97 d. A.) zugestellt worden. Wird ein nicht mit Gründen versehenes Urteil nach § 41 StPO zugestellt, obwohl die Voraussetzungen des § 77b Abs. 1 OWiG nicht vorgelegen haben, ist eine nachträgliche Ergänzung auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nicht möglich (vgl. Brandenburger Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. November 2011, Az.: (1 B) 53 Ss-OWi 446/11 (244/11), in: juris; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2013, Az.: 111-5 RBs 181/12, in: juris; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013, Az.: 4 StR 336/12, in: BGHSt 58, 243-253). Entsprechendes gilt für fehlende Beschlussgründe unter Verstoß des § 72 Abs. 6 OWiG (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. März 2020, Az.: (1 B) 53 Ss-OWI 110/20 (70/20), in: juris). Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Ergänzung des Beschlusses nach § 72 Abs. 6 S. 3 OWiG lagen indes nicht vor. Für das Absehen von einer Beschlussbegründung bedarf es nach § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG eines Verzichts aller Verfahrensbeteiligten, also auch der Staatsanwaltschaft (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 29. Januar 2009, Az.: 1 Ss (OWi) 242 B/08). Ein solcher Verzicht muss eindeutig, vorbehaltlos und ausdrücklich erklärt werden (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 16. Auflage, 2020, § 72 Rn. 63a). Die Staatsanwaltschaft hat – anders als der Betroffene laut Hauptverhandlungsprotokoll vom 4. Dezember 2020 (BI. 84 d. A.) – nicht auf eine Begründung des nach § 72 OWiG ergangenen Beschlusses verzichtet. Die dem Beschluss vom 25. Januar 2021 vorangegangene Erklärung der Staatsanwaltschaft, einer Entscheidung durch Beschluss nicht zu widersprechen, enthält nicht zugleich die Erklärung, es werde auch auf die Begründung eines Beschlusses nach § 72 OWiG verzichtet (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 15. Oktober 2019, Az.: Ss Bs 58/2019 (62/19 OWi), in: BeckRS 2019, 25067).

Das Fehlen von Gründen in einem Strafurteil zwingt in der Regel schon zur Urteilsaufhebung auf die Sachrüge hin (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2000, Az.: 4 StR 354/00, in: BGHSt 46, 204; OLG Hamm, Beschluss vom 19. August 2010, Az.: 3 RVs 69/10, in: NStZ 2011, 238; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage, 2020, § 338 Rn. 52 m. w. N.). Auch ein Bußgeldurteil ist beim unzulässigen Fehlen von Urteilsgründen in der Regel schon auf die zulässig erhobene Sachrüge hin aufzuheben, weil dem Rechtsbeschwerdegericht in diesem Fall eine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler nicht möglich ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 — 311 SsRs 126/11 —, juris OLG Bamberg, Beschluss vom 10. November 2011, Az.: 3 Ss OWi 1444/11, in: juris; Rn. 2 ff.; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 77b Rn. 8 m. w. N.; KK-Senge, OWiG, a. a. 0.; § 77b Rn. 17). Ebenso unterliegt ein nach § 72 OWiG ergangener Beschluss beim Fehlen einer Begründung auf eine zulässig erhobene Sachrüge hin der Aufhebung im Rechtsbeschwerdeverfahren, wenn die Voraussetzungen für das Absehen von einer Begründung nach § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG nicht vorlagen, etwa weil — wie hier — nicht alle Verfahrensbeteiligten hierauf verzichtet haben (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. März 2020, Az.: (1 B) 53 Ss-OWi 110/20 (70/20), in: juris). Enthält das Urteil oder der Beschluss verfahrenswidrig keine beachtlichen Gründe, kann das Rechtsbeschwerdegericht dieses auch keiner Prüfung auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit unterziehen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 16. Dezember 2008, Az.: 3 Ss OWi 1060/08, in: juris; vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011, Az.: 311 SsRs 126/11, in: NZV 2012, 45; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Februar 2010, Az.: 1 RBs 188/09, in: BeckRS 2010, 21267; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juni 2012, Az.: 3 RBs 156/12, in: juris).

Dieser Begründungsmangel ist nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil der Betroffene im Vorfeld auf eine Begründung verzichtet hatte. Dies lässt sich ohne weiteres der Bestimmung des § 72 Abs. 6 Satz 3 OWiG entnehmen, der gerade eine Begründungspflicht für den Fall der Anfechtung der getroffenen Entscheidung trotz vorhergehenden Verzichts auf die Begründung durch die Beteiligten normiert. (…)“

Diese Beurteilung der Sach- und Rechtslage trifft zu. Die nachträgliche Begründung des Beschlusses nach § 72 Abs. 6 Satz 3 OWiG war unzulässig, weil die Voraussetzungen für ein Absehen einer Begründung des Beschlusses gemäß § 72 Abs. 6 Satz 1 OWG nicht vorlagen. Die zugrunde liegende Regelung würde weitgehend leerlaufen, wenn das Gericht die Begründung unabhängig vom Vorliegen eines Verzichts aller Verfahrensbeteiligten in zulässiger Weise nachholen könnte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. August 2021 — IV-2 RBs 141/21, zit. nach Juris).“