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Manchmal versteht man es nicht,…

…wie sorglos doch von Verteidigern mit der Formenstrenge der Revision um gegangen wird.  Anders kann man den Beschl. des BGH v. 14.04.2010 – 2 StR 42/10 – nicht kommentieren, in dem es heißt:

„Es genügt den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Revisionsvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht, wenn Aktenbestandteile und Ausschnitte aus dem Hauptverhandlungsprotokoll – wie es in der Revisionsschrift heißt – „der Einfachheit halber in chronologischer Reihenfolge und nicht nach Rügen – getrennt überreicht werden“. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich aus einem Aktenkonvolut denkbare Verfahrensfehler selbst herauszusuchen und den dazu möglicherweise passenden Verfahrenstatsachen zuzuordnen.“

Hat der Verteidiger denn wirklich geglaubt, der BGH würde sich schon das zusammenklauben, was er für die jeweilige Rüge braucht? Und dass ggf. in Kenntnis des Umstandes, wie die Rechtsprechung mit § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umgeht.

Nachtrag: Vgl. dazu aber auch die Diskussion hier.

Nichts Neues an der „Fahrverbotsfront“ – OLGs bestätigen nur alte Rechtsprechung

Nicht selten beherrschen bestimmte Themen die Rechtsprechung eine Zeit lang und dann versinken sie wieder in der Vergessenheit. So werden wir es mit der Rechtsprechung zum Richtervorbehalt bei der Blutentnahme nach § 81a Abs. 2 StPO erleben, so wird es mit der Videomessung sein. Und so ist es in der Vergangenheit für die Rechtsprechung zum Fahrverbot zu beobachten gewesen. Nach den „großen“ Entscheidungen des BGH in BGHSt 39 und BGHSt 43 haben sich die OLGs mit der Umsetzung der Vorgaben des BGH beschäftigt, jetzt ist m.E. weitgehend Ruhe eingekehrt und es wird derzeit nur an Kleinigkeiten „gefeilt“ bzw. „alte“ Rechtsprechung bestätigt.

Ein schönes Beispiel ist dafür der Beschluss des OLG Düsseldorf v. 05.03.2010 – IV-3 RBs 36/10, über den auch schon der Beck-Blog berichtet hat. Die Entscheidung bringt zum Fahrverbot nichts Neues, sondern nur die Bestätigung der weitgehend einhelligen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (nur der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm hat das [früher] anders gesehen), wonach sich aus dem tatrichterlichen Urteil ergeben muss, dass der Tatrichter die sog. Möglichkeit gesehen hat (so haben wir es im 2. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm immer genannt), nämlich, dass er auch allein gegen eine Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot absehen kann. Eine Möglichkeit, von der in der Praxis m.E. leider viel zu wenig Gebrauch gemacht wird.

BGH: Verweigerung der Befriedungsgebühr- Volltext da- Roma locuta, causa finita

Ich hatte ja bereits darüber berichtet, dass der BGH in seinem Urteil v. 05.11.2009 – IX ZR 237/08 den Streit zwischen Literatur und Rechtsschutzversicherern, ob bei Abgabe des Verfahrens an die Bußgeldbehörde nach Einstellung des Strafverfahrens die Nr. 4141 VV RVG entsteht oder nicht, – zur Freude der RSV – im Sinne der RSV entschieden hat. Die Gebühr entsteht nicht.

Jetzt liegt der Volltext für die Entscheidung vor. M.E. ist die Begründung des BGH – vorsichtig ausgedrückt – nicht zwingend. Denn, wenn das Strafverfahren eingestellt wird: Welches Verfahren sonst soll die Formulierung in Nr. 4141 VV RVG denn meinen? Und wenn der BGH von „endgültiger“ Einstellung spricht: Ist die Einstellung des Strafverfahrens nicht endgültig? In der Passage liegt auch eine Gefahr. Denn die RSV könnten jetzt auch anfangen zu argumentieren, dass die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO keine endgültige sei. Aber: Roma locuta, causa finita. Wenn auch falsch, wird sich die Praxis im Zweifel jetzt danach richten (müssen). 🙁

BVV nach Fehler bei der Blutentnahme, aber dennoch verurteilt

Inzwischen liegt die 2. Entscheidung des OLG Oldenburg zum Beweisverwertungsverbot bei einem Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 stPO vor (Beschl. v. 1 Ss 183/09), allerdings zunächst mal nur als Pressemitteilung des Gerichts (vgl. PM v. 24. 11. 2009). In der Sache hatte die Revision des Angeklagten zwar keinen Erfolg, weil in der Revisionsbegründung nichts dazu vorgetragen worden war, ob der Angeklagte mit der Blutentnahme einverstanden war. Gleichzeitig stellte der 1. Strafsenat jedoch klar, dass die Polizei den Richtervorbehalt zu beachten hat und vor der Entnahme einer Blutprobe gegen den Willen eines Verdächtigen versuchen muss, den zuständigen Richter zu erreichen. Die Polizei darf von der Einholung eines richterlichen Beschlusses nicht absehen, weil dies in einer innerdienstlichen Weisung allgemein so vorgesehen ist. In einem solchen Fall kann dann das Blutalkoholgutachten nicht als Beweismittel verwertet werden.
Was lernt man daraus:

  1. Die Diskussion um das Beweisverwertungsverbot ist noch lange nicht am Ende:
  2. Es kommt mitentscheidend für den Erfolg des Rechtsmittels auf seine Begründung an. Daran stellen die Gerichte hohe Anforderungen.

OLG Bamberg: Keine Freifahrt gegen den Entbindungsantrag (§ 73 OWiG)

Die Ablehnung eines sog. Entbindungsantrages (§ 73 OWiG) ist in der Praxis der AG nicht selten der Versuch, die Verwerfung des Einspruchs des (dann später nicht erschienen) Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG vorzubereiten. Allerdings darf an der Stelle nicht übersehen werden, dass die OLG hier eine verhältnismäßig strenge Rechtsprechung fahren, was häufig dazu führt, dass die Verwerfungsurteile aufgehoben werden. So auch das OLG Bamberg in einem Beschl. vom 17.08.2009 (3 Ss OWI 780/09).

Das OLG hat darin deutlich darauf hingewiesen, dass die dort vom AG gewählte Ablehnungsbegründung reine Spekulation ist. Das AG hatte den Entbindungsantrag nämlich u.a. damit abgelehnt:

„Die Vernehmung eines Zeugen lässt sich in Anwesenheit des Betroffenen effektiver gestalten, da die Vorhalte aus vorangegangenen Einlassungen des Betroffenen eine der Wahrheitsfindung förderliche Wirkung auf den Zeugen insbesondere dann entfalten, wenn der Betroffene hierbei selbst anwesend ist, auch wenn er sich in der Hauptverhandlung nicht mehr äußert. Da nach Aktenlage Beweiserhebungen in der Hauptverhandlung zu erwarten waren, die ihrem Inhalt nach im Widerspruch zu den Angaben des Betroffenen im Rahmen seiner Anhörung stehen, wäre darüber hinaus naheliegend gewesen, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung seinen Entschluss zur Aussageverweigerung revidiert.“

Zutreffend weist das OLG in seiner Entscheidung zudem noch darauf hin, dass die vom AG angestellten, nicht für den Einzelfall konkret begründeten Erwägungen in ihrer Allgemeinheit auf jedes beliebige Bußgeldverfahren übertragen werden könnten und somit § 73 Abs. 2 OWiG vollständig unterlaufen werden könnte. Es gibt also keinen „Freifahrtschein“ gegen die Entbindung. Lesenswert.