Archiv der Kategorie: Ermittlungsverfahren

Zeuge I: „ich bin mit dem Angeklagten verlobt..“, oder: Das überprüft man mit der sog. Nullhypothese

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Heute ein „Zeugentag“.

Zunächst hier der KG, Beschl. v. 11.11.2022 – 3 Ws 288/22 – 121 AR 232/22  – zum –Zeugnisverweigerungsrecht des Verlobten. In dem Verfahren wird dem Angeklagten eine gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dem Geschädigten gemeinsam mit einem wegen der Tat bereits zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilten Mittäter nächtens aufgelauert zu haben und ihm, einem gemeinsamen Tatplan folgend, Messerstiche versetzt und mit einer Eisenstange vielfach auf ihn eingeschlagen zu haben, wodurch akut lebensbedrohende Verletzungen hervorgerufen worden seien.

In der Hauptverhandlung sollte die Beschwerdeführerin als Zeugin vernommen werden. Nach der Vernehmung zur Person ist sie sowohl über das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 StPO) als auch über das Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) belehrt worden. Hiernach hat sie, begleitet und unterstützt durch einen beigeordneten anwaltlichen Zeugenbeistand, ein Zeugnisverweigerungsrecht geltend gemacht und bekundet, seit 15.09.2017 mit dem Angeklagten verlobt zu sein. Am folgenden Verhandlungstag hat die Beschwerdeführerin das Verlöbnis eidlich versichert. Am 6. Verhandlungstag, dem 13.10.2022, sind vom Mobiltelefon des Zeugen Z Chatverläufe und Bilder eingesehen worden, die der Kammer die Überzeugung verschafften, dass die Beschwerdeführerin eine Liebesbeziehung mit dem Zeugen, der bei ihr auch wohnte und (bis 10.10.2022) gemeldet war, unterhielt. Am folgenden Verhandlungstag hat der Vorsitzende erklärt, die Kammer sei der Auffassung, die Beschwerdeführerin sei mit dem Angeklagten nicht verlobt, weshalb es ihr nicht zustehe, „ihre Aussage nach § 52 StPO zu verweigern“ (Protokollentwurf). Im hiernach vom Verteidiger beantragten Gerichtsbeschluss ist dies bestätigt worden. Dabei hat die Kammer darauf abgestellt, ein fortwirkendes Eheversprechen und die Bekundung, nur auf die Haftentlassung des Angeklagten zu warten, seien vor dem Hintergrund einer ersichtlich tiefen und umfassenden, auch romantisch und sexuell geprägten Liebesbeziehung zu dem Zeugen Z. nicht glaubhaft. Die Beschwerdeführerin hat daraufhin durch ihren Beistand erklären lassen, sie werde nicht aussagen. Nachdem der Staatsanwalt einen Antrag auf Beugehaft zunächst gestellt und sodann wieder zurückgenommen hatte, hat die Strafkammer gegen die Beschwerdeführerin einen Ordnungsgeldbeschluss erlassen.

Dagegen die Beschwerde der Zeugin, die keinen Erfolg hatte:

„2. Ein Recht zur Verweigerung des Zeugnisses nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO steht der Beschwerdeführerin nicht zu. Insoweit folgt der Senat der Argumentation der Strafkammer. Der Senat ist davon überzeugt, dass das Verlöbnis wahrheitswidrig behauptet wurde, um der Beschwerdeführerin eine Zeugenaussage und insbesondere eine Auseinandersetzung mit ihrer früheren Aussage zu ersparen, in welcher sie den Angeklagten schwer belastet hat.

Dabei ist der Senat methodisch, ähnlich wie bei der Aussage-gegen-Aussage-Kon-stellation, von der Nullhypothese ausgegangen. Diese besagt hier, dass der Angeklagte und die Beschwerdeführerin, wie durch diese in der Hauptverhandlung am 8. September 2022 behauptet, seit 2017 ununterbrochen miteinander verlobt sind.

a) Für die Hypothese spricht zunächst, dass die Beschwerdeführerin unter Eid versichert hat, dass sie sich am 15. September 2017 mit dem Angeklagten verlobt und dass das Verlöbnis trotz Höhen und Tiefen ununterbrochen bestanden habe.

b) Dass während bzw. vor dem Verlöbnis drei Kinder geboren wurden und das Verlöbnis sodann fünf Jahre andauerte, ohne dass es zur Erfüllung des Eheversprechens oder auch nur zu einem Termin für die Eheschließung gekommen ist, erscheint ungewöhnlich. Mangels belastbarer sozialempirischer Erkenntnisse können diese erstem Anschein nach ungewöhnlichen Umstände allerdings nicht als valides Indiz gegen das Verlöbnis gelten.

c) Deutlich indiziell gegen das von der Beschwerdeführerin behauptete durchgehend bestehende Verlöbnis spricht jedoch der Umstand, dass das Amtsgericht Pankow am 18. Januar 2021 einen Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz erlassen hat, durch den es dem Angeklagten für die Dauer eines halben Jahres untersagt worden ist, die Wohnung der Beschwerdeführerin zu betreten, sich ihr zu nähern oder auch nur anderweitig, etwa telefonisch, per SMS, per Email oder über soziale Netzwerke, mit ihr Kontakt aufzunehmen (Az. 200 F 305/22). Es erscheint ausgesprochen unwahrscheinlich und nachgerade ausgeschlossen, dass ein solcher Beschluss gegen eine Person erwirkt wird, an welche die Antragstellerin sich durch ein Verlöbnis gebunden fühlt und die sie demzufolge ernstlich heiraten will.

d) Gleichfalls indiziell gegen ein durchgehend fortbestehendes Verlöbnis sprechen die Strafanzeigen, welche die Beschwerdeführerin am 3. Februar 2022 und am 9. März 2022 gegen den Angeklagten erstattet hat. Auch hier muss es als zwar theoretisch denkbar, aber ausgesprochen unwahrscheinlich gelten, dass die Beschwerdeführerin den Angeklagten einerseits bestraft wissen wollte und ihn andererseits heiraten und somit den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen wollte.

e) Ebenfalls gegen das behauptete Verlöbnis spricht der Umstand, dass dem Angeklagten der Kontakt zu seinen Kindern gerichtlich untersagt war oder ist. Auch dieser Umstand lässt das geltend gemachte durchgängig bestehende Verlöbnis für sich betrachtet nicht zwingend als ausgeschlossen erscheinen. Dass die Beschwerdeführerin aber den nicht zum Kontakt mit den Kindern berechtigten Kindsvater heiraten wollte, erscheint zumindest als ausgesprochen unwahrscheinlich.

f) Auch indiziell gegen ein Verlöbnis, das nach der Bekundung der Beschwerdeführerin ununterbrochen bestanden haben soll, spricht der Umstand, dass diese zuletzt eine Liebesbeziehung mit dem Zeugen Z geführt hat. Dabei ist zunächst in Rechnung zu stellen, dass der Zeuge bei der Beschwerdeführerin gewohnt hat und hier auch polizeilich gemeldet war. Die Beschwerdeführerin hat angegeben, dass sie mit Z. eine auch sexuelle Beziehung geführt hat. Nach den Messengerdienstnachrichten, welche sich die beiden geschrieben haben, ist von einer intensiven und, wie das Landgericht anschaulich und nachvollziehbar würdigt, „romantischen“ Liebesbeziehung auszugehen. Wie der Chatverlauf zeigt, hatte diese ersichtlich einen umfassenden personalen Charakter und bezog sich sowohl auf den Alltag (auch mit den Kindern) als auch auf eine gemeinsame Lebenszukunft. Besondere Bedeutung kommt dabei der zeitlichen Komponente zu: Einzelne solcher Posts mit Liebesbeteuerungen stammen noch vom 10. Oktober 2022, als es bereits zu der von der Beschwerdeführerin behaupteten Erneuerung des Verlöbnisses gekommen sein soll und diese bereits unter Eid bekundet hatte, weiterhin mit dem Angeklagten verlobt zu sein.

g) Diese Umstände vermitteln dem Senat in einer Gesamtschau die sichere Überzeugung, dass die Beschwerdeführerin mit dem Angeklagten nicht durchgehend verlobt war. Sollte das Verlöbnis, was anzuzweifeln, aber als Hypothese in Rechnung zu stellen ist, jemals bestanden haben, so hat es als ernstliches Eheversprechen jedenfalls nicht durchgehend Bestand gehabt. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls in diesem Punkt die Unwahrheit gesagt hat. Für die – wiederum theoretische – Möglichkeit, dass ein infolge Gewalt und Untreue beendetes Verlöbnis neu geschlossen worden ist, fehlt jeder Hinweis. Im Gegenteil deutet alles darauf hin, dass sich die Beschwerdeführerin der Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage entziehen will.

h) Bestätigt wird diese aufgrund der vorgenannten Umstände gewonnene Überzeugung des Senats durch die Aussage der Beschwerdeführerin in der polizeilichen Vernehmung vom 9. März 2022, in der sie bekundet hat, dass es zu einer – noch andauernden – Trennung vom Angeklagten gekommen sei. Folgerichtig hat sie hier auch von ihrem ehemaligen Lebensgefährten gesprochen.

i) Gleichfalls bestätigt wird die gewonnene Überzeugung durch die frühere Bekundung der Beschwerdeführerin, der sichtlich angetrunkene Angeklagte habe sie nach der Trennung in sein Auto gelockt und an ein Feld in Berlin-Lübars gefahren. Hier habe er ihr eine Schusswaffe an den Kopf gehalten, worauf sie gefragt habe: „Willst du mich jetzt genauso hinrichten wie den Polacken?“ Der Angeklagte habe gelächelt und gesagt: „Du hast keine Beweise.“ Dieses Geschehen zeigt, dass die Beschwerdeführerin durch den Angeklagten genötigt werden sollte, nicht gegen ihn auszusagen, und in der Folge um ihr Leben fürchtet. Hierin sieht der Senat das zumindest zentrale Motiv für die falsche Behauptung des Verlöbnisses.“

Zum Auskunftsverweigerungsrecht dann bitte selbst lesen….

Pflichti III: Störung des Vertrauensverhältnisses, oder: Anhörungspflicht bei Pflichtverteidigerbestellung

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Und zum Tagesschluss dann noch zwei Entscheidungen, und zwar einmal Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung wegen Störung des Vertrauensverhältnisses und zum Verfahen bei der Bestellung eines (weiteren) Pflichtverteidiger, nämlich.

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. Voraussetzung für die Aufhebung einer Beiordnung ist, dass konkrete Umstände vorgetragen werden, aus denen sich der endgültige Fortfall der für ein Zusammenwirken zu Verteidigungszwecken notwendigen Grundlage ergibt. Eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses muss der Angeklagte substantiiert darlegen. Pauschale, nicht näher belegte Vorwürfe rechtfertigen eine Entpflichtung nicht.

Bei § 142 Abs. 5 Satz 1 StPO, wonach dem Beschuldigten vor der Bestellung eines (weiteren) Pflichtverteidigers rechtliches Gehör zu gewähren ist, handelt es sich um eine zwingende Vorschrift.

Pflichti II: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: Viermal topp, zweimal hopp

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Im zweiten Posting dann der Dauerbrenner im Recht der Pflichtverteidigung, nämlich die Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung des Pflichtverteidigers nach Erledigung des Verfahrens. Wie immer zwei Gruppen, „gute“ und „schlechte“ Entscheidungen:

Zunächst hier die „guten“ Entscheidungen, und zwar.

1. Eine nachträgliche Beiordnung eines Pflichtverteidigers kann ausnahmsweise zulässig sein, wenn trotz Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 140, 141 StPO über den rechtzeitig gestellten Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung aus justizinternen Gründen nicht entschieden worden ist bzw. die Entscheidung eine wesentliche Verzögerung erfahren hat. Insofern sieht das geltende Recht zur effektiven Ausgestaltung des Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand vor, dass ein Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vorzulegen ist. Um eine Untergrabung dieses Rechts zu verhindern, kann dem Beschuldigten bei Missachtung dieser Abläufe – der ansonsten richtige – Grundsatz der Unzulässigkeit einer nachträglichen Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht entgegengehalten werden, wenn das konkrete Verteidigungsbedürfnis nach dieser angemessenen Entscheidungszeit wegfällt. Es ist in solchen Fällen dann regelmäßig auf die Begründetheit des Antrags vor Wegfall – etwa durch Verfahrenseinstellung – abzustellen.
2. Eine Pflichtverteidigerbestellung hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen, wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte selbst nicht hinreichend verteidigen kann. Zwar genügt die bloße Betreuerbestellung nicht, um allein deswegen eine Verteidigerbestellung auszusprechen. Die Verteidigungsfähigkeit bemisst sich nach den geistigen Fähigkeiten, dem Gesundheitszustand und den sonstigen Umständen des Einzelfalles. Eine Beiordnung ist indes bereits regelmäßig angezeigt, wenn an der Verteidigungsfähigkeit des Beschuldigten erhebliche Zweifel bestehen.

Rückwirkende Pflichtverteidigerbestellungen sind im Falle rechtzeitig gestellter Beiordnungsanträge auch noch nach Erledigung des Verfahrens – schon zur Verwirklichung des Rechts auf ein faires Verfahren – geboten.

Zur (bejahten) Frage der Zulässigkeit einer rückwirkenden Bestellung eines Pflichtverteidigers.

Eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung ist dann angebracht, wenn der Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde. die Voraussetzungen des § 140 StPO vorliegen und die Entscheidung über die Beiordnung nicht unverzüglich erfolgte, sondern wegen justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der (ehemalige) Beschuldigte keinen Einfluss hatte.

Und dann hier die „schlechten“ Entscheidungen, nämlich:

Die rückwirkende Bestellung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger ist nicht zulässig.

Pflichti I: Etwas zu den Beiordnungsgründen, oder: U-Haft im Ausland, Höhe der Strafe, Strafvollstreckung

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Heute stelle ich dann Pflichtverteidigungsentscheidungen vor. Es haben sich wieder einige angesammelt. Herzlichen Dank allen Kollegen für die Einsendung.

Ich beginne mit zwei Entscheidungen zu Beiordnungsgründen. Hier sind die Leitsätze zu:

1. Zur Anwendung des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO, wenn zwar gegen den Beschuldigten im Ausland Untersuchungshaft vollstreckt worden ist, dem Beschuldigten aber bei einer Auslieferung nach Deutschland wegen des Spezialitätsgrundsatzes keine Untersuchungshaft droht.
2. Daher gilt, nicht schon jede zu erwartende Freiheitsstrafe, sondern erst eine Straferwartung von 1 Jahr Freiheitsstrafe, sollte in der Regel Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers geben
3. Zur verneinten Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage.

    1. Zur Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren.
    2. Die Vorschrift des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO ist im Vollstreckungsverfahren nicht anwendbar; insofern richtet sich die Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 Abs. 2 StPO analog.

BVerfG II: TKÜ-Maßnahme gegen Nachrichtenmittler, oder: Vage Anhaltspunkte/bloße Vermutungen

Und als zweiter Beitrag dann noch die zweite BVerfG-Entscheidung, und zwar der BVerfG, Beschl. v. 21.03.2023 – 2 BvR 626/20 -, der gestern schon versehentlich online gegangen war. In dem Beschluss nimmt das BVerfG zur Zulässigkeit/Rechtswidrigkeit einer TKÜ-Maßnahme gegen einen Nichbeschuldigten, der als sog. Nachrichtenmittler in Betracht kam, Stellung.

Das BVerfG hat die Maßnahme als unzulässig angesehen und rügt die „Dünne“ der Verdachtsgründe:

„2. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen sind mit den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht zu vereinbaren. Die Fachgerichte haben den Einfluss des Grundrechts des Art. 10 GG bei der Auslegung und Anwendung des § 100a Abs. 3 StPO nicht ausreichend beachtet.

a) Zwar ist gegen die fachgerichtliche Annahme, dass die Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO vorliegen, in verfassungsrechtlicher Hinsicht nichts zu erinnern. Aus der Ermittlungsakte ergibt sich, dass die Ermittlungsbehörden insbesondere aus widersprüchlichen Einlassungen des Beschuldigten geschlossen haben, dass dieser Zeit, Gelegenheit und ein Motiv dafür gehabt haben könnte, (pp.) getötet zu haben. Die Ermittlungsbehörden haben auch andere Erklärungsversuche für das Verschwinden von (pp.) untersucht und sind aufgrund intensiver Auseinandersetzung mit allen bislang bekannten Erkenntnissen und Ermittlungsergebnissen zu dem Ergebnis gelangt, dass ein vom Beschuldigten begangener Mord der plausibelste Hergang gewesen sein muss. Die auf diese konkreten Tatsachen gestützten Erwägungen sind sorgfältig begründet und in der Sache nachvollziehbar, sodass die Annahme des Tatverdachts eines auch im Einzelfall schwerwiegenden Mordes – einer in § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe h StPO erfassten Katalogtat – vertretbar war. Die Annahme, dass die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten ohne die Telekommunikationsüberwachung wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre (§ 100a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO), erschien ebenso vertretbar, nachdem zahlreiche Ermittlungsbemühungen in der Vergangenheit keine weiteren Erkenntnisse zu erbringen vermochten.

b) Hingegen beruht die für den Tatbestand des § 100a Abs. 3 StPO erforderliche Annahme, es werde zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschuldigten zu einem Austausch oder einer Entgegennahme bestimmter Informationen kommen, lediglich auf vagen Anhaltspunkten und bloßen Vermutungen und ist daher von Verfassungs wegen nicht haltbar.

Die Fachgerichte haben die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung gegenüber dem Beschwerdeführer allein auf dessen Aussagen im Telefonat mit dem Landeskriminalamt am 2. September 2019 gestützt. Diesen Aussagen und dem dort mitgeteilten Verhalten des Beschwerdeführers konnten keine belastbaren Anhaltspunkte dafür entnommen werden, die die Annahme eines zu erwartenden Informationsaustauschs zwischen Beschwerdeführer und dem Beschuldigen nachvollziehbar zu begründen vermochten. So war es bereits mehr als zweifelhaft, ob überhaupt angenommen werden konnte, dass der Beschwerdeführer sich mit dem Beschuldigten in Kontakt setzen oder dies jedenfalls versuchen würde. Ausweislich der Angaben des Beschwerdeführers lag der letzte Kontakt zum Beschuldigten etwa 30 Jahre zurück. Seitdem fand kein Kontakt mehr statt. Nachdem der Beschuldigte bereits auf die persönliche Konfrontation durch den Beschwerdeführer in Costa Rica geschwiegen hatte, war unklar, welchen Anlass der Beschuldigte haben sollte, nun doch mit dem Beschwerdeführer über den Sachverhalt zu sprechen. Ein Verhältnis, welches einen Austausch etwaiger Informationen nahegelegt hätte, schien nicht zu bestehen, zumal der Beschwerdeführer offenbar noch nicht einmal sichere Kenntnis davon hatte, ob der Beschuldigte noch lebt. Aus welchem Grund der Beschwerdeführer vor diesem Hintergrund den Kontakt zum Beschuldigten suchen sollte, bleibt im Dunkeln.

Ebenso stand nicht fest, ob der Beschwerdeführer überhaupt über eine Telefonnummer des Beschuldigten oder sonstige Kontaktmöglichkeiten zu diesem verfügte. Die Angaben des Beschwerdeführers, er wisse nicht, ob er noch Kontaktdaten des Beschuldigten habe, lassen vielmehr darauf schließen, dass er sich für einen Kontakt noch um entsprechende Daten bemühen müsste. Ob er hierzu willens und in der Lage war, ist völlig unklar. Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft, es bestehe die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer den Beschuldigten erreichen oder für die Erreichbarkeit sorgen könne, erweisen sich vor diesem Hintergrund als bloße Vermutung und nicht durch entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte gedeckt.

Die Annahme der Nachrichtenmittlereigenschaft erschöpft sich vorliegend darin, dass aus einer in den Neunzigerjahren erfolgten Reise des Beschwerdeführers zum Beschuldigten nach Costa Rica und der Konfrontation des Beschuldigten mit dem Tatvorwurf darauf geschlossen wird, der Beschwerdeführer werde sich 30 Jahre später erneut um einen Kontakt mit dem Beschuldigten bemühen. Diese Annahme beruht auf nicht tragfähigen Vermutungen und vermag den schwerwiegenden Eingriff in das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis nicht zu rechtfertigen.“