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StPO II: Beschwerde gegen die Terminsverfügung?, oder: Jedenfalls mit Abschluss der Instanz unzulässig

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Und als zweite Entscheidung dann mal wieder etwas zu „Terminierungsfragen“. Im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 03.01.2024 – 12 Qs 81/23 – die erste Entscheidung aus 2024, die ich hier vorstelle – geht es noch einmal um die Zulässigkeit einer/der Beschwerde gegen eine gerichtliche Terminsverfügung.

Das AG hat die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten am 22.11., 04.12. und 11.12.2023 jeweils in Anwesenheit seiner Pflichtverteidigerin durchgeführt.

Am 01.12.2023 hatte sich der Wahlverteidiger des Angeklagten beim AG gemeldet und beantragte die Verlegung des Sitzungstags am 04.12.2023. Das lehnte die Amtsrichterin mit Beschluss vom 04.12.2023 ab; an diesem Verhandlungstag erschien der Wahlverteidiger nicht. Am Ende des Sitzungstages bestimmte die Amtsrichterin Fortsetzungstermin auf den 11.12.2023, weil noch eine Zeugin zu hören war. Am 05.12.2023 beantragte der Wahlverteidiger die Verlegung des Fortsetzungstermins, weil bei ihm eine Terminkollision vorliege. Das lehnte die Amtsrichterin mit ausführlich begründetem Beschluss vom selben Tag ab. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Wahlverteidigers vom 07.12.2023. Die Amtsrichterin gab dem Wahlverteidiger daraufhin unter Fristsetzung Gelegenheit, Vorschläge für eine alternative Terminierung anzugeben. Darauf antwortete der Wahlverteidiger nicht. Am 11.12.2023 wurde ohne ihn verhandelt und das AG verurteilte den Angeklagten zu einer ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe. Diese ist nicht rechtskräftig. Am 28.12.2023 wurde die Beschwerde des Wahlverteidigers dann dem LG vorgelegt.

Das LG hat das Rechtsmittel als unzulässig angesehen:

„Die Beschwerde ist aus zwei Gründen bereits unzulässig und war demgemäß zu verwerfen.

1. Das Beschwerdeziel ist prozessual überholt. Die Rechtsmittel der Strafprozessordnung dienen der Beseitigung einer gegenwärtigen, fortdauernden Beschwer. Ihr Ziel ist die Aufhebung einer den Beschwerdeführer beeinträchtigenden Maßnahme. Eine Beschwerde ist nur dann zulässig, wenn der Betroffene geltend macht, durch die von ihm angefochtene richterliche Entscheidung aktuell beschwert zu sein (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.6.2023 – 7 Ws 118/23, juris Rn. 8). Daran fehlt es, nachdem das Amtsgericht sein die Instanz abschließendes Urteil gesprochen und der Wahlverteidiger hiergegen Berufung eingelegt hat.

2. Die Beschwerde ist zudem nicht statthaft. Die Kammer folgt der Auffassung, wonach die Beschwerde gegen Terminverfügungen des Vorsitzenden grundsätzlich unstatthaft ist (KG, Beschluss vom 15.3.2022 – 2 Ws 27/22, juris Rn. 9). Eine Ausnahme könnte nur insoweit anerkannt werden, als ein evidenter Ermessensfehler des Vorsitzenden inmitten steht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.6.2005 – 5 Ws 81/05, juris Rn. 7 ff.; umfassende Nachweise zur Rspr. bei Burhoff, Hdb.HV, 10. Aufl., Rn. 3070), regelmäßig also ein kompletter Ermessensausfall. Diese Ausnahme entspricht auch der (soweit erkennbar unveröffentlichten) Rechtsprechung des OLG Nürnberg. Sie ist vorliegend indes nicht gegeben, weil die Amtsrichterin ihren Beschluss vom 5.12.2023 eingehend und ermessensfehlerfrei begründet hatte.“

Unter dem Vorbehalt, dass sich aus den Akten nichts anderes ergeben würde: Die Entscheidung dürfte wohl zutreffend sein. Um die grundsätzliche Frage der Anfechtbarkeit von Terminsverfügungen kann man streiten.

StPO II: Durchsuchung und Beschlagnahme, oder: Durchsuchung im Zimmer des erwachsenen Kindes

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Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen des LG Nürnberg-Fürth zu Fragen in Zusammenhang mit der Durchsuchung. Von beiden stelle ich nur die Leitsätze vor, den Rest überlasse ich dem Selbststudium. Hier sind dann:

Ist die Durchsuchungsanordnung mangels ausreichender Begründung rechtwidrig, hindert das die spätere Beschlagnahme der bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen nicht, wenn die Ermittlungsakte bei Erlass der Durchsuchungsanordnung einen hinreichenden Tatverdacht belegte. Insoweit besteht kein Beweisverwertungsverbot.

Der auf § 102 StPO gestützte Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Beschuldigten rechtfertigt regelmäßig auch die Durchsuchung eines vom erwachsenen Kind des Beschuldigten bewohnten Zimmers, das Teil der Wohnung ist.

 

U-Haft II: In der JVA Laptop für die Akteneinsicht, oder: „Kurze“ Fahrt zur Vorführung vor zuständigen Richter

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Und im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen betreffend das „U-Haft-Verfahren“.

Zunächst der Hinweis auf den LG Nürnberg, Beschl. v. 07.11.2023 – 13 Qs 56/23 – zur Frage der Form der Akteneinsicht in Akten mit besonders großem Aktenumfang, wenn der Beschuldigte inhaftiert ist. Dazu das LG (im Leitsatz):

Dem Beschuldigten ist in Strafverfahren mit besonders großem Aktenumfang zur effektiven Vorbereitung auf die Hauptverhandlung Akteneinsicht auch in Form von elektronischen Dokumenten, die auf einem Laptop eingesehen werden können, zu gewähren: Die Staatsanwaltschaft hat der JVA ggf. eine verschlüsselte CD-ROM mit der Akte im pdf-Format zu übersenden und die JVA dem Beschuldigten sodann einen Laptop mit der aufgespielten elektronischen Akte in einem besonderen Haftraum zur Verfügung stellen.

Und dann der AG Nürnberg, Beschl. v. 31.10.2023 – 58 Gs 12014/23 -, mit dem das AG einen Haftbefehl aufgehoben hat. Begründung:

„Der Haftbefehl war aus den folgenden Gründen aufzuheben:

1. Dem Vollzug des Haftbefehls steht der Spezialitätsschutz des § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19.12.2012, Aktenzeichen: 1 StR 165/12) entfällt ein wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Spezialität bestehendes Verfahrenshindernis gemäß Art. 14 Absatz 1 Buchst. b des Euro-päischen Auslieferungsübereinkommens jedenfalls dann, wenn der Ausgelieferte auf die Rechtsfolgen hingewiesen wurde oder diese Rechtsfolgen aus anderen Gründen kannte. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Braunschweig (Beschluss vom 26.08.2019, Aktenzeichen: 1 Ws 154/19) entspricht die Vorschrift des § 83h Abs. 2 Nr. 1 IRG derjenigen des Art. 14 Absatz 1 Buchst. b des Europäischen Auslieferungsübereinkommens.

Der vorliegenden Akte kann nicht entnommen werden, dass der Beschuldigte auf die Rechtsfolgen des § 83h Abs. 2 Nr. 1 IRG hingewiesen wurde oder die Rechtsfolgen ander-weitig kannte.

2. Die Vorführung vor den nächsten Richter des Amtsgerichts Fulda verstieß gegen § 115 StPO. Der Beschuldigte wurde am 17.10.2023 um 19:20 Uhr aufgrund des vorliegenden Haftbefehls ergriffen. Eine Pkw-Fahrt von Fulda nach Nürnberg dauert laut Google-Maps etwa drei Stunden, sodass eine Vorführung vor den zuständigen Richter des Amtsgerichts Nürnberg am 18.10.2023 möglich gewesen wäre.2

Interessant m.E. vor allem wegen der Ausführungen des AG unter 2.

Bewährung II: Bewährungsaussetzung nach § 36 BtMG, oder: Zumutbarkeit einer Abstinenzweisung

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In der zweiten Entscheidung des Tages nimmt das LG Nürnberg-Fürth im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.10.2023 – 12 Qs 65/23 – im Rahmen der Bewährungsaussetzung bei einem drogenabhängigen Verurteilten zu eineAbstinenzweisung Stellung.

Im Rahmen der Aussetzung der weiteren Vollstreckung verhängten Freiheitsstrafen nach § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG zur Bewährung nach einer § 35-er-Maßnahme sindfolgende Weisungen erteilt worden:

„Die Verurteilte wird angewiesen, (…)

  1. c) keine Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder NPSG zu konsumieren; (…)
  2. e) sich … mindestens einmal und höchstens dreimal im Quartal … Suchtmittelkontrollen, … zum Nachweis seiner Abstinenz zu unterziehen.“

Gegen beide Weisungen legte der Verteidiger der Verurteilten sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Verurteilte suchtkrank sei. Das Rechtsmittel hatte Erfolg:

„2. Sie ist auch begründet, da die angegriffenen Anordnungen gesetzeswidrig waren (§ 305a Abs. 1 Satz 2 StPO).

a) Gerichtliche Weisungen für die Bewährungszeit dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen stellen (§ 56c Abs. 1 Satz 2 StGB). Dabei ist es grundsätzlich zulässig, den Verurteilten zur Drogenabstinenz und Abgabe von Abstinenznachweisen anzuweisen, sofern ihm dadurch spezialpräventiv zur Vermeidung künftiger Straftaten geholfen werden soll (BVerfG, Beschluss vom 21.04.1993 – 2 BvR 930/92, juris Rn. 8). Der Verurteilte muss seinen Konsum zu diesem Zweck aber grundsätzlich steuern können (Groß/Kett-Straub in MüKoStGB, 4. Aufl., § 56c Rn. 11). Das ist nicht anzunehmen, wenn bei bestehender Suchtmittelerkrankung noch keine erfolgreiche Therapie stattgefunden hat (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 12.07.2017 – 16 Qs 15/17, BeckRS 2017, 118714 Rn. 14).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die angegriffenen Abstinenzweisungen für die Verurteilte – derzeit – unzumutbar.

Ausweislich der Feststellungen des landgerichtlichen Urteils vom 03.09.2020 ist die Verurteilte seit ihrem zwölften Lebensjahr drogenabhängig. Eine Langzeittherapie hat sie im Jahr 2015 abgebrochen. Trotz Teilnahme an einem Substitutionsprogramm seit dem Jahr 2019 nahm sie weiterhin Heroin ein. Nach Aktenlage ist auch nach beiden eingangs genannten Verurteilungen keine erfolgreiche Behandlung der Abhängigkeitserkrankung erfolgt. Die Verurteilte wurde aus der Fachklinik … und aus der Fachklinik … auf ärztliche Veranlassung bzw. aus disziplinarischen Gründen vorzeitig entlassen. Der für sich genommen erfolgreiche Aufenthalt im …-Haus stellte demgegenüber keine „echte“ Suchtmitteltherapie dar. Zwar lebte die Verurteilte dort drogenfrei und erhielt eine Rückfallprophylaxe. Jedoch handelt es sich bei dem Haus lediglich um eine therapeutische Übergangseinrichtung. Ausweislich der bei der Akte befindlichen Selbstbeschreibung handelt es sich bei der Übergangseinrichtung um ein Angebot der Eingliederungshilfe, die suchtmittelabhängigen Menschen Unterstützung anbietet, die eine schnelle Stabilisierung ihrer Lebenssituation anstreben. Sie bietet Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung eine drei bis sechsmonatige Aufnahme an, sofern die Indikation vorliegt und Drogenfreiheit vor Aufnahme gewährleistet ist. Angeboten werden dort ein Beschäftigungsprogramm, Freizeitgestaltung und psychosoziale Betreuung (Einzel- und Gruppengespräche sowie unterschiedliche Beratungsangebote). Alles in allem handelt es sich um ein niederschwelliges Angebot zwischen oder nach einzelnen Behandlungsphasen einer Drogentherapie (vgl. allgemein zu solchen Einrichtungen Bohnen in BeckOK BtMG, 19. Ed. 15.06.2023, § 35 Rn. 14, 21). Dementsprechend besteht der Zweck der Übergangseinrichtung vornehmlich (und lediglich) darin, den Suchtkranken zu stabilisieren, nicht aber darin, ihn im technischen Sinne zu therapieren.

Hiervon ausgehend sieht die Kammer keine hinreichend tragfähige Grundlage dafür, dass die Verurteilte ihren Drogenkonsum momentan ausreichend steuern kann. Demgemäß waren die angegriffenen Weisungen aufzuheben.“

Pflichti I: Vier Beiordnungsgrund-Entscheidungen, oder: Gesamtstrafe, Beweisverwertung und Waffengleichheit

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Und heute ist es dann mal wieder so weit, es ist „Pflichti-Tag“, den ich hier mit Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen eröffne. Dazu stelle ich vor:

Die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge erfordert eine Pflichtverteidigerbestellung dann, wenn eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und darüber hinaus zu erwarten ist.

Eine Einschränkung der Verteidigungsfähigkeit im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO kann auch vorliegen, wenn das Gebot der „Waffengleichheit“ im Verhältnis mehrerer Angeklagter verletzt ist. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich anhand einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände im jeweiligen Einzelfall. Dabei begründet der Umstand, dass ein Angeklagter durch einen Verteidiger vertreten wird, ein anderer hingegen nicht, für sich allein noch nicht eine notwendige Verteidigung. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die im konkreten Fall eine Beiordnung als geboten erscheinen lassen.

Die analoge Anwendung des § 140 Abs. Nr. 9 StPO auf die Pflichtverteidigerbestellung für den Angeklagte, wenn dem Nebenkläger kein Rechtsanwalt beigeordnet wurde, kommt nicht in Betracht.

Von einer Schwierigkeit der Rechtslage ist bereits dann auszugehen, wenn fraglich ist, ob ein Beweisergebnis einem Verwertungsverbot unterliegt.