Schlagwort-Archive: Beschlagnahme

Wertgebühren im Strafverfahren – immer interessant

Das RVG sieht u.a. in der Nr. 4142 VV RVG eine Wertgebühr vor. Diese ist nicht nur für den Wahlanwalt „interessant“, sondern auch für den Pflichtverteidiger, da sie ihm grds. in gleicher Höhe zusteht wie dem Wahlanwalt. Die Nr. 4142 VV RVG wird häufig übersehen. Wer denkt im Strafverfahren schon an eine Wertgebühr. In Zukunft muss man noch eher an diese Gebühr denken.

Denn das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschl. v. 20. 7. 2010, III-1 Ws 183/10 den Anwendungsbereich der Gebühr ausgedehnt. Grds. fällt sie nämlich nicht an, wenn es um Tätigkeiten im Hinblick auf die Sicherstellung zur Beschlagnahme nach den §§ 94, 98 als Beweismittel geht. Das OLG geht nun offenbar davon aus, dass  die Beschlagnahme zur Sicherstellung von Beweismitteln  (§§ 94, 98 StPO) allein zu diesem Zweck erfolgt sein muss. Kommt hingegen daneben auch die Sicherstellung im Hinblick auf eine spätere Einziehung in Betracht – wie es offenbar der Fall war – soll die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entstehen.

Also: Augen auf, sonst geht Geld verloren.

Verteidiger darf vieles, aber auch nicht alles

Der BGH hatte vor einiger in seinem Urt. v. 27.03.2009 – 2 StR 302/08 mit folgendem Sachverhalt zu tun: Der Rechtsanwalt war Strafverteidiger des T. Wegen einer in einem Schreiben an T. enthaltenen beleidigenden Äußerung wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt. Der betreffende Brief war als Zufallsfund beschlagnahmt worden, nachdem die Strafverfolgungsbehörden hiervon im Zuge einer Durchsuchung des Haftraums des T. Kenntnis erlangt hatten. Die Durchsuchung wurde im Rahmen eines unter anderem gegen den Rechtsanwalt gerichteten Strafverfahrens gerichtlich angeordnet, nachdem der Rechtsanawalt in den Verdacht geraten war, Briefe des T. aus der Justivollzugsanstalt Trier verbracht und weitergeleitet zu haben, obwohl diese Briefe ihrem Inhalt nach dazu geeignet und bestimmt waren, die Adressaten zu falschen, den T. entlastenden Aussagen zu bewegen. Mit dem Urt v. 27.03.2009 (2 StR 302/08 (BGHST 53, 257 = StRR 2009, 348 ) hat der 2. Strafsenat des BGH die auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützte Revision des Rechtsanwalts verworfen.

Der hat Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die hatte jetzt beim BVerfG keinen Erfolg. Dieses hat in seinem Beschl.  v. 20.05.2010 – 2 BvR 1413/09 ausgeführt: Die Beschlagnahme von Verteidigerpost im Rahmen einer Haftraumdurchsuchung seines Mandanten als Zufallsfund begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn für die Beschlagnahme der grundrechtlich besonders gestellten Verteidigerpost ein triftiger Verdachtsmoment bestanden habe. Ein solcher liege vor, wenn der Anwalt dringend verdächtig sei, Post des Mandanten an der Briefkontrolle vorbei geschmuggelt und diese Post auch weitergeleitet zu haben, obgleich die Schreiben Zeugen zu wahrheitswidrigen Aussagen bewegen sollen. Werde in diesem Zuge ein Verteidigerbrief mit beleidigendem Inhalt gefunden, könne dieser deswegen auch verurteilt werden, da die verfassungsrechtliche Sonderstellung der Anwaltspost der Sonderstellung des Verteidigers gerecht werden soll, nicht aber rechtsfreien Raum schafft.

Wie gesagt: Ein Verteidiger darf vieles, aber eben auch nicht alles.

Wie errechnet sich der Nutzungsausfall beim beschlagnahmten Computer?

In den vergangenen Tagen war ja schon hier, hier und hier zur Entschädigung nach dem StrEG nach einer rechtswidrigen Beschlagnahme eines Computers berichtet worden. Die Fragen werden uns sicherlich in Zukunft noch häufiger beschäftigen, da die Beschlagnahme von Computern in der Praxis sicherlich weiter zunehmen wird. Ganz interessant, dass vor einiger Zeit sich auch das LG Stuttgart mit der Frage auseiander gesetzt hat (vgl. NStZ-RR 2009, 128). Es rechnet etwas anders als das OLG München. Zur Berechnung des Schadens gilt:

Zur Höhe des entstandenen Schadens wird i.d.R. geschätzt (§ 287 ZPO). Herangezogen wird der marktübliche Mietpreis eines Computers, dieser wird jedoch um die Gewinnspanne des Vermieters und die bei privater Nutzung nicht anfallenden Kosten bereinigt. Das OLG München geht von einer Schadensschätzung auf 40 % der üblichen Miete aus. Es schätzt den täglichen Nutzungswert für ein Gerät, das mit den Computern der Antragstellerin vergleichbar wäre, auf eine Größenordnung von etwa 2,30 €/Tag. Dies würde einer monatlichen Bruttomiete von ca. 200 € entsprechen. Für 77 Tage Beschlagnahmedauer errechnet das OLG München hieraus ein Entschädigungsbetrag von 177 €. Das LG Stuttgart (a.a.O.) geht demgegenüber von einem Langzeitmietpreis zwischen 3 und 4 € täglich aus. Davon zieht es den nicht erstattungsfähigen Gewinn ab und berücksichtigt u.a., dass die beschlagnahmten Computer bereits mehrere Jahre alt waren. Auf der Grundlage setzt es einen täglichen Nutzungswert von (nur) 1,50 € an.

OLG München, Beschl. v. 23.03.2010 – 1 W 2689/09

Wochenspiegel für die 26. KW – oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Zu berichten ist m.E. über:

1. Die neue Entscheidung des BVerfG zu § 81a Abs. 2 StPO 2 BvR 1046/08 war u.a. Gegenstand der Berichterstattung nicht nur bei uns, sondern auch hier und hier.

2. Über neue Maßstäbe bei der StA Göttingen berichtete der Kollege Feltus, der sich auch hier mit Verhalten der StA auseinandersetzt

3. Ein Drama um die Sicherstellung eines PC ist m.E. nicht selten.

4. „Darf man barfuß Auto fahren?“ fragte sich der Schadenfixblog.

5. Zum Fahrtenbuch auch der Schadenfixblog.

6. Zum Adhäsionsverfahren verweist auch der Beck-Blog auf die (zumindest unglückliche) Entscheidung des OLG Hamburg in 3 Ws 73/10, über die wir auch schon berichtet hatten

Entschädigung für entgangene Nutzungsmöglichkeit eines Computers

Das Szenario ist in der Praxis nicht selten: Durchsuchung, Beschlagnahme eines Computers, Entzug der Nutzungsmöglichkeit über einen längeren Zeitraum, Einstellung des Verfahrens: Dann stellt sich die Frage: Ist die Entziehung der Nutzungsmöglichkeit nach dem StrEG zu entschädigen (§ 2 StrEG)?

Das LG Stuttgart sagt in seinem Urteil v. 15.05.2009 – 15 O 306/08: Ja. Manchmal helfen solche Entscheidungen ja und führen dazu, dass die Ermittlungsbehörden sich ggf. mal Gedanken über eine frühere Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände machen.