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StPO II: Wenn der Eröffnungsbeschluss fehlt, oder: Reichen „Ersatzentscheidungen“?

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Im zweiten Posting dann zwei BGH-Entscheidungen zum fehlenden Eröffnungsbeschluss.

Im BGH Beschl. v. – 4 StR 167/24 – geht es um die Frage, ob ggf. u.a. ein Verbindungsbeschluss ggf. den fehlenden – ausdrücklichen – Eröffnungbeschluss ersetzt hat. Dazu der BGH:

„…..Zwar enthält die Strafprozessordnung keine spezielle Formvorschrift für den Eröffnungsbeschluss; dennoch bedarf es im Hinblick auf seine Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und mit Rücksicht auf die Erweislichkeit der Beschlussfassung in weiteren Verfahrensstadien regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung (vgl. 2 StR 199/17; Beschluss vom 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1). Eine dahingehende Entscheidung ist weder ausdrücklich ergangen noch kann dem Verfahrensgang mit der erforderlichen Sicherheit konkludent eine von Seiten des Gerichts schlüssige und eindeutige Willenserklärung dieses Inhalts entnommen werden (vgl. , NStZ 2016, 747 mwN; Beschluss vom – 3 StR 493/87 Rn. 8).

aa) Insbesondere kommt dem Verbindungsbeschluss des Schöffengerichts vom kein entsprechender Erklärungsgehalt zu. Dies kann zwar ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn das verbindende Gericht die Eröffnungsvoraussetzungen erkennbar selbst geprüft hat und sich seiner eigenen Eröffnungsentscheidung bewusst war (vgl. Rn. 4; Beschluss vom – 3 StR 194/20; MüKo-StPO/Wenske, 2. Aufl., § 207 Rn. 30 mwN). Hierfür gibt es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte; namentlich ergibt sich dies nicht aus dem Beschlusswortlaut, der sich im Wesentlichen auf die Auflistung der zu verbindenden Verfahren beschränkt. Dass das Schöffengericht seinem Verbindungsbeschluss vom einen solchen Erklärungswert nicht beilegen wollte, lässt sich zudem aus einem Vergleich mit dem gerichtlichen Vorgehen in Zusammenhang mit dem weiteren Verbindungsbeschluss vom ableiten. Hier hat das Schöffengericht am Tag der Verbindung hinsichtlich der den weiter hinzuverbundenen Verfahren zu Grunde liegenden Anklagen gesonderte Eröffnungsbeschlüsse erlassen.

bb) Der Eröffnungsbeschluss ist auch nicht im weiteren Verfahren wirksam nachgeholt worden. Der im führenden Verfahren erlassene Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO, welchem ein solcher Bedeutungsgehalt grundsätzlich beigemessen werden kann (vgl. ; Beschluss vom – 4 StR 606/97 Rn. 8), datiert bereits vom ; er verhält sich nicht zu den Taten aus der Anklage vom .

Ebensowenig ist die zunächst unterbliebene Eröffnung des Hauptverfahrens noch während laufender Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht nachgeholt worden (vgl. hierzu 2 StR 45/14 Rn. 8; Beschluss vom 1 StR 213/79, BGHSt 29, 224, 228). Eine mündliche Verkündung und Protokollierung in der Sitzungsniederschrift genügt zwar grundsätzlich dem Schriftformerfordernis (4 StR 59/01 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 207 Rn. 8). Der vorliegend protokollierten Anordnung der Verlesung der Anklage vom im Hauptverhandlungstermin am kann ein eindeutiger Erklärungsinhalt im Sinne einer diesbezüglichen Eröffnung des Hauptverfahrens jedoch schon deshalb nicht entnommen werden, weil zugleich (irrtümlich) auf einen vorliegenden Eröffnungsbeschluss vom Bezug genommen worden ist, der die zeitlich nachfolgende Anklage vom nicht erfasst. Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage, ob eine derartige Maßnahme der Verhandlungsleitung überhaupt geeignet sein kann, um mit hinreichender Sicherheit erkennen zu lassen, dass der gem. § 30 Abs. 2 GVG für die Nachholung des Eröffnungsbeschlusses zuständige Amtsrichter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen hat, hier keiner Entscheidung (zur erforderlichen Besetzung vgl. 2 StR 199/17 Rn. 9; 2 Rev 9/21 ? jew. mwN).

Auch die Verweisung durch das Schöffengericht an die große Strafkammer nach § 270 Abs. 1 StPO kann vorliegend den fehlenden Eröffnungsbeschluss nicht nach § 270 Abs. 3 StPO ersetzen. Dafür wäre erforderlich gewesen, dass das verweisende Gericht – anders als hier – die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft hat. Denn der Verweisungsbeschluss kann nur an die Stelle eines früheren Eröffnungsbeschlusses treten, einen solchen aber nicht ersetzen (vgl. Rn. 6 mwN). Schließlich hat auch im Verfahren vor der Strafkammer in Bezug auf die Anklage vom keine Nachholung der Eröffnungsentscheidung stattgefunden. Für eine entsprechende Auslegung der Übernahmeerklärung vom besteht schon deshalb kein Raum, weil die Strafkammer im selben Beschluss explizit eine Eröffnungsentscheidung hinsichtlich der Anklage vom nachgeholt hat. Die Dokumentation einer Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der anschließenden Hauptverhandlung vor der Strafkammer scheitert bereits daran, dass die Strafkammer lediglich mit zwei Berufsrichtern verhandelt hat.

c) Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilaufhebung und Einstellung des gerichtlichen Verfahrens nach § 206a StPO mit der Kostenfolge gem. § 467 Abs. 1 StPO (vgl. Rn. 10 mwN).“

Und dann – anders – der BGH, Beschl. v. 06.11.2024 – 4 StR 383/24:

„Ein Verfahrenshindernis wegen des Fehlens eines Eröffnungsbeschlusses der Strafkammer liegt nicht vor. Zwar ist ein schriftlicher Beschluss nach § 203 StPO nicht zu den Akten gelangt. Zur Eröffnung des Hauptverfahrens genügt jedoch die schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2020 – 3 StR 194/20 mwN; zum Erfordernis der schriftlichen Niederlegung BGH, Beschluss vom 16. August 2017 – 2 StR 199/17 Rn. 6). Ob diese Wirkung bereits dem auf die angeklagten, insbesondere auf sämtliche letztlich verurteilungsgegenständlichen Taten bezogenen Haftbefehl der Strafkammer vom 17. Oktober 2023 zukam, erscheint zweifelhaft, weil dieser zwar auch auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt und somit der Sicherung des Strafverfahrens insgesamt zu dienen bestimmt war, einen eindeutigen Bezug auf das vor der Strafkammer durchzuführende Hauptverfahren aber nicht erkennen ließ (vgl. demgegenüber BGH, Beschluss vom 5. August 2020 – 3 StR 194/20 [Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO]; Beschluss vom 5. Februar 1998 – 4 StR 606/97, juris Rn. 8 [Haftbefehl nach § 114 StPO und Besetzungsbeschluss nach § 76 Abs. 2 GVG]). Auch aus der protokollierten Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung vermag der Senat – entgegen der Rechtsauffassung des Generalbundesanwalts – keine sicheren Schlüsse auf den Eröffnungswillen der Kammer zu ziehen, weil diese in der Hauptverhandlung anders als nach § 203 StPO erforderlich nicht mit drei Berufsrichtern besetzt war.

Die Frage kann indes offenbleiben, denn der Senat entnimmt den eindeutigen Ausdruck des Eröffnungswillens der Strafkammer jedenfalls dem Zusammenhang des Haftbefehls und der weiteren getroffenen Haftentscheidung der Strafkammer vom 29. November 2023. Mit diesem – durch drei Berufsrichter gefassten – Beschluss hat das Landgericht den Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Dies geschah auf einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft, der mit der vorausgegangenen Mitteilung der Strafkammer begründet worden war, dass wegen der „begrenzten zeitlichen Kapazitäten der Verteidigung“ die Hauptverhandlung vor der Kammer erst im Januar 2024 beginnen könne. Angesichts dessen war der Wille der Kammer, das Hauptverfahren hinsichtlich der urteilsgegenständlichen Taten vor ihr zu führen, für alle Beteiligten zweifelsfrei ersichtlich.“

 

Erstattung von Desinfektionskosten wegen Corona, oder: Kasko ja, Haftpflicht nein

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Heute sind im „Kessel Buntes“ drei zivilrechtliche Entscheidungen.

Zunächst stelle ich hier zwei AG Entscheidungen zur der Frage vor, ob nach einer wegen eines Verkehrsunfalls durchgeführten Kfz-Reparatur die Desinfektionskosten der Werkstatt zu ersetzen sind. Dazu:

Das AG Hannover hat das im AG Hannover, Urt. v.  10.02.2021 – 431 C 9575 / 20 – in einem gegen den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer geführten Schadensersatzprozess abgelehnt. Hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Kosten für die Desinfektion des Fahrzeuges bei dessen Reparatur sind als Schadensersatz nicht zu erstatten, wenn es sich lediglich um sogenannte Allgemeinkosten handelt, die im Wesentlichen dem Schutz der Mitarbeiter der Werkstatt dienen.
  2. Außerdem sind diese Maßnahmen dem allgemein Lebensrisiko zuzurechnen und nicht mehr adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen, so dass aus diesem Grund kein Schadenersatz zu erstatten ist.
  3. Insoweit greifen zu Gunsten des Geschädigten auch nicht die Grundsätze des Werkstattrisikos ein, da schon aus Rechtsgründen kein Schadensersatzanspruch besteht.

Anders das AG Aachen. Das hat in einem gegen den Kaskoversicherung geführten Rechtsstreit die Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten im AG Aachen, Urt. v. 15.11.2020 – 116 C 123/20 – bejaht. Hier die Leitsätze zu diesem Urteil:

  1. Kosten für die Desinfektion eines Fahrzeuges nach einer durchgeführter Reparatur sind in der Kaskoversicherung als erforderliche Maßnahmen zur Beseitigung des Schadens zu erstatten.
  2. Es handelt sich nicht nur um Allgemeinkosten, sondern auch einen Aufwand zum Schutz des Kunden.
  3. Ein Betrag i.H.v. 73 € liegt dabei im vertretbaren Rahmen der üblichen Vergütung.

Ersatz von Anwaltskosten des „Selbstvertreters“, oder:; Nicht in einem einfach gelagerten Fall

Den Anfang im „Kessel Buntes“ macht dann heute das AG Siegburg, Urt. v. 25.06.2018 – 103 C 119/17. Es behandelt noch einmal die Problematik des Ersatzes von Anwaltskosten, wenn der Geschädigte selbst Rechtsanwalt ist und er sich selbst vertritt. Das AG hat den Ersatz abgelehtn. Begründung: Es hat sich nur um einen einfach gelagerten Fall gehandelt:

„Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gem. §§ 7 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG.

Die Einschaltung eines Rechtsanwalts gehörte in diesem Fall nicht zu den erforderlichen Kosten der Schadenswiederherstellung. Zwar gehören die Kosten der Rechtsverfolgung bei einer Schädigung regelmäßig zu den zu ersetzenden Herstellungskosten. Ein Schädiger hat jedoch nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis verursachten Anwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH NJW 2006, 1065; BGH NJW-RR 2007, 856 m.w.N.). Ist in einem einfach gelagerten Schadensfall die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so ist es im Allgemeinen aus der Sicht des Geschädigten zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Vielmehr ist der Geschädigte in derart einfach gelagerten Fällen grundsätzlich gehalten, den Schaden zunächst selbst geltend zu machen. Die sofortige Einschaltung eines Anwalts kann sich nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen, wenn etwa der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie etwa Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden. Die sofortige Einschaltung eines Anwalts auch aus der Sicht des Geschädigten ist dann als nicht erforderlich anzusehen, wenn er selbst über eigene Fachkenntnisse und Erfahrungen zur Abwicklung des konkreten Schadensfalls verfügt. Dieses Wissen hat er besonders in den oben beschriebenen, einfach gelagerten, aus seiner Sicht zweifelsfreien Fällen bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens einzusetzen (vgl. eingehend BGH NJW-RR 2007, 856 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen war die Beauftragung eines Rechtsanwaltes für die Abwicklung des Verkehrsunfalls nicht erforderlich. Die Haftung der Beklagten war aus der hier maßgeblichen ex ante Sicht unstreitig. Es gab aus Sicht des Klägers kein Anlass zu Zweifeln an der Ersatzpflicht der Beklagten. Auch im Laufe der Schadensabwicklung hat die Beklagte zu 2) eine Regulierung der vom Kläger bezifferten Schäden nicht in Frage gestellt. Die Auffassung des Klägers, die auch in der Rechtsprechung teilweise vertreten wird, dass es sich bei Verkehrsunfällen niemals um einen einfach gelagerten Fall handele, überzeugt nicht. Zwar gibt es bei Verkehrsunfällen jede Menge potentielle Streitpunkte. Dies gilt jedoch für alle Rechtsgebiete. Ob ein Geschädigter Ansprüche aus einem Werkvertrag, Kaufvertrag, Mietvertrag oder etwa aus einem wettbewerbsrechtlichen Verhältnis (wie in der oben zitierten BGH-Entscheidung) geltend machen will, so können stets verschiedene rechtliche Problemfelder auftreten, die einer einfachen Schadenregulierung im Wege stehen. Wenn sich im konkreten Fall aus der ex ante Sicht jedoch keine Probleme abzeichnen, so ist die Einschaltung eines Rechtsanwaltes durch einen Geschädigten, der selbst Rechtsanwalt ist, – auch bei der Abwicklung eines Verkehrsunfalls – nicht erforderlich. Denn dieser ist gerade aufgrund seiner Fachkenntnisse in der Lage, den Schadensfall abzuwickeln. Dies zeigt auch der Umstand, dass der Kläger seine Ansprüche selbst geltend gemacht hat. Ergeben sich im Laufe der Schadensabwicklungen Probleme oder Widerstand des Schädigers, so kann die Einschaltung eines Rechtsanwaltes (auch durch einen Rechtsanwalt selbst) durchaus erforderlich werden. Dies ist hier jedoch gerade nicht geschehen. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass zu irgendeinem Zeitpunkt eine Auseinandersetzung mit der Beklagten zu 2) erforderlich war. Insbesondere stellt der Umstand, dass die Beklagte zu 2) zunächst die Berechtigung von Nutzungsausfall prüfen wollte und dabei eine vom Kläger gesetzte Frist verstreichen ließ, keine Ablehnung eines Anspruchs dar, die die Einschaltung eines Rechtsanwaltes zu diesem Zeitpunkt erforderlich machte.“

Ersatz der Reparaturbestätigung, – die wird bei fiktiver Schadensabrechnung i.d.R, nicht ersetzt, so der BGH

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In der vergangenen Woche ist auf der Homepage des BGH das BGH, Urt. v. 24.01.2017 – VI ZR 146/16 – veröffentlicht worden. Eine Leitsatzentscheidung, was zeigt, wie wichtig der BGH die entschiedene Frage nimmt, wenn er selbst den Leitsatz bildet. Darüber gibt es dann nur noch die Veröffentlichung in BGHZ 🙂 .

In der Entscheidung ging es um eine Restschadenabrechnung aus einem Verkehrsunfall vom 22. Juli 2014 in Anspruch. Die volle Haftung des Beklagten für den Unfallschaden war nicht im Streit. Ein Privatsachverständiger ermittelte die Kosten für die Reparatur des Unfallschadens am Fahrzeug der Klägerin mit netto 4.427,07 €. Die Klägerin rechnete auf Gutachtenbasis mit dem Beklagten ab, der den ermittelten Betrag erstattete. Die Reparatur ließ die Klägerin von ihrem Lebensgefährten, einem gelernten Kfz-Mechatroniker vornehmen. Die Ordnungsgemäßheit der Reparatur ließ sie sich von dem Sachverständigen bestätigen, der für die Erstellung der Reparaturbestätigung 61,88 € in Rechnung stellte. Und um diesen Betrag wurde noch gestritten. Das AG hatte die Klage abgewiesen, das LG die vom AG zugelassene Berufung zurückgewiesen.

Und der BGH? Der gibt dem LG Recht und hat die Revision zurückgewiesen. Der Leitsatz:

Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten einer Reparaturbestätigung für sich genommen nicht ersatzfähig. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig.

Also: Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten nicht (zusätzlich) ersatzfähig. Der Geschädigte muss sich vielmehr an der gewählten Art der Schadensabrechnung festhalten lassen. Aber:

„Etwas anderes könnte gelten, wenn die Reparaturbestätigung aus Rechtsgründen zur Schadensabrechnung erforderlich gewesen wäre, etwa im Rahmen der Abrechnung eines zusätzlichen Nutzungsausfallschadens (vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juli 2015 – 235 C 11335/14, juris Rn. 18; AG Schwabach, Urteil vom 22. November 2012 – 2 C 999/12, juris Rn. 5 ff.; AG Mainz, Urteil vom 15. Mai 2012 – 86 C 113/12, juris Rn. 12; AG Frankfurt, Urteil vom 3. Februar 2011 – 29 C 2624/10, juris Rn. 97 ff.). Die Reparaturbescheinigung wäre – ihre Eignung im Übrigen vorausgesetzt – dann als Nachweis der tatsächlichen Gebrauchsentbehrung (vgl. zu dieser Anspruchsvoraussetzung Senatsurteile vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 249; vom 10. März 2009 – VI ZR 211/08, VersR 2009, 697 Rn. 9; Geigel/Knerr, Der Haft-pflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 3 Rn. 96; Wussow/Zoll, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 41 Rn. 90) erforderlich zur Rechtsverfolgung im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Entsprechendes kann im Fall der den Wiederbeschaffungsaufwand überschreitenden fiktiven Reparaturkosten für den Nachweis der ver-kehrssicheren (Teil-)Reparatur des Unfallfahrzeugs und damit des tatsächlich bestehenden Integritätsinteresses des Geschädigten (vgl. hierzu Senatsurteile vom 29. April 2008 – VI ZR 220/07, NJW 2008, 1941; vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395; Geigel/Knerr, aaO, Rn. 35; Wussow/Zoll, aaO, Rn. 10 f.) gelten.“

OLG Düsseldorf: „Restbenzin im Tank“ wird nach einem Unfall nicht mal einfach so ersetzt

entnommen wikimedia.org
Urheber Santeri Viinamäki

Heute Mittag hatte ich ja schon auf das OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.01.2017 – 1 U 46/16 – hingewiesen (vgl. TaTüTaTa, oder: Wie wird gehaftet, wenn der Notarztwagen bei Rotlicht über die Kreuzung brettert?). In dem Posting ging es um den Haftgrund bzw. die Haftungsverteilung. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf enthält aber auch Aussagen des OLG zur Schadenshöhe. Der Kläger hatte nämlich u.a. einen Betrag von 25 € für „Restbenzin im Tank“ geltend gemacht. Der Posten ist vom OLG nicht als ersatzfähiger Schaden angesehen worden. Denn der Kläger habe – so das OLG – es durch ihm zumutbare Maßnahmen unterlassen, den Eintritt dieser Vermögenseinbuße zu verhindern:

„2. Im Ergebnis richtig hat das Landgericht entschieden, dass die streitige Position „Restbenzin im Tank, 18 l á 1,50 € … 27 Euro“ nicht ersatzfähig ist. Dem Kläger ist vorzuhalten, dass er die Entstehung dieser Schadensposition im Sinne eines Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 1 BGB mit der Folge des Wegfalls jeglicher Anspruchsberechtigung selbst zu verantworten hat.

a) Durch das Unfallereignis als solches war dem Kläger noch kein Schaden bezüglich des in seinem Fahrzeug noch vorhandenen Treibstoffs entstanden. Das Benzin befand sich weiterhin – wie auch das beschädigte Fahrzeug – in seinem Besitz und Eigentum. Der wirtschaftliche Nachteil trat für den Kläger erst dadurch ein, als er sich aus freien Stücken entschloss, das Unfallfahrzeug für denjenigen Restwert zu veräußern, den der vorgerichtlich eingeschaltete Kfz-Schadensgutachter M. mit 300 Euro als das höchste von drei Restwertangeboten ausgewiesen hatte. Der Kläger macht den Fahrzeugschaden mit 2.700 Euro geltend, was dem gutachterlich in Ansatz gebrachten Wiederbeschaffungswert von 3.000 Euro abzüglich des Restwertes von 300 Euro entspricht.

b) In die Ermittlung des Restwertes war der Umstand eines noch verhältnismäßig vollen Tankinhaltes nicht eingeflossen. Denn das Maß der Tankfüllung stellt in der Praxis regelmäßig keinen bestimmenden wertbildenden Faktor für den Fahrzeughandel dar (Senat, Urteil vom 9. Februar 2016, Az.: I-1 U 81/15). Erfahrungsgemäß werden Restwertangebote – sei es auf dem durch den Sachverständigen M. berücksichtigten regionalen Markt, sei es im Internet – von den Restwerteaufkäufern ohne Berücksichtigung eines bestimmten Tankinhaltes abgegeben. Deshalb kann entgegen der Wertung des Landgerichts das Fahrzeug des Klägers nicht mit allen Einbauten und Betriebsstoffen als wirtschaftliche Einheit angesehen werden.

c) Verbleiben nach einem Totalschadensfall noch überdurchschnittlich große Mengen an Treibstoff im Fahrzeugtank und ist der Geschädigte mit deren unvergüteten Hingabe nicht einverstanden, dann ist es seine Aufgabe, den damit verbundenen wirtschaftlichen Wert selbst zu realisieren (Senat a.a.O.). Eine Realisationsmöglichkeit besteht darin, entweder eigenständig für das Abpumpen des noch vorhandenen Benzins Sorge zu tragen oder Dritte damit zu beauftragen (Senat a.a.O. mit Hinweis auf LG Darmstadt, Urteil vom 24. Juli 1990, Az.: 17 S 388/89). Sollte der Behauptung des Klägers entsprechend der mit einer Fremdbesorgung zu erwarten gewesene Kostenaufwand den Sachwert des Resttreibstoffs überstiegen haben, so hätte sich für ihn folgende Verwertungsmöglichkeit angeboten: Er hätte mit dem Käufer des Unfallfahrzeugs separat eine Erhöhung des Kaufpreises aushandeln können (vgl. Senat a.a.O.). Dies wäre ihm ohne Weiteres möglich gewesen, da im Gutachten M. der Restwertaufkäufer mit dem höchsten Gebot von 300 Euro mit Firmenbezeichnung, Ortsangabe und Telefonnummer aufgeführt ist (Bl. 9 d.a.).“

Nun ja. M.E. ein bisschen viel Aufwand für 25 €, den das OLG da vom Kläger verlangt.