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Kosten- und Auslagen im Adhäsionsverfahren, oder: Wenn der Angeklagte seinen Einspruch zurücknimmt

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Und dann als zweite Entscheidung dann der LG München II, Beschl. v. 01.12.2023 – 6 Qs 7/23. Zwar nicht von einer Kollegin übersandt, sondern von einem Kollegen. Aber auch richtig.

Entschieden worden ist über die Kosten- und Auslagen im Adhäsionsverfahren (§ 472a StPO). Die Staatsanwaltschaft hatte am 15.02.2023 beantragt, gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung zu erlassen. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, als Fahrer eines Pkws an einem Fußgängerweg den Geschädigten verletzt zu haben, indem er das Vorderrad des vom Geschädigten geschobenen Fahrrads erfasste, wodurch der Geschädigte zu Boden fiel. Das AG hat den Strafbefehl am 01.03.2023 erlassen. Der Angeklagte legte am 07.03.2023 form- und fristgerecht Einspruch ein. Am 21.03.2023 bestimmte das AG Hauptverhandlungstermin auf den 22.06.2023, 11:00 Uhr.

Am 22.06.2023 ging um 08:26 Uhr beim AG ein Adhäsionsantrag des Geschädigten ein, mit dem dieser ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 700,00 EUR forderte. Mit einem am selben Tag um 08:46 Uhr eingegangenen Schreiben geschränkte der Angeklagte seinen Einspruch auf die Tagessatzhöhe und erklärte sein Einverständnis mit der Entscheidung im Beschlusswege. Daraufhin wurde der Termin am 22.06.2023 abgesetzt.

Der Angeklagte nahm über seinen Verteidiger zum Adhäsionsantrag Stellung und machte geltend, dieser sei bereits unzulässig. Das AG hat dann am 05.08.2023 die im Strafbefehl festgesetzte Tagessatzhöhe abgeändert. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag hat es abgesehen und dem Angeklagten die Kosten des Adhäsionsverfahrens und die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Adhäsionsantrag nach vorläufiger Würdigung zulässig und begründet gewesen sei, weshalb die Kosten nach pflichtgemäßem Ermessen gem. § 472a Abs. 2 StPO dem Angeklagten aufzuerlegen seien.

Dagegen die sofortige Beschwerde des Angeklagten, die beim LG Erfolg hatte, das LG hat die Kosten- und Auslagenentscheidung aufgehoben:

„2. Die statthafte Beschwerde des Angeklagten (vgl. BeckOK, 49. Ed., Stand 01.10.2023, Rz. 6 zu § 472a StPO) ist zulässig und in der Sache erfolgreich.

Eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen im Adhäsionsverfahren war nicht veranlasst, da aufgrund der Einspruchsbeschränkung keine Entscheidung mehr über den Adhäsionsantrag ergehen konnte.

Endet das Strafverfahren, so ist dem Adhäsionsverfahren die Grundlage entzogen, einer danach getroffene Anordnung dahingehend, dass von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen wird, kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu (OLG Stuttgart vom 30.09.2022, 1 Ws 201/22, Rz. 10 bei Juris). Dasselbe gilt im vorliegenden Fall für die Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe. Denn eine zusprechende Adhäsionsentscheidung kann gem. § 406 Abs. 1 StPO nur erfolgen, wenn der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen wird. Ein solcher Schuldspruch erfolgt nach Einspruchsbeschränkung nicht mehr, weshalb mit der Einspruchsbeschränkung der Adhäsionsantrag unzulässig wird (AG Kehl vom 09.10.2018, 2 Cs 503 Js 14484/17, bei Juris). Schon deshalb hatte im vorliegenden Fall eine Zustellung des Adhäsionsantrags durch das Gericht nicht mehr zu erfolgen. Aber auch auf die Zustellung des Adhäsionsantrags von Anwalt zu Anwalt kommt es daher nicht an. Zudem ist diese Zustellung – nach Angaben des Adhäsionsklägervertreters laut Empfangsbekenntnis um 08:55 Uhr – nach der Beschränkung des Einspruchs um 08:46 Uhr erfolgt.

Den Fall der späteren Einspruchsrücknahme bzw. -beschränkung, in dem die Adhäsions-klage ursprünglich zulässig war, nun aber unzulässig geworden ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Die nach § 472a StPO vorgesehene Billigkeitsentscheidung ist nicht möglich. Die dafür notwendige Bewertung der Erfolgsaussichten der Adhäsionsklage kann das Gericht nicht mehr vornehmen: Durch die Einspruchsrücknahme bzw. -beschränkung ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und dem Gerichte eine Entscheidung darüber entzogen, so dass die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Adhäsionsklage entfallen ist (LG Dortmund, 16.04.2018, 32 Qs – 269 Js 1213/16 V A – 45/18, bei Juris). Zwar erscheint es unbillig, einen Adhäsionskläger mit den Kosten des Adhäsionsverfahrens zu belasten, wenn die Adhäsionsklage erst nachträglich durch die Rücknahme bzw. Beschränkung des Einspruchs unzulässig wird, zumal ein Adhäsionskläger darauf keinen Einfluss hat. § 472a Abs. 1 StPO setzt jedoch die Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs voraus. Darüber enthält der Strafbefehl jedoch keine Entscheidung. Nach alldem bleibt dem Gericht wegen der festgestellten Regelungslücke nur, von einer Entscheidung über die Verteilung der Kosten des Adhäsionsverfahrens abzusehen. Im Ergebnis muss dies für den Adhäsionskläger nicht unbillig sein, da in Betracht kommt, seine notwendigen Auslagen für die Adhäsionsklage als Rechtsverfolgungskosten im ohnehin anzustrengenden zivilgerichtlichen Verfahren geltend zu machen. (Vgl. zu allem AG Kehl, a.a.O., OLG Stuttgart vom 30.09.2022, 1 Ws 201/22).

Dementsprechend ist vorliegend keine Entscheidung gemäß § 472a Abs. 2 StPO veranlasst.“

Die Entscheidung ist m.E. richtig; manchmal klappt es ja auch in Bayern 🙂 . Ich halte es auch nicht für „unbillig“, den Adhäsionskläger in diesen Fällen mit den Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens zu belasten. Denn er ist derjenige, der sich eines Anspruchs gegen den Angeklagten berühmt hat, wobei ihm bewusst gewesen sein muss, dass das Gericht ggf. nach § 406 Abs. 1 Satz 3 u. 4 StPO von der Entscheidung absehen kann bzw. muss, wenn die Voraussetzungen für das Adhäsionsverfahren entfallen sind.  Das ist letztlich das Prinzip: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.

Als Rechtsanwalt muss man dieses Risiko natürlich im Auge behalten und den geschädigten Mandanten darüber belehren. Je nach der Sachlage empfiehlt es sich- zumindest in den Strafbefehlsfällen mit der dort gegebenen Möglichkeit der Verfahrensbeendigung durch Einspruchsrücknahme -, direkt das Zivilverfahren zu betreiben.

Pflichtverteidiger „nur“ bei Haftbefehlsverkündung, oder: Manche OLG können es :-)

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Und dann heute am Weltfrauentag nichts zu Frauen uns so, sondern, da Freitag ist, natürlich RVG. Und ich nehme auch zwei „richtige“ Entscheidungen, es soll sich ja heute niemand ärgern. Und aus Anlass des Weltfrauentages beginne ich mit einer Entscheidung, die mir eine Kollegin aus Bonn geschickt hat, nämlich mit dem OLG Köln, Beschl. v. 24.01.2024 – 3 Ws 50/23.

Es geht mal wieder um die Gebühren des Terminsvertreter des Pflichtverteidigers „nur“ bei einer Haftbefehlsverkündung. Folgender Sachverhalt: Gegen den Angeklagten erging durch das AG Ingolstadt am 08.03.2023 u.a. wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags Haftbefehl. Hierauf wurde er am 28.03.2023 vorläufig festgenommen und am Folgetag dem AG Bonn vorgeführt. Nach Anhörung des bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht verteidigten Angeklagten beschloss das AG in dem Vorführungstermin die Beiordnung der Kollegin gemäß § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO „für den heutigen Termin als Pflichtverteidigerin“ und für das weitere Verfahren gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO diejenige eines anderen Kollegen. Im Termin erklärte die Kollegin für den Angeklagten, es würden zu den Tatvorwürfen keine Angaben gemacht, und machte Ausführungen zum ihrer Auffassung nach Nichtvorliegen des Haftgrundes.

Die Kollegin hat dann an Gebühren aus der Staatskasse verlangt eine Grundgebühr Nr. 4101 VV RVG, eine Terminsgebühr Nr. 4103 VV RVG und eine Verfahrensgebühr Nr.  4105 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Die Urkundsbeamtin des AG Bonn hat demgegenüber lediglich festgesetzt eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit gemäß Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Dagegen hat die Kollegin Erinnerung eingelegt, die das AG zurückgewiesen hat. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde hat das LG dem Festsetzungsantrag entsprochen und zudem die weitere Beschwerde zugelassen. Dagegen dann die – natürlich, denn es kann ja nicht sein, dass es bei der (richtigen) Entscheidung verbleibt – die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin beim LG. Die Vertreterin der Landeskasse – beim OLG – hat sich aber der Auffassung des LG angeschlossen, dass die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abzurechnen seien. Und das das OLG hat die weitere Beschwerde der Landeskasse verworfen:

„1. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass Rechtsanwältin E. ihre Tätigkeit nach den in Teil 4 Abschnitt 1 der Anlage 1 zum RVG aufgeführten Gebührentatbeständen abrechnen kann, und eine weitere Vergütung in Höhe von 423,64 EUR festgesetzt.

a) Die von der Rechtsanwältin im Rahmen der Wahrnehmung des Haftverkündungstermins vom 29.03.2023 entfalteten Handlungen sind nicht lediglich als Einzeltätigkeit im Sinne von Anl. 1 Teil 4 Abschnitt 3 RVG, namentlich nicht als Beistandsleistung bei einer richterlichen Vernehmung nach dessen Ziff. 4301 anzusehen, sondern als Tätigkeit eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 des vorbezeichneten Vergütungsverzeichnisses.

aa) In rechtlicher Hinsicht gilt dabei:

(1) Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG regelt die Vergütung des Verteidigers. Diese ist dabei unabhängig davon zu bemessen, ob die Verteidigung als Wahl- und Pflichtverteidigung durchgeführt wird. Liegt ein Verteidigungsverhältnis vor, macht es grundsätzlich auch keinen Unterschied, ob sich die Tätigkeit – insbesondere in den Fällen des sog. „Terminsvertreters“ – auf die Wahrnehmung eines einzelnen Termins beschränkt. Dies gilt für die Fälle der Pflichtverteidigung auch dann, wenn sich die vorangegangene Bestellung durch das Gericht nur auf einen bestimmten Termin bezogen hat. Dies hat das Oberlandesgericht Köln bereits für die auf einen einzelnen Hauptverhandlungstag beschränkte Beiordnung eines Pflichtverteidigers entschieden (Beschluss vom 26.03.2010 – 2 Ws 129/10, juris). Dieser Rechtsprechung des 2. Strafsenats schließt sich der Senat an. Auch wenn sich die Wahrnehmung der Pflichtverteidigung auf einen oder mehrere einzelne Termine beschränkt, begründet die Beiordnung ein eigenständiges Beiordnungsverhältnis, in dessen Rahmen der Pflichtverteidiger die Verteidigung umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Eine gebührenrechtlich unterschiedliche Behandlung dieses Verteidigers gegenüber dem Hauptverteidiger würde dem nicht gerecht und ließe eine Entwertung des Instituts der Pflichtverteidigung und damit einhergehend des Rechtes des Angeklagten auf eine effektive, rechtsstaatlichen Grundsätzen genügende Verteidigung besorgen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2010 – 2 Ws 129/10, juris Rn. 6; OLG München, Beschluss vom 23.10.2008 – 4 Ws 140/08, NStZ-RR 2009, 32; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.07.2008 – 3 Ws 281/08, NJW 2008, 2935).

(2) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Verteidigung im Rahmen der Hauptverhandlung, sondern auch für andere Tätigkeiten wie vorliegend die Verteidigung im Rahmen einer Haftbefehlseröffnung nach § 115 StPO (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.06.2023 – 1 Ws 105/23, StraFo 2023, 335). Soweit aus der von der Bezirksrevisorin angeführten Entscheidung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15.05.2007 (2 Ws 189/07, juris) anderes folgen sollte, schließt sich der Senat dem nicht an. Es besteht kein sachlich gerechtfertigter Anlass, die Verteidigung im Verfahren nach § 115 StPO gebührenrechtlich anders zu beurteilen als eine solche im Rahmen der Hauptverhandlung. Das Verfahren nach § 115 StPO ist kein formalistischer Selbstzweck. Es trägt dem hohen Rang des von der Haftanordnung betroffenen, grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechtes Rechnung und stellt sicher, dass der Beschuldigte möglichst schnell von dem Richter über die Grundlagen des Haftbefehls unterrichtet wird und Gelegenheit erhält, sich sowohl gegen den Tatvorwurf als auch die Annahme von Haftgründen zu verteidigen (KK-StPO/Graf, 9. Aufl., § 115 Rn. 1a). Dieser Bedeutung entsprechend ist das Verfahren nach § 115 StPO seiner Natur nach zwingend und der Verzicht des Beschuldigten auf dessen Einhaltung nur in besonderen Fällen möglich (vgl. BeckOK StPO/Krauß, 49. Ed., § 115 Rn. 4 mwN; KK-StPO/Graf, 9. Aufl., § 115 Rn. 6; LR/Lind, StPO, 27. Aufl., § 115 Rn. 11). Der gebührenrechtlichen Gleichbehandlung der Verteidigungstätigkeit im Verfahren nach § 115 StPO mit derjenigen in der Hauptverhandlung steht auch nicht entgegen, dass sich Vorführungen nach § 115 StPO oftmals in der Verkündung des Haftbefehls nebst entsprechender Belehrung erschöpfen und nur von kurzer Dauer sind. Dem hat der Gesetzgeber gebührenrechtlich durch die Ausgestaltung der Voraussetzungen Rechnung getragen, unter denen nur die Terminsgebühr nach Ziff. 4102 Nr. 3 VV RVG anfällt (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 223). Ist absehbar, dass sich die Vorführung des Beschuldigten nach § 115 StPO auf die Verkündung des Haftbefehls und die erforderlichen Belehrungen durch das Gericht beschränken wird, kann der gebotenen Bestellung eines Pflichtverteidigers in geeigneten Fällen bei Verhinderung des Hauptverteidigers auch dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Beschuldigten zunächst Gelegenheit zur telefonischen Rücksprache mit dem von ihm gewünschten Hauptverteidiger gegeben wird und beide auf die Teilnahme eines Verteidigers zu dem Termin nach § 115 StPO verzichten. Jedenfalls für diese Fälle ist die Bestellung eines Terminsvertreters bzw. die Bestellung eines weiteren Verteidigers neben dem Hauptverteidiger nicht geboten (vgl. zu der Frage der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers im Fall des § 115 StPO auch MüKoStPO/Böhm, 2. Aufl., § 115 Rn. 34 ff. mwN, § 128 Rn. 27; vgl. zu dieser Frage auch BGH, Beschluss vom 14.08.2019 – 5 StR 228/19, BeckRS 2019, 21921 [zu § 141 Abs. 3 StPO aF]). Denn im Rahmen des § 115 StPO besteht zwar gemäß § 168c Abs. 1 Satz 1 StPO das Recht auf Anwesenheit eines Verteidigers, aber keine Pflicht zu dessen Teilnahme. Ob der Senat im Übrigen der Auffassung folgen könnte, dass die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers neben dem von dem Beschuldigten gewünschten und seitens des Gerichts bestellten Hauptverteidigers stets ohne Weiteres schon dann erforderlich ist, wenn dieser Verteidiger verhindert ist und der Beschuldigte gleichwohl auf die Anwesenheit im Rahmen des Vorführtermins besteht, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

bb) Vorliegend entfaltete Rechtsanwältin E. nach alledem entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin nicht lediglich eine Beistandsleistung im Sinne von Ziff. 4301 Nr. 4 VV RVG. Vielmehr war sie durch das Amtsgericht Bonn ausdrücklich zur Pflichtverteidigerin bestellt und in dieser Funktion tätig geworden….“

Tja, manche OLG können es 🙂 . Denn die Entscheidung ist richtig. Den Ausführungen des Senats ist nichts hinzuzufügen außer dem Hinweis darauf, dass außer dem OLG Zweibrücken, dessen Entscheidung das OLG anführt, noch weitere Gerichte in dem zutreffenden Sinn entschieden haben (vgl. u.a. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.2.2023 – 2 Ws 13/23, AGS 2023, 164 = NStZ-RR 2023, 159 = JurBüro 2023. 195; LG Aachen, Beschl. v. 20.10.2020 – 60 Qs 47/20 ; LG Frankenthal (Pfalz), Beschl. v. 27.4.2023 – 1 Qs 76/23, AGS 2023, 219; LG Tübingen, Beschl. v. 6.2.2023 – 9 Qs 25/23, AGS 2023, 238; AG Halle (Saale), Beschl. v. 20.5.2022 – 398 Gs 540 Js 594/22 (259/22), AGS 2022, 311; AG Ludwigshafen, Beschl. v. 3.3.2023 – 4a Ls 5227 Js 9474/22,AGS 2023, 217. Die Entscheidungen waren auch alle hier im Blog.

Auf zwei Punkte will ich dann aber doch hinweisen:

Offen bleiben kann hier m.E. die Frage, ob die Ausführungen des OLG zur Anwesenheit des Pflichtverteidigers bei einer Haftvorführung und zum Recht und der Möglichkeit des Beschuldigten auf die Anwesenheit so zutreffend sind. Das kann man auch anders sehen.

Erfreut nimmt man aber im Übrigen zur Kenntnis, dass auch die Vertreterin der Landeskasse beim OLG die zutreffende Sicht der Dinge hatte und den Ausführungen des LG im Rahmen der Anhörung durch den Senat des OLG beigetreten ist. Sollte insoweit tatsächlich ein Umdenken bei den Vertretern der Justiz einsetzen? Das wäre zu begrüßen, und zwar nicht nur im Hinblick auf die richtige Rechtanwendung, sondern vor allem auch darauf, dass dann manche Rechtsmittelentscheidung überflüssig würde. Das setzt allerdings voraus, dass sich die Instanzgerichte und vor allem auch die Vertreter der Landeskassen in der Instanz dem anschließen. Die Hoffnung stirbt insoweit zuletzt.

Und zur Feier des Tages gibt esd ann auch ein neues Bild 🙂 .

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Gilt die Beiordnung für die Vernehmung im Hauptverfahren fort?

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Und dann noch, wie immer am Montagnachmittag, die Lösung zur Frage vom vergangenen Freitag, die lautete: Ich habe da mal eine Frage: Gilt die Beiordnung für die Vernehmung im Hauptverfahren fort?

Meine Antwort:

„M.E. löst sich die Frage über § 406h Abs. 1 und 3 StPO.

Lesen Sie den doch noch einmal. Abs. 1 Satz 1: Anschluss auch schon vor Erhebung der Klage, Abs. 1 Satz 2 erwähnt die Rechte in der HV, nach Abs. 3 gilt § 397a StPO entsprechend, also wie beim Nebenklagevertreter.

Daraus muss man den Schluss ziehen: Gilt fort.

Ich kenne auch keinen Beschluss, der das anders gesehen hat. Aber: Sicher ist sicher. Daher empfiehlt es sich in der Tat in solchen Sachen immer, auf Klarstellung zu drängen, um keinen Ärger im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu bekommen.

Zu den Gebühren antworte ich mit einer Gegenfrage: Warum sollten die nicht angefallen sein?

M.E. löst sich die Frage über § 406h Abs. 1 und 3 StPO. Lesen Sie den doch noch einmal. Abs. 1 Satz 1: Anschluss auch schon vor Erhebung der Klage, Abs. 1 Satz 2 erwähnt die Rechts in der HV, nach Abs. 3 gilt § 397a StPO entsprechend, also wie beim Nebenklagevertreter. Daraus muss man den Schluss ziehen: Gilt fort. Ich kenne auch keinen Beschluss, der das anders gesehen hat. Aber: Sicher ist sicher. Daher empfiehlt es sich in der Tat in solchen Sachen immer, auf Klarstellung zu drängen, um keinen Ärger im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu bekommen.

Zu den Gebühren antworte ich mit einer Gegenfrage: Warum sollten die nicht angefallen sein? 🙂 „

Ich habe da mal eine Frage: Gilt die Beiordnung für die Vernehmung im Hauptverfahren fort?

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Und dann noch die Gebührenfrage, heute mal wieder aus der FB-Gruppe, und zwar:

„Nebenklage/ Beistand.

Meine Mandantin wurde von ihrem Vater sexuell missbraucht bzw. sexuell belästigt. Ich wurde nach § 406 h StPO beigeordnet und habe Mandantin zur richterlichen Vernehmung begleitet.

Meine Frage jetzt: gilt die Beiordnung im Hauptverfahren fort oder muss da Beiordnung als NK Beistand nochmal beantragt werden? Sind jetzt schon Grundgebühr, Gebühr für vorbereitendes Verfahren und richterliche Vernehmung angefallen?“

„.. zitierten Entscheidungen .. nicht mehr anwendbar“, oder: „Was rauchen die bei der RSV“?

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Und bevor es nachher noch die neue Gebührenfrage gibt, hier ein „Nachbericht“, und zwar:

Ich hatte vor ein paar Wochen gefragt. Ich habe da mal eine Frage: Sind auch Gebühren im Bußgeldverfahren entstanden? Da ging es um die Problematik, ob dem Verteidiger nach Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft und Abgabe an die Verwaltungsbehörde wegen einer möglichen OWi-Angelegenheit für den Verteidiger nach Einstellung des OWi-Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG für den Verteidiger auch (noch) die Nrn. 5103, 5115 VV RVG entstanden sind. Die RSV – ich hatte offen gelassen, welche – hatte das abgelehnt.

Ich hatte dem Kollegen die Frage beantwortet und hatte sie unter Hinweis auf u.a. Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 5115 VV RVG Rn. 10 bejaht (vgl. hier: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Sind auch Gebühren im Bußgeldverfahren entstanden?). Im Kommentar ist einiges an Rechtsprechung zitiert, wer will, kann das nachlesen.

Nun informiert mich der Kollege über den weiteren „Verfahrensgang“:

„Hallo Herr Kollege Burhoff,

heute bekam ich weitere Nachricht von der pp.. Diese zahlt die VG nach Nr. 5103 VV RVG, nicht aber die Gebühr Nr. 5115 VV RVG und erläutert dies wie folgt:

“Seit der Gesetzesänderung mit Wirkung zum 01.08.2013 handelt es sich nach § 17 Nr. 10 b) RVG bei dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und dem sich nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens anschließenden Bußgeldverfahren um verschiedene Angelegenheiten. Damit die Zusatzgebühr gem. Nr. 5115 VV verdient werden kann, ist somit eine gesonderte Mitwirkungshandlung i.S.d. Nr. 5115 VV erforderlich. Die von Burhoff zitierten Entscheidungen sind vorliegend nicht mehr anwendbar. Dies gilt auch für die Entscheidung des BGH vom 18.09.2008. Durch eine Mitwirkungshandlung im Strafverfahren können daher nicht zwei Zusatzgebühren verdient werden. Es muss eine im Bußgeldverfahren gesonderte Mitwirkungshandlung erbracht werden, die jedoch nicht erfolgt ist.”

Soll man dem noch außergerichtlich etwas Neues entgegensetzen? Nachweise für die Auffassung der pp. werden nicht genannt.“

Nachdem ich mich dann etwas beruhigt hatte, über so viel Blödsinn, habe ich dem Kollegen geantwortet:

„Moin,

Blödsinn.

Natürlich ist die Rechtsprechung noch anwendbar und es wird auch so verfahren. Vgl. nur: AG Dresden, Beschl. v. 09.03.2022 – 217 OWi 635 Js 16243/21 = AGS 2022, 262. Ich gehe davon aus, dass man bei der pp. die AGS kennt. Ob man sie liest, weiß ich nicht. Ich glaube, eher nicht

Ehrlich: Mir sind die Argumente der pp. zu dumm, um darauf zu antworten. Ich würde an sich gern einen Blogbeitrag daraus machen, lasse es aber oder ggf. ohne Nennung der RSV. Ich habe kein Bock auf möglichen Schriftwechsel.

Bloggen könnte ich aber dazu?“

Der Kollege hat das Bloggen „gestattet“, was ich dann hiermit tue. Ich frage mich: Was rauchen die bei der RSV?  Warum soll die Rechtsprechung nicht mehr anwendbar sein? Auf die Idee ist bisher – bis auf die RSV – offenbar noch niemand gekommen, das AG Leipzig wendet sie ja auch grundsätzlich an, auch wenn es zum falschen Ergebnis kommt. Aber die RSV betreibt dann Rechtsschöpfung, wobei mir nicht so ganz klar ist, warum man die Nr. 5103 VV RVG bejaht, die Nr. 5115 VV RVG hingegen nicht.

Die von Burhoff zitierten Entscheidungen sind vorliegend nicht mehr anwendbar.“ ist natürlich ein unheimlich starkes Argument, oder? Nein, es ist nichts anderes als eine Behauptung, die durch nichts untermauert wird. Sicherlich nicht durch: „Dies gilt auch für die Entscheidung des BGH vom 18.09.2008. Durch eine Mitwirkungshandlung im Strafverfahren können daher nicht zwei Zusatzgebühren verdient werden. Es muss eine im Bußgeldverfahren gesonderte Mitwirkungshandlung erbracht werden, die jedoch nicht erfolgt ist.“ Warum sollte durch die Einführung des § 17 Nr. 10b RVG die Rechtsprechung des BGH zur „Fortwirkung“ hinfällig geworden sein? Es wäre schön, wenn man dazu mal etwas gehört/gelesen hätte. So hat man den Eindruck, dass der Sachbearbeiter, nachdem er aus seinem Ablehnungsrausch erwacht ist, nach dem Motto verfahren ist: Es kann nicht sein, was nicht sein soll bzw., was wir nicht wollen.

Mich macht ein solches Verhalten ärgerlich, und zwar ziemlich, wie man wahrscheinlich merkt. „RSV“ = Rechtsschutzversicherung? Dass ich nicht lache.

Ich bin übrigens im Nachgang zu den beiden o.a. Postings gefragt worden, warum ich die RSV nicht nenne. Nein, ich tue es nicht, und zwar auch jetzt nicht nach der vom Kollegen mitgeteilten dummen Erwiderung. Ich habe keinen Bock und keine Zeit für lange Diskussionen mit irgendwelchen Vertretern der Versicherung, die ob der Prangewirkung pp. Widerruf verlangen oder mehr. Brauche ich nicht.

Und abschließend einen Rat an (die) RSV: Einfach mal überlegen, bevor man berechtigte Ansprüche der Kunden – um die geht es – ablehnt und nicht einfach nach abenteuerlichen – falschen – Begründungen suchen, mit denen man sich und anderen das Leben schwer macht.