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Ist der Vertragsarzt Amtsträger?

Die interessante Frage, die erhebliche Bedeutung im Bereich des sog. Pharmamarketings und Auswirkungen auf die Strafbarkeit nach § 299 StGB hat, hat der 3. Strafsenat des BGH mit Beschl. v. 05.05.2011 – 3 StR 458/10 dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegt. Von da werden wir also demnächst eine Antwort auf die in der Literatur höchst umstrittene Frage bekommen.

Der Beschluss des BGH vom 05.05.2011 liegt bislang noch nicht im Volltext vor. Es gibt aber immerhin die PM des BGH vom 05.05.2011.

Wiedereinsetzung: Akten liegen lassen ist Verschulden

Wiedereinsetzungsfragen spielen, da im Straf- und Bußgeldverfahren dem Angeklagten/Betroffenen ja in der Regel ein Verschulden des Verteidigers nicht zugerechnet wird, im Straf- und Bußgeldverfahren hinsichtlich des Verteidigerverschuldens eine nicht so große Rolle. Sie haben aber in zivilrechtlichen Verfahren große praktische Bedeutung, wie die Vielzahl der vom BGH veröffentlichten Beschlüsse zu Wiedereinsetzungsfragen zeigt.

So auch im BGH-Beschl. v.29.03.2011- VI ZB 25/10. Dort war dem Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers die Sache im Rahmen einer Vorfrist ohne besondere Kenntlichmachung zur Berufungsbegründung vorgelegt worden. Er hatte dann eine Woche lang nicht in die Akte geschaut und somit die Berufungsbegründungsfrist versäumt. OLG und BGH sagen: Verschulden des Rechtsanwalts, denn denjenigen, dem aufgrund eines Büroversehens eine Fristsache als nicht fristgebunden vorgelegt wird, trifft ein eigenes Verschulden an der Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist, wenn er sich nicht in angemessener Zeit durch einen Blick in die Akten wenigstens davon überzeugt, was zu tun ist und wie lange er sich mit der Bearbeitung Zeit lassen kann.

Vorlegungsbeschluss zur Sicherungsverwahrung

Heute ist auf der Homepage des BGH der Vorlegungsbeschluss des 5. Strafsenats v. 09.11.2010, u.a. – 5 StR 394/10, zur Sicherungsverwahrung eingestellt, vgl. hier.

Die Leitsätze:

  1. Ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine die Rückwirkung generell hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB? (Anfrage nach § 132 GVG)
  2. Im Fall zulässiger rückwirkender Anwendung ist § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB einschränkend dahin auszulegen, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären ist, so fern nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist.

Bald klare Sicht bei der EU-Fahrerlaubnis? – man kann es nur hoffen…

Wir hatten vor einigen Tagen über das Wirrwarr mit der EU-Fahrerlaubnis, das auch nach den Neuerungen in der FeV zum 19.01.2009 nicht beendet ist, berichtet (vgl. hier). Nun bin ich von einem unseren Autoren im VRR auf die Entscheidung des BayVGH v. 16.08.2010 – 11 B 10.1030 hingewiesen worden. Der hat die Problematik nun dem EuGH vorgelegt, der jetzt dann wieder Gelegenheit hat, ein (Macht)Wort (hoffentlich das letzte) zu sprechen. Die Vorlagefragen lauten:

  1. Die Frage, ob ein Mitgliedsstaat verpflichtet ist, eine von einem anderen Mitgliedsstaat nach dem 18.01.2009 erteilte Fahrerlaubnis allein deshalb nicht an­zuerkennen, weil dem Betroffenen im Mitgliedstaat, der die Anerkennung verwei­gert, zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal eine Fahrerlaubnis entzogen worden ist, wird dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
  2. Es sprechen gewichtige Gründe dafür, die Vorlagefrage zu bejahen.

Man darf gespannt sein, wer Recht behält :-).

Kennen eigentlich AG und LG § 306 Abs. 2 StPO nicht? – oder: Bewegung/Eile tut Not, vor allem auch in Haft(beschwerde)sachen…

Da habe ich mal eine schöne Haftentscheidung, die einen Bericht lohnt, und zwar der Beschluss des OLG Naumburg vom 21.07.2010 – 1 Ws 398/10, den mir der Verteidiger gerade zugeschickt hat. Die Entscheidung – noch der Vorwurf des Diebstahl mit einem Beutewert von unter 200 € –  lässt sich etwa in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

  1. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit in U-Haft-Sachen ist nur auf die Tat abzustellen, die Gegenstand des Haftbefehls ist.
  2. Je nach Sachlage kann in Haftsachen eine Verzögerung von drei Monaten zu beanstanden sein, wobei schon eine vermeidbare Verfahrensverzögerung von rund zwei Monaten mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen unvereinbar sein kann.
  3. Insbesondere in Haftsachen ist die Vorlagefrist des § 306 Abs. 2 StPO besonders zu beachten.

Bemerkenswert und von allgemeinem Interesse ist m.E der Punkt 3.  Dzu heißt es im Beschluss wörtlich:

Der Senat sieht sich ferner veranlasst, darauf hinzuweisen, dass auch im Beschwerdeverfah­ren Verfahrensverzögerungen verursacht worden sind. Zunächst ist auf § 306 Abs. 2 StPO hinzuweisen, wonach die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen dem Be­schwerdegericht vorzulegen ist. Vorliegend hat das Beschwerdegericht trotz des dortigen Akteneingangs am 25. März 2010 erst am 20. April 2010 über die Haftbeschwerde vom 17. März 2010 und trotz des Akteneingangs am 22. Juni 2010 erst am 01. Juli 2010 über die Haftbeschwerde vom 18. Juni 2010 entschieden, wodurch insgesamt eine vermeidbare Ver­fahrensverzögerung von mehr als 1 Monat verursacht worden ist.“

Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen, außer: Das OLG Hamm hatte die Problematik der zögerlichen/verzögerten Vorlage der Akten beim Beschwerdegericht gerade auch für Haftsachen schon in der Vergangenheit mehrfach beanstandet (vgl. OLG Hamm StV 2000, 153; 2002, 492; 2006, 91) und darauf hingewiesen, dass eine Verletzung der Vorlagefrist des § 306 Abs. 2 StPO zu einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes führen können. In die Richtung geht nun auch das OLG Naumburg.

Verteidiger sollten die Einhaltung dieser Frist anmahnen und Verletzungen als rechtswidrig beanstanden. Im Übrigen: Ich habe während meiner richterlichen Tätigkeit nie verstanden, warum Informationen an Richter, wie z.B. über die Änderungen von Beihilfevorschriften, durch Sonderwachtmeister transportiert/zugetragen werden, Haftsachen aber auf „normalen Wegen“. Die Väter/Mütter der StPO sind jedenfalls – und das unter Berücksichtigung der Transportverhältnisse bei Erlass der StPO im Jahr 1870 (?)1877 – davon ausgegangen, dass die Akten in drei Tagen beim Beschwerdegericht sein können.