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Was verdient der „Vertreter“ des Pflichtverteidigers?, oder: Wird er „fürstlich entlohnt“?

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Im zweiten Posting geht es u.a. auch um die Vernehmungstermingebühr, und zwar im Zusammenhnag mit der Frage: Welche Gebühren entstehen für den Verteidiger, der nur für einen Hafttermin beigeordnet worden ist. Ist das nur eine Einzeltätigkeit oder ist das voller Auftrag mit der Folge, dass nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnet wird.

Dazu habe ich hier jetzt drei Entscheidungen: Zwei machen es richtig, eine macht es falsch.

Zunächst die beiden richtigen, nämlich der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.02.2023 – 2 Ws 13/23 – und der LG Tübingen, Beschl. v. 06.02.2023 – 9 Qs 25/23.

Hier die Leitsätze:

    1. Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht nur auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 VV RVG.
    2. Der Haftzuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG entsteht auch dann, wenn der Beschuldigte zunächst nur vorläufig festgenommen wurde.

Auch der notwendige Verteidiger, der nur für einen Tag bzw. Termin bestellt ist, ist für diesen begrenzten Zeitraum umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut. Daher kommt auch angesichts einer zeitlichen Begrenzung der Beiordnung eine gebührenrechtliche Einstufung der Tätigkeit als Einzeltätigkeit nicht in Betracht.

Ich zitiere wegen der Begründung aus den überzeugenden Ausführungen des OLG Karlsruhe – so habe ich übrigens schon immer argumentiert:

„b) Nach anderer, vom Senat für zutreffend erachteter Auffassung, beschränkt sich der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2008, 2935; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.2008 – 1 Ws 318/08 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2006 – 3 Ws 586/05 -, juris; OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2010 – 2 Ws 129/10 -, BeckRS 2010, 16664; OLG Bamberg, NStZ-RR 2011, 223; OLG München, a.a.O.; OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.; OLG Jena, Beschluss vom 14.04.2021 – (S) AR 62/20 -, BeckRS 2021, 9651).

Denn dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen gerichtlichen Termin beigeordneten Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensabschnitt die Verteidigung ohne jede inhaltliche Beschränkung mit sämtlichen Verteidigerrechten und -pflichten übertragen. Eine Beiordnung eines Verteidigers lediglich als „Vertreter“ des bereits bestellten Verteidigers sieht die StPO nicht vor. Dies folgt bereits daraus, dass der bestellte Verteidiger eine Untervollmacht für die Verteidigung des Angeklagten einem anderen Rechtsanwalt nicht erteilen kann, auch nicht mit Zustimmung des Gerichts, weil die Bestellung zum Verteidiger auf seine Person beschränkt ist (vgl. BGH StV 1981, 393; StV 2011, 650 und Beschluss vom 15.01.2014 – 4 StR 346/13 -, juris). Eine solche Vertretung in der Verteidigung ist nur dem entweder amtlich (§ 53 Abs. 2 Satz 3 BRAO) oder vom Verteidiger selbst (§ 53 Abs. 2 Satz 1 oder 2 BRAO) bestellten allgemeinen Vertreter des Pflichtverteidigers möglich (BGH, Beschluss vom 15.01.2014, a.a.O.). Durch die Beiordnung eines Verteidigers für die Wahrnehmung eines Termins anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Beiordnungs-verhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer seiner Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Eine solche umfassende, eigenverantwortliche Verteidigung setzt auch eine Einarbeitung in den Fall voraus, ohne die eine sachgerechte Verteidigung nicht möglich ist. Gerade für diese erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall entsteht aber die Grundgebühr. Eine Unterscheidung danach, welchen Aufwand diese Einarbeitung im Einzelfall erfordert (so das OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.02.2011 – 4 Ws 195,10 -, NJOZ 2012, 213) verbietet sich schon deshalb, weil es sich bei den Gebühren des Pflichtverteidigers nach Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 zu § 2 Abs. 2 RVG um Festgebühren handelt, die grundsätzlich unabhängig von dem im Einzelfall erforderlichen Aufwand anfallen. Der Anspruch des wegen Verhinderung des zuvor bestellten Verteidigers (zeitlich beschränkt) bestellten weiteren Verteidigers scheitert auch nicht daran, dass die Gebühr aus VV Nr. 4100/4101 pro Rechtsfall nur einmal entsteht und auf Seiten des ursprünglich bestellten Pflichtverteidigers bereits entstanden ist; denn die Einmaligkeit der Gebühr pro Rechtsfall ist aus-schließlich personen- und nicht verfahrensbezogen zu verstehen (vgl. Knaudt in BeckOK RVG, a.a.O. RVG VV Vorbemerkung, Rn. 20). Auch im Falle eines Pflichtverteidigerwechsels nach § 143a StPO steht die Grundgebühr sowohl dem zunächst bestellten Pflichtverteidiger als auch dem an seiner Stelle bestellten neuen Pflichtverteidiger zu.

A.A. ist der OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.01.2023 – 4 Ws 13/23 – mit folgendem Leitsatz:

Der einem Beschuldigten für die Haftprüfung beigeordnete Rechtsanwalt verdient nur eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit.

Anzumerken ist Folgendes:

OLG Karlsruhe und LG Tübingen machen es es richtig, OLG Stuttgart falsch. Dazu ist nichts weiter zu sagen. Als Verteidiger muss man dann darauf achten, alle Gebühren geltend zu machen, also auch die Verfahrensgebühr, da die nach der Anm. zur Nr. 4100 VV RVG immer neben der Grundgebühr entsteht. Also auch in diesen Fällen.

Ob es sich dann aber schon – wie das LG Tübingen meint – „vorliegend um eine „geradezu fürstliche und vom Gesetzgeber sicher nicht gewollte Honorierung der Tätigkeit des Rechtsanwalts“ handelt, ist in meinen Augen mehr als zweifelhaft. Ich frage mich bei solchen Formulierungen auch immer, was das soll? Denn, wenn das dort entscheidende Mitglied der Strafkammer, der Pflichtverteidiger werde „geradezu fürstlich entlohnt“, dann ist ihm zu erwidern, dass gerade die Frage der ausreichenden Honorierung des Pflichtverteidigers höchst fraglich und sicherlich nicht unter Berücksichtigung der Festbetragsgebühren „fürstlich“ ist. Im Übrigen hätte es dem Mitglied der Strafkammer ja frei gestanden, als Rechtsanwalt/Verteidiger tätig zu werden. M.E. sind solche Formulierungen daher mehr als überflüssig.

Terminsvertreter des Pflichtverteidigers, oder: Welche Gebühren verdient der Terminsvertreter?

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Und dann zum Wochenschluß – vor dem morgigen „Kessel Buntes“ – dann noch Gebührenrecht.

Ich beginne mit dem OLG Jena, Beschl. v. 14.04.2021 – (S) AR 62/20 -, der sich zu einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) verhält. In dem Zusammenhang hat das OLG zu der Frage Stellung genommen, welche Gebühren der als Terminsvertreter des Pflichtverteidigers beigeordnete Rechtsanwalt abrechnen kann.

Dem Angeklagten war Rechtsanwalt RA 2 als Pflichtverteidiger beigeordnet. Außerdem hatte Rechtsanwalt RA 1 beantragt, als (zweiter) Pflichtverteidiger für den damaligen Angeklagten beigeordnet zu werden, was LG und OLG aber abgelehnt hatten. RA 1 war bereits in Vorbereitung der am 02.12.2015 begonnenen Hauptverhandlung für den damaligen Angeklagten – in Absprache mit dem bereits am 19.05.2015 beigeordneten Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt RA 2 – tätig. Im Zeitraum der Hauptverhandlung wurde dann RA 1 an 33 der 45 Hauptverhandlungsterminen  dem Angeklagten jeweils „für den heutigen Termin als Pflichtverteidiger beigeordnet“.

Der Angeklagte ist frei gesprochen worden. Der Rechtsanwalt RA 1 hat beantragt, ihm gemäß § 51 RVG eine Pauschgebühr in Höhe der Höchstgebühr eines Wahlverteidigers zu gewähren. Der Bezirksrevisor hat vorgeschlagen, den Antrag abzulehnen. Der Antragsteller, der nur vertretungsweise für einzelne Hauptverhandlungstermine bestellt worden sei, habe ohnehin nur Anspruch auf die Terminsgebühren; für eine Erhöhung dieser bestehe kein Anlass. Das OLG hat eine Pauschgebühr in Höhe von 13.890,-  EUR bewilligt:

„Entgegen der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 02.02.2021 hat der Antragsteller vorliegend nicht ausschließlich einen Anspruch auf die Terminsgebühren.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob der wegen der Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordnete Verteidiger als Vergütung für seine Tätigkeit als sogenannter „Terminsvertreter“ nur die Terminsgebühren erhält, weil er lediglich als Vertreter des die Verteidigung insgesamt führenden Pflichtverteidigers beigeordnet worden ist, oder ob diesem weiteren Pflichtverteidiger eine (volle) Vergütung nach Abschnitt 1 des Teiles 4 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG zusteht. Dass der auf diese Weise beigeordnete Pflichtverteidiger ausschließlich einen Anspruch auf die Terminsgebühr hat, haben u.a. das Kammergericht (StraFo 2008, 349 und NStZ-RR 2011, 295), das OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.02.2011, 4 Ws 195/10, bei juris) und das OLG Celle (Beschluss vom 10.06.2006, 2 Ws 258/06, bei juris) entschieden. Auch Hartmann (Kostengesetze, 49. Auflage, RVG VV 4100, 4101 Rn. 2) spricht sich dafür aus.

Die gegenteilige Auffassung wird u.a. von den Oberlandesgerichten Hamm (AGS 2007, 37), Karlsruhe (NJW 2008, 2935), Düsseldorf (Beschluss vom 29.10.2008, III-1 Ws 318/08, bei juris), München (zuletzt Beschluss vom 27.02.2014, 4c Ws 2/14, bei juris), Köln (Beschluss vom 26.03.2010, 2 Ws 129/10, bei juris) Saarbrücken (a.a.O.), Bamberg (a.a.O.) und Nürnberg (Beschluss vom 13.11.2014, 2 Ws 553/14) vertreten. Der Senat hat sich dieser – inzwischen wohl überwiegenden (so auch OLG Saarbrücken, a.a.O.) – Auffassung, an der er auch weiterhin fest-hält, bereits mit Beschluss vom 08.12.2010 (a.a.O.) ausdrücklich angeschlossen und dabei aus-geführt, dass sich die anwaltliche Vergütung im Einzelfall nach den durch die anwaltliche Tätigkeit konkret verwirklichten Gebührentatbeständen bemisst. In der Kommentarliteratur wird diese Auffassung von Burhoff (Gerold/Schmidt, RVG 24. Auflage, VV 4100, 4101 Rn. 5 und VV 4106, 4107 Rn. 6; siehe Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Auflage, Nr. 4100 VV RVG Rn. 8) vertreten….“

Dazu: Die Entscheidung ist m.E. richtig.

Folgende Anmerkung: Für mich nicht nachvollziehbar ist der Pauschgebührbetrag von 13.890,-  EUR. Das OLG errechnet für die Pauschgebühr einen Gesamtbetrag von 13.888,00 EUR, den rundet es dann auf 13.890,00 EUR, also um 2 EUR (!!), auf. Warum man, wenn man schon aufrundet, nicht auf 14.000 EUR oder zumindest auf 13.900 EUR aufrundet, erschließt sich nicht. Es handelt sich doch um eine Pauschgebühr. 🙂

Gebühren des Terminsvertreters, oder: Immer wieder falsch

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, ist dann der LG Koblenz, Beschl. v. 06.07.2020 – 4 KLs 2050 Js 3517/17. Auch er entscheidet eine Problematik, die immer wieder umstritten ist. Nämlich die Frage: Welche Gebühren verdeint der sog. Terminsvertreter.

Das LG sagt: Nur die Terminsgebühr:

„In der Sache bleibt die Erinnerung jedoch ohne Erfolg. Dem Erinnerungsführer stehen die von ihm geltend gemachte Grundgebühr nach der Nr. 4101, 4100 VV RVG in Höhe von 192,00 € nebst darauf entfallender Mehrwertsteuer nicht zu, sondern nur die bereits festgesetzte Terminsgebühr nebst Auslagen sowie die darauf entfallende Mehrwertsteuer. Denn der Erinnerungsführer war zum Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 nicht als weiterer (dritter) Verteidiger, sondern als Vertreter der an diesem Tag verhinderten Rechtsanwältinnen pp1. und pp2. beigeordnet worden.

Ob und inwieweit einem wegen der Abwesenheit des Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordneten Verteidiger über die Terminsgebühr hinaus eine Vergütung für seine Tätigkeit als so genannter „Terminsvertreter“ nach Abschnitt 1 des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses zusteht, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet.

Teilweise wird vertreten, dass der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger beigeordnet worden ist, sich nicht auf die Terminsgebühr beschränkt, sondern alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu ‚§ 2 Abs. 2 RVG umfasst (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10. November 2014 — 1 Ws 148/14, Rn. 12 ff., juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2008 — 3 Ws 281/08, Rn. 6, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 21. Dezember 2010 — 1 Ws 700/10, Rn. 9, juris).

Nach anderer Auffassung hat die Landeskasse jedenfalls in den Fällen, in denen die Beiordnung des Rechtsanwalts als bloßer Terminsvertreter für einen Hauptverhandlungstermin erfolgt ist und der originär bestellte Verteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient hat, nur noch die Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer zu erstatten (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. Mai 2014 — 1 Ws 195/14, juris; OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2008 — 2 Ws 365/08, juris; KG Berlin, Beschluss vom 29. Juni 2005 — 5 Ws 164/05, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2011 —1 Ws 201/11, Rn. 46 f., juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. September 2012 — 3 Ws 93/12, Rn. 15, juris).

Dieser letztgenannten Auffassung ist zu folgen, denn der Anspruch als ersatzweise bestellter Pflichtverteidiger kann nicht höher sein als er in der Person des vertretenen Rechtsanwalts angefallen wäre, wenn dieser selbst zum Termin erschienen wäre, oder wenn der Rechtsanwalt ohne Beiordnung als Vertreter des bestellten Rechtsanwalts gemäß § 5 RVG aufgetreten wäre (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online; KG Berlin, Beschluss vom 29. Juni 2005 — 5 Ws 164/05, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2011 — 1 Ws 201/11, Rn. 46 f., juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. September 2012 — 3 Ws 93/12, Rn. 15, juris). Die Vorschrift des § 5 RVG, die die Vertretung von Rechtsanwälten gebührenrechtlich regelt, nimmt die Vertretung eines Pflichtverteidigers gerade nicht aus dem Regelungsbereich aus (OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2008 — 2 Ws 365/08, Rn. 14, juris). Hat der originär bestellte Pflichtverteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient, hat die Landeskasse dem Vertreter allenfalls noch die Terminsgebühr zu erstatten. Lässt sich ein Verteidiger in einem Hauptverhandlungstermin durch einen and Verteidiger vertreten, kann dies nicht dazu führen, dass Grund- und Verfahrensgebühr mehrfach entstehen. Anderenfalls könnte ein Pflichtverteidiger, der sich an verschiedenen Sitzungstagen durch verschiedene Vertreter vertreten lässt, zahlreiche Gebührentatbestände entstehen lassen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund bestünde (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online). Dies würde sich in unangemessener Weise zum Nachteil des Angeklagten, der im Falle seiner Verurteilung die Verteidigergebühren zu tragen hat (§ 465 Abs. 1 StPO), oder zum Nachteil der Staatskasse, die zunächst für die Pflichtverteidigervergütung aufzukommen hat (§ 55 Abs. 1 RVG), auswirken (LG Hannover, Beschluss vom 19. Oktober 2015 — 33 Qs 51/15, juris).

Im vorliegenden Fall war deswegen zu berücksichtigen, dass der Erinnerungsführer am Haupt-verhandlungstag des 22.07.2019 nicht als (dritter) Verteidiger, sondern als bloßer „Terminsvertreter“ für die an diesem Tage verhinderten Rechtsanwältinnen pp1. und pp2. beigeordnet worden war. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des Beiordnungsbeschlusses, wonach der Erinnerungsführer ausdrücklich „für den Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 für die an diesem Tage verhinderten Rechtsanwältinnen pp.1 und pp2. bestellt“ worden ist. Die ausdrückliche Nennung des Hauptverhandlungstermins am 22.07.2019 unterstreicht, dass nur eine Vertretung gewollt war und kein (weiterer) dauerhafter Pflichtverteidiger bestellt werden sollte.

Auch der übrige Zusammenhang stützt diese Auslegung des Beschlusses. Für die originären Verteidigerinnen war der Erinnerungsführer nach vorheriger Ankündigung nur für die Hauptverhandlung am 22.07.2019 erschienen. Zu den neun weit Verfahrensterminen erschien zumindest jeweils eine der bestellten Verteidigerinnen pp1. oder pp2., was weiterhin belegt, dass der Erinnerungsführer nur in die Vertretung der bereits bestellten Verteidigerinnen eingewiesen werden sollte: Eine solche Beiordnung als sogenannter „Terminsvertreter“ ist verfahrensrechtlich zulässig und hat dann gebührenrechtlich zur Folge, dass nur ein Pflichtverteidiger-mandat abzurechnen ist (OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. Mai 2014 — 1 Ws 195/14, Rn. 17, juris).“

M.E. falsch, aber: Wen interessiert das? Der Kollege Tsioupas aus Frankfurt, der mir den Beschluss geschickt hat, will weiter ins Rechtsmittel. Ich meine, er wird beim OLG Koblnez (!) keinen Erfolg haben. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Terminsvertreter (im Zivilrecht), oder: Welche Kosten/Aufwendungen werden erstattet?

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Und als zweite Gebührenentscheidung bringe ich dann heute den OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.07.2017 – 8 W 321/15. Ja, Zivilrecht, aber man muss auch mal an die mitlesenden Zivilrechtler denken. Der Beschluss behandelt die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Terminsvertretung (im Zivilrecht) auf der Grundlage des folgenden Sachverhalts: Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte im eigenen Namen einen Terminsvertreter mit der Wahrnehmung des gerichtlichen Termins beauftragt. Für die Klägerin wurde hierfür in der Kostenfestsetzung gegen den Beklagten eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 424,80 € netto geltend gemacht. Die Rechtspflegerin setzte lediglich die für die Terminsvertretung zwischen dem Prozessbevollmächtigten sowie dem Terminsvertreter vereinbarte Pauschale in Höhe von 300,00 € gegen den Beklagten fest. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte beim OLG Erfolg und führte zur Zuerkennung der vollen Terminsgebühr.

Der Leitsatz des OLG:

Beauftragt der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen einen anderen Rechtsanwalt mit der Terminswahrnehmung ist die Terminsgebühr durch die Tätigkeit des Terminsvertreters als Erfüllungsgehilfe des Prozessbevollmächtigten gemäß § 5 RVG angefallen und nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO – in voller Höhe – erstattungsfähig. Daneben können weder Aufwendungen des Prozessbevollmächtigten für den Terminsvertreter noch fiktive Reisekosten geltend gemacht werden.

Und das OLG meint zu den Aufwendungen:

 

„Soweit die Klägerin darüber hinaus die Erstattung der Kosten von € 300,00 für den Terminsvertreter beziehungsweise zumindest eines Betrages in Höhe der fiktiven Reisekosten von € 196,00 begehrt, waren der Kostenfestsetzungsantrag und die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Terminsgebühr wird in der vorliegenden Konstellation vom Prozessbevollmächtigten für eine Leistung gefordert, die er nicht in eigener Person erbracht, sondern die er anderweitig eingekauft hat. Daher handelt es sich bei den Aufwendungen, die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erbracht hat, gerade nicht um Auslagen im Sinne von Teil 7 des VV zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Die Kosten können auch nicht mit dem Hinweis auf fiktive Reisekosten geltend gemacht werden: Fiktive Kosten sind nur anstelle von tatsächlich angefallenen Kosten zu erstatten. Der Partei sind aber neben der Terminsgebühr keine Kosten dieser Art entstanden (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, a.a.O., Nr. 3401 VV RVG, Rdnr. 137).

Die von der Klägerin im vorliegenden Zusammenhang zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.02.2014 (NJW-RR 2014, 763) betrifft wiederum nicht den hier gegebenen Fall einer Beauftragung des Terminsvertreters durch den Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen, sondern die Beauftragung des Unterbevollmächtigten durch die Partei, der – anders als der Vertreter gemäß § 5 RVG – eine Gebühr gemäß Nr. 3401 VV RVG verdient. Die ebenfalls von der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2005 (NJW-RR 2005, 1662) betrifft ebenfalls die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten und setzt sich mit der nochmals anders gelagerten Frage auseinander, ob die erstattungsfähigen (tatsächlichen) Reisekosten des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts der Höhe nach auf die Kosten beschränkt sind, die durch die Beauftragung eines solchen Terminsvertreters entstanden wären. Am obigen Ergebnis ändern beide Entscheidungen des Bundesgerichtshofes nichts.“

Und anlässlich dieses Postings ein kleiner Aufruf: Ich bin sehr an gebührenrechtlichen Entscheidungen interessiert, vor allem natürlich an solchen mit straf- und bußgeldrechtlichem Einschlag. Wer also eine interessante Entscheidung hat – egal ob richtig oder faslch 🙂 -, kann sie mir gern schicken. Ich stelle sie dann ein und blogge ggf. dazu.

Gibt es in Bayern nach 18 Monaten noch keine neuen RVG-Texte?

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Im Moment muss ich ein wenig mehr Gebührenrecht machen als sonst. Denn ich habe eine ganze Menge von interessanten Entscheidungen in meinem „Blogordner“ hängen, die mir sonst zu alt für ein Posting werden. Zu denen gehört auch der OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.11.2014 – 2 Ws 553/14, in dem es um das leidige Thema der Gebühren des sog. „Terminsvertreters“ im Strafverfahren geht.

Folgender Sachverhalt: Mit Verfügung des Strafkammervorsitzenden wurde der Rechtsanwalt dem Angeklagten als Pflichtverteidiger „für den heutigen Sitzungstag“ beigeordnet, weil sich der Wahlverteidiger des Angeklagten an diesem Tag im Urlaub befand. Der Pflichtverteidiger hat dann später die Festsetzung der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, der gerichtlichen Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG, der Terminsgebühr Nr. 4120 VV RVG und Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG beantragt. Festgesetzt worden sind nur die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und Terminsgebühr Nr. 4120 VV RVG. Nicht aber die Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG.

In der Entscheidung hat sich das OLG  der wohl h.M. in Rechtsprechung und Literatur angeschlossen, wonach sich der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Verteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger beigeordnet worden ist, nicht auf die Terminsgebühren beschränkt, sondern alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 VV RVG umfasst (vgl.  Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014, Nr. 4100 VV Rn. 8 ff. m.w.N. ). Es hat dann aber die Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG nicht gewährt. Begründung: Keine über den Abgeltungsbereich der Grundgebühr hinausgehende eigene Tätigkeit.

Tja, in meinen Augen eine Entscheidung, die nur nur zum Teil richtig ist. Das OLG hat m.E. die Änderungen in der Nr. 4100 VV RVG durch das 2. KostRMoG übersehen. Dazu kurz:

  1. Zutreffend sind die Ausführungen des OLG zur Frage, welche Gebühren für den „Terminsvertreter“ anfallen. Das können alle Gebühren sein, die auch der Verteidiger verdienen kann, also Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, a.a.O.; Nr. 4100 Rn. 8 ff. m.w.N.). Dazu ist in der Vergangenheit schon viel geschrieben worden. Das will ich hier jetzt nicht wiederholen.
  2. Falsch ist m.E. die Entscheidung dann aber hinsichtlich der einzelnen beim Pflichtverteidiger entstandenen Gebühren. Dazu ist beim Terminsvertreter in der Vergangenheit – insofern hat das OLG – Recht – darum gestritten worden, ob der „Terminsvertreter“ neben der Grundgebühr und Terminsgebühr i.d.R. auch die Verfahrensgebühr erhält und/oder, ob er dazu besonders vortragen muss. Hinzuweisen ist hier nur darauf, dass selbst nach „altem Recht“ m.E. die gerichtliche Verfahrensgebühr beim Pflichtverteidiger entstanden wäre. Denn die von ihm erbrachten Tätigkeiten gehen weit über den Abgeltungsbereich der Grundgebühr hinaus (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn. 25 ff. m.w.N.; zum Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 34 ff. m.w.N.). Auf die Frage kommt es – und darum ist die OLG Entscheidung falsch – jedoch seit dem 01.08.2013 nicht mehr an. Denn nun entstehen nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG Grundgebühr und Verfahrensgebühr (immer) nebeneinander (vgl. Burhoff RVGreport 2014, 42). Die vom OLG angestellten Überlegungen haben nur noch Bedeutung für die Bemessung der beiden Gebühren. Das spielt aber nur beim Wahlanwalt eine Rolle, nicht hingegen beim Pflichtverteidiger, der Pauschgebühren erhält. Das hat das OLG hier übersehen, man fragt sich warum. Dass es auch anders, nämlich richtig, geht, zeigen OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2014 – 1 Ws 148/14, LG Oldenburg, Beschl. v. 22.09.2014 – 5 Qs 304/14 und der LG Duisburg, Beschl. v. 03.06.2014 – 34 Qs 52/13.

Das OLG Nürnberg setzt sich mit der Neuregelung, die 18 Monate als ist, noch nicht mal auseinander. Daher die Frage: Sollte es in Bayern noch keine neuen RVG-Texte geben?