Gebühren des Terminsvertreters, oder: Immer wieder falsch

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, ist dann der LG Koblenz, Beschl. v. 06.07.2020 – 4 KLs 2050 Js 3517/17. Auch er entscheidet eine Problematik, die immer wieder umstritten ist. Nämlich die Frage: Welche Gebühren verdeint der sog. Terminsvertreter.

Das LG sagt: Nur die Terminsgebühr:

„In der Sache bleibt die Erinnerung jedoch ohne Erfolg. Dem Erinnerungsführer stehen die von ihm geltend gemachte Grundgebühr nach der Nr. 4101, 4100 VV RVG in Höhe von 192,00 € nebst darauf entfallender Mehrwertsteuer nicht zu, sondern nur die bereits festgesetzte Terminsgebühr nebst Auslagen sowie die darauf entfallende Mehrwertsteuer. Denn der Erinnerungsführer war zum Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 nicht als weiterer (dritter) Verteidiger, sondern als Vertreter der an diesem Tag verhinderten Rechtsanwältinnen pp1. und pp2. beigeordnet worden.

Ob und inwieweit einem wegen der Abwesenheit des Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordneten Verteidiger über die Terminsgebühr hinaus eine Vergütung für seine Tätigkeit als so genannter „Terminsvertreter“ nach Abschnitt 1 des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses zusteht, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet.

Teilweise wird vertreten, dass der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger beigeordnet worden ist, sich nicht auf die Terminsgebühr beschränkt, sondern alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu ‚§ 2 Abs. 2 RVG umfasst (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10. November 2014 — 1 Ws 148/14, Rn. 12 ff., juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2008 — 3 Ws 281/08, Rn. 6, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 21. Dezember 2010 — 1 Ws 700/10, Rn. 9, juris).

Nach anderer Auffassung hat die Landeskasse jedenfalls in den Fällen, in denen die Beiordnung des Rechtsanwalts als bloßer Terminsvertreter für einen Hauptverhandlungstermin erfolgt ist und der originär bestellte Verteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient hat, nur noch die Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer zu erstatten (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. Mai 2014 — 1 Ws 195/14, juris; OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2008 — 2 Ws 365/08, juris; KG Berlin, Beschluss vom 29. Juni 2005 — 5 Ws 164/05, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2011 —1 Ws 201/11, Rn. 46 f., juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. September 2012 — 3 Ws 93/12, Rn. 15, juris).

Dieser letztgenannten Auffassung ist zu folgen, denn der Anspruch als ersatzweise bestellter Pflichtverteidiger kann nicht höher sein als er in der Person des vertretenen Rechtsanwalts angefallen wäre, wenn dieser selbst zum Termin erschienen wäre, oder wenn der Rechtsanwalt ohne Beiordnung als Vertreter des bestellten Rechtsanwalts gemäß § 5 RVG aufgetreten wäre (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online; KG Berlin, Beschluss vom 29. Juni 2005 — 5 Ws 164/05, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2011 — 1 Ws 201/11, Rn. 46 f., juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. September 2012 — 3 Ws 93/12, Rn. 15, juris). Die Vorschrift des § 5 RVG, die die Vertretung von Rechtsanwälten gebührenrechtlich regelt, nimmt die Vertretung eines Pflichtverteidigers gerade nicht aus dem Regelungsbereich aus (OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2008 — 2 Ws 365/08, Rn. 14, juris). Hat der originär bestellte Pflichtverteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient, hat die Landeskasse dem Vertreter allenfalls noch die Terminsgebühr zu erstatten. Lässt sich ein Verteidiger in einem Hauptverhandlungstermin durch einen and Verteidiger vertreten, kann dies nicht dazu führen, dass Grund- und Verfahrensgebühr mehrfach entstehen. Anderenfalls könnte ein Pflichtverteidiger, der sich an verschiedenen Sitzungstagen durch verschiedene Vertreter vertreten lässt, zahlreiche Gebührentatbestände entstehen lassen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund bestünde (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online). Dies würde sich in unangemessener Weise zum Nachteil des Angeklagten, der im Falle seiner Verurteilung die Verteidigergebühren zu tragen hat (§ 465 Abs. 1 StPO), oder zum Nachteil der Staatskasse, die zunächst für die Pflichtverteidigervergütung aufzukommen hat (§ 55 Abs. 1 RVG), auswirken (LG Hannover, Beschluss vom 19. Oktober 2015 — 33 Qs 51/15, juris).

Im vorliegenden Fall war deswegen zu berücksichtigen, dass der Erinnerungsführer am Haupt-verhandlungstag des 22.07.2019 nicht als (dritter) Verteidiger, sondern als bloßer „Terminsvertreter“ für die an diesem Tage verhinderten Rechtsanwältinnen pp1. und pp2. beigeordnet worden war. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des Beiordnungsbeschlusses, wonach der Erinnerungsführer ausdrücklich „für den Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 für die an diesem Tage verhinderten Rechtsanwältinnen pp.1 und pp2. bestellt“ worden ist. Die ausdrückliche Nennung des Hauptverhandlungstermins am 22.07.2019 unterstreicht, dass nur eine Vertretung gewollt war und kein (weiterer) dauerhafter Pflichtverteidiger bestellt werden sollte.

Auch der übrige Zusammenhang stützt diese Auslegung des Beschlusses. Für die originären Verteidigerinnen war der Erinnerungsführer nach vorheriger Ankündigung nur für die Hauptverhandlung am 22.07.2019 erschienen. Zu den neun weit Verfahrensterminen erschien zumindest jeweils eine der bestellten Verteidigerinnen pp1. oder pp2., was weiterhin belegt, dass der Erinnerungsführer nur in die Vertretung der bereits bestellten Verteidigerinnen eingewiesen werden sollte: Eine solche Beiordnung als sogenannter „Terminsvertreter“ ist verfahrensrechtlich zulässig und hat dann gebührenrechtlich zur Folge, dass nur ein Pflichtverteidiger-mandat abzurechnen ist (OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. Mai 2014 — 1 Ws 195/14, Rn. 17, juris).“

M.E. falsch, aber: Wen interessiert das? Der Kollege Tsioupas aus Frankfurt, der mir den Beschluss geschickt hat, will weiter ins Rechtsmittel. Ich meine, er wird beim OLG Koblnez (!) keinen Erfolg haben. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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