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„Konsum“ von Fisherman’s Friend und die Atemalkoholkontrolle

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage, welche Folge es hat, wenn die sog. Warte- und Kontrollzeiten bei der Atemalkoholmessung nicht eingehalten werden, unter den OLG umstritten. Das OLG Hamm (VA 2007, 35 = VRR 2007, 70 = VRS 114, 292, 294) hat in diesen Fällen die Messung insgesamt als unverwertbar angesehen. Dem hat sich das OLG Bamberg (OLG Bamberg VA 2008, 31 = VRR 2008, 153 = StRR 2008, 196) jedenfalls für den Fall angeschlossen, in dem der Grenzwert gerade erreicht ist.

Das OLG Stuttgart hält demgegenüber nun in seinem Beschl. v.02.07.2010 – 4 Ss 369/10, über den auch schon hier berichtet worden ist, – eine generelle Unverwertbarkeit der Messung für nicht angezeigt und schließt sich damit den Obergerichten an, die die Messung auch verwerten, wenn die Wartezeit von 20 Minuten nicht eingehalten ist (so etwa OLG Celle NZV 2004, 318; OLG Karlsruhe NJW 2006, 1988 = VA 2006, 140 (Ls.) = NZV 2006, 438 = VRR 2006, 355; so jetzt auch OLG Hamm VA 2010, 50 = VRR 2010, 156).

Das begründet das OLG u.a. mit einem vom AG eingeholten SV-Gutachten. Das wird im Beschluss teilweise mitgeteilt. Interessant :-), wenn es dort heißt:

Der Sachverständige führte aus, dass, die Richtigkeit der Angaben des Betroffenen unterstellt, zwar die Durchführungsbedingungen für das ALCO-TEST-Messgerät Dräger nicht eingehalten seien, da in den letzten 10 Minuten vor der Durchführung der Messung keine fremde Substanz in die Mundhöhle gelangt sein dürfe, dies jedoch vorliegend nicht zu einer Verfälschung des Messergebnisses führe, das außerhalb der erlaubten Messschwankungsbreiten liegt. Derartige Verfälschungen seien bislang bei keiner der untersuchten Fremdsubstanzen festgestellt worden. Zwar sei zu berücksichtigen, dass die Untersuchungen zum Einfluss von Fremdsubstanzen in der Mundhöhle bei Atemalkoholmessungen bislang überwiegend bei alkoholnüchternen Probanden durchgeführt worden seien, so dass bei bereits alkoholisierten Probanden unter Umständen eine Zuordnung geringfügig abweichender Werte zu unvermeidbaren Messfehlerschwankungen oder durch die Fremdsubstanz verursachten Verfälschungen nicht sicher erfolgen könne, jedoch sei von Abweichungen von maximal 0.02 mg/l auszugehen.

Eine solche Abweichung sei lediglich bei Untersuchungen nach dem Konsum eines „Fisherman’s Friend“-Bonbons festgestellt worden; bei sämtlichen anderen Fremdsubstanzen wie Kaugummis und Lutschbonbons sei es zu keinen Verfälschungen gekommen. Der Sachverständige führte überdies aus, dass sich beim bloßen Lutschen an einem Kaugummi oder einem Bonbon weitaus weniger Fremdsubstanzen in der Mundhöhle lösten, als dies beim Kauen der Fall sei.“

Also: Auf zu Fischerman’s Friend?

Immer wieder Blutentnahme und Beweisverwertungsverbot – zumindest können sich die „Mühen“ bei den Rechtsfolgen „lohnen“…

Das OLG Celle hat jetzt auch noch einmal zum Beweisverwertungverbot bei der Blutentnahme (§ 81a StPO) Stellung genommen. Der Beschl. v. 15.07.2010 – 322 SsBs 159/10 lässt sich in etwa folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

  1. Zwischen der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungsbehörden besteht im Hinblick auf die Eilzuständigkeit gem. § 81a Abs. 2 StPO kein Rangverhältnis.
  2. Zu den Voraussetzungen an die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge mit der der Rechtsmittelführer das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Eildienstes und ein darauf zurückzuführendes Beweisverwertungsverbot geltend macht.
  3. Das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Eildienstes zur Erfüllung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
  4. Bei einer Geldbuße von 275 € muss das tatrichterliche Urteil Ausführungen zur den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen enthalten, da das Rechtsbeschwerdegericht sonst nicht nachvollziehen kann, ob die Bemessung der Geldbuße in Einklang mit § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG steht.

Der Beschluss liegt weitgehend auf der Linie der Rechtsprechung anderer OLG, wozu schon manches/vieles geschrieben ist. Die im Ls. 1 angesprochene Frage scheint m.E. das BVerfG anders zu sehen (vgl. BVerfG VRR 2008, 389 = StRR 2008, 382 = NJW 2008, 3053; BVerfG, Beschl. v. 11.06.2010, 2 BvR 1046/08). Interessant auch die Ausführungen des OLG zu Ls. 3, in dem es die Anforderungen an die Verfahrensrüge in diesen Fällen noch einmal verschärft hat.

Aber: Die (erfolglosen) Mühen haben sich für den Verteidiger und seinen Mandanten zumindest teilweise „gelohnt“. Das OLG weist in der Segelanweisung auf den langenZeitablauf hin und darauf, dass im zweiten Anlauf nun wohl ggf. ein Fahrverbot nicht mehr verhängt werden dürfte.

Download/Lesetipp: Kotz zur Strafrechtsentschädigung in StRR 2010, 204

Ist die Schlacht geschlagen und ggf. sogar der Krieg gewonnen = der Mandant frei gesprochen, dann tun sich neue Kampffelder auf. Neben den Gebühren ist das häufig die Frage der Entschädigung des Mandanten für Strafverfolgungsmaßnahmen. Da liegt manches bei manchen Verteidigern im Dunkeln.

Licht bringen da die Ausführungen von RA Peter Kotz, Augsburg, im StRR. Dazu gab es so viel zu sagen, dass wir drei Teile machen mussten. Der erste Teil war in StRR 2010, 164, der zweite ist jetzt in Heft 6/2010 in StRR 2010, 204 und der dritte kommt in Heft 7/2010. Der 2. Teil steht seit heute im kostenfreien Bereich von Heymanns Strafrecht, sozusagen als Appetizer.

Bei menschenunwürdiger Unterbringung ist Strafvollzug zu unterbrechen…

Jeder Verteidiger, der im Strafvollzug verteidigt, sollte sich mit der Entscheidung des 3. Zivilsenats (!!) v. 11.03.2010 – III ZR 124/09 vertraut machen. In der ging es um die Entschädigung eines Strafgefangenen bei menschenunwürdiger Unterbringung und der Remonstrationspflicht des Gefangenen im Hinblick auf § 839 BGB. Zu der Entscheidung lässt sich manches sagen/fragen: so z.B., warum sich eigentlich der Staat mit „Händen und Füßen“ gegen (begründete) Ansprüche von Personen wehrt, die zwar zu Recht inhaftiert sind, dann aber Bedingungen unterworfen werden, die mit der Menschenwürde nicht in Einklang stehen (stammt übrigens nicht von mir, sondern von StA Artkämper demnächst im StRR).

Das kann man hier alles nicht erörtern. Hinweisen will ich aber auf eine Passage in der Entscheidung, die vermutlich demnächst im Strafvollzug den Vollzugsbehörden „viel Freude“ bereiten wird :-). Der BGH führt nämlich aus:

„Sind die Haftbedingungen menschenunwürdig und kann eine Vollzugsanstalt auch unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (einschließlich der Verlegung in eine andere Haftanstalt, ggf. auch in einem anderen Bundesland) einer Gerichtsentscheidung, die dies feststellt, nicht nachkommen, muss notfalls die Strafvollstreckung unterbrochen werden. Die Aufrechterhaltung eines gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßenen Zustands ist verboten. Eine Abwägung der unantastbaren Menschenwürde mit anderen – selbst verfassungsrechtlichen – Belangen ist nicht möglich (vgl. BVerfG NJW 2006, 1580, 1581 Rn. 81)“.

Um Einwänden vorzubeugen: Mir ist bewusst, dass der BGH das vor dem Hinter­grund des Ausschlusses einer Entschädigung feststellt, aber: Argumentativ wird man diese Passage im Strafvollstreckungs-/Vollzugsverfahren sicherlich verwenden können.

250 €/Stunde in Wirtschaftsstrafverfahren gehen wohl durch…

Ein Stundensatz von (mindestens) 250 € für die Tätigkeit des Strafverteidigers scheint sich durchzusetzen bzw. wird offenbar von den Zivilgerichten in Wirtschaftsstrafverfahren nicht als unangemessen beanstandet, wenn „die Rahmenbedingungen stimmen“ (vgl. dazu jetzt OLG Koblenz, Urt. v. 26.04.2010 – 5 U 1409/09;  auch BGH NJW 2010, 1364; OLG Hamm StRR 2008, 236 = JurBüro 2008, 307; AG Köln zfs 2006, 227; s. auch noch OLG Celle, Urt. v. 18.11.2009 – 3 U 115/09).

Das OLG Düsseldorf (a.a.O.) sieht das allerdings anders, hat dafür aber von Schons (a.a.O.) herbe Kritik erfahren müssen, der sich dem OLG Koblenz angeschlossen hat. Man darf gespannt sein, wie der BGH die Dinge demnächst sehen wird. Denn die Entscheidung des OLG Düsseldorf (a.a.O.) ist nicht rechtskräftig; die Revision ist unter dem Aktenzeichen IX ZR 37/10 beim BGH anhängig. Gespannt vor allem auch deshalb, weil der BGH ja nach wie vor an seiner „Fünffach-Satz-Rechtsprechung“ aus BGHZ 162, 98 festhält. Er hat diese in seinem Urt. v. 04.02.2010 (IX ZR 18/09 (NJW 2010, 1364) ja nicht aufgegeben, sondern nur modifiziert. Er hat allerdings schon darauf hingewiesen, dass ein gehobenes Einkommen für erfolgreiche Rechtsanwälte i.d.R. ein Zeithonorar von 250 € je Stunde erfordert.