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Bewährung I: Zweimal „besondere Umstände“, oder: Bewährungsgrund- und Reststrafenaussetzung

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Heute dann ein Tag mit Bewährungsentscheidungen.

Zunächst hier dann zwei Entscheidungen zu „besonderen Umständen“, und zwar einmal zu § 56 Abs. 2 StGB – also „Bewährungsgrundaussetzung“ – und einmal zu § 57 Abs. 2 StGB – also Reststrafenaussetzung. Und zwar:

1. Die Beurteilung, ob besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, die für die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr erforderlich sind, hat das Tatgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten vorzunehmen.

2. Besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, was sich auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben kann.

3. Die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand, wenn das Tatgericht trotz Vorliegens mehrerer gewichtiger Milderungsgründe diesen ohne Begründung von vornherein jede Bedeutung für die nach § 56 Abs. 2 StGB zutreffende Entscheidung abspricht und auch die gebotene Gesamtbetrachtung unterlässt.

4. Will das Tatgericht die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung darauf stützen, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe im Sinne des § 56 Abs. 3 StGB gebietet, ist auch hierfür eine umfassende Gesamtwürdigung von Tat und Täter erforderlich.

Ergibt das kriminalprognostische Gutachten, dass die positive Entwicklung des Verurteilten während des Strafvollzuges erheblich über das Maß hinausgeht, was zur Erstellung einer günstigen Prognose erforderlich ist, kann – insbesondere bei Zusammentreffen mit weiteren Milderungsgründen – auch das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu bejahen sein.

Pflichti I: Einiges Neues zu den Beiordnungsgründen, oder: Vollstreckung, Einziehung, Schwere der Tat u.a.

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Bevor es dann morgen noch einen „Gebührentag“ gibt und dann das Pfingstwochenende kommt, stelle ich heute erst noch einmal Pflichtverteidigungsentscheidungen vor. Da haben sich seit dem letzten „Pflichti-Tag“ wieder einige angesammelt.

Hier zunächst eine Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, allerdings – wie gewohnt – nur die Leitsätze:

1. In entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO ist dem Verurteilten auch im Vollstreckungsverfahren ein Verteidiger zu bestellen, wenn die Schwere des Vollstreckungsfalls für den Verurteilten oder besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren dies gebieten oder der Verurteilte unfähig ist, seine Rechte sachgerecht selbst wahrzunehmen. Dies gilt auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019.

2. Zu den Gründen für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Verfahren über die Reststrafenaussetzung.

1. Aus § 428 Abs. 2 StPO ergibt sich keine ausdrückliche Einschränkung dahingehend, dass der Beiordnungsantrag nicht von einem Rechtsanwalt für die Einziehungsbeteiligte gestellt werden darf.

2. Die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage (vgl. § 140 Abs. 2 Alt. 3 StPO) beurteilt sich für eine Beiordnung nach § 428 Abs. 2 StPO nicht nach der gesamten Strafsache, sondern nur nach dem Verfahrensteil, den die Einziehungsbeteiligung betrifft.

1. Nach ganz überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung ist eine Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe in der Regel Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers. Diese Grenze für die Straferwartung gilt auch, wenn sie nur wegen einer Gesamtstrafenbildung erreicht wird.

2. Eine – auch entsprechende – Anwendung des § 141 Abs. 2 S. 3 StPO auf die Fälle des § 141 Abs. 1 StPO ist aufgrund der eindeutigen Systematik des § 141 StPO ausgeschlossen.

Erstrebt die Staatsanwaltschaft mit einer Berufung gegen ein erstinstanzliches Verfahren in einer Parallelsache, in der der Angeklagte bereits schon zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, eine (deutlich) höhere Freiheitsstrafe, sodass dem Angeklagten auch im Wege einer (ggf. nachträglichen) Gesamtstrafenbildung mit der Strafe aus einer etwaigen Verurteilung in dem Verfahren, in dem über eine Pflichtverteidigerbestellung zu entscheiden ist, insgesamt ein (deutlich) höherer Freiheitsentzug als ein Jahr drohen würde, ist ihm wegen Schwere der Tat ein Pflichtverteidiger zu bestellen, auch wenn es sich bei der Verurteilung aus dem Verfahren, in dem die Entscheidung zu treffen ist, voraussichtlich nur um eine Geldstrafe handeln wird.

Ist der „Vorgang“ wegen der Aktenführung unübersichtlich ist von einer schwierigen Sach- und Rechtslage auszugehen, deren Bestehen die Beiordnung eines Pflichtverteidigers als geboten erscheinen lassen kann.

Haft III: Voraussetzungen der Auslieferungs(haft), oder: Beiderseitige Strafbarkeit bei einer Trunkenheitsfahrt?

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Die letzte Entscheidung des heutigen Tages kommt aus dem Auslieferungsrecht, also ggf. Auslieferungshaft 🙂 . Das OLG Celle hat aber im OLG Celle, Beschl. v. 22.02.2023 – 2 AR (Ausl) 45/22 – die beantragte Auslieferung für unzulässig erklärt.

Betrieben wurde das Verfahren von den polnischen Justizbehörden auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts Poznan wegen der Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung. Das AG Grodzisk Wielkopolski hat den Verfolgten am 19.06.2013 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verfolgte war in der Hauptverhandlung nicht anwesend. Inzwischen ist die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung durch Beschluss des AG Nowy Tomysl vom 13.11.2018 widerrufen. Die Freiheitsstrafe ist von dem Verfolgten noch vollständig zu verbüßen.

Nach den Angaben in dem Europäischen Haftbefehl führte der Verfolgte bei der ihm zur Last gelegten Straftat am 25.3.2013 gegen 17.25 Uhr in der S. K. in der Ortschaft N. T. in der W. W. ein Kraftfahrzeug und stand hierbei ausweislich der bei ihm durchgeführten Atemalkoholkontrolle und der festgestellten Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l unter Alkoholeinfluss. Auf Nachfrage der GStA haben die polnischen Justizbehörden mit Schreiben im Auslieferungsverfahren mitgeteilt, dass sich aus den der Verurteilung des Verfolgten zugrundeliegenden Aktenvorgängen keine Anhaltspunkte für einen Fahrfehler des Verfolgten zum Tatzeitpunkt ergeben hätten.

Die GStA hat beantragt, über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden. Sie erachtet die Auslieferung für unzulässig, da es bei der dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegenden abgeurteilten Tat des Verfolgten an der nach § 3 Abs. 1 IRG erforderlichen beiderseitigen Strafbarkeit fehle. Das OLG hat die Entscheidung über den Antrag der GStA im Hinblick auf das beim BGH anhängige Vorlageverfahren 4 ARs 13/21 zunächst zurückgestellt. Es hat jetzt dann festgestellt, dass die Auslieferung des Verfolgten unzulässig ist:

„2, Die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Vollstreckung der in dem o.g. Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Poznan vom 01.02.2022 bezeichneten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgericht Grodzisk Wielkopolski vom 19.06.2013 (Az. VII K 376/13) ist unzulässig.

Die Zulässigkeit der Auslieferung zur Verfolgung oder zur Vollstreckung setzt nach § 3 Abs. 1 IRG voraus, dass die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende Tat des Verfolgten auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, oder bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre. Dies gilt auch, wenn dem Ersuchen ein Europäischer Haftbefehl zugrunde liegt (vgl. § 81 Nr. 1 IRG; Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses Europäischer Haftbefehl). Das Erfordernis der Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit entfällt nur dann, wenn es sich um eine sog. Katalogtat i.S. von Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses handelt.

Die vorliegend in dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Poznan vom 01.02.2022 näher beschriebene Tat des Verfolgten, welche seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Grodzisk Wielkopolski vom 19.06.2013 zugrunde lag, stellt keine Katalogtat im vorgenannten Sinne dar. Daher wäre die Auslieferung des Verfolgten nur zulässig, wenn die Tat auch nach deutschem Recht strafbar wäre. Auf der Grundlage des in dem Europäischen Haftbefehl mit-geteilten Tatgeschehens käme insoweit lediglich eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Ver-kehr gemäß § 316 StGB in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre in objektiver Hinsicht, dass sich der Verfolgte zur Tatzeit im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit befunden hat. Diese wäre tatbestandlich nur dann gegeben, wenn bei dem Verfolgten eine relative oder absolute Fahruntüchtigkeit vorgelegen hätte. Ob dies der Fall war, ist anhand des in dem Europäischen Haftbefehl mitgeteilten Tatgeschehens, das zu der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Verurteilung geführt hat, zu prüfen. Aus dem mitgeteilten Sachverhalt ergeben sich insoweit über die auf der Grundlage der gemessenen Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l festgestellte Alkoholisierung des Verfolgten hinaus keine Anhaltspunkte für einen alkohol-bedingten Fahrfehler. Die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit kommt deshalb nicht in Betracht. Daher müsste tatbestandlich eine absolute Fahruntüchtigkeit bei ihm vorgelegen haben. Dies wäre nur bei einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 o/oo zu bejahen. Nach den Angaben in dem Europäischen Haftbefehl wurde dem Verfolgten jedoch weder eine Blutprobe zwecks Ermittlung der Blutalkoholkonzentration entnommen noch sind Feststellungen zu Art und Menge des von ihm vor der Tat konsumierten Alkohols getroffen worden. Seine Verurteilung beruht allein auf der zum Tatzeitpunkt gemessenen Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l. Indes reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte der Messwert der Atemalkoholkonzentration allein für die Feststellung der Blutalkoholkonzentration nicht aus. Denn er bietet nach derzeitigem Stand der medizinischen Wissenschaft und Forschung nicht die in einem Strafverfahren erforderliche Sicherheit für die Bestimmung des Wertes der Blutalkoholzentration (vgl. BGH, NStZ 1995, 539; KG, DAR 2008, 273; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.04.2009 – 2 Ss 159/09 –, juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 05.12.2000 – 1 Ws 496/00 – juris; Kudlich in BecKOK StGB, 55. Edition, Stand 01.11.2022, § 315c Rd. 27 mwN). Eine hohe Atemalkoholkonzentration stellt allenfalls ein starkes Indiz für eine Fahruntüchtigkeit dar, lässt aber die Annahme einer absoluten Fahr-untüchtigkeit nicht zu (vgl. OLG Stuttgart, aaO). Für eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB bedarf es deshalb zumindest eines weiteren, tragfähigen Indizes für die Fahruntüchtigkeit des Täters. Da im vorliegenden Fall des Verfolgten jedoch – wie bereits ausgeführt – neben dem Wert der Atemalkoholkonzentration keine weiteren ihn belastenden Indizien festgestellt worden sind, scheidet eine Strafbarkeit der ihm in dem Europäischen Haft-befehl zur Last gelegten Tat nach § 316 StGB aus.

Nach alledem steht der Auslieferung des Verfolgten an die polnischen Justizbehörden das Zulässigkeitshindernis der fehlenden beiderseitigen Strafbarkeit nach § 3 Abs. 1 IRG entgegen.“

Pflichti III: Bestellung in der Strafvollstreckung, oder: Bestellung im Bußgeldverfahren

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Und dann zum Schluss noch zwei Entscheidungen zu den Beiordungsgründen. Beide Entscheidungen betreffen nicht das „normale“ Erkenntnisverfahren, sondern einmal das Bußgeldverfahren und einmal die Strafvollstreckung, und zwar:

Liegt bei dem Verurteilten eine leichte Intelligenzminderung vor und ist ein Sachverständigengutachten zur Gefährlichkeit des Verurteilten erstattet, ist ihm im Strafvollstreckungsverfahren ein Pflichtverteidiger beizuordnen.

Dem Betroffenen ist auch im Bußgeldverfahren ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls das erfordern. Das ist ausnahmsweise dann der Fall, wenn bereits eine erste Verurteilung des Betroffenen ist auf seine Rechtsbeschwerde vom OLG hin aufgehoben worden ist und die durchzuführende Hauptverhandlung sich maßgeblich an den Ausführungen des OLG zu orientieren hat, wobei die insoweit gebotene Auseinandersetzung mit den optischen Fehlerquellen einer Messung namentlich unter Berücksichtigung der Sichtverhältnisse und die juristische Bewertung der Messmethode von einem juristischen Laien nicht erwartet werden kann.

 

Pflichti I: Bestellung in der Strafvollstreckung, oder: War die vollstreckungsrechtliche Lage schwierig?

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Heute dann mal wieder ein „Pflichti-Tag“. Allerdings: So viele Entscheidungen wie sonst kann ich nicht vorstellen. Und: Es gibt nichts zur Rückwirkung: Versprochen 🙂 .

Ich starte mit dem LG Halle, Beschl. v. 19.09.2022 – 3 Qs 104/22. Er nimmt zur Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren Stellung, und zwar im Verfahren über den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung. Dazu führt das LG aus:

„In einem Strafvollstreckungsverfahren liegt entsprechend § 140 Abs. 2 StPO ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn die Schwere des Vollstreckungsfalls für den Verurteilten, besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, dies gebieten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, § 140 Rn. 33, Krafczyk in: Beck’scher Online-Kommentar zur StPO, 44. Edition 01.07.2022, § 140 Rn. 51; OLG Celle, Beschluss vom 03. 12 2019 — 2 Ws 352/192 Ws 355/19 —, Rn. 12; OLG Koblenz, Beschluss vom 25. 03. 2019 — 2 Ws 156/19 —, Rn. 4, jeweils zitiert nach juris). Dabei sind die Voraussetzungen einschränkend auszulegen, da im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich in deutlich geringerem Maße als im Erkenntnisverfahren ein Bedürfnis für die Mitwirkung eines Verteidigers besteht, da Tatschwere und Rechtsfolgen bereits feststehen (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.., OLG Celle a.a.O.., OLG Koblenz a.a.O.., s. a. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 02. 05. 2002 —2 BvR 613/02 —, Rn. 11, zitiert nach juris).

Nach diesen Maßstäben liegt hier zwar nicht allein deswegen ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, weil sich das Verfahren über den Bewährungswiderruf auf eine Freiheitsstrafe von neun Monaten bezieht. Bei der Entscheidung, ob wegen der Schwere des Vollstreckungsfalles ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist, hat die Dauer der nach einem Bewährungswiderruf zu vollstreckenden Strafe außer Betracht zu bleiben (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22.11.2021 — 1 Ws 278/21 —, Rn. 7, m. w. N., zitiert nach juris). Selbst im Erkenntnisverfahren gilt im Übrigen in der Regel erst eine Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe als ausreichend schwere Rechtsfolge, um für sich genommen die Beiordnung eines Verteidigers zu erfordern (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.. Rn. 23).

Maßgeblich ist hier vielmehr, ob die vollstreckungsrechtliche Lage schwierig ist. Das ist dann der Fall, wenn das Widerrufs-. Und Beschwerdeverfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Fragen aufwirft, die Aktenkenntnis erfordern oder über die regelmäßig auftretenden Probleme hinausgehen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17.11. 2021 —1 Ws 123/21 (S) Rn. 4; KG Berlin, Beschluss vom 14.09.2005 — 1 AR 951/055 Ws 399/05 —, Rn. 8; jeweils zitiert nach juris). Davon geht die Kammer hier allerdings aus. Zu beachten ist, dass nach dem Antrag der Staatsanwaltschaft der Widerruf der Strafaussetzung auf die Begehung eines nicht einschlägigen, fahrlässig und — vor Verlängerung der Bewährungszeit —nur wenige Tage vor Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit begangenen Bagatelldelikts gestützt werden soll. Dabei führte die erste Nachverurteilung wegen einer nur drei Tage nach der zweitinstanzlichen Bewährungsverurteilung begangenen einschlägigen Tat, nämlich einer vorsätzlichen Körperverletzung, sowie eines weiteren, nur wenige Wochen später begangenen Verbrechens nur zu einer Verlängerung der Bewährungszeit. Inwieweit das der jetzigen Nachverurteilung zu Grunde liegende Delikt denkbar geringen Gewichts — allein oder unter Berücksichtigung der der ersten rechtskräftigen Nachverurteilung zu Grunde liegenden Delikte — geeignet ist, die Ausgangsprognose in Frage zu stellen und auch, inwieweit bei der Prognose, wie von der Staatsanwaltschaft in den Raum gestellt, die bisher noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen weiteren gegen den Verurteilten geführten Strafverfahren Berücksichtigung finden dürfen, ist eine Frage, die über das hinausgeht, was in Verfahren wegen eines möglichen Bewährungswiderrufs nach § 56f StGB regelmäßig zu prüfen ist. Es handelt sich um eine in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht schwierige Frage, die Aktenkenntnis zum zeitlichen Ablauf der Ereignisse und juristisches Fachwissen voraussetzt, das der Verurteilte nicht hat.“