Schlagwort-Archive: Reststrafe

Bewährung I: Zweimal „besondere Umstände“, oder: Bewährungsgrund- und Reststrafenaussetzung

Bild von ??????? ?????????? auf Pixabay

Heute dann ein Tag mit Bewährungsentscheidungen.

Zunächst hier dann zwei Entscheidungen zu „besonderen Umständen“, und zwar einmal zu § 56 Abs. 2 StGB – also „Bewährungsgrundaussetzung“ – und einmal zu § 57 Abs. 2 StGB – also Reststrafenaussetzung. Und zwar:

1. Die Beurteilung, ob besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, die für die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr erforderlich sind, hat das Tatgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten vorzunehmen.

2. Besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, was sich auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben kann.

3. Die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand, wenn das Tatgericht trotz Vorliegens mehrerer gewichtiger Milderungsgründe diesen ohne Begründung von vornherein jede Bedeutung für die nach § 56 Abs. 2 StGB zutreffende Entscheidung abspricht und auch die gebotene Gesamtbetrachtung unterlässt.

4. Will das Tatgericht die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung darauf stützen, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe im Sinne des § 56 Abs. 3 StGB gebietet, ist auch hierfür eine umfassende Gesamtwürdigung von Tat und Täter erforderlich.

Ergibt das kriminalprognostische Gutachten, dass die positive Entwicklung des Verurteilten während des Strafvollzuges erheblich über das Maß hinausgeht, was zur Erstellung einer günstigen Prognose erforderlich ist, kann – insbesondere bei Zusammentreffen mit weiteren Milderungsgründen – auch das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu bejahen sein.

Keine Anhörung – dann geht es zurück

§ 36 Abs. 5 Satz 2 BtMG sieht  die Anhörung des Verurteilten und der Therapieeinrichtung vor, wenn es darum geht, Vollstreckung der Reststrafe gemäß § 36 Abs. 2 BtMG zur Bewährung auszusetzen. Ein klare Regel, die Folgen hat, wenn sie nicht beachtet wird. Nämlich Aufhebung und Zurückverweisung. So der KG, Beschl. v. 07.06.2013 – 4 Ws 64/13 – mit dem Leitsatz: 

„Hat das Gericht des ersten Rechtszuges die Entscheidung über die (Nicht-) Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 36 Abs. 1 und 2 BtMG ohne die nach § 36 Abs. 5 Satz 2 BtMG erforderliche Anhörung sowohl des Verurteilten als auch der behandelnden Personen oder Einrichtungen getroffen, so ist dieser Aufklärungsmangel in der Regel von einem solchen Gewicht, dass auf die sofortige Beschwerde hin die Zurückverweisung an die Vorinstanz geboten ist.“

Reststrafenaussetzung: Rücknahme der Einwilligung – wer trägt die Verfahrenskosten

Kurz und zackig führt das OLG Bamberg im Beschl. v. 25.10.2010 – 1 Ws 613/10 aus:

„Die Staatskasse bleibt auch dann zur Tragung der Kosten des Beschwerdever­fahrens verpflichtet, wenn sich die (sofortige) Beschwerde des Verurteilten gegen eine zu seinen Gunsten erfolgte Reststrafenaussetzung zur Bewährung nur des­halb als erfolgreich erweist, weil er seine nach § 57 I 1 Nr. 3 StGB er­teilte Einwilli­gung in die Reststrafenaussetzung nachträglich zurückge­nommen hat. Eine analoge Anwendung von § 467 II StPO scheidet aus.“

Die Konstellation der Rücknahme der Einwilligung in die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist ja in der Praxis gar nicht so selten.