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Erstverbüßerregelung – beim OLG Hamm geht es jetzt anders

Bislang war das OLG Hamm davon ausgegangen, dass bei Anwendung des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB – sog. Erstverbüßerregelung – bei Vollstreckung mehrerer Strafen die einzelnen Strafen vollstreckungsrechtlich als selbstständig zu behandeln seien und die bedingte Entlassung für jede einzelne Strafe gesondert zu prüfen und nach § 454b Abs. 3 StPO gleichzeitig und einheitlich zu bescheiden sei.

Die ganz h.,M. der OLG hat das anders gesehen. Das OLG Hamm hat seine Rechtsprechung jetzt in OLG Hamm, Beschl. v. 09.06.2011 -III-3 Ws 164 u. 165/11 aufgegeben und sich der h.M. angeschlossen. Danach kann die Erstverbüßerregelung auch dann Anwendung finden, wenn weitere Strafen im Anschluss zu vollstrecken sind.

Dieser Auffassung ist jetzt nicht nur der entscheidende 3. Strafsenat, sondern sind auch alle anderen Strafsenate, die sich dieser Rechtsprechungsänderung anschließen wollen.

Halbstrafe – an sich eine Ringeltaube – oder?

Nach § 57 Abs. 2 StPO StGB kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Freiheitsstrafe bereits nach Verbüßung der Hälfte zur Bewährung ausgesetzt werden. Ein für die Verurteilten, wenn denn die sog. „Halbstrafe“ überhaupt in Betracht kommt, wichtiger Zeitpunkt. Die Praxis tut sich mit der Halbstrafe schwer, wobei man natürlich nicht verkennen darf, dass es häufig schwierig ist, die nach Abs. 2 Nr. 2 erforderlichen besonderen Umstände zu bejahen, die ja zusätzlich zur günstigen Sozialprognose (Abs. 1) vorliegen müssen.

Von daher ist OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.06.2011 -III -1 Ws 178/11 berichtenswert. Das OLG stellt die günstige Sozialprognose fest und bejaht besondere Umstände in einem von der Fallkonstelalation m.E. gar nicht so seltenen Fall. Der Beschluss bietet also Argumentationshilfe.

Reststrafenaussetzung: Rücknahme der Einwilligung – wer trägt die Verfahrenskosten

Kurz und zackig führt das OLG Bamberg im Beschl. v. 25.10.2010 – 1 Ws 613/10 aus:

„Die Staatskasse bleibt auch dann zur Tragung der Kosten des Beschwerdever­fahrens verpflichtet, wenn sich die (sofortige) Beschwerde des Verurteilten gegen eine zu seinen Gunsten erfolgte Reststrafenaussetzung zur Bewährung nur des­halb als erfolgreich erweist, weil er seine nach § 57 I 1 Nr. 3 StGB er­teilte Einwilli­gung in die Reststrafenaussetzung nachträglich zurückge­nommen hat. Eine analoge Anwendung von § 467 II StPO scheidet aus.“

Die Konstellation der Rücknahme der Einwilligung in die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist ja in der Praxis gar nicht so selten.

Immer wieder Haftsachen: Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot muss konkret geprüft werden

Der Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (Art. 5 MRK) spielt in der Rechtsprechung des BVerfG eine große Rolle. Immer wieder kommt es zu Beanstandungen von Entscheidungen der OLG.

Dem Beschl. des BVerfG v. 13.09.2010 – 2 BvR 449/10 lag allerdings nun kein U-Haft-Konstellation zugrunde, sondern ein Verfahren, in dem es um die Reststrafenaussetzung zur Bewährung (§ 57 StGB) ging. Der Verurteilte hatte gerügt, dass das Verfahren zu lange gedauert habe. Das OLG hat sich damit – so das BVerfG – nicht ausreichend auseinandergesetzt. Denn die Begründung einer fachgerichtlichen Entscheidung darüber, ob ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot in Haftsachen vorliegt, müsse erkennen lassen, dass das Gericht geprüft hat, ob und gegebenenfalls welche Verfahrensverzögerungen eingetreten und welche Ursachen hierfür maßgeblich sind. Nur wenn diese Grundlagen konkret benannt werden, sei eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Inhaftierten gewährleistet.

Das BVerfG hat aufgehoben und zurückverwiesen. Mal sehen, was das OLG Düsseldorf jetzt daraus macht.

Auch wenn du mir nicht sagst, wer dir geholfen hat, gibt es Bewährung

Wir hatten vor einiger Zeit über eine Entscheidung des OLG Düsseldorf berichtet, in der dem Verurteilten die bedingte Entlassung nach § 57 StGB verwehrt worden war, weil er nicht gesagt hatte, wo sich die Beute befand (vgl. hier).

Dazu passt ganz gut die Entscheidung des OLG Oldenburg v. 04.08.2010 – 1 Ws 380/10, in der die StA ihr Rechtsmittel/ihren Ablehnungsantrag u.a. damit begründet hatte, dass der Verurteilte seine Mittäter nicht preisgebe. Das OLG sagt: Die bedingte Entlassung und die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung kann nicht deshalb versagt werden, weil der Verurteilte seine Mittäter nicht preisgibt. Und wörtlich:

„Soweit die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel auch darauf stützt, dass der Verurteilte keine näheren Angaben „zu den Taten seiner Mittäter“ gemacht habe, so ist dieser Umstand als solcher für die Frage einer bedingten Entlassung aus der Strafhaft nach § 57 StGB unerheblich. Die Fortsetzung einer Haft über den 2/3-Zeitpunkt hinaus ist kein Beugemittel, um ein derartiges Schweigen eines Verurteilten zu brechen und auch keine zulässige Sanktion hierfür, arg. § 57 Abs. 6 StGB. Bedeutung kann dieser Umstand insoweit allerdings haben, wenn sich in ihm eine innere Einstellung eines Verurteilten zeigt, die künftige Straftaten besorgen lässt.“