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Dauerbrenner: Verständigung (§ 257c StPO) – heute: Beweisverwertungsverbot in der Berufungsinstanz

Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschl. v. 06.10.2010 – III 4 RVs 60/10 einige Fragen zur Verständigungspraxis behandelt. die so noch nicht Gegenstand der obergerichtlichen Rechtsprechung gewesen sind. In der Sache hatte das AG den Angeklagten auf der Grundlage einer – von ihm behaupteten  Verständigung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Dagegen hatte die StA Berufung zu Lasten des Angeklagten eingelegt und in der Berufungsinstanz dann eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten erreicht. Dagegen die Revision des Angeklagten, der die unzulässige Ablehnung eines Beweisantrages rügt. Die Revision hat Erfolg, weil der Ablehnungsbeschluss des Landgerichts nicht (ausreichend) begründet war. In Zusammenhang mit der Beruhensfrage macht das OLG dann interessante Ausführungen zur Verständigung pp. Und zwar:

  1. Eine Verständigung hindert die Staatsanwaltschaft nicht, auch zu Lasten des Angeklagten Berufung einzulegen.
  2. Das aufgrund einer Verständigung beim AG erklärte Geständnis unterliegt einem Beweisverwertungsverbot durch das Berufungsgericht.

Interessant ist vor allem der zweite Teil der Entscheidung: Denn ist die Berufung (zu Lasten) des Angeklagten zulässig ist es nur konsequent, wenn das OLG dann aber das vom Angeklagten beim AG abgelegte Geständnis mit einem Beweisverwertungsverbot belegt, das sich zwar nicht aus § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO ergibt, aber aus den Grundsätzen des Fair-Trial. Denn wenn sich die Staatsanwaltschaft nicht an eine (vom Angeklagten behauptete) Verständigung hält, dann kann der Angeklagte nicht an seinen geständigen Angaben, die er im Vertrauen auf das Geständnis gemacht hat, gehalten werden. Das endgültige Schicksal des Geständnisses und seiner Verwertbarkeit hängt dann – so offensichtlich das OLG – ab vom Ergebnis der Beweisaufnahme über das Zustandekommen der Verständigung. In dem Zusammenhang spielt übrigens die (neue) Rechtsprechung des BGH zur Bindungswirkung bei der Verständigung keine Rolle (vgl. dazu BGH StRR 2010, 382 = StV 2010, 673; StRR 2010, 466). Denn hier ging es nicht um die Frage: Formelle oder nur informelle Verständigung, sondern darum, dass der Angeklagte eine formelle Verständigung behauptet hat, deren Zustandekommen sich nur nicht aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ergeben hat, weil diesem insoweit keine Beweiskraft zukam.

Finger weg von einfacher Email…,

wenn es um die Einlegung eines Rechtsmittels geht. Darauf hat im Sommer das LG Zweibrücken in seinem Beschl. v. 07.07.2010 – Qs 47/10 ausdrücklich hingewiesen und ausgeführt, dass die einfache E-Mail ohne elektronische Signatur nicht die schriftliche Einlegung eines Rechtsmittels ersetzt. Damit war die sofortige Beschwerde eines wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis Verurteilten gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung unzulässig.

Das LG sagt: Es habe nicht ausgereicht, per E-Mail „Widerspruch“ einzulegen, denn nach der Strafprozessordnung ist die sofortige Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich einzulegen. Eine einfache E-Mail, die nicht mit einer elektronischen Signatur versehen ist, ersetzt nicht die schriftliche Einlegung des Rechtsmittels.

Was häufig übersehen wird: Begründung des Rechtmittels beim Verwerfungsurteil

Gegen das die Berufung nach § 329 Abs. 2 StPO verwerfende Prozessurteil kann die Revision nur mit der Verletzung der §§ 329, 412 StPO geltend gemacht werden. Und Die Überprüfung durch das Revisionsgericht setzt hierbei i.d.R. die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (s. OLG Hamm, Beschl. v. 15.0 7.2010 – III-2 RVs 34/10).

Das gilt übrigens entsprechend für die Rechtsbeschwerde gegen das nach § 74 Abs. 2 OWiG ergangene Verwerfungsurteil. An die Zulässigkeit der Rüge, das Berufungs- bzw. das Amtsgericht habe die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt, werden allerdings keine strengen Anforderungen gestellt (vgl. z.B. OLG Köln StV 1989, 53). Der Rüge muss aber jedenfalls zu entnehmen sein, dass der Angeklagte die Verletzung des § 329 StPO bzw. § 7 74 Abs. 2 OWiG rügen will, dass nämlich die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt worden sind. Im Übrigen kann die Rüge auch in einem gleichzeitig mit der Revision oder Rechtsbeschwerde erhobenen Wiedereinsetzungsantrag (vgl. § 329 Abs. 3 StPO bzw. § 74 Abs. 3 OWiG) enthalten sein. Dann muss sich aus dessen Begründung aber ergeben, dass das das Ausbleiben des Angeklagten/Betroffene  nicht  als unentschuldigt hätte angesehen dürfen.

Das KG hat auch einen Igel in der Tasche :-)

Der Kollege Siebers hatte gestern über eine Amtsrichterin berichtet, die im Hinblick auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers den berühmten „Igel in der Tasche“ hatte.

Dazu passt ganz gut diese Entscheidung des KG v. 27.04.2010 – 1 Ws 61/10, in der es einmal mehr um die Frage der anwaltlichen Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren geht, wenn die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt und das dann vor Begründung zurückgenommen hat. Höchst streitige Frage, ist dann, ob der Angeklagte die durch eine zwischenzeitliche Beauftragung seines Rechtsanwaltes entstandene Verfahrensgebühr erstattet verlangen kann oder nicht.

Das KG sagt – wie die wohl überwiegenden Meinung – Nein, da überhaupt kein Grund besteht für die Beauftragung. Die war nicht erforderlich. M.E. ist das falsch und wird im Zivilrecht auch – zu Recht – anders gesehen. Der Verteidiger sollte den Mandanten aber auf diesen Streit hinweisen, damit der nicht überrascht ist, wenn er die „Musik selbst bezahlen muss“. Denn, dass die Gebühr „entsteht“, daran bestehen kein Zweifel.

Ich denke, jetzt wird es wieder Kommentare geben von wegen „raffgierige Rechtsanwälte, wie vor kurzem bei einem Blogbeitrag eines anderen Blogs, den ich nun leider nicht mehr wieder finde :-(.

Sonntags zur Post, wenn Montags die Frist abläuft, ist zu spät…

Allgemein wird für die Einlegung eines Rechtsmittels davon ausgegangen, dass bei Aufgabe der inländischen Sendung an einem Werktag auf Zugang bereits am nächsten Tag vertraut werden kann (vgl. dazu OLG Hamm, Beschl. v. 17.02.2009 – 3 Ws 37 u. 38/09).

Davon hat das OLG Hamm jetzt in einem Beschl. 19.04.2010 – III 3 Ws 179 u. 180/10 eine Ausnahme gemacht, wenn die Sendung am Sonntag zur Post gegeben wird. Dann kann nicht damit gerechnet werden, dass sie montags bereits ihr Ziel erreicht. Die Fristversäumung am Montag ist dann verschuldet: Ergebnis: Keine Wiedereinsetzung.