Schlagwort-Archive: Rechtsmittel

Revision III: Sammlung „quer durch den Garten“, oder: u.a. Nebenkläger, Beschwer, JGG-Verfahren, Kosten,

© rdnzl – Fotolia.com

Und dann geht es im dritten Posting zu Revisionsentscheidungen „quer durch den Garten“ mit Entscheidungen zur Nebenklägerrevision und zum Revisionsverfahren. Ich stelle folgende Entscheidungen vor:

Gemäß § 400 Abs. 1 StPO ist ein Nebenkläger nicht befugt, das Urteil mit dem Ziel anzufechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Deshalb bedarf seine Revision eines genauen Antrags oder einer Begründung, die deutlich macht, dass er eine Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich eines Nebenklagedeliktes verfolgt.

Sind die Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision eines Nebenklägers erfolglos geblieben, hat der Nebenkläger nach. § 473 Abs. 1 StPO nicht nur die Revisionsgebühr, sondern auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Revisionen verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO). Eine Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf den Nebenkläger erfolgt nur dann, wenn diese allein erfolglos Revision eingelegt hätten, nicht hingegen, wenn auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittelführerin ist (§ 473 Abs. 1 Satz 3 StPO).

Ein Angeklagter kann ein gegen ihn ergangenes Urteil nicht allein deswegen anfechten, weil gegen ihn neben der Strafe keine Maßregel nach § 64 StGB angeordnet worden ist. Das gilt auch, wenn nach Aufhebung und Zurückverweisung allein noch über die Frage zu entscheiden war, ob die Maßregel anzuordnen sei.

Die Revisionshauptverhandlung ist gemäß § 337 StPO auf die rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils beschränkt. Daher ist,  selbst wenn nach den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift eine Ergänzung des Schuldspruchs entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in Betracht kommen sollte, eine Vorführung des Angeklagten nicht angezeigt. Das gilt auch, wenn der Angeklagte mit einem erneut in Rede stehenden Tatvorwurf, mit dem er aber bereits durch die Anklageschrift konfrontiert war, konfrontiert werden soll.

1. Ein Urteil, das ausschließlich ein Zuchtmittel gegen den Angeklagten anordnet, kann gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen. Dementsprechend kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass die Schuldfrage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen falsch beurteilt oder die verhängte Sanktion selbst rechtswidrig ist.

2. Um eine Umgehung der Begrenzung der im Rahmen von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG zulässigen Angriffsziele einer Revision zu verhindern, folgt aus der Pflicht des § 344 Abs. 1 StPO, im Revisionsantrag anzugeben, inwieweit das Urteil angefochten werde, für den Revisionsführer die Notwendigkeit, eindeutig klarzustellen, dass mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird.

3. Beschränkt sich die Revision darauf, die Aufhebung des Urteils einschließlich der Feststellungen sowie die Zurückverweisung zu beantragen und allgemein die Verletzung sachlichen Rechts ohne weitere Begründung zu rügen, lässt sich der Antrags- und Rechtfertigungsschrift in der Regel nicht eindeutig entnehmen, dass ein nach § 55 Abs. 1 S. 1 JGG zulässiges Ziel verfolgt wird. Die Vorschrift von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG kann nicht dadurch umgangen werden, dass das Urteil zur vollen Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gestellt wird.

1. Enthält das Revisionsurteil keine Entscheidung über einen Teil der zum Nachteil der Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft, handelt es sich nicht um ein Nichturteil, jedoch bleibt der nicht beschiedene Teil der Revision beim Revisionsgericht anhängig.

2. Eine Berichtigung oder Ergänzung des verkündeten Revisionsurteils analog § 319 ZPO kommt in der Regel nicht in Betracht, wenn nur der entfernteste Verdacht einer nachträglichen Korrektur des wirklich Gewollten besteht.

3. Der noch nicht beschiedene Revisionsangriff kann nur aufgrund neuer Hauptverhandlung durch ergänzendes Urteil erledigt werden. Das vorausgegangene Revisionsurteil bleibt hiervon unberührt.

Pflichti II: Ablehnung im Wiederaufnahmeverfahren, oder: Erstreckung im Adhäsionsverfahren

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Im zweiten Posting dann hier zwei Entscheidungen zu verfahrensrechtlichen Fragen, und zwar einmal BGH und einmal OLG.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 16.10.2024 – StB 58/24. In dem Verfahren hatte das OLG München einen Antrag des Verurteilten auf Bestellung eines Pflichtverteidigers für die Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens hinsichtlich eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens abgelehnt. Hiergegen wendete sich der Verurteilte mit seiner Beschwerde, die der BGH als unzulässig verworfen hat. Denn:

„Der auf der Grundlage des § 364b StPO ergangene Beschluss des Oberlandesgerichts ist nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO der Anfechtung entzogen, weil keiner der in § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO geregelten Ausnahmetatbestände erfüllt ist. Satz 2 Halbsatz 2 Nummer 5 erfasst Entscheidungen, welche die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffen (§ 372 Satz 1 StPO), nicht aber solche, die gemäß §§ 364a, 364b StPO die Bestellung eines Pflichtverteidigers zum Gegenstand haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2022 – 3 ARs 9/22, juris Rn. 6; vom 18. Dezember 1975 – StB 64/75, NJW 1976, 431 f.; BeckOK StPO/Singelnstein, 52. Ed., § 364a Rn. 9, § 364b Rn. 10; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 364b Rn. 10). Auch Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 findet keine Anwendung, da ein im Wiederaufnahmeverfahren nach § 364a StPO zu bestellender Verteidiger kein Pflichtverteidiger im Sinne dieser Vorschrift ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2022 – 3 ARs 9/22, juris Rn. 6).“

Und als zweite Entscheidung hier der OLG Bamberg, Beschl. v. 05.09.2024 – 1 Ws 187/24 – zur Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren. Das OLG schließt sich der inzwischen wohl h.M. – Nachweise im Beschluss – in der Frage an und hat, was ja auch gebührenrechtliche Auswirkungen hat, entschieden – hier nur der Leitsatz:

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers umfasst auch die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren.

Werbung, Werbung – drei Handbücher neu, oder: Rechtsmittel, Ermittlungsverfahren, Hauptverhandlung

So und hier dann erst mal den <<Werbemodus an>>, denn dieses Posting ist ein reines Werbeposting. Wer das also nicht mag oder meint, er braucht die Info nicht: Einfach weiter gehen :-). Aber: Später nicht meckern. Denn der Beitrag enthält wichtige Informationen zu den nächsten Neuerscheinungen 2024.

Denn jetzt ist es (endlich) soweit: Die drei Handbücher zum Rechtsmittel, zum Ermittlungsverfahren und zur Hauptverhandlung kommen, wie ich ja schon mitgeteilt hatte, in diesem Jahr neu, und zwar:

Es ist also mal wieder vollbracht – es kommen rund 5.500 Seiten Verfahrensrecht, alles natürlich aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht – wie immer jetzt schon seit fast 30 Jahren. Ja, lang lang ist es her, dass die 1. Auflage der „Hauptverhandlung“ erschienen ist.

Und mit den drei Handbüchern gibt es dann auch das „Burhoff-Paket„, das aus dem „Ermittlungsverfahren“ und der „Hauptverhandlung“ besteht, und eine „Burhoff-Trilogie“ bestehend aus „Ermittlungsverfahren“, „Hauptverhandlung“ und Rechtsmittel neu.

Die Handbücher kosten im Einzelbezug 129,00 EUR, das Paket 209,00 EUR und die Trilogie 269,00 EUR. Da stecken also ganz schöne Preisnachlässe drin.

Und die Bücher kann man dann, wenn man noch nicht vorbestellt hat, dann auf der Bestellseite meiner HP vorbestellen. Sie kommen dann nach dem Erscheinen automatisch. Die Bücher kommen vom Verlag, die Rechnung für die Lieferung von mir.

Und dann jetzt: <<Werbemodus aus>>

StPO I: Subjektives Einziehungsverfahren eingestellt, oder: Gibt es ein Rechtsmittel?

Bild von Arek Socha auf Pixabay

Der Oberbegriff ist heute: Einstellung. Zwei der drei vorgestellten Entscheidungen aus dem Bereich befassen sich mit der Einstellung von Einziehung(smaßnahmen), eine mit den Folgen einer Einstellung nach § 153a StPO.

Dem OLG Köln, Beschl. v. 12.07.2024 – 3 Ws 55/24 – liegt folgender Sachverhalt zurgunde: Die Staatsanwaltschaft hat unter dem 01.07.2022 Anklage gegen den Angeklagten u.a. wegen Steuerhinterziehung in 15 besonders schweren Fällen, erhoben. Die Hauptverhandlung hat am 18.09.2023 zu laufen begonnen. Nachdem zwischenzeitlich Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten aufgetreten waren, hat die Staatsanwaltschaft in dem Hauptverhandlungstermin vom 14.06.2024 beantragt, das Verfahren aufgrund einer bestehenden dauerhaften Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten einzustellen. Dies hat sie verbunden mit dem Antrag, das subjektive Verfahren nach Anklageerhebung wegen Unmöglichkeit der weiteren Durchführung des subjektiven Verfahrens gemäß § 435 Abs. 2 StPO in das objektive Verfahren überzuleiten und im Wege des selbständigen Einziehungsverfahrens gemäß §§ 435, 436 Abs. 2, § 434 Abs. 3 StPO auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden, dass gegen den Angeklagten die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 43.447.499,97 EUR angeordnet werde. Diesen Antrag hat das LG in der Hauptverhandlung vom 19.06.2024 durch Kammerbeschluss zurückgewiesen. Zum einen sei aufgrund des bisherigen Ermittlungsstandes die Anordnung einer späteren Einziehung entgegen § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, da noch weitere Ermittlungen – wie die Staatsanwaltschaft selbst in ihrem Antrag ausgeführt habe – anzustellen seien. Eine Überleitung vom subjektiven in das objektive Verfahren komme aber auch deshalb nicht in Betracht, weil der hierin liegende Zweck, Beweisergebnisse aus dem subjektiven Verfahren zu sichern und für das Einziehungsverfahren fruchtbar zu machen, nicht erzielt werden könne. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte der bisherigen Hauptverhandlung teilweise in verhandlungsunfähigem Zustand beigewohnt habe. Da das Ausmaß nicht quantifizierbar sei, müsse die bisherige Beweisaufnahme auch bei Fortführung des bisherigen Verfahrens als objektives wiederholt werden. Aus diesem Grunde komme auch nicht in Betracht, dass die Kammer die bislang fehlenden Ermittlungen – bezogen auf die Anordnung der (Wertersatz)Einziehung – selbst vornehme. Diese habe die Staatsanwaltschaft durchzuführen. In Bezug auf ein etwaiges im Anschluss beantragtes selbständiges Einziehungsverfahren werde dann zu prüfen sein, ob dessen Voraussetzungen vorlägen.

Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Das hatte keinen Erfolg:

„1. Die gegen den Beschluss vom 19.06.2024 gerichtete (sofortige) Beschwerde erweist sich gemäß § 305 Satz 1 StPO als unzulässig.

a) Nach § 305 Satz 1 StPO unterliegen Entscheidungen, die der Urteilsfällung vorausgehen und – wie hier – nicht dem Anwendungsbereich des Satzes 2 der Regelung unterfallen, nicht der Beschwerde. Diese Einschränkung des Beschwerderechts erfasst Entscheidungen, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Urteil stehen und ausschließlich seiner Vorbereitung dienen. Dies ist nicht nur bei Maßnahmen gegeben, die unmittelbar Grundlagen für die Entscheidung in der Sache selbst schaffen sollen; auch Anordnungen, die darauf abzielen, die Abwicklung des Verfahrens in sonstiger Weise zu fördern und es der abschließenden Sachentscheidung näher zu bringen, weisen einen inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung auf, der zum Ausschluss der Anfechtbarkeit führt (KG, Beschluss vom 10.05.2012 – 4 Ws 42/12, NStZ-RR 2013, 218, 219). Weitere Voraussetzung für den Ausschluss der Beschwerde ist zudem, dass sich die Bedeutung der vorbereitenden Entscheidung auf das Urteil beschränkt. Entfaltet sie hingegen eine über die Urteilsfindung hinausgehende prozessuale Bedeutung bzw. selbständige Beschwer eines Verfahrensbeteiligten, ist die Entscheidung anfechtbar (OLG Hamburg, Beschluss vom 07.04.2020 – 5 Ws 20-21/20, StV 2020, 458, 459; OLG Bamberg, Beschluss vom 01.10.2018 – 1 Ws 479/18, BeckRS 2018, 28946; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 305 Rn. 1; MüKoStPO/Neuheuser, 2. Aufl., § 305 Rn. 15).

b) Gemessen an diesen Maßstäben gilt:

aa) Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist – entsprechend dem vorangegangenen Antrag der Staatsanwaltschaft vom 14.06.2024 – allein die Entscheidung, das subjektive Verfahren zeitnah abzuschließen und nicht (unmittelbar) als objektives Verfahren weiterzuführen bzw. fortzusetzen.

Hierin liegt nicht auch eine Entscheidung über die Nichteröffnung des objektiven Verfahrens im Sinne von § 435 Abs. 3 Satz 1, § 204 Abs. 1 StPO. Eine derartige Entscheidung ist lediglich dann zu treffen, wenn der Antrag auf Durchführung des objektiven Verfahrens außerhalb des subjektiven Verfahrens gestellt wird. Die von der Rechtsprechung anerkannte und vom Gesetzgeber gebilligte (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 91; vgl. auch bereits BR-Drucks. 418/16, S. 103) Möglichkeit, unmittelbar von Letzterem in das objektive Verfahren übergehen zu können (vgl. nur BGH, Urteil vom 23.07.1969 – 3 StR 326/68, BGHSt 23,64, 66 f.; KK-StPO/Schmidt/Scheuß, 9. Aufl., § 435 Rn. 18) stellt insoweit eine gesetzlich nicht geregelte Ausnahme von dem in § 435 Abs. 3 Satz 1 StPO vorgesehen Regelverfahren dar, wonach es vor der Entscheidung über die Anordnung der Einziehung der Durchführung eines Zwischenverfahrens mit einer Eröffnungsentscheidung (§ 435 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §§ 203 f. StPO) bedarf. Hinter dieser Rechtsprechung steht die Erwägung, die im subjektiven Verfahren bereits durchgeführte Beweisaufnahme im Sinne der Prozessökonomie nicht stets wiederholen zu müssen, sondern die Entscheidung im objektiven Verfahren hierauf aufbauen zu können (BGH, Urteil vom 23.07.1969 – 3 StR 326/68, BGHSt 23,64, 66). Die verfahrenstechnische Möglichkeit des nahtlosen Übergangs vom subjektiven in das objektive Verfahren mit einer entsprechenden Modifikation des Verfahrensgegenstandes entspricht insoweit der prozessualen Konstellation bei der Nachtragsanklage (§ 266 Abs. 1 StPO), in deren Rahmen ebenfalls auf die Durchführung des Zwischenverfahrens (§§ 199 ff. StPO) verzichtet wird, der Verfahrensgegenstand gleichwohl durch die Einbeziehung der Nachtragsanklage erweitert und insoweit auf bereits erzielte Beweisergebnisse zurückgegriffen werden kann. Auch in diesem Fall stellt die gerichtliche Entscheidung über die (Nicht)Einbeziehung der Nachtragsanklage keine Entscheidung nach den §§ 203, 204 StPO dar. Dies gilt selbst dann, wenn das Gericht die Einbeziehung deshalb ablehnt, weil es hinsichtlich der zur Nachtragsanklage gebrachten Tat keinen hinreichenden Tatverdacht erkennt. Die Wirkung des Nichteinbeziehungsbeschlusses erstreckt sich insoweit ausschließlich auf das bestehende Hauptverfahren. Da es sich nicht um einen Beschluss nach § 204 StPO, sondern nach § 266 Abs. 1 StPO handelt, entfaltet dieser auch nicht die Sperrwirkung des § 211 StPO (Meyer-Goßner, JR 1984, 53; MüKoStPO/Nourouzi, 2. Aufl., § 266 Rn. 23; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 266 Rn. 41; Radtke/Hohmann/Radtke, StPO, § 266 Rn. 34; SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 266 Rn. 7, 24; iE ebenso Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 266 Rn. 21a; aA BeckOK StPO/Eschelbach, 51. Ed., § 266 Rn. 31; Hilger, JR 1983, 442), sodass die Staatsanwaltschaft die betreffende Tat ungeachtet von dessen Vorgaben im Nachgang noch zur Anklage bringen kann. Bezogen auf den hier vorliegenden Antrag auf Übergang vom subjektiven in das objektive Verfahren folgt hieraus, dass für die Staatsanwaltschaft mithin die erneute Antragstellung nach § 435 StPO im Regelverfahren uneingeschränkt möglich bleibt.

bb) Die angefochtene Entscheidung hat darauf abgezielt, das gegen den Angeklagten geführte (subjektive) Verfahren einem zeitnahen Abschluss zuzuführen. Ebenso wie die § 305 Satz 1 StPO unterfallenden Entscheidungen über die Abtrennung oder Verbindung von Verfahrensteilen, die Aussetzung eines Verfahren zum Zwecke seiner Förderung in der Gesamtheit (vgl. hierzu etwa OLG Hamm, Beschluss vom 09.02.1999 – 2 Ws 46/99, StraFo 1999, 236, 237; OLG Köln, Beschluss vom 15.07.2005 – 2 Ws 223/05, BeckRS 2005, 152921 Rn. 8; OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.07.2008 – 1 Ws 107/08, BeckRS 2008, 23446; KG, Beschluss vom 10.05.2012 – 4 Ws 42/12, NStZ-RR 2013, 218, 219; KK-StPO/MüKoStPO/Neuheuser, 2. Aufl., § 305 Rn. 17) oder auch die Entscheidung über die Nichteinbeziehung einer Nachtragsanklage (vgl. etwa Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 266 Rn. 24) hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss demnach eine die weitere Verfahrensgestaltung betreffende Entscheidung getroffen, die auf Grundlage des Vorstehenden dem Prozessurteil vom 24.06.2024 sachlich und zeitlich vorgelagert gewesen ist….“

StPO II: Sitzenbleiben und Richterunterbrechung, oder: Ungebühr, Ordnungsmittel, Protokoll, Rechtsmittel

© canstockphoto5259235

Im Mittagsposting habe ich dann zwei Entscheidungen zur Ungebühr in der Hauptverhandlung und zu den Maßnahmen des Gerichts und den Rechtsmitteln. Da sich diese Fragen immer wieder um dieselbe Problematik drehen, die ich hier schon häufiger vorgestellt habe, gibt es aber nur die Leitsätze der Entscheidungen. Das sind:

    1. Bei der in § 181 Abs. 1 GVG geregelten Beschwerde gegen Ordnungsmittel handelt es sich nach um eine sofortige Beschwerde im Sinne des § 311 StPO.
    2. Bei der Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr muss im Protokoll der Vorfall so deutlich festgehalten sein, dass das Beschwerdegericht den Grund und die Höhe der Sanktion ohne eigene Erhebungen überprüfen kann.
    3. Ein ungebührliches Verhalten kann in dem demonstrativen Sitzenbleiben während der Urteilsverkündung trotz entsprechender Aufforderung seitens des Gerichts sowie in einer (wiederholten) Unterbrechung des Gerichts während der Urteilsverkündung liegen.
    1. Bei Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr nach § 178 GVG sind gemäß § 182 GVG der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen. Dabei muss der Sachverhalt so deutlich dargestellt werden, dass das Beschwerdegericht nachprüfen kann, ob eine Ungebühr vorlag. Die Niederschrift muss ein so deutliches Bild von dem Vorgang geben, dass der Grund und die Höhe der Sanktion ohne Weiteres nachzuprüfen sind. Wertungen oder abstrakte Darstellungen sind mangels Subsumierbarkeit ungenügend. Wesentliche Lücken können nicht durch dienstliche Erklärungen oder sonstige. Beweiserhebungen ausgefüllt werden.
    2. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch in Fällen, in denen der Beschwerdeführer das dem Ordnungsmittel zugrundegelegte Verhalten als solches nicht bestreitet. Dies erlaubt es dem Beschwerdegericht ausnahmsweise, für die Prüfung des Ordnungsgeldbeschlusses auch auf außerhalb des Hauptverhandlungsprotokolls liegende Quellen, etwa einen Nichtabhilfebeschluss, zurückzugreifen.
    3. Vor der Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 178 GVG ist dem Betroffenen im Regelfall rechtliches Gehör zu gewähren. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch unter anderem dann, wenn der Betroffene in zeitlicher Nähe vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes wegen eines vergleichbaren Verhaltens ermahnt worden und ihm dieses Ordnungsmittel dabei bereits angedroht worden war.