Im zweiten Posting dann der LG München I, Beschl. v. 26.05.2025 – 16 Qs 20/25, den ich auch an einem „Pflichti-Tag“ hätte bringen können. Aber er passt auch heute ganz gut.
Das AG hatte gegen den Angeklagten einen Strafbefehl erlassen, der der Verteidigerin am 01.10.2024 zugestellt wurde. Die hat fristgerecht Einspruch eingelegt.
In der Hauptverhandlung vom 08.04.2025 vor dem AG beantragte die Verteidigerin ihre Beiordnung als Pflichtverteidigerin. Diesen Antrag lehnte das AG in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2025 durch Beschluss, der in der öffentlichen Hauptverhandlung verkündet wurde, ab.
Mit Schriftsatz vom 16.04.2025, eingegangen am 16.04.2025, beantragte die Verteidigerin dann Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und legte zeitgleich sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG ein. Die hatte beim LG in der Sache keinen Erfolg, das LG hat das Rechtsmittel aber als zulässig angesehen. Dazu führt es aus:
„Die gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Soweit die sofortige Beschwerde erst nach Ablauf der am 15.04.2025 endenden Beschwerde-frist eingelegt wurde, war dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 44 StPO.
Der Beschwerdeführer hat durch die anwaltliche Versicherung der Richtigkeit des Sachvortrags glaubhaft gemacht, dass er den Auftrag zur Einlegung der sofortigen Beschwerde bereits am 08.04.2025 und damit vor Fristablauf erteilt hat und die Fristversäumung auf einem Versäumnis seiner Verteidigerin beruhte. Das Verschulden der Verteidigerin ist dem Beschwerdeführer nach Ansicht der Kammer nicht zuzurechnen. Zwar kann der Beschwerdeführer in Fällen, in denen es nicht um den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch geht, auch für das Verschulden seines Verteidigers einstehen (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, § 44 Rn. 18a). Der Antrag auf Beiordnung der Rechtsanwältin pp. als Pflichtverteidigerin betrifft zur Überzeugung der Kammer aber jedenfalls mittelbar auch den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch, da eine Entscheidung hierüber im vorliegenden Verfahren noch nicht getroffen wurde.
Im Übrigen enthält die StPO anders als § 85 Abs. 2 ZPO keine Regelung, wonach das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden des Vertretenen gleichsteht. Eine solche Verschuldenszurechnung erscheint im Strafverfahren auch unbillig, da anders als bei einer Vertretung im Zivilverfahren der rechtskräftig Verurteilte keinen Haftungsprozess gegen seinen Anwalt anstrengen kann. Weder kann er bei einer Geldstrafe wegen deren punitiver Funktion Schadensersatz verlangen noch den Anwalt an seiner statt eine Freiheitsstrafe verbüßen lassen (vgl. MüKoSt-PO/ Valerius, 2. Aufl. 2023, StPO § 44 Rn. 55, beck-online).
Die Anwendung des Rechtsgedankens des § 85 Abs. 2 ZPO, wie beispielsweise bei sofortigen Beschwerden gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 464 Abs. 3 StPO, welche in ihrem Wesen und ihren Auswirkungen mit Schuldtiteln über Geldforderungen vergleichbar sind (vgl. NJW 2023, 3304 Rn. 10, beck-online), kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.
Im Übrigen ist ein eigenes Verschulden des Angeklagten vorliegend nicht erkennbar.
Der Wiedereinsetzungsantrag wurde innerhalb der in § 45 StPO vorgesehenen Wochenfrist formgerecht gestellt und die versäumte Handlung nachgeholt.
2. Die zulässige sofortige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Es liegt kein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1 StPO vor…..“