Und dann habe ich zum Tagesschluss hier noch den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.03.2025 – 1 Ws 33/25.
Das LG hat die Berufung des vom Verteidiger für den Angeklagten gegen ein Urteil des AG sowie seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt. Die hatte Erfolg, soweit das LG die Berufung als unzulässig verworfen hat. Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung richtete, hat das OLG klar gestellt, dass ist eine Entscheidung des OLG nicht veranlasst war, da keine Frist versäumt wurde:
„Entgegen der Annahme des Landgerichts hat der Verteidiger für den Angeklagten am 19.09.2024, mithin innerhalb der Frist des § 314 Abs. 1 StPO, gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 19.09.2024 in zulässiger Weise Berufung eingelegt. Entsprechend § 32d S. 2 StPO erfolgte die Übermittlung der Berufungsschrift an das Amtsgericht Karlsruhe mittels eines mit qualifizierter Signatur des Verteidigers versehenen elektronischen Dokuments. Dass die „übliche“ Berufungsschrift – wohl versehentlich – nicht beigefügt war, schadet nicht, da sich aus der vom Verteidiger übermittelten Datei Amtsgericht_Karlsruhe_19_Ds_940_Js_51573_22.pdf zweifelsfrei sein Wille, gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 19.09.2024 Berufung einlegen zu wollen, entnehmen lässt.
Die Einlegung der Berufung ist eine Prozesserklärung iSd §§ 296 ff. Es ist nicht vorgeschrieben, diese Erklärung inhaltlich mit bestimmten Worten abzugeben. Sie muss nur mit hinreichender Deutlichkeit den Anfechtungsgegenstand sowie die Person und den Anfechtungswillen des Erklärenden erkennen lassen (OLG Bamberg, Beschl. v. 8.9.2016 – 3 OLG 7 Ss 78/16, BeckRS 2016, 111077; BeckOK StPO/Eschelbach § 314 Rn. 2, 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67 Aufl. 2024, Einl Rn. 28). Die Erklärung muss sich in unterscheidungsfähiger Weise auf das angefochtene Urteil beziehen. Wie es bezeichnet wird, ist unerheblich. Es muss nur Klarheit über die Erklärung eines unbedingten Anfechtungswillens in Bezug auf ein bestimmtes Urteil herrschen.
Hiervon ausgehend und unter Beachtung des allgemeinen Grundsatzes, dass eine formgerecht eingereichte Erklärung wohlwollend auszulegen ist (BeckOK StPO/Eschelbach § 314 Rn. 2), genügt die übermittelte Anlage diesen Anforderungen. Denn darin werden vom Verteidiger sowohl das Gericht, dessen Urteil angefochten werden soll, und das gerichtliche Aktenzeichen genannt, in der Betreff-Zeile (durch welche nach allgemeinem Verständnis die Beziehungen zwischen Übermittler und Empfänger in Beziehung zu einer bestimmten Thematik oder zu einer erforderlichen Aktion aussagekräftig hergestellt werden soll) der Name des Angeklagten mit dem Stichwort „Berufung“. In der nächsten Zeile wird auf eine (nicht übermittelte) Anlage hingewiesen, deren Inhalt aber wie folgt bezeichnet wird: „Berufung gegen das Urteil vom 19_09_2024.pdf“.
Aus diesen Angaben ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass der Verteidiger für den Angeklagten gegen das am 19.09.2024 verkündete Urteil Berufung einlegen will. Durch den Hinweis auf die fehlende Anlage wird die Einlegung der Berufung nicht nur angekündigt, sondern der Anfechtungswille des Angeklagten, dessen Verteidiger das Dokument qualifiziert signiert hat, deutlich. Dass dieser nicht in einem vollständigen Satz Ausdruck findet, schadet nicht, da eine andere Deutung als die, Berufung einlegen zu wollen, aus verständiger Sicht ausscheidet.“