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Rette dich, wer kann/will – das LG München tut es, aber: An sich selbstverschuldet

Mal wieder das (unwürdige) Spiel um die gesetzlichen Gebühren (vgl. Beschl. des LG München v. 09.04.2010 – 1 Qs 22/10):

In einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung will sich der Geschädigte als Nebenkläger anschließen. Das wird mit Schriftsatz seinen Rechtsanwalts beantragt. Ebenfalls beantragen „wir“ Prozesskostenhilfe für die Nebenklage unter Vorlage einer Erklärung zu den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten. Die Nebenklage wird zugelassen, Gleichzeitig wird dem Nebenkläger PKH gewährt. Dieser Beschluss wurde dem Angeklagten, dessen Verteidiger, dem Geschädigten („Nebenkläger“) und dem „Nebenklagevertreter“ mitgeteilt. Eine ausdrückliche Bestellung als Nebenklagevertreter wird bis zum Abschluss des Hauptverfahrens weder beantragt noch ist sie erfolgt. Eine nachträgliche Beiordnung wird abgelehnt. Auf den Kostenfestsetzungsantrag dann der Bescheid: Gibt nichts.

Auf die Beschwerde sagt das LG:

„Die vom Amtsgericht mit Beschluss vom 10.03.2009 bewilligte Prozesskostenhilfe ist als konkludente Bestellung eines Rechtsanwalts als Nebenklagevertreter gemäß § 397 a Abs. 2 i.V. m. mit Absatz 1 S. 4 StPO auszulegen (vgl. BGH 1 StR 391/06). Gemäß § 397a Abs. 2 StPO wird die PKH dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts unter bestimmten Voraussetzungen bewilligt. Die Bestellung des Rechtsanwalts ist gemäß § 397 a Abs. 2, Abs. 1 S. 4 i.V. m. 142 Abs. 1 StPO nicht abhängig von einem Antrag des Rechtsanwalts, sondern erfolgt durch das Gericht. Da das Gericht die von dem Geschädigten und dessen Anwalt beantragte Zulassung der Nebenklage und deren dazugehörigen PKH-Antrag auch gegenüber dem Nebenklagevertreter verbeschieden hat, ist die Bestellung des Nebenklagevertreters, an den der entsprechende Beschluss auch zugesandt wurde, konkludent damit erfolgt. Eine über den Rechtszug hinausgehende Beiordnung des Beschwerdeführers im Sinne des. § 397 a Abs. 1 StPO ist durch die Bestellung nicht erfolgt, da letztere nur im Rahmen der für den jeweiligen Rechtszug bewilligten Prozesskostenhilfe bestimmt ist (vgl. LG Detmold, 4 Qs 22/09). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die im Beschluss vom 10.032009 zugelassene Nebenklage in Verbindung mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts anzusehen als konkludente Bestellung des antragstellenden Rechtsanwalts zum Nebenklagevertreter.“

Alles in allem: Die gesetzlichen Gebühren des Nebenklagevertreters sind gerettet. Nur: Mit ein bisschen mehr Sorgfalt wäre die Rettungsaktion nicht nötig gewesen.

Für alle Nebeklagemausis und -mäuseriche

ist die Entscheidung des BGH v. 24.0610.2010 – 3 StR 156/10 interessant und beachtenswert. In der geht es um den Austausch des Nebenklagevertreters in der Revisionsinstanz. Der BGH führt dazu aus:

Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Die Beistandsbestellung durch das erstinstanzliche Gericht wirkt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens fort und erstreckt sich somit auch auf die Revisionsinstanz (BGHR StPO § 397 a Abs. 1 Beistand 2 und 3; BGH, Beschl. vom 7. Mai 2003 – 2 StR 88/03). Ein Wechsel in der Person des Beistandes könnte in entsprechender Anwendung des § 143 StPO nur durch Rücknahme der ursprünglichen Beiordnung und Bestellung eines neuen Beistandes in Betracht kommen (BGH, Beschl. vom 15. März 2001 – 3 StR 63/01). Die Nebenklägerin hat jedoch nichts vorgetragen, was den Wechsel in der Person des Beistands rechtfertigen könnte. Zudem hat Rechtsanwalt P. nicht nur an der mehrtägigen Hauptverhandlung vor dem Landgericht teilgenommen, er hat auch eine ausführliche und die besondere rechtliche Situation (Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers – § 400 StPO – bei Angriffen allein gegen das vom Landgericht angenommene Konkurrenzverhältnis zwischen mehreren Taten) berücksichtigende Revisionsbegründungsschrift gefertigt. Der Wechsel eines Mitarbeiters aus der Kanzlei von Rechtsanwalt P. in die Kanzlei von Rechtsanwalt Jo. ist kein Grund für die Rücknahme der Bestellung von Rechtsanwalt P. „.

Was lernen wir daraus?

  1. Die einmal erfolgte Bestellung gilt bis zur Rechtskraft fort. Macht sich nie so gut, wenn man erneute Bestellung beantragt.
  2. Für die Entpflichtung gelten dieselben Regeln wie für die Entpflichtung des Pflichtverteidigers. Also muss man „Butter bei die Fische tun“ = Antrag begründen.

Dauerbrenner beim BGH: Revision des Nebenklägers

Wenn man die Revisionsrechtsprechugn des BGH verfolgt, stellt man schnell fest: Einer der Dauerbrenner ist die Revision des Nebenklägers. Viele der Revisionen werden verworfen, weil § 400 StPO nicht beachtet wird. Danach kann der Nebenkläger ein urteil nur mit dem Ziel einer Schuldspruchänderung anfechten, was zur Folge hat, dass dazu in der Revisionsbegründung vorgetragen werden muss. das wird häufig übersehen, was zu Verwerfungen führt (vgl. zuletzt Beschl. v. 09.06.2010 – 2 stR 146/10). Also: Aufgepasst

Anschlusserklärung des minderjährigen Nebenklägers unwirksam

Für diejenigen, die häufiger Nebenkläger vertreten, ist die Entscheidung des KG v. 22.03.2010 – 4 Ws 6/101 – von Bedeutung.

Das KG hat noch einmal darauf hingewiesen, dass die Anschlusserklärung eines minderjährigen Verletzten nach § 396 StPO nur wirksam ist, wenn der Personensorgeberechtigte ihn bei dieser Prozesserklärung vertritt oder der Erklärung des Minderjährigen zustimmt. Das KG untersucht dann zwar die Nebenklagevorschriften darauf, ob sie eine Auslegung dahingehend zulassen, dass ein minderjähriger Nebenklageberechtigter mit Vollendung des 14. Lebensjahres (prozessual) handlungsfähig ist und ohne Zustimmung seines Personensorgeberechtigten wirksam den Nebenklageanschluss erklären kann – Letztlich entscheidet es sich aber gegen eine solche Auslegung. Ihr stehe entgegen, dass damit ein Wertungswiderspruch zum materiellen Recht entstünde.

Wochenspiegel für die 14. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Hier eine kleine Zusammenstellung interessanter Themen der letzten Woche(n).

  1. Im österlichen Treiben unterhalten hat vielleicht „Schröder – Steinhöfel – Käßmann – ein schönes Gemetzel“ oder „Auf dem Friedrichswall nachts um 11…“ oder „Schröder – Steinhöfel – Käßmann II“ oder der Teil III hier War da nicht auch schon mal was mit den angeblich gefärbten Haaren?  Man darf gespannt sein, wie es weiter geht.., jedenfalls zunächst mal so.
  2. Gut zu unserem Beitrag vom 25.03.2010 „Jura novit curia…“ passt dieser Beitrag zur Pflichtverteidigerbeiordnung bei anwaltlich vertretener Nebenklage“ . „Jura novit curia“ eben doch nicht :-).
  3. Mit Vollmachtsfragen befasst sich mal wieder der Beitrag „Ohne Vollmacht fährt man(dant) oft besser„.
  4. Über das „Handy vom Wärter wurde hier berichtet.
  5. Um „Notwendige Verteidigung bei Einholung eines Sachverständigengutachtens„- m.E. an sich eine Selbstverständlichkeit macht sich „Strafprozesse und andere Ungereimtheiten“ Gedanken.